Als Santa Cruz das Blur TRc vorstellte, dachte ich: Musst Du haben. Dann sah ich den Preis und dachte: Vielleicht doch nicht. Dieses Jahr wurde dann endlich das Blur TRa geboren, die Alu-Version für alle, die nicht 3400€ nur für Rahmen und Dämpfer ausgeben. Wir haben rausgefunden, ob auch in der preisbewussteren Version steckt, was sein teurer Bruder sein soll: Ein spaßiges, ultra-leichtes Fahrrad mit Qualitäten für anspruchsvollere Trails.

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# Der Prüfling: Santa Cruz Blur TR in „günstigem“ Aufbau.

Santa Cruz Bikes selbst geben an, dass das Blur TR für sie gleich drei Zwecke erfüllt:

  1. XC-Fahrern ein Fahrrad für steileres, heftigeres Terrain geben, ohne aufs Gewicht zu drücken
  2. Downhillern ein XC-Bike zu geben, auf dem sie Spaß haben
  3. Das viel besungene Blur 4X wieder auferstehen zu lassen. Leichter, aber immer noch mit aggressiver Geometrie.

Dafür bietet das Blur TR – egal aus welchem Werkstoff – 125mm Federweg, einen VPP-Hinterbau, „eine moderne Geometrie mit knackiger Sitzposition, langem Hauptrahmen und flachem Lenkwinkel.“ Das alles soll das Blur TR zu einem Rad machen, das „Kategorien verweigert und ein Liebling in der Enduro-Rennszene geworden ist.“ – Das weckt schon mal ziemlich hohe Erwartungen.

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# Auch ohne Bling-Bling-Parts und Carbon eine schöne Erscheinung.

Der Alu-Rahmen weist dabei die gleiche Hinterbaukinematik wie sein Carbon-Zwilling auf, auch die Geometrie ist identisch. Die Unterschiede: Die Farbe, einige Formen, die in Carbon glatter aussehen, und das Gewicht: 3,0kg wiegt die Alu-Version, nur 2,13kg das Carbon-Pendant. Damit sind Rahmen und Dämpfer fast 50% schwerer, andererseits lassen sich auch anderswo leicht durch den Einsatz von ungefähr 1150€ (Differenz Rahmenpreise) die angesprochenen 900g sparen.

Thema: Preis

Wie auch immer, wir wollten ja gerade ein „vernünftiges“ Santa Cruz fahren – ob man das bei 4070€ behaupten kann? Wohl wirklich nur in direktem Vergleich zu dem, was man sonst aus Kalifornien kriegt: das fünfstellige Bronson beispielsweise. Warum die Räder so teuer sind? Mal abgesehen davon, dass man bei Santa Cruz mit einem beachtlichen Weltcup-Rennteam und beachtlicher Rahmenentwicklung natürlich auch beachtliche Kosten hat, muss auch der deutsche Importeur Shock Therapy einiges bezahlen. Neben Steuern und Zoll frisst vor allem die Luftfracht viel Geld. Der Vorteil der Luftfracht: Shock Therapy wird 13 Mal pro Jahr von Santa Cruz beliefert. Wenn der Traum-Rahmen nicht in Wunschfarbe oder der passenden Größe lieferbar sein sollte, wird der Kunde maximal 4 Wochen auf die Folter gespannt. Außerdem werden die Räder in Deutschland über Händler verkauft, macht zwei zusätzliche Zwischenschritte, die Geld kosten. Die Vorteile: Beratung, Verfügbarkeit, Marken-Präsenz.

Generell führen für Leute mit nicht unbegrenzt dickem Geldbeutel ja zwei Wege zu einem Lust-Objekt, wie es ein Santa Cruz darstellt. a.) Der Kauf eines Preis-Leistungs-Schlagers + Kauf eines Nobel-Rahmens und b.) Der Kauf eines günstig aufgebauten Nobel-Rahmens, dann nach und nach Upgrade der Komponenten, die daran stören. Mit dem von uns gefahrenen Blur TR im R-Kit kann man den zweiten Weg gehen, schauen wir uns also an, was man für etwas mehr als 4000€ geliefert bekommt.
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# Das Fahrwerk, bestehend aus Fox CTD-Komponenten, kann sich durchaus sehen lassen. 

Der Rahmen: Durchaus schön gemacht, aber nicht das Kunstwerk, dass die Carbon-Version darstellt. Klar, man hat ja auch nicht dafür bezahlt, dennoch haben wir auch an deutlich günstigeren Rahmen schon schönere Ausfallenden gesehen, nur um mal ein Beispiel zu nennen. Auch erschreckend: An dem uns gelieferten Neurad ist an der Scheibenbremsaufnahme schon der schöne rote Lack abgeplatzt; Autsch, das sticht im Herz.


# Lack-Abplatzer und gar nicht mal so schönes Ausfallende.

Was ist sonst noch drin im „R XC KIT“? Als Dämpfer immerhin ein Fox Float CTD und auch die Fox 32 Float CTD 130 Gabel zählt nicht zum billigen, sondern mittleren Fox-Segment. Das sollten Teile sein, die man durchaus länger fahren kann. Davon abgesehen wird aber gespart, wo es nur geht: Der Antrieb besteht aus einem Shimano SLX / Deore Mix mit 3X10 Übersetzung, auch die RaceFace Ride Komponenten oder das WTB-Shimano Laufrad reißen niemanden vom Hocker. Das sollen die Teile eines günstigen Aufbaus natürlich auch nicht, aber immerhin hat man hier gerade einen hohen vierstelligen Betrag überwiesen. Am Ende bleibt die Waage bei 12,8kg ohne Pedale stehen, der Wert geht für ein Alu-Trailbike gerade so noch in Ordnung.

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# An der Schaltung wurde der Rotstift angesetzt: Deore und SLX-Komponenten.

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# Günstige Avid Elixir Bremsen, die den Job im gemäßigten Einsatz aber gut erledigen. 

Hier der Überblick über die Ausstattung:

  • Gabel: Fox 32 Float CTD 130
  • Dämpfer: Fox Float CTD
  • Schaltwerk: Shimano SLX Shadow Plus
  • Umwerfer: Shimano Deore
  • Schalthebel: Shimano SLX 10-fach
  • Kurbel: Shimano Deore 24/32/42
  • Kassette: Shimano SLX 11-36
  • Bremsen: Avid Elixir 5 mit 160mm Rotoren
  • Lenker: RaceFace Ride Lowriser 710mm
  • Vorbau: RaceFace Ride 70mm
  • Sattelstütze: RaceFace Ride 30.9
  • SatteL: WTB Volt Race
  • Laufradsatz: WTB ST i19 TCS auf Shimano XT Naben, DT Speichen und Nippeln
  • Reifen: Maxxis Crossmark

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Vielleicht gleich vorab auch ein Wort zu den Rahmengrößen: Das Blur TR fällt, wie viele Santa Cruz Rahmen, recht kurz aus. Normalerweise fahre ich mit 1,77m immer Rahmengröße M. Shock-Therapy hatte nur ein Testrad in L, was sich aber mit einem kürzeren Vorbau bei meiner Größe perfekt als Trailbike fahren ließ. In Rahmengröße M würde das Blur TR wohl tatsächlich zum Spielzeug. Je nachdem, ob man das will, sollte man eventuell eine Rahmengröße größer wählen.

Auf dem Trail

Wir haben mit dem Blur TR viel Strecke in weniger anspruchsvollem, flacheren Terrain gemacht, aber auch mal den ein oder anderen knackigen Anstieg mit anschließender Abfahrt attackiert.

Uphill

Wie schon angedeutet: Mit 1,77 sitze ich bei Verwendung eines 50mm Vorbau in einer moderat gestreckten Position auf dem kurzen L-Rahmen. Bei der eigentlich passenden Größe M würde die Sitzposition mit dem verbauten 70mm Vorbau ähnlich gut passen. Die Crossmark-Reifen rollen leicht, der VPP-Hinterbau zeigt seine Stärke in jedem Terrain. Asphalt oder Schotterpiste? Ruhe am Heck. Wurzelige Bergauf-Passagen? Das Ding lebt auf und ist beeindruckend aktiv, der Fox-Dämpfer weiß dabei ein übermäßiges Aufschaukeln gut zu unterbinden. Stattdessen fährt das Rad bei 25% Sag wirklich angenehm komfortabel bergauf, sehr schön. Die Lagerung läuft einfach gut, auch dank Nachschmier-Nippeln sollte das auch lange so bleiben. Dank der eher niedrigen Front und der 3×10-Übersetzung klettert man auch steile Anstiege behänd bergauf. Die Gabel arbeitet wenig belastet nicht ganz so aktiv, wie man es sich wünschen würde. Die Modi Climb und Trail haben wir insgesamt absolut nicht gebraucht.

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# Ein Rad zum Rasen, vor allem in abwechslungsreichem Geläuf.

Auf und Ab

Treten, Schalten, Treten, Schalten und nach wenigen Kurbelumdrehungen findet man sich auf dem dritten Kettenblatt. Das leicht rollende und Geschwindigkeit-haltende Blur TR beschleunigt nämlich fantastisch. Den Hinterbau kann man ganz offen lassen, da wippt ohnehin nur sehr wenig, das Treten fällt leicht und die 125mm Federweg am Heck bügeln auch im Sitzen mehr, als man ihnen zutrauen mag. Die Sitzposition lässt Vorder- und Hinterrad gleichmäßig belastet, sodass man in Kurven über ausreichend Grip verfügt und beruhigt vor sich hin schießen kann. Tatsächlich fällt das große Kettenblatt (weil es an einer 3-fach Garnitur ja weit rechts montiert ist und nicht mit großen Ritzeln harmonieren will) häufig zu groß aus, es wäre wünschenswerter, einen 2×10-Aufbau oder gar – das bietet Santa Cruz übrigens für mehr Geld an – einen 1×11-Aufbau zu fahren. Er würde dem Rad, welches dank seiner Geometrie und Federung sehr gut für zackiges Auf und Ab geeignet ist, besser stehen.
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# Sehr gute Gewichtsverteilung und vorhersehbares Kurvenverhalten.

Downhill

In der Abfahrt erlebe ich ein Déjà-vu und fühle mich einige Jahre zurück versetzt: Ich haue mir den nicht abgesenkten Sattel in den Brustkorb, hatte schon vergessen, wie sich das anfühlt. Während der Sattel generell für eine sehr gute Sitzposition sorgt, ist er bergab nämlich ganz schön im Weg. Mangels Teleskopstütze, aber auch weil man mit dem schnellen Rad viel im Flow unterwegs sein will, geht man Abfahrten dennoch mit hohem Sattel an und kassiert die Quittung dafür.
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# Das Fahrwerk kann bergab einiges, der Sattel sollte allerdings runter dafür…

Beim Überfahren von Steilstufen fällt auf, dass das Rad (auch weil wir ein eher zu großes Rad gefahren sind) erst mit dem kurzen Vorbau motiviert aufs Hinterrad geht, was am sensiblen Hinterbau und der niedrigen Front liegt. Mit etwas Eingewöhnung kriegt man jedoch auch den größeren Rahmen dazu und droppt sicher bergab – mit dem Blur TR in klassisch passender Rahmengröße kriegt man das spritzige, verspielte Fahrverhalten, das versprochen wurde. Trotz des eher steilen Lenkwinkels von 68° und der Gabel, die leider nicht mit dem Hinterbau auf Augenhöhe ist, läuft das Rad bei hoher Geschwindigkeit sehr gut, auch wenn Reifen und Laufrad hier daran erinnern, dass man mit einem Trailbike und nicht mit einem ausgewachsenen Enduro auf Sekunden-Jagd geht.

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# Der Rahmen hat das größte Bergab-Potential – Gabel, Laufrad und Bremsen hemmen früher. 

In der Luft macht sich wieder die ausgewogene Gewichtsverteilung mit 430er Kettenstreben positiv bemerkbar, und obwohl das Heck sehr schluckfreudig ausfällt, pumpt man sich erfolgreich von kleinen Wellen gen Himmel. Stempelt man über Steilstufen bergab, sollte man nicht nur den Sattel absenken, sondern auch auf sein Kettenblatt und vor allem den Rahmen aufpassen, der unter dem Tretlager recht tief baut. Bei uns kam es aber nicht zu unerwünschtem Bodenkontakt. In gemäßigten Abfahrten reicht die Elixir 5 Scheibenbremse mit 160er Scheiben bei meinen 70kg aus, schwerere Fahrer oder längere Abfahrten verlangen aber sicher zumindest nach großen Bremsscheiben. Für den Einsatzzweck geht die Bremse aber noch in Ordnung.

Anmerkungen zur Ausstattung

Keine der Komponenten hat den Geist aufgegeben. Was wir an einem Fahrrad, das einen solch guten Kompromiss zwischen Uphill- und Downhill darstellt, jedoch vermisst haben: Eine Teleskopstütze. Der Rahmen ist mit Stealth-Stützen kompatibel und kann dadurch nur zu einem noch besseren Allrounder werden. Lenker und Vorbau sind zwar keine Leichtgewichte, kommen aber zumindest in den für den Einsatz richtigen Maßen. Am Laufrad lässt sich leicht Gewicht sparen, selbiges gilt für Kurbel und Antrieb allgemein. Immerhin verfügt das Schaltwerk über eine Dämpfung, außer Gewicht lässt sich hier also nicht viel mehr Performance kaufen. Das Fehlen einer 2-Fach Kurbel verstehen wir angesichts der Preisunterschiede im EK und der Tatsache, dass man die Entfernung eines Kettenblattes dem geneigten Kunden einfach mal zutraut.

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Fazit

Für den Preis kriegt man beim Versender ein vollausgestattetes Luxus-Rad – aber eben keinen Santa Cruz Rahmen mit eindeutiger Marken-Identität und dem ausgezeichneten VPP-Hinterbau. Was macht glücklicher, XTR oder VPP? Schlussendlich muss das jeder für sich entscheiden, wir können hier nur sagen: Die Ausstattung funktioniert, der Rahmen funktioniert ausgezeichnet. Beim Versender ist das genau andersrum, vom subjektiven Faktoren wie dem Marken-Image wollen wir mal nicht anfangen. Geometrie und Hinterbau-Performance des Santa Cruz sind über jeden Zweifel erhaben, mit einem 2×10 oder 1×11-Antrieb und Teleskopstütze ergibt sich ein uneingeschränkt zu empfehlendes Trailbike, mit dem man von Alpen-Cross bis Enduro-Rennen alles angehen kann. Wer gleich selber aufbauen will, kriegt den Rahmen für 2149€ mit Dämpfer in Rot oder Schwarz. Wer mehr eher auf längere Strecken aus ist, sollte eine Rahmengröße größer wählen, was für typische XL-Typen schwierig wird. In „normaler“ Rahmengröße ist das Blur TR ein Spielzeug, mit dem es sich dank effizientem Hinterbau immer noch vorzüglich rasen lässt.

+ Hinterbau-Performance, Abschmier-Nippel damit das lange so bleibt
+ Ausgewogene Geometrie
+ Gute Komponenten dort, wo Nachrüsten viel Geld kosten würde: Beim Fahrwerk

– Lack-Qualität
– Preis (siehe Anmerkungen)

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Redaktion: Stefanus Stahl
Fotos: Tobias Stahl
Hersteller-Homepage: Santa Cruz Bikes

  1. benutzerbild

    san_andreas

    dabei seit 02/2007

    Definitiv gibts da andere.

  2. benutzerbild

    Kharne

    dabei seit 05/2012

    Ghost? Hässlicher gehts kaum...

  3. benutzerbild

    °Fahreinheit

    dabei seit 12/2008

    Definitiv gibts da andere.

    Ja ich glaub, das wird hier nichts smilie. Aber danke.
  4. benutzerbild

    ewoq

    dabei seit 11/2004

    falls jemand die edelvariante in carbon sucht ... siehe signatur.

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