Shimano XTR M9120-Bremse im Test: Besonders lange ist die neue XTR-Gruppe noch nicht auf dem Markt, dafür bereits durchaus erfolgreich und in den prestigeträchtigsten Rennserien der Welt fester Bestandteil an den Bikes der Profis. Ob Richie Rude, Gewichtsfetischist Loris Vergier oder Multitalent Martin Maes – ob DH-Rad oder Enduro-Bike – die XTR trägt mit zu ihrem Erfolg bei. Braucht es da überhaupt noch eine waschechte DH-Bremse wie die Saint? Wir sind die Vierkolben-XTR ein ganzes Jahr gefahren. Schwere Testpiloten, Fliegengewichte, lange Abfahrten und Alltagseinsatz – wo fühlt sie sich zu Hause?
Shimano XTR M9120-Bremse – Infos und Preise
Während sich der Shimano XTR M9100-Antrieb an ein recht breites Spektrum an Piloten wendet, wird bei der Bremse ein Unterschied gemacht. Zweikolben-Bremspower mit Shimanos XTR M9100-Bremse sollen reichen, wenn man sich mehr auf dem XC-Bike aufhält. Für schwere Fahrer und den Trail- bis Enduro-Einsatz wurde die XTR M9120 gebaut. Auch an den Downhillbikes diverser Shimano-Piloten war sie schon im Einsatz zu sehen.
Hauptsächlicher Unterschied zwischen den beiden MTB-Bremsen: M9100 setzt nur auf zwei Kolben, M9120 auf die Bremskraft von vier Kolben. Auch am Hebel gibt es Unterschiede: Während die Zweikolben-Bremse auf minimales Gewicht getrimmt wurde, soll man mit der Vierkolben-Bremse möglichst gute Bedienbarkeit erhalten. Dazu später mehr.
- Bremsflüssigkeit Mineralöl
- Hebel Shimano Servowave BL M9120
- Sattel 4 Kolben
- Einstellungen Hebelweite (werkzeuglos), Free Stroke
- Material Alu
- Bremsbeläge organisch, metallisch
- Bremsscheiben Shimano Freeza
- Farbe grau-metallic
- Gewicht
- bike.shimano.com
- Preis 199 € pro Bremse (UVP) | Bikemarkt: Shimano XTR M9120 kaufen
In der Hand
Wer nicht gerade auf Fräskunst à la Hope abfährt, der wird bei der XTR-Bremse weiterhin schwitzige Finger bekommen: Superschicke Oberflächen, tolle Formen, alles wirkt dem Preis absolut gerecht, modern, aber nicht aufdringlich. Rein optisch haben die Japaner ein weiteres kleines Kunstwerk geschaffen. Vorerst mal genug Lobhudelei – schauen wir uns die Bremse im Detail an.
Bremssattel
Mit der XTR brachte Shimano einen neuen Bremssattel auf den Markt. Nachdem die bisherigen Vierkolben-Bremssättel von XT M8020, Saint M820 und Zee M640 den gleichen Formen entsprungen sind, wurde der Sattel für die neuen Komplettgruppen angepasst. Nicht nur optisch wurde verändert, auch die Konstruktion der Bremszange wurde überarbeitet. Gleich geblieben ist der Kolben-Durchmesser der vier Bremskolben. Shimano verbaut zwei 15 mm und zwei 17 mm Keramik-Kolben, die die Beläge gegen die Scheibe drücken.
Zu den Änderungen: Der bisherige XTR-Bremssattel war einteilig ausgeführt, für den Wechsel auf vier Bremskolben setzt Shimano nun wieder auf einen zweiteiligen Sattel. Die zwei Hälften sind mit Schrauben verbunden. An anderer Stelle als bisher sitzt außerdem die Entlüftungsöffnung. Shimanos One-Way-Bleeding-System soll so optimiert worden sein, dass die Bremse sich möglichst einfach entlüften lässt und ein Hin- und herpumpen des Bremsmediums nicht nötig ist. Konkret an der XTR bedeutet das: Die Öffnung sitzt an der dem Leitungsanschluss gegenüberliegenden Seite. So positioniert sollen sich keine Luftbläschen mehr im Bremssattel verstecken können.
Der optisch stärker gerundete Bremssattel ist auch intern mehr gerundet, verbesserte Kanäle sollen für verbessertes Strömungsverhalten des Öls sorgen. Weiterhin wichtig für Shimano ist auch das Hitzemanagement an der Bremse: Neben Keramik-Kolben, die die Hitze nicht leiten, sollen Kühlrippen an den Bremsbelägen die Oberfläche vergrößern und so für verbesserte Kühlung sorgen.
Gebereinheit & Hebel
Rein optisch fallen die neuen Geber ähnlich aus, unterscheiden sich in Details aber doch vom Vorgänger. Auffälligste Änderung: Die Klemmschelle wandert in die Mitte der Einheit, weg vom Lenkergriff. An der Seite des Lenkergriffs findet sich aber eine Abstützung der Einheit, die wir in dieser Form schon von anderen Herstellern kennen. Angepasst wurde auch die Schelle selbst, sie klappt jetzt nach oben auf. Als Montagehilfe dient weiterhin eine Arretierung – die Schelle rastet ein, damit der Geber nicht vom Lenker fallen kann. Das neu positionierte Gelenk an der Lenkerklemmung eröffnet die Möglichkeit, unten am Hebel via I-Spec EV den Schalthebel direkt an die Bremse zu koppeln. Kleine Überraschung: Auch die silberne Gewindescheibe von SRAM passt in den Shimano-Hebel, sodass sich das SRAM Schalthebel-Interface montieren lässt, mit dem wiederum die meisten Variostützen-Lenkerhebel kompatibel sind. Von außen erkennt man außerdem: Der Hebel ist wieder aus Alu gefertigt – am Vorgänger hatten wir einen Carbon-Bremshebel abgebrochen.
Hebel- und Geberverbindung stellt weiterhin Shimanos Servo Wave-Übersetzung. Diese schließt möglichst schnell den Spalt zwischen Belag und Scheibe, sorgt danach aber für eine gleichmäßigere Entfaltung der Bremskraft hin, damit die Bremse fein modulierbar bleibt. Analog zu den bisherigen Gebereinheiten für Vierkolben-Bremsen verdrängen auch die neuen XTR-Geber mehr Öl, um die vier Kolben am anderen Ende der Leitung zu betätigen.
Bremsscheiben
Mit den neuen Bremsen kommt auch eine neue Scheibe. In einigen Details unterscheidet sie sich von den vorherigen Scheiben. So ist die Reibfläche neu und der Spider kommt mit geraden Stegen anstelle der bisherigen, in Rotationsrichtung gebogenen. Auch hier wird der Fokus aufs Hitzemanagement wieder klar: Mit den Ice Tec-Scheiben führte der Hersteller bereits recht lange den mehrlagigen Aufbau der Reibfläche im Portfolio. Reibringe aus Stahl, verbunden mit einem Kern aus Alu, sollen für Standfestigkeit auf langen Abfahrten sorgen. Mit Ice Tec Freeza ging man einen Schritt weiter – der Alu-Kern fällt zur Rotationsachse hin wesentlich größer aus, die Alu-Profilelemente in der Mitte vergrößern die Oberfläche, die Wärme an die Umgebung abgeben kann. An den XTR-Bremsscheiben ist der Freeza-Teil schwarz eingefärbt – so sollte die Scheibe noch mehr Wärme abstrahlen.
Angeboten werden die neuen XTR-Scheiben lediglich als CenterLock-Option. Bereits die bisherigen Freeza-Scheiben waren nur mit CenterLock verfügbar – wer 6-Loch-Aufnahmen fahren will, muss auf das Temperaturmanagement-Feature an der Bremsscheibe also zwangsweise verzichten.
Marke | Modell | UVP | Gewicht | Kolbendurchmesser | Bremsbelag Kosten | |
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Formula | Cura 4 | 183,00 € | 249 g (900 mm Leitung) | 4 x 18 mm | 27,99 € (organisch), 36,99 € (metallisch) | Testbericht folgt |
Hayes | Dominion | 235,00 € | 312 g (1.000 mm Leitung) | 4x 17 mm | 29,90 € (alle) | Testbericht lesen |
Magura | MT7 | 219,90 € | 260 g (1.000 mm Leitung) | 4x 17 mm | 15,50 € (Comfort einteilig), 19,90 € (Performance einteilig), 22,90 € (Performance zweiteilig), 29,90 € (Race zweiteilig) | Testbericht lesen |
SRAM | G2 Ultimate | 295,00 € | 242 g (850 mm Leitung) | 2x 14 mm, 2x 16 mm | 24,00 € (metallisch) | Testbericht lesen |
SRAM | Code RSC | 270,00 € | 297 g (1.000 mm Leitung) | 2x 15 mm, 2x 16 mm | 26,00 € (metallisch), | Testbericht lesen |
Shimano | XTR | 199,00 € | 266 g (1.000 mm Leitung) | 2x 15 mm, 2x 17 mm | ca. 17,00 € (organisch), ca. 25,00 € (metallisch) | |
Shimano | XT | 155,00 € | 301 g (1.000 mm Leitung) | 2x 15 mm, 2x 17 mm | ca. 17,00 € (organisch), ca. 25,00 € (metallisch) | |
Shimano | Saint | 279,90 € | 335 g (1.700 mm Leitung) | 2x 15 mm, 2x 17 mm | ca. 20,00 € (organisch), ca. 26,00 € (metallisch) | Testbericht lesen |
Trickstuff | Diretissima | 450,00 € | 234 g (750 mm Leitung) | 2x 14 mm, 2x 17 mm | 24,90 € | Testbericht lesen |
TRP | Quadiem | 219,00 € | 317 g (1.000 mm Leitung) | 4 x 16 mm | 24,90 € (semi-metallisch) | Testbericht lesen |
Montage
Mit entlüfteten, aber nicht vorab abgelängten Leitungen erreicht uns die neue XTR-Bremse zum Test – genau so, wie der Endkunde sie beim Kauf aus der Box zieht. Die Montage gestaltet sich nicht als schwierig, lediglich beim Einsatz verschiedener Lenker-Fernbedienungen für Schaltung oder Variostütze, die nicht via I-Spec EV direkt an der Bremse hängen, wird es etwas umständlich, alles in passender Reichweite zu den Fingern unterzubringen. Aufgrund der geklebten Renthal-Griffe wird unser Aufbau aber ohnehin komplett mit I-Spec aufgebaut. Das Kürzen der Leitungen und Entlüften selbiger ist bei Shimano seit Jahren keine große Herausforderung mehr. Insofern ist die Bremse nach wenigen Minuten in der Werkstatt montiert und einsatzbereit.
Auf dem Trail
Mit Shimanos XTR M9120-Bremse waren wir ein ganzes Jahr lang unterwegs. Lange, fordernde Abfahrten auf der Blumeninsel Madeira und in den italienischen und österreichischen Alpen, Bikepark-Einsätze mit ordentlich Höhenmetern am Tag, aber auch herkömmlicher Alltags-Einsatz sollten die Bremse auf die Probe stellen. So musste die Bremse besonders hohen Ansprüchen an Ausfallsicherheit, Bremskraft, Hitzemanagement, aber auch Dosierbarkeit unter diversen Testfahrern genügen. Dem Vergleich muss sie sich außerdem mit den aktuellen Konkurrenzprodukten sowie der Vorgängerbremse stellen.
Wie man es von einem Bremssystem mit vier Bremskolben erwartet, bietet auch die Shimano XTR Bremskraft en masse. Im Testbetrieb sind wir die schicke Bremse vor allem mit 180/180 mm, aber auch 203/180 mm Bremsscheiben gefahren. In sämtlichen Konfigurationen bieten die Stopper unseren Testfahrern bis knapp 100 kg ausreichend Power, auch für Stoppies, Endos und Co. Ist sie stärker als die Saint? Betrachtet man ausschließlich die Eckdaten, dürfte sie das nicht sein – beide Bremsen setzen auf Kolben mit 17 mm- und 15 mm-Kolben sowie eine ähnliche Geberkolben-Konstruktion. Laut Shimano sollen die Bremsen die identische Bremskraft bieten – auch wir sehen das so.
Definitiv stärker als die M9020 ist die Bremse, im Gegensatz zu dieser hat sie aber auch etwas ihrer grandiosen Dosierbarkeit eingebüßt. Während die Vorgängerbremse noch mit Carbon-Hebel und unabgestützter Gebereinheit ausgeführt war, setzt man jetzt auf die breitere Abstützung und wieder einen Hebel aus Alu. Damit wird das gesamte System bereits am Geber steifer, die Krafteinleitung gelingt direkter, die Dosierbarkeit wird dadurch etwas verschlechtert. Will man auf Biegen und Brechen zum Stillstand kommen, benötigt es an der neuen Bremse weitaus weniger Kraft vom Finger, um zu verzögern.
Hier muss man aber differenzieren: Die Dosierbarkeit bleibt auch an der neuen Bremse auf einem guten Level und ist nicht problematisch. Bei nassen Bedingungen bedarf es aber etwas Gewohnheit: Beim Wechsel zwischen älteren Shimano-Bremsen und der neuen XTR war die verschiedenen Charakteristika direkt spürbar – um nach diesen Wechseln direkt im Matsch fahren, war teilweise etwas Umgewöhnung erforderlich. Die schwereren Testpiloten kamen mit der etwas knackigeren Modulation besser zurecht und lobten diese, vor allem im Vergleich zum Vorgänger.
Hinsichtlich der Standfestigkeit stellten sich mit organischen und metallischen Belägen keine Probleme beim Testen ein. Selbst extrem lange Abfahrten am Stück bei höherer Umgebungstemperatur steckte die XTR weg, ohne Hitzeprobleme zu bekommen. Auch für 6-loch-Fans gibt es hier Entwarnung – die herkömmlichen Ice Tec-Scheiben harmonieren wunderbar mit der XTR. Auch hinsichtlich der Hitzeentwicklung gab es mit den alten Scheiben keine Probleme.
Das ist uns aufgefallen
- Cockpit-Integration An einen Zufall glauben wir in diesem Fall nicht: Bei der Montage der XTR am Testrad und dem Koppeln der Lenker-Remote für die Variostütze bekommt man leuchtende Augen – die vorgeformte SRAM-Mutter passt in die Aussparung am Bremshebel, gegebenenfalls muss sie leicht angeschliffen werden. Damit ist auch mit Komponenten anderer Hersteller ein aufgeräumtes Cockpit ohne viele Schellen möglich. Super!
- Haltbarkeit Bereits früh musste die hintere Bremsscheibe beweisen, wie haltbar sie ist. Einmal die kleinere Radlaufkurve des Hinterrads nicht in die Linienwahl mit einbezogen, Pedal nach oben gerissen, dafür dann mit Kettenstrebe und Scheibe am Stein eingefädelt. Ein kleines, ca 1,5 x 1,5 mm großes Stück Metall liegt jetzt auf irgendeinem Test-Trail und fehlt der Scheibe. Abgesehen davon ist nur ein leichter Schlag zu beanstanden, der sich heraus biegen ließ.
- Alt gegen neu Vor allem am Geber merkt man, wie viel Dosierbarkeit auch der Pumpenkonstruktion geschuldet ist. Der neue Geber flext weniger, die Dosierbarkeit ist dadurch etwas geringer geworden.
Fazit – Shimano XTR M9120-Bremse
Satte Bremskraft, gutes Hitzemanagement auch auf langen Abfahrten und für schwere Fahrer sowie eine Zuverlässigkeit, wie man sie sich in den letzten Jahren von Shimano-Bremsen immer wieder gewünscht hätte: Die schicke XTR M9120 Vierkolbenbremse ist Hingucker und Arbeitstier zugleich und glänzt dank der bisher besten I-Spec-Lösung mit hervorragender Cockpit-Integration. Die minimal geringere Modulation ist Geschmackssache – bei einigen Fahrern benötigte sie eine kurze Eingewöhnungszeit, während sie die Bremse für andere Tester wesentlich angenehmer machte.
Pro / Contra
Pro
- Zuverlässigkeit
- Bremskraft
- Optik
- Tolle Cockpit-Integration dank I-Spec EV
Contra
- Freeza-Scheiben nur als Center-Lock
- Cockpit mit mehreren Klemmschellen schwierig zu organisieren
Konntet ihr ähnliche Erfahrungen mit der XTR sammeln?
Testablauf
Mit Shimanos XTR M9120-Bremse waren wir ein ganzes Jahr im Dauereinsatz unterwegs. Die Bremse war die meiste Zeit am Transition Sentinel montiert, wo sie von einer Menge verschiedener Testfahrer gefahren wurde. Sowohl metallische als auch organische Beläge wurden im Testbetrieb eingesetzt, ebenso Freeza- und die bisherigen Ice-Tec-Bremsscheiben.
Hier haben wir die Shimano XTR M9120-Bremse getestet
- Madeira: Testbetrieb im Renneinsatz. Lange Abfahrten mit vielen Höhenmetern am Stück.
- Bikeparks: Kurz und knackig in Beerfelden, etwas längere Abfahrten in Bischofsmais.
- Reschenpass: Längere, naturbelassene Trails.
- Singletrails: Hometrails mit schwierigen Offcamber-Sektionen, teils sehr steil.
- Fahrstil
- flüssig
- Ich fahre hauptsächlich
- Downhill, Enduro
- Vorlieben beim Fahrwerk
- auf der straffen Seite, viel Druckstufe, Balance zwischen Front und Heck
- Vorlieben bei der Geometrie
- vorne lang, hinten mittellang, flacher Lenkwinkel
- Fahrstil
- Schnellste Linie, auch wenn es mal ruppig ist
- Ich fahre hauptsächlich
- Singletrails, sprunglastiger Local Spot, Freeride, DH
- Vorlieben beim Fahrwerk
- Straff, gutes Feedback vom Untergrund, viel Druckstufe, moderat progressive Kennlinie
- Vorlieben bei der Geometrie
- Kettenstreben nicht zu kurz (ca. 430 mm oder gerne länger), Lenkwinkel tendenziell eher flacher
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