Ein Punkt, der häufig unter unseren Bike-Vorstellungen und -Tests diskutiert wird, ist der Sitzwinkel. In Geometrietabellen findet sich dieser Wert in zwei Varianten: Der echte Sitzwinkel und der effektive Sitzwinkel. Wer sich nicht tiefer mit Rahmen-Geometrien beschäftigt, kann hiermit nicht unbedingt ableiten, ob die Sitzposition passt oder nicht. Wir sind losgezogen und haben bei den Herstellern nachgefragt, wie sie die Entwicklung zu steileren Sitzwinkel sehen, wie im jeweiligen Unternehmen gemessen wird und wie unterschiedliche Körperproportionen durch die Rahmengrößen berücksichtigt werden. Hier findet ihr die Antworten der Firmen, die einen Einblick gewährt haben.

Der Sitzwinkel gibt an, mit wie viel Grad das Sitzrohr nach hinten zeigt. Wie so oft war dieser Wert zu Hardtail-Zeiten sehr viel einfacher zu vergleichen, da das Sitzrohr am Tretlager angeschweißt war und zumeist ungekrümmt nach oben ragte.

Annähernd gerade und aus dem Tretlager kommend
# Annähernd gerade und aus dem Tretlager kommend - Selbst an Hardtails findet sich teilweise ein gekrümmtes oder vor dem Tretlager angeschweißtes Sitzrohr. Dennoch ist hier die Sitzergonomie bei unterschiedlichen Sitzhöhen besser abschätzbar.

Basiswissen zum Sitzwinkel

Mit dem Aufkommen von vollgefederten Mountainbikes wurde all dies sehr viel komplexer. Zum einen musste Platz geschaffen werden für diverse Umlenkhebel und viele Hersteller setzen auf kurze Kettenstreben, was ab einem gewissen Punkt zu Platzproblemen führt. Das Hinterrad bewegt sich beim Einfedern nicht nur nach oben, sondern auch nach vorne. Kollisionen mit dem Sitzrohr und dem Sattel müssen vermieden werden. Dementsprechend wanderten die Sitzrohre in ihrer Position nach vorn, vor das Tretlager.

Sitzwinkel-Vergleich
# Sitzwinkel-Vergleich - Da die Messmethode nicht vereinheitlicht ist, kann der effektive Sitzwinkel auf dem Papier bei zwei Bikes mit unterschiedlichen tatsächlichen Sitzrohrwinkeln den gleichen Wert haben. Allerdings nur auf der einen gemessenen Höhe. Liegt der Sattelauszug darüber oder darunter, ändert sich auch der effektive Sitzwinkel. Für die meisten Kunden ist dies nicht nachvollziehbar. Insbesondere da die Messmethode nicht bekannt ist.

Man kann eine Maschine anpassen, aber nicht die menschliche Anatomie, die im Zusammenspiel mit der Mechanik funktionieren soll. Um weiterhin eine ergonomische Belastung auf den Körper zu gewährleisten, musste aufgrund der neuen Position des Sitzrohrs dessen Winkel flacher gestaltet zu werden. Genau hier liegt leider die Wurzel für vielfältige Probleme, die auftreten können – aber nicht zwangsläufig müssen.

Steigt der Sattelauszug über die vom Hersteller angedachte Höhe, ist der Fahrer mit einer rückwärtigen Sitzposition konfrontiert. Dieser kann man entgegenwirken mit einem Sattel, der in seiner Befestigung möglichst weit nach vorn geschoben wird. Sieht nicht unbedingt schön aus, kann aber helfen.

Im Geometrie-Forschungsprojekt gab es einen Abschnitt, welcher sich mit dem Sitzwinkel beschäftigte. Hier möchte ich ansetzen und noch einen Faktor benennen: variabler Sag. Je steiler ich mit einem Fahrrad klettere, desto mehr Last ruht auf dem Hinterrad. Somit generiert man auch mehr Sag am Dämpfer und weniger an der Gabel. Dieser Umstand sorgt dafür, dass das Bike noch weiter nach hinten kippt und mein Sitzwinkel noch flacher wird. Damit aber noch nicht genug. Erhöhe ich den Federweg und somit den Hub am Heck, so erhöhe ich auch den Sag. Eine Winkeländerung im Gelände – also eine Uphill-Sektion – wirkt sich dadurch noch deutlich ungünstiger an einem Bike mit mehr Federweg aus.

Der Wert eines Sitzwinkels wird vom Hersteller im unbelasteten Zustand in der Ebene angegeben
# Der Wert eines Sitzwinkels wird vom Hersteller im unbelasteten Zustand in der Ebene angegeben - Hätte man ein Bike mit einem dynamischen (also im belasteten Zustand) Sitzwinkel von 73°, so kann sich dieser im Uphill sehr schnell drastisch ändern aufgrund der anders verteilten Radlasten. In der rechten Darstellung sind beide linken Bikes überlagert.
YT hat am Jeffsy zwischenzeitlich deutlich nachgebessert
# YT hat am Jeffsy zwischenzeitlich deutlich nachgebessert - Hier noch mit 75° in der flachen Einstellung.
Mit der neuen Version sitzt man auch bei viel Sattelauszug immer noch bequem
# Mit der neuen Version sitzt man auch bei viel Sattelauszug immer noch bequem - In der neusten Variante ging man hoch auf 77° in der flachen Einstellung.

Die Fragen

1. Aktuell sehen wir einen Trend zu steileren Sitzwinkeln. Wie seht ihr diese Entwicklung?

2. Messmethoden für den Sitzwinkel sind nicht wirklich standardisiert, was einen Vergleich schwierig macht. Wie genau messt ihr diesen Wert?

3. Vorverlegte Sitzrohre bedeuten bei viel Sattelauszug eine ungünstige, rückwärtige Sitzposition. Wie geht man mit den Sitzwinkeln durch die Rahmengrößen um? Bleiben die immer gleich?

Das antworten die Firmen

Colin Hughes – Ibis

1. Wir mögen steile Sitzwinkel. Mit ihrer Hilfe bewegen wir unser Körpergewicht nach vorne, sodass mehr Gewicht auf dem Vorderrad liegt. Dadurch wird verhindert, dass das Vorderteil beim Klettern abhebt und das Vorderrad in flachen Kurven die Traktion verliert. Dadurch können wir den Reach verlängern und die Lenkwinkel flacher anlegen. In Summe erhalten wir damit ein Bike, das besser in der Abfahrt ist, ohne dadurch irgendwo anders Nachteile zu generieren.

2. & 3. Es scheint zwei Möglichkeiten zu geben, den effektiven Sitzwinkel zu messen. Der erste ist, den Schnittpunkt der tatsächlichen und effektiven Winkel auf der Höhe des Stacks zu setzen. Dies führt zum von dir erwähnten Problem, dass man bei mehr Sattelauszug, der über diesem Punkt liegt, einen real sehr viel flacheren Sitzwinkel bekommt. Flacher als in der Geometrie-Tabelle angegeben.

Die zweite Möglichkeit, den Winkel zu messen, besteht darin, den Schnittpunkt des Sitzwinkels auf die durchschnittliche Sitzhöhe der jeweiligen Größe eines Nutzers der entsprechenden Rahmengröße zu legen. So machen wir das. Außerdem versuchen wir, unsere tatsächlichen Sitzwinkel nicht zu stark von den effektiven zu unterscheiden. Keiner unserer realen Sitzwinkel ist mehr als 5 Grad flacher als der effektive Winkel. Aufgrund dieser Methodik wird deine Sitzposition auf unseren Bikes nie weit von dem abweichen, was in unseren Geometrietabellen steht.

Ibis Ripley mit 76° Sitzwinkel
# Ibis Ripley mit 76° Sitzwinkel
Ibis Ripmo mit ebenfalls 76°
# Ibis Ripmo mit ebenfalls 76°

Karlheinz (Kalle) Nicolai – Nicolai

Wenn man über Sitzwinkel am MTB spricht, so muss man erstmal die Physik verstehen. Nachfolgend ein Auszug aus einer Diplomarbeit:

Hintergründe zum Sitzwinkel an Nicolai-Bikes
# Hintergründe zum Sitzwinkel an Nicolai-Bikes

Im Schwerpunkt des Fahrers (M) greifen zwei Kräfte an:

a) Massenträgheit
b) Gewichtskraft (Schwerkraft)
Der resultierende Kraftvektor hat dann
einen Schnittpunkt mit der Fahrbahn (S)

Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Vorderrad genau dann abhebt, wenn der resultierende Kraftvektor hinter den Radaufstandspunkt (H) kommt. In diesem Moment wird die Last auf das Vorderrad gerade null.

Wenn man die physikalischen Zusammenhänge versteht, so wird es völlig einleuchtend, dass durch einen steileren Sitzrohrwinkel der Schwerpunkt weiter vorne liegt und deswegen:

1. Bei steilen Anstiegen das Vorderrad nicht so leicht abhebt. Das Bike wird besser klettern.

2. Die Last auf dem Vorderrad in jeder Fahrsituation größer ist und damit die Traktion am Vorderrad besser ist.

3. Es ist ebenfalls kontraproduktiv, wenn der Austrittswinkel der Variostütze zu flach ist, da man dann bei ausgezogener Sattelstütze wieder den Schwerpunkt zu weit hinten hat und so die Strecke HS klein wird.

Das ist die reine Physik. Es reicht natürlich nicht aus, nur das Sitzrohr steiler zu machen, der Reach darf hierbei nicht verkürzt werden und muss die Werte behalten, die für den jeweiligen Fahrer (Körpergröße) richtig sind. Da der Schwerpunkt nicht über dem Sattel liegt, sondern davor, habe ich natürlich auch mehr Last über meine Arme abzufangen. Der Fahrer gibt in Motocross-Sitzhaltung mehr Druck aufs Vorderrad.

Diese Sitzrohrwinkel ermittelt Nicolai
# Diese Sitzrohrwinkel ermittelt Nicolai

Sitzwinkel ändern sich bei uns mit den Rahmengrößen. Bei unseren aktuellen Enduro-Bikes mit Geolution-Geometrie wird der Sitzrohrwinkel bei den großen Rahmenhöhen immer steiler, damit der Setback des Sattels zum Tretlager (bei immer weiter ausgezogener Stütze) konstant bleibt. Das gehört nach unserer Ansicht zu einer modernen Rahmengeometrie dazu.

Nicolai Saturn 11
# Nicolai Saturn 11 - Der "reale" Sitzwinkel ist mit 74,5° angegeben.
Nicolai G13
# Nicolai G13 - Etwas steiler gehts am G13 zu: 76° in der niedrigen und 76,7° in der hohen Einstellung sind möglich.

Robert Kraus – Propain

1. Unsere Sitzwinkel werden seit Jahren steiler. Jetzt schon sind es vergleichbar steile 75°-76° im All-Mountain- und Enduro-Bereich. Gerade bei Bikes mit mehr Federweg haben wir festgestellt, dass noch steilere Winkel eine bessere Position auf dem Bike bieten. Wir haben deshalb das Thema genauer untersucht und für Neuentwicklungen ein neues Konzept zur Bestimmung des idealen Sitzwinkels in Abhängigkeit des Federweges erarbeitet. Wir sehen es nicht als Trend, sondern als wirkliche Weiterentwicklung der Geometrie ohne Nachteile.

2. Wir benutzen die aktuelle gängige Methodik. (Effektiver Sitzwinkel wird zur Horizontalen angegeben. Der reale Sitzwinkel trifft dann auf den Schnittpunkt der Linie des effektiven Sitzwinkels und horizontaler Linie von der Oberkante des Steuerrohrs).

3. Je näher realer und effektiver Sitzwinkel zusammen liegen, umso kleiner wird das Problem und man muss nicht die Sitzwinkel mit den Rahmengrößen variieren. Für uns ist das die effektivste und einfachste Lösung. Außerdem ist es für den Kunden am einfachsten einzuschätzen, ob der Rahmen passt. Gerade im Direktvertrieb ist uns das sehr wichtig!

Propain Tyee CF 27,5
# Propain Tyee CF 27,5 - Hier werden aus flachen 66,5° steile 76,3°. Gemessen auf der Horizontalen der Oberkante des Steuerrohrs.
Propain Spindrift 27,5
# Propain Spindrift 27,5 - Aus 65,5° am Rahmen werden effektiv 75,5°.

Chris Cocalis – Pivot Cycles

1. Ich denke, es begann damit, dass Unternehmen es eigentlich machen mussten, um mehr Freiraum für ihre Entwürfe zu schaffen, ohne die Kettenstreben dabei übermäßig verlängern zu müssen. Es wurde zum Trend deklariert, wobei niemand so genau weiß, was eigentlich genau dahinter steckt. Am Fahrrad spielen sehr viele Faktoren zusammen. Wie genau diese Variablen mit der korrekten Position des Fahrers auf dem Fahrrad zusammenhängen? Darüber könnte ich ein Buch schreiben. Letztendlich wäre es aus ergonomischer Sicht sehr ungünstig, wenn die tatsächlichen Sitzwinkel bei 76 – 78 Grad lägen.

Hierfür ein Beispiel: Betrachtet man ein Hardtail mit einem 77-Grad-Sitzwinkel, bei dem das Sitzrohr durch die Mitte des Tretlagers verläuft, dann wäre der Sitzwinkel unabhängig von der Sattelhöhe gleich. Da es sich um ein Hardtail handelt, haben Faktoren wie der Hub des Dämpfers, der Sag und der Anti-Squat keinen Einfluss auf den Sitzwinkel. Man hätte immer einen tatsächlich Sitzwinkel von 77 Grad. Ist man nun ein enthusiastischer Biker und verbringt jede Woche vielleicht durchschnittlich 65 Kilometer auf dem Bike, dann braucht dieser Biker eine Menge Physio und ab einem gewissen Punkt eine Pause vom Radfahren, wenn nicht sogar eine Knie-OP, wenn alles schlecht läuft. All das, weil man sich beim Treten konstant nach hinten schiebt und so mehr Druck im Kniegelenk aufbaut.

Wir wollen diese Probleme vermeiden und an einem vollgefederten Mountainbike passiert einfach eine ganze Menge mehr als nur eine bloße Zahl auf dem Papier. Es gibt eine Balance zwischen der Wirklichkeit, Marketing und den teilweise durchaus wilden Lösungen am Markt.

Wir bei Pivot sind wir uns einig, dass der Trend zu steileren Sitzwinkeln bei Fullies im Allgemeinen positiv ist und dass man den Winkel (bis zu einem gewissen Punkt) steiler machen kann. Desto mehr Federweg das Bike hat, desto steiler ist möglich. Dies liegt vor allem daran, dass man mit mehr Hub am Dämpfer bei gleichem Sag einen effektiv flacheren Sitzwinkel generiert, wenn der Fahrer auf dem Fahrrad sitzt. Wir berücksichtigen auch die Kinematik und die Tatsache, dass Pivot-Bikes über eine dw-link-Federung verfügen. Diese neigt im Gegensatz zum typischen Viergelenker beim Klettern nicht dazu, sich zusammenzuziehen. Somit benötigen wir keine solch steilen Sitzwinkel, um bei steilen Anstiegen die gleiche Fahrposition zu erreichen.

Zusätzlich gilt, dass man den Reach mit einem steilen Sitzwinkel erhöhen muss, da sonst die effektive Oberrohrlänge zu kurz werden kann. Wenn man den Reach immer noch weiter verlängert, hat man irgendwann ein Fahrrad, das, abgesehen von extrem steilen Downhill-Pisten, wie ein Hochseetanker funktioniert. Alles muss im Gleichgewicht sein. Am Ende ist es das Ziel, dem Fahrer ein Fahrrad zur Verfügung zu stellen, das für jede Größe des Fahrers und die Art des Fahrens, für die das Fahrrad bestimmt ist, perfekt funktioniert. Der Sitzwinkel ist nur ein kleiner Teil des ganzen Puzzles.

2. Hier ist es aktuell ziemlich chaotisch in der Radbranche. Einige Unternehmen messen den effektiven Sitzrohrwinkel von der Mitte des Tretlagers bis zur Oberseite des Sitzrohrs, einige messen ihn dort, wo das effektive Oberrohr den effektiven Sitzrohrwinkel schneidet, und ich bin sicher, dass es noch einige andere Abweichungen gibt.

Das Problem dabei ist, dass man es dabei in der Regel mit einem Messpunkt zu tun hat, der weit unter der tatsächlichen Sattelhöhe des Fahrers liegt. Bei keinem modernen, vollgefedertes Mountainbike verläuft die tatsächliche Mittellinie des Sitzrohrs durch die Mitte des Tretlagers. Wenn eine Bikefirma so etwas wie einen 77-Grad-Sitzwinkel angibt, dann messen sie gerne mal nur an der Oberkante des Sitzrohrs eines Rahmens in Medium, wo dieser Wert nur über eine Distanz von 435 mm gemessen wird. Hat der Fahrer aber eine Sattelhöhe von vielleicht 760 mm (was ein durchschnittlicher Wert wäre bei einem Nutzer der Rahmengröße M), kommt man plötzlich auf einen Wert knapp über 60°. Uns fragte vor kurzem ein Händler, warum unsere Sitzwinkel flacher waren als die einer andere High-End-Marke, welche sie im Laden hatten. Sie hatten beide Bikes vor Ort und wir konnten beide vergleichen. Sie hatten einen ähnlichen Federweg, die gleiche Laufradgröße und Kettenstrebenlänge. Wir stellten sie also nebeneinander, sodass die Tretlager und Hinterachsen auf einer Linie lagen. Beide hatten die gleichen Sättel und die gleichen Variostützen.

Wir stellten die Sättel auf die gleiche durchschnittliche Höhe dieser Rahmengröße ein und vermaßen dann den Unterschied in der Position der Sättel. Unser Konkurrent, der seinen Sitzwinkel 2 Grad steiler listet, hatte den Sattel fast 50 mm weiter hinten als der Sattel an unserem Bike. Wir haben natürlich keine CAD-Daten verglichen, aber man kann sagen, dass der tatsächliche Sitzwinkel eher 5 – 10 Grad flacher war als unserer. Fahrer mit langen Beinen bemerken das sofort, wenn sie sich auf einige bekannte Marken setzen und eben nicht erst in die Geometrie-Tabelle schauen und sich ein Urteil bilden. Wir bestimmen unsere Sitzwinkel, indem wir einen Bezugspunkt im oberen Bereich der durchschnittlichen Sattelhöhe eines großen Fahrers verwenden. Dies bedeutet, dass unsere Angaben zum Sitzwinkel sehr praxisnah sind, wenn nicht sogar steiler als in unseren Geometriecharts.

Wir werden unsere Bikes weiterhin so gestalten und eben Werte aus der realen Anwendung verwenden. Wer sich unsicher ist, kann unsere schematische Darstellung anschauen, auf der wir zeigen, wo wir die Werte messen.

3. Das Verschieben eines Sitzrohrs vor das Tretlager führt zu flacheren Sitzwinkeln. Das bedeutet, dass man an einem bestimmten Punkt der Sitzhöhe (bei langbeinigen Fahrern) einen effektiv, flacheren Sitzwinkel hat als es die Zahlen auf dem Papier vermuten lassen. Was machen wir bei Pivot durch die Größen hindurch, um die Beinlänge des Fahrers zu berücksichtigen?

Wie bereits erwähnt, beginnen wir bei der Entwicklung unserer Sitzwinkel mit realen Sitzhöhen, und die größeren Fahrer schätzen dies sehr, wenn sie auf unsere Fahrräder steigen. Wir arbeiten auch hart daran, das Sitzrohr so nah wie möglich an das Tretlager heranzuführen, sodass die Abweichungen des Sitzwinkels bei unterschiedlichen Sattelhöhen minimiert werden. Dies ist bei einigen Designs nicht möglich und bei anderen ist es möglicherweise kein Schlüsselfaktor beim Design des Fahrrads.

Selbst wenn alle Unternehmen sich einigen könnten, ihre Sitzwinkel am gleichen Punkt im Raum zu messen, macht der Unterschied, wo die tatsächliche Sitzrohrmittellinie vor dem Tretlager sitzt, Sitzwinkelvergleiche zwischen Marken immer noch ungenau und schlecht vergleichbar. Stack und Reach sind wirklich die wichtigsten Messungen, die man vergleichen kann. Auch andere wichtige Details wie der Gesamtfederweg, der Hub des Dämpfers, das Übersetzungsverhältnis am Dämpfer und die Anti-Squat-Kurve spielen eine wesentliche Rolle bei der Bestimmung des tatsächlichen Verhaltens in der realen Welt und der Positionierung des Fahrers auf dem Fahrrad. Diese Werte können sich zu mehr als einem ±5 Grad-Unterschied im effektiven Sitzrohrwinkel zwischen den Marken aufaddieren.

Mein Ratschlag wäre, sich nicht auf Unterschiede von 1 – 2 Grad zwischen den verschiedenen Fahrradmarken zu konzentrieren. Wenn dein lokaler Händler das Fahrrad auf Lager hat oder du die Möglichkeit hast, ein Fahrrad bei einer Veranstaltung auszuprobieren, dann kannst du herausfinden, ob du wirklich drauf passt und wie es sich beim Pedalieren anfühlt. Auch, wenn du einen Testbericht liest, schaue nach, wer das Fahrrad testgefahren ist.

Wenn der Tester 2 Meter groß ist und du es nicht bist, dann ist seine Passform nicht mit deiner vergleichbar. Supergroße Fahrer haben einige einzigartige Passprobleme, die du vielleicht nicht hast (egal von welcher Marke). Ein Bike mit 170 mm Federweg mag mit einem steilen Sitzwinkel durchaus gut funktionieren – dies muss aber nicht zwingend auch für ein Bike mit weniger Federweg gelten. Wir sind stets bestrebt, diese perfekte Balance für jede Größe des Fahrers in jeder Kategorie zu erreichen, was bedeutet, dass Bikes mit unterschiedlichem Federweg auch unterschiedliche Sitzwinkel haben können. Wir bauen viele Prototypen und führen viele Tests durch, um sicherzustellen, dass die Passform und das Fahrverhalten perfekt zusammen passen und dass wir immer auf dem neuesten Stand der Trends sind.

Wenig Federweg am Trail429 und 74° Sitzwinkel
# Wenig Federweg am Trail429 und 74° Sitzwinkel
Das Firebird mit mehr Federweg und 74,5° für die Sitzzone
# Das Firebird mit mehr Federweg und 74,5° für die Sitzzone

Firebird vs. Trail429
# Firebird vs. Trail429 - Auf dem Papier sehr ähnlich, aber in er Überlagerung liegt der Sattel am Firebird weiter vorn.

Cesar Rojo – Unno

1. Es ist absolut sinnvoll, an vollgefederten Bikes einen etwas steileren Lenkwinkel zu nutzen. Gegenüber der Arbeiten, die wir früher für andere Marken gemacht haben, haben wir uns auch in diese Richtung entwickelt. Im Sag neigt das Fahrrad einfach dazu, einen flacheren Sitzwinkel als auf dem Papier zu haben.

2. Im Grunde ist es so, dass die meisten Sitzwinkel, wenn nicht alle, mit der effektiven Oberrohrlänge gemessen werden. Mit dieser Methode landen wir am Unno Burn bei 75°. Zusätzlich geben wir aber noch den Winkel auf verschiedenen Sitzhöhen an, da der echte Sitzwinkel in belastetem Zustand niemals dem auf dem Papier entspricht. Sprich, ein Bike mit einem sehr flach angebrachten Sitzrohr mag vielleicht 75° auf dem Papier haben, aber wenn wenn der Sattel auf 650 oder 700 mm ansteigt, landet man bei 73° oder flacher. Je höher der Sattel, desto schlimmer wird das. Wir setzen hier auf die bereits erwähnten Angaben des Sitzwinkels auf diversen Sitzhöhen. Das ist einfach zu verstehen und man sieht schon auf dem Papier, mit welchem Winkel man es wirklich zu tun hat. Soweit ich weiß, gibt es hier wenige Hersteller, die das den Kunden anbieten und somit macht es Bikes sehr schwer vergleichbar.

3. Im Moment bieten wir nur eine einzige Rahmengröße an. Wenn die Zeit für die größeren Versionen gekommen ist, werden wir die Sitzrohre dort steiler machen. Sprich auf der Sitzhöhe, die ein größerer Fahrer mit längeren Beinen hat, wird er ebenfalls bei 74,5/75° landen wie jetzt auch beim aktuellen Unno Burn.

Wenig Auswahl bei der Rahmengröße gibts beim Unno Burn
# Wenig Auswahl bei der Rahmengröße gibts beim Unno Burn
Dafür sind in der Geometrie-Tabelle hilfreiche Werte hinterlegt
# Dafür sind in der Geometrie-Tabelle hilfreiche Werte hinterlegt

Ruben Torenbeek – Raaw

1. Steilere Sitzwinkel bieten einen riesen Vorteil, und zwar eine zentralere Sitzposition beim Hochfahren. Um so länger die Beine, um so größer der Vorteil eines steilen Sitzwinkels. Jedoch kann man den Sitzwinkel nicht einfach ohne weiteres super steil machen. Wichtig ist die gesamte Sitzposition, das heißt: Tretlager-Sattel-Lenker. Die ‚zentrale Position‘ beschreibt die Position vom Sattel zum Tretlager, aber hinzu kommt auch noch die Distanz vom Sattel zum Lenker. Bei steilen Sitzwinkeln gibt es die Gefahr, dass die Distanz vom Sattel zum Lenker zu kurz wird, das ist dann unangenehm. Entscheidend ist hier, dass es einen ordentlichen Reach gibt. Der Reach hat nichts mit der Position vom Sattel zu tun hat, aber mehr Reach vergrößert die Distanz vom Sattel zum Lenker. Steile Sitzwinkel werden durch mehr Reach ermöglicht.

2. Für mich definiert der tatsächliche Winkel vom Sitzrohr und die Positionierung vom Sitzrohr nach vorne/hinten alles. Der ‚virtuelle Sitzwinkel‘ (der immer im Vordergrund steht) ist dann eher ein Ergebnis (deswegen hat die Madonna bei Größe L, 74° ‚actual‘ und als Ergebnis 78,2° ‚virtual‘). Ich würde gerne sehen, dass weiterhin der virtuelle Sitzwinkel als Maßstab verwendet wird, aber für verschiedene Beinlängen. Das würde den Vergleich besser machen.

3. Die Madonna gibt es in M, L und XL. Bei L und XL ist der Sitzwinkel identisch, und zwar sehr steil. Das wird ermöglicht durch lange Reach-Werte und hilft Fahrern mit langen Beinen. Bei M liegt der Reach bei 440 und es gibt für die Größe in der Regel keine FahrerInnen mit sehr langen Beinen, aus dem Grund ist der Sitzwinkel ein bisschen flacher. Dadurch wird die Sitzposition vom Sattel zum Lenker nicht zu kurz und unangenehm.

Beim Raaw Madonna setzt man ebenfalls auf eine entspannte Sitzposition
# Beim Raaw Madonna setzt man ebenfalls auf eine entspannte Sitzposition - 78,2° ist einer der steilsten Werte, der in Geometrie-Tabellen auftaucht.

Was lernen wir nun aus diesen Meinungen und unheitlichen Messmethoden? In jedem Fall, dass wir Geometrietabellen nicht zu viel Glauben schenken dürfen. Wie immer kann nur eine Probefahrt wirklich zeigen, ob ein Sitzwinkel passt oder nicht. Wir werden in Zukunft an einer Möglichkeit arbeiten, diesen Wert in unseren Tests genauer zu kommunizieren und auf etwaige kritische Bereiche hinweisen.


War euch bewusst, dass der Sitzwinkel solch ein komplexes Thema ist und er eigentlich nicht über Geometrie-Tabellen vergleichbar ist?

  1. benutzerbild

    sp00n82

    dabei seit 07/2013

    Klingt kompliziert.
    Ist es auch!
    ^^
    ?

    Im Prinzip eigentlich nicht, die Umsetzung dann ohne automatisierte Tools schon eher.
    Eigentlich muss man nur die Länge des Sattelrohrs auf dem Bild messen und das mit den Geodaten des Rads gleichsetzen, damit man den Pixelwert für 1mm Länge bekommt, und dann die Linie der Sattelstütze so weit verlängern, dass die Sattelhöhe bei allen Rädern gleich weit oben ist.
    Dann könnte man einen vereinheitlichten Sitzwinkel bei gleicher Sitzhöhe bei verschiedenen Bikes messen.

    Einfacher wärs natürlich, die Firmen würden sich mal auf einen Standard zum Messen des Sitzwinkels einigen, also sowas wie z.B. 630mm vom Tretlager bis Sattelklemme bei Größe S, 660mm in M, 700mm in L, usw usf.
  2. benutzerbild

    beutelfuchs

    dabei seit 06/2012

    Der relevante Sitzwinkel ist ja dynamisch, also irgendwo in dem Sag, welchen das Bike halt bei einer bestimmten Steigung erreicht. Und der ergibt sich nicht allein aus den Geodaten.

  3. benutzerbild

    Felger

    dabei seit 05/2007

    Der relevante Sitzwinkel ist ja dynamisch, also irgendwo in dem Sag, welchen das Bike halt bei einer bestimmten Steigung erreicht. Und der ergibt sich nicht allein aus den Geodaten.
    Jup, statisch ist einfach nur die halbe Miete. Deshalb auch wieder nicht vergleichbar
  4. benutzerbild

    Deleted 346340

    dabei seit 12/2015

    Der relevante Sitzwinkel ist ja dynamisch, also irgendwo in dem Sag, welchen das Bike halt bei einer bestimmten Steigung erreicht. Und der ergibt sich nicht allein aus den Geodaten.

    Richtig, denke wir haben hier je nach Bike von HT bis FR-Bike ca. 3 ° Differenz statisch. Ich habe am HT ca. 78 ° Beim Freerider sind sogar für mich 82 ° geplant 8-)
  5. benutzerbild

    HarryBeast

    dabei seit 06/2017

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