Stammgast in den New World Disorder-Filmen, Protagonist des vielleicht irrsinnigsten Stunts beim Crankworx Whistler Joyride, Teilnehmer und Gewinner unzähliger BMX-Rennen – der Berliner Timo Pritzel hat alles mitgemacht. Und sich jetzt, fast 42 Jahre alt und Vater, mal Gedanken gemacht, worauf es ihm beim Biken eigentlich ankommt. Herausgekommen ist ein sehr persönliches Bikevideo mit schönen Bildern und einigen Rückblicken in die spektakuläre Vergangenheit des Marin Bikes-Teamfahrers.
Timos Text zum Video:
Nicht das typische Bike-Video, auch wenn es immer noch Backflips zu sehen gibt! Ich fühlte mich nicht nach einem weiteren Action Movie, sondern wollte das zeigen, was sich gerade richtig anfühlt und was mir persönlich so viel hilft. Ganz simpel: Mit dem Fahrrad in der Natur sein.
Ich musste etwas schmunzeln – als Kämpfer und junger BMXer fand ich Cross Country eher langweilig. Aber mit 42 ist es ja auch eine notwendige Weiterentwicklung, sich nicht wie 18 zu verhalten. Es ist heilsam für mich, im Wald zu sein, Telefon aus, keine Autos und Stadtlärm hören, sondern Vögel und wilde Tiere wie Rehe & Hasen, Füchse und Wildschweine, Falken und Kraniche sehen. Ja, im Berliner Wald gleich an der Stadtgrenze! Berliner Natur – hier gibt es mehr zu sehen als die Mauer und das Berghain. Und das mit meiner 4-jährigen Tochter zu teilen ist das Größte!
Balance im Leben. Wir sagen immer, dass wir keine Zeit haben, aber eigentlich vertrödeln wir 2 – 4 Stunden vor Handy, Computer & TV am Tag. Ich sehe das Thema auch als Yoga-Lehrer: Die Menschen sind so am Rennen, dass sie sich gar nicht mehr fühlen und andauernd im „Fight or flight-Modus“ sind, hochgepusht durch Zucker und Koffein und dauernde Beschallung von unnützen Daten.
Es ist ein sehr persönliches Video – sich mit seinem Kind zu zeigen und dabei noch als Mann und Kämpfer zu sagen, dass es gut & wichtig ist, eine weibliche Yin-Seite zu haben! Nachdem ich meinen Biketraum lange gelebt habe (und immer noch lebe!) und viel Erfolg hatte, kamen mehr und mehr große Lebensfragen hoch. Viele Athleten können das Thema nachvollziehen, wie schwer es ist damit umzugehen, wenn man seinen Peak in seiner derzeitigen Karriere hatte und seine Bike Träume erreicht hat.
Was sind die neuen Träume und Ziele? Denn „radikaler“ und „krasser“ war in meinen Twenties. Für mich persönlich kamen solche Fragen hoch:
Was ist meine Aufgabe in diesem Leben?
Was möchte ich hinterlassen?
Was macht mich glücklich?
Wen kann ich inspirieren und wem helfen?
Worum geht es im Leben?
Welches Leben möchte ich leben?
Was ist mir wichtig?
Welche Träume möchte ich leben?
Was würde ich machen, wenn ich keine Angst vor dem Versagen hätte?Ich bin sehr glücklich & dankbar, dass ich noch was neben meinem Bike gefunden habe, was mich inspiriert. Und dass ich diese beiden Dinge verbinden kann – wirklich ein schöner Job! Siehe auch dieses Beispiel.
Natürlich zahlt man auch einen Preis, wenn man jahrelang so getan hat als ob es ok ist, aus einem 3. Stockwerk auf harten Lehm zu springen und oft hinzufallen. Ich lerne jetzt viel darüber, besser auf mich zu achten und zu lernen / spüren was mein Körper gerade braucht. Das Gute ist, dass ich meine Yoga-Schüler oft mit ihren Verletzungen gut verstehen kann, weil ich die meisten selber schon hatte.
Als BMX-Profi, der früh zum MTB gewechselt ist, hatte ich es etwas einfacher, weil MTB Freeride noch in den Kinderschuhen steckte und ich mit meiner Radkontrolle & den Tricks, die ich vom BMX gelernt habe, schnell beeindrucken konnte. Zudem halfen mir meine DVD-Parts in New World Disorder sehr – das war zu einer Zeit, als die Kids noch wussten, was eine DVD ist. Deswegen habe ich im Film auch einige Rückblicke gezeigt, da einige der heutigen Biker ja noch nicht geboren waren, als ich meine ersten Flips machte (1996) oder mein erstes BMX rennen fuhr (1984)! Jetzt habe ich viel über die alte Zeit und das Älterwerden geredet – es heißt aber eigentlich für mich, dass ich auf dem richtigen Trail bin und das Biken wieder viel mehr genieße.
Das Leben ist schön, es gibt viele Ups und Downs und einige Jumps zu meistern!
– Timo Pritzel
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