1,4kg Enduro-Rahmen, 150mm, volle Praxistauglichkeit? Additive Fertigung für Fahrradrahmen? Nach dem ersten gegossenen Mountainbike-Rahmen zeigt Empire Cycles mit dem Empire Cycles MX6-R nun den ersten Mountainbike-Rahmen aus dem 3D-Drucker und erreicht dabei beeindruckende Ergebnisse. Mit Hilfe des additiven Fertigungsverfahrens selektives Laserschmelzen (SLM) und der Firma Renishaw ist ein gerade Enduro-Rahmen entstanden, der trotz schlanken 1,4kg Gesamtgewicht uneingeschränkt praxistauglich sein soll. Der Ingenieur Chris Williams zeigt mit seiner Firma Empire Cycles [Hausbesuch] somit vollkommen neue Möglichkeiten für die Fahrradindustrie auf und bestätigt das Potential von konstruktivem Leichtbau ohne Kohlefaser.


# Das Empire Cycles MX6-R Komplettrad – erstmalig ist ein Mountainbike-Rahmen aus Titan additiv gefertigt worden. Die Kosten für ein solches Einzelstück sind jedoch zur Zeit noch extrem hoch.

Empire Cycles MX6-R

Der Titanrahmen aus dem 3D-Drucker

Das Enduro Empire Cycles MX6-EVO ist seit einiger Zeit bekannt gewesen, doch die jüngste Form des Rahmens ist grundlegend anders: Titan statt Aluminium, 1.4kg statt 2.1kg (leider ist nicht angegeben, ob es sich hier lediglich um den Hauptrahmen handelt oder um den vollständigen Rahmen. Wir schätzen jedoch, dass die Angabe für den Hauptrahmen gilt. Möglich wird dieser Schritt durch die additive Fertigung des Rahmens. Während das MX6-EVO aus massiven Aluminiumblöcken gefräst worden ist, ist das MX6-R additiv aus Titan gefertigt worden. Ermöglicht wurde dieses Fertigungsverfahren von der britischen Firma Renishaw, die zunächst den Sitzturm des MX–6 optimieren sollte. Nachdem nicht nur 44% Gewicht eingespart worden sind (von 360g auf 200g), sondern auch die Prüfung nach EN 14766 erfolgreich absolviert werden konnten, sind die beiden Firmen dann einen Schritt weiter gegangen und haben den gesamten Rahmen in den „3D-Drucker“ geschickt.


# Schrittweise Optimierung des Sitzturms zur Minimierung des Gewichts. Am Ende werden 44% eingespart.

Im Gegensatz zu gegossenen Rahmen erreichen moderne Maschinen wie die verwendete Renishaw AM250 Materialdichten von bis zu 99,7%. Damit ist das Gefüge wesentlich dichter und weniger porös, was sich positiv auf die Festigkeit auswirkt. Wie der Fertigungsprozess im Detail abläuft zeigt das folgende Video:

Nach dem erfolgten „Druckvorgang“ müssen die erzeugten Teile noch nachbearbeitet werden – insbesondere im Bereich von Lagersitzen oder Gewinden. Diese lassen sich gegenwärtig noch nicht uneingeschränkt additiv fertigen. Auf Grund des limitierten Bauraumes der Maschine ist das Bike aus bis zu 30cm langen Einzelteilen gefertigt, die mit einem 3M-Spezialkleber gefügt worden sind.

Ein Mountainbike-Rahmen aus dem 3D-Drucker klingt auf den ersten Blick nach einer günstigen Angelegenheit. Doch die hochbelastbare Titanlegierung und lange Fertigungszeiten (insgesamt hat die Umsetzung dieses Einzelstücks inklusive Vorbereitung 20 Wochen in Anspruch genommen) treiben die Kosten für den Rahmen zur Zeit auf über 22.000€. Als wirtschaftlich sinnvoll ist die additive Fertigung eines kompletten Rahmens somit derzeit nicht zu bezeichnen. Dennoch zeigt das MX6-R, dass die technologischen Möglichkeiten gegeben sind und wir in Zukunft weitere Entwicklungen in dieser Richtung erwarten dürfen.


# Empire MX6-R – Dämpferaufnahme mit feinen Details. Für einen 3D-Drucker ist es unerheblich, wie komplex das zu fertigende Bauteil ist. Zumindest solange es die Fertigungsmöglichkeiten in Bezug auf Genauigkeit und Schlankheit der Strukturen nicht überfordert.

Chancen & Möglichkeiten: 3D-Druck von Fahrradrahmen

Warum könnte die additive Fertigung von Fahrradrahmen auf längere Sicht ein spannendes Feld sein? Zunächst einmal zeigt das vorgestellte Empire Cycles MX6-R, dass trotz eines spezifisch schwereren Werkstoffs (Titan statt Aluminium) eine deutliche Gewichtseinsparung möglich ist. Die optimierte Auslegung von additiv gefertigten Bauteilen ermöglicht neue Fortschritte bei der Gewichtseinsparung am Rahmen bei gleichzeitiger Sicherung der Steifigkeit und Haltbarkeit.

Hinzu kommt, dass bei der Gestaltung der Bauteile kaum noch Grenzen gegeben sind. So wird dem Design nicht mehr durch das Fertigungsverfahren eine Grenze gesetzt, sondern nur noch durch das, was physikalisch machbar und sinnvoll ist. Für den 3D-Drucker ist nämlich vollkommen egal, wie komplex das zu fertigende Bauteil ist. Sofern das Verfahren die Auflösung und den Werkstoff unterstützt, entstehen durch ein komplexeres Bauteil keine zusätzlichen Kosten.


# Die von Renishaw gefertigten Teile frisch aus dem 3D-Drucker


# Vor der Montage müssen noch die Supportstrukturen entfernt und die Oberflächen behandelt werden

Besonders positiv ist jedoch zu bewerten, dass kleine Verbesserungen zwischen jedem Modell gemacht werden können, da die Losgröße 1 ohne Zusatzkosten erreichbar ist. Die Iterationen in der Modellentwicklung werden somit nicht mehr durch die Bestellmenge beim taiwanesischen Lohnfertiger bestimmt, sondern können problemlos zwischen zwei Rahmen vorgenommen werden.

Ein letzter wichtiger Vorteil der sich direkt aus der reduzierten Losgröße ergibt ist die Möglichkeit zur individuellen Anpassung des Rahmens. Ob die Einbringung von Fahrernamen oder Seriennummern; Decals oder auch Winkel- und Längenmaßen – die Flexibilität ist kaum begrenzt. Wie positiv diese Möglichkeiten zu bewerten sind hatten wir bereits vergangene Woche beim 3D-gedruckten Helm-Prototypen von Bluegrass angemerkt. Chris Williams denkt sogar darüber nach, RFID-Chips in den Rahmen zu integrieren und so eine kaum zu überwindende Sicherheitsmaßnahme zu integrieren.

Wer sich den Empire MX6-R Rahmen gerne einmal anschauen will, der sollte einen Ausflug auf die Insel machen: Im Rahmen der Enduro-Rennen der Empire Cycles PMBA Series wird das einmalige Bike zu sehen sein – zunächst allerdings als Ausstellungsstück und nicht als Renngerät. Dafür wäre es dann doch eventuell etwas zu teuer.


# Enduro aus dem 3D-Drucker – Renishaw und Empire Cycles machen es möglich

Quellen

Renishaw Pressemitteilung
Empire Cycles Pressemitteilung

Bilder: Empire Cycles und Renishaw

  1. benutzerbild

    luniz

    dabei seit 11/2002

    Bei der Methode der Topologieoptimierung wird NUR die Steifigkeit betrachtet, und dabei auch nur die optimale verteilung einer bestimmten Menge an Material herausgefunden. Ob das Ergebnis dann steif genug ist für die Anforderungen, das muss der Konstrukteur dann schon noch selber beurteilen.

    Ich arbeite bei Altair und habe das Werkzeug hier mal etwas genauer erklärt: ICB Wippe 2.0

  2. benutzerbild

    Enginejunk

    dabei seit 03/2010

    man beachte den technologischen fortschritt mal als zeituhr: von 0:00uhr bis 23:55uhr gabs es nix ausser die vormenschen. danach ging es wie im zeitraffer voran. vor 5jahren waren 3D drucker noch absolute zukunftsmusik (man denke an den computer, den wird nie einer brauchen und ist unbezahlbar), heute kann sich jeder einen halbwegs brauchbaren 3D-drucker kaufen und damit alles was er will bzw. zu erstellen vermag herstellen. das ist doch einfach genial. klar, ich mag auch sachen die mit althergebrachten mitteln produziert werden, meine pfannen sind alle geschmiedet, ich habe eine feile aus dem erzgebirge, ich hab gesehen wie sie gemacht wurde. aber ich verschliesse nicht meine augen vor der modernen technik. es ist halt die zukunft, man muss mit der zeit gehen, sonst muss man mit der zeit gehen...

  3. benutzerbild

    GoldenerGott

    dabei seit 02/2003

    Warum hat man ausgerechnet ein Mountain Cycle San Andreas als Vorlage für dieses Bike genommen? Mit diesem Fertigungsverfahren wäre mehr drin gewesen.

  4. benutzerbild

    lindberg01

    dabei seit 02/2015

    The cool thing about 3D printing is that you could customize everything under the sun. I’m thinking of building my own bicycle frame this summer. But I found these interesting practical cycling gadgets and spare parts as an addition to my collection.

    http://www.3d2print.net/shop/blog/2014/10/03/12-smart-3d-printed-life-hacks-cyclists/

  5. benutzerbild

    tzmtb

    dabei seit 11/2004

    Na mal sehen wie das mit den Blades ist, davon habe ich noch nichts gehört. Nächste Woche begebe ich mich mal in die Abteilung und werde den Ingenieur mal löchern was es so gibt.
    Neuaufbau (Plasmaspritzen) von Parts gibt es, wird sehr viel angewendet. Danach mechnische Bearbeitung.
    Titanschaufeln der LPT sind Singlekristalle und extrem wiederstandsfähig. Wie da ein Neuaufbau gemacht werden soll?
    Es wird sicher noch sehr interessant was da noch kommt.

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