Es war einmal eine Idee… und die sah so aus: Tourismus-Manager*innen und „echte“ Mountainbiker*innen zusammenzubringen, um das Bike-Angebot aus Sicht der Gäste zu beleuchten und gemeinsam zu ergründen, wie die Zukunft von Graubünden – dem Home of Trails – aussehen kann. Was für die Beteiligten dabei herauskam? Lies selbst.
Video: Traumjob Trailtester*in
Es summt wie in einem Bienenstock. 26 Mountainbiker*innen verteilen sich im Café B12 in Chur und tauschen Bike-Erfahrungen aus, skribbeln Trail-Verbindungen auf und skizzieren mögliche Guiding-Angebote. Gemeinsam mit den fünf Produktmanager*innen der Bike-Destinationen Davos Klosters, Disentis Sedrun, Engadin, Engadin Samnaun Val Müstair und Laax arbeiten sie in einem Design Thinking Workshop an der Zukunft des Home of Trails. Selbstverständlich ist es nicht, dass Produktmanager*innen sich die Zeit nehmen, Seite an Seite mit ihren Gästen das eigene Angebot kritisch zu hinterfragen und zusammen Verbesserungspotenziale auszumachen. Dazu gehört schon eine gehörige Portion Offenheit – und die Überzeugung, dass es einen Wettbewerbsvorteil bringt, gemeinsam MIT denen zu entwickeln, FÜR die man entwickelt. Wie aber kam diese illustre Runde zustande?
Anfang März 2022 lancierte der Schweizer Kanton Graubünden das Projekt „Werde Trailtesterin“. Das Ziel: Mountainbiker*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz dafür zu gewinnen, die Bike-Angebote des Home of Trails zu testen und ehrliches Feedback zu geben. Knapp 5.000 Biker*innen fanden diese Idee gut und bewarben sich auf die 26 ausgeschriebenen Plätze.
Wir wollen keine Einbahnstraßen-Kommunikation, dieses Konzept ist so veraltet. Wir wollen in Kontakt mit der Community treten und direkt von unseren Gästen lernen, was sie wollen und brauchen.
Mike Frei, Produktmanager bei Graubünden Ferien
Mike Frei, Produktmanager bei Graubünden Ferien, wählte die Teilnehmenden für das 5-tägige Trailtest-Camp anhand spezifischer Kriterien aus: „Jemand, der unser Angebot bewerten will, braucht zuallererst eine gewisse Fahrtechnik. Nicht umsonst nennen wir uns Home of Trails, bei uns darf man bis auf wenige Ausnahmen alle Wege, Pfade und Steige befahren und nicht nur gebaute Murmelbahnen. Dann war es uns wichtig, ebenso viele Frauen wie Männer auszuwählen und dass die Trailtester*innen aus möglichst unterschiedlichen Regionen – vom Ruhrgebiet bis nach Tirol – kommen und damit unterschiedliche Bike-Erfahrungen mitbringen. Und zu guter Letzt achteten wir darauf, Personen auszuwählen, die auch als ehrenamtliche Guides oder Reiseveranstalter tätig sind, weil wir damit auch die Bedürfnisse im B2B-Sektor abbilden können.“
Warm-up & Learnings
Mitte Juli ist es dann soweit: die 26 Trailtester*innen treffen in Graubünden ein. Im Rahmen eines Auftakt-Workshops in der Bärenhütte oberhalb von Chur lernten sich die Mountainbiker*innen und Produktmanager*innen kennen. Bereits zuhause hatten die Trailtester*innen erste Aufgaben bearbeitet und einen Bike-Urlaub für Graubünden geplant. Darauf aufbauend bewerten sie nun die medialen Auftritte der einzelnen Destinationen und geben Verbesserungsvorschläge. Bei BBQ und Bier finden sich schnell neue Freunde und es wird wieder einmal klar, welch kleines Dorf die Mountainbike-Community doch ist: einige der Teilnehmenden kennen sich bereits von gemeinsamen Ausfahrten oder Guide-Ausbildungen.
Bevor die Trailtester*innen mit Stirnlampen auf den Trail gen Chur entlassen werden, gibt es ein letztes Briefing. Die kommenden 3 Tage werden die Trailtester*innen in 5er-Gruppen bikend-bikend-bikend in den Destinationen verbringen. Die An- und Weiterreise wird ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgen – für viele ein Novum an sich, selbst in 9-Euro-Ticket-Zeiten.
Am Ende fünf langer Tage sind entstanden: eindrückliche Momente. Neue Freundschaften. Die Bestätigung, dass Graubünden als Bike-Destination schon sehr viel richtig macht. Die Erkenntnis, dass die Alleinstellungsmerkmale Graubündens (Shared Trails, Willkommenskultur, Vielseitigkeit, Harmonie) noch deutlich prägnanter kommuniziert werden sollten. Dass die einzelnen Destinationen sich noch viel mehr zusammentun und gemeinsame Produkte entwickeln sollten, um die eigenen Standortvorteile auszuspielen und sich von Mitbewerbern abzuheben. Und dass der Claim „Home of Trails“ keine Mogelpackung ist, wie leider so oft im Bike-Tourismus-Marketing. Sondern, dass „Home of Trails“ absolut seine Berechtigung hat. Doch wie gelangten die Trailtester*innen zu diesen Erkenntnissen, welche Touren und Trails haben sie erkundet?
Laax – Vielseitig & verspielt
Laax – war da nicht was mit Snowboard Freestyle oder so …? Im Winter ist Laax extrem bekannt, doch auch im Sommer sollte man die Destination zwischen Vorab-Gletscher, Caumasee und Rheinschlucht unbedingt auf dem Schirm haben. Bereits seit vielen Jahren setzt Laax auf Mountainbiker*innen als Zielgruppe, dementsprechend gut ausgebaut ist das Angebot. Laax hat sich vor allem Enduro-Biker*innen und bikenden Familien verschrieben. Am ersten Tag nimmt Produktmanager Johannes Schilder die Trailtester*innen persönlich unter seine Fittiche und beobachtet, wie sie sich in der Region zurechtfinden. Auf dem Programm: der Vorab-Trail in hochalpiner, gletschergeschliffener Landschaft; der absolut vielseitige und verspielte Nagens Enduro Trail und der Runca Trail mit seinen Wellen, Tables und Doubles. Das Besondere: Alle Trails sind so gebaut, dass sie auch von Anfängern gut abgerollt werden können. Wie die jüngste Trailtesterin Luna, 7, eindrucksvoll beweist. Hier findest du weitere Touren und Trails, welche die Trailtester*innen in Laax getestet haben.
Wenn es in Deutschland beim Mountainbiken noch immer um die Berechtigung unseres Sports geht, fühlt man sich in Graubünden sehr willkommen, fast wie auf dem roten Teppich.
Disentis Sedrun – für Abenteurer*innen
Disentis Sedrun, die Region an der Rheinquelle, ist noch ein Geheimtipp. Große Horden von Biker*innen sucht man hier vergeblich. Noch. „Wir stehen erst am Anfang unserer Entwicklung“, erklärt Produktmanager Remo Eberle, der früher Mechaniker im Worldcup-Zirkus war. „Für uns ist das ungefilterte Feedback der Trailtester*innen besonders wertvoll. Wie finden sich die Menschen bei uns in der Region zurecht? Welche Touren interessieren sie?“ Seit das Catrina Experience Hotel mit eigenem Flowtrail Gas gibt, passiert auch in der Region etwas. „Neben dem Catrina Flow Trail haben wir ausschließlich naturbelassene Trails, die wir teilweise etwas ausputzen, sodass sie für Mountainbiker*innen geschmeidiger zu fahren sind. Außerdem landschaftlich einfach umwerfende Touren, wie etwa die berühmte Rundtour nach Andermatt über den Maighelspass.”
Die Region umweht noch ein Hauch mehr Abenteuer als die anderen, „weiter entwickelten“ Bike-Destinationen. Hier kann es schon mal passieren, dass man sein Bike schultert. Und eine solide Fahrtechnik mitbringen muss, um alle 30 Spitzkehren am Stück zu fahren. Doch es finden sich auch einfachere Touren zum Kopf-frei-biken. Immer inklusive: herrlich beruhigende Blicke in die Surselva. Ein persönliches Highlight für die Trailtester*innen: die herzliche Einladung zu After-Ride-Kaffee & Kuchen bei Marketing-Managerin Priska Müller. Eine Übersicht über die Trails und Touren rund um Disentis Sedrun findest du hier.
Engadin St. Moritz – Dreitausender, Gletscher & Palmen
Mit der fast schon historischen, 1913 eröffneten Standseilbahn Chantarella steht man flugs auf dem 2.000 m hohen Hausberg der St. Moritzer, der Corviglia. Nach der Einkehr in der futuristische Quattro-Bar mit Blick auf die surreal türkis schimmernden Oberengadiner Seen schweben die Trailtester*innen noch einmal 1.000 m höher auf den Piz Nair. Dieser dürfte vielen bekannt sein durch Danny MacAskills Graubünden-Video. Das Motiv Danny-mit-Steinbock-vor-Sonnenaufgang ziert auch die Home of Trails-Kreditkarten, die Mike Frei extra für die Spesen der Trailtester*innen in Auftrag gegeben hatte. Nach dem obligatorischen Selfie guidet Produktmanager Silvan Caderas persönlich die erste Abfahrt durch die schotterige, zerklüftete und bunte Steinlandschaft der Piz Ot-Gruppe.
„Die Bündner sollten Warnschilder aufstellen: Marmotta crossing!“
Nach diesem im wahrsten Sinne des Wortes „aufrüttelnden“ Abschnitt folgt Welle um Welle reinster Flow: Zunächst auf den Anliegern und Kurven des fast 4 km langen Olympia Flow Trail, anschließend traversieren die Trailtester*innen über den WM Flow Trail hinüber zu ihrem Startpunkt auf dem Weitwanderweg Via Engiadina. Diese landschaftlich wunderschöne Querung ist fahrtechnisch deutlich fordernder und wird abgerundet durch eine kleine und feine Abfahrt im Lärchenwald hinab zum Oberengadiner Seenplateau. Perfekter Abschluss: der Sprung in den warmen Moorsee Lej da Staz.
Voilà: Hier findest du weitere Touren- und Trail-Highlights, die die Trailtester*innen unter ihre Stollen genommen haben.
Engadin Samnaun Val Müstair – Natürlich & schweißtreibend
Scuol, der Hauptort der Destination Engadin Samnaun Val Müstair, ist seit Jahrhunderten bekannt für seine vielen Heilquellen. Kein Wunder, dass die Trailtester*innen ihre geschundenen Glieder im warmen Wasser entspannen. Ein paar Tage hintereinander mehrere Tausend Tiefenmeter ausschließlich auf Trails haben es in sich. Und allein der Tag, an dem Local und Snowboard-Olympiasieger Nevin Galmarini die Trailtester*innen guidet, könnte abwechslungsreicher nicht sein. Mit der Seilbahn Motta Naluns geht es hoch zum Startpunkt zur Trail-Querung Richtung Alp Clünas, bevor die Bikes 300 hm zum Piz Clünas geschoben und getragen werden. Gut fahrbare, aber schotterige Kehren hinab zum türkisen Lai da Minschun, dann Flow to da Max über Alpwiesen bis zum Kaiserschmarrn mit Alphorn-Begleitung auf der Alp Laret.
Nach dem Mittagessen folgen unglaublich schöne, schmale und wurzelige Trailabschnitte durch dichten Bergwald mit Nevins unmarkiertem „Secret Trail“ als Highlight. Dieser endet direkt am neu eröffneten „Center da Trails Ftan“ mit seinen Anliegerkurven, Wellen und Jumplines. Doch damit ist noch lang nicht Schluss, schließlich folgen weitere 500 Tiefenmeter auf genialen Trails hinab zum Inn, Namensgeber des Engadin.
Hier findest du weitere Perlen der #purealpinetrails, die die Trailtester*innen rund um den Schweizerischen Nationalpark ausprobiert haben.
“Unglaublich, wie nett und zuvorkommend die Wanderer hier sind!”
Davos Klosters – Endlos Trailbiken
Davos Klosters darf zu Recht als Himmel für Mountainbiker*innen bezeichnet werden, da sind sich die Trailtester*innen einig. Kreuz und quer durch die Region haben sie bereits Highlights wie den Alps Epic Trail oder die Bahnentour abgehakt, so dass Bikeguide Anders von der Bike Academy Davos sich am letzten Tag dafür entscheidet, den Trailtester*innen die berühmte Pischa-Tour zu präsentieren. Mit dem Shuttle werden einige Höhenmeter gespart, dann geht es hinaus in den kalten Nebel und rauf auf den ersten Trail, einem schmalen, verblockten, wunderschönen Pfad entlang des mäandernden Flüelabachs. Ab dem Gasthaus Tschuggen heißt es dann abwechselnd fahren-schieben: 500 Höhenmeter muss man Tschuggerberg und Flüelaberg abtrotzen bis zur Bergstation Pischa. Dafür folgt mit dem bestens fahrbaren Pischagrat ein absolutes Sahnestück. Immer wieder bleiben wir kurz stehen, um die Szenerie zu genießen.
So in Nebel gehüllt hat die Landschaft etwas von Norwegen oder Schottland. Kurz vor dem Hüreli geht es schließlich bergab: auf schnellen, schmalen Trails mit schottrigem Untergrund hinab nach Drusatscha. Alpenrosen säumen den Weg, immer mal wieder spitzt der Davoser See ins Bild. Als sie sich abends im Hotel Ameron als Trailtester*innen outen, bekommen sie das Special VIP Treatment – Champagner und Kerzen inklusive. Hier findest du weitere Touren und Trails, die die Trailtester*innen genossen haben.
Gemeinsam statt einsam: der Abschluss-Workshop
Als am letzten Tag alle 5er Gruppen wieder in Chur zusammentreffen, ist die Freude groß. Die Augen strahlen. Doch nun geht es im Design Thinking Workshop zur Sache. Nur kurz unterbrochen vom Stehlunch mit Bündner Spezialitäten wie Capuns und Nusstorte wird gearbeitet. Am Ende jedes Test-Tages haben die Trailtester*innen bereits Fragebögen ausgefüllt: Was lief gut, was ginge noch besser? Sie diskutieren die Stärken und Schwächen der einzelnen Regionen und überlegen, wie die Stärken der einen Region die Schwächen der anderen ausgleichen könnte. Im Brainstorming skizzieren sie Lösungen für die Herausforderungen der Produktmanager*innen. Und zuletzt präsentieren sie ihre persönlichen Zukunftsvisionen des Home of Trails.
Willst du mehr wissen? Auf dieser Seite haben wir unsere Erkenntnisse gesammelt – und die besten Tourentipps für dich zusammengestellt: www.homeoftrails.com
Text: Anna Weiß | Bild: Andreas Meyer/ WOM Medien, Stefan Schopf
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