Getriebe sind in der Mountainbike-Welt bei weitem nichts Neues, jedoch nach wie vor echte Exoten. Als besonders exotisch gilt die Lösung, mit der Honda vor Jahren im Downhill World Cup an den Start gegangen ist – schließlich handelte es sich dabei im Prinzip um eine im Rahmen verstecke Kettenschaltung. Ein ganz ähnliches Prinzip hat die spanische Firma Unno von Mastermind Cesar Rojo inzwischen zum Patent angemeldet. Dieses spart nicht nur an der ungefederten Masse, sondern gestattet auch einen geraden Kettenlauf und Schaltvorgänge beim Rollen – wir haben uns die Sache genauer angeschaut!
Getriebe leben im Fahrrad-Bereich ein Nischendasein. Die Entwicklung hat in den vergangenen Jahren zwar ohne Frage große Schritte zurückgelegt, dennoch schrecken das höhere Gewicht, die geringere Effizienz und die Beschränkung auf einige wenige Modelle nach wie vor die meisten Kunden ab. Auf der Haben-Seite stehen zwar die geringere ungefederte Masse am Hinterbau, ein sehr zentral und tief liegender Schwerpunkt des Bikes und die Möglichkeit, auch ohne treten zu schalten. Summa summarum sind Getriebe-Bikes wie das von uns getestete Deviate Guide jedoch nach wie vor die Ausnahme! Die Lösung, die sich der Ex-World-Cup-Racer und Unno-Chef Cesar Rojo nun ausgedacht hat, soll einige dieser Probleme lösen. Statt eines Planetengetriebes befinden sich dem angemeldeten Patent zufolge im Inneren Bauteile, die man von einer regulären Kettenschaltung kennt. Unno geht jedoch einen Schritt weiter als das Legendäre Honda RN01, mit dem Greg Minaar Anfang der 2000er auf die Sekundenjagd gegangen ist. Dieses Rad setzte nämlich tatsächlich auf ein Schaltwerk im Inneren des Rahmens.
So sitzt bei Unno in einer Box im Rahmen eine Kassette mit 2 bis 15 (sogar max. 35) Ritzeln auf einer Nabe und ein Kettenspanner, den die Kette S-förmig umschlingt, sorgt für eine variable Kettenlänge. Innerhalb der Box ist ein Kettenblatt auf der Kurbelwelle so nah wie möglich an der Kassette platziert. Geschaltet wird hier nicht, indem der Kettenspanner seitlich ausgelenkt wird – was dem klassischen Schaltwerk entspricht –, sondern indem die Kassette auf ihrer Welle axial verschoben wird, was sowohl mechanisch als auch elektrisch erfolgen kann. Dadurch, dass die freie Länge der Kette zwischen den Zahnrädern sehr gering ist, möchte sie in Flucht zum Kettenblatt bleiben und springt auf das entsprechende Ritzel über. Eine weitere, außerhalb des Gehäuses liegende Kette überträgt die Kraft an die Hinterrad-Nabe. Da diese laut Unnos Plänen auf einen Freilauf verzichtet – dieser befindet sich stattdessen auf der Kurbelwelle –, ist das ganze System beim Rollen immer in Bewegung und man kann ab einer gewissen Geschwindigkeit schalten, ohne in die Pedale zu treten. In einer alternativen Version werden das Kettenblatt und der Kettenspanner axial über einen Kabelzug und eine Schaltgabel bewegt und führen damit die Kette auf die verschiedenen Ritzel.
Das System bietet gegenüber einem regulären Getriebe zumindest theoretisch einige Vorteile. Dazu zählt der vermutlich deutlich bessere Wirkungsgrad, der selbst den einer Kettenschaltung übertreffen dürfte – schließlich weist die Kette bei Unnos Lösung keinen Schräglauf auf. Das Gewicht dürfte nicht deutlich über dem einer Kettenschaltung liegen und das System ist im Inneren vor Umwelteinflüssen geschützt und vermutlich relativ verschleißarm. Zudem spart man sich eine Menge ungefederte Masse am Hinterrad und kann den Hinterbau, je nach Platzierung der Box im Rahmen, weitestgehend von Antriebseinflüssen entkoppeln – beispielsweise indem man die Abtriebswelle in den Drehpunkt legt, wie es bei manchen Getriebebikes bereits der Fall ist. Doch wie steht es um die Nachteile? Im Rollen schalten zu können klingt ziemlich gut – allerdings bewegt sich das System nicht reibungslos und bremst dadurch quasi nonstop leicht. Beim Honda RN01-Prototyp verhielt sich die Sache ähnlich und dort soll der Drag ehemaligen Teamfahrern zufolge durchaus spürbar gewesen sein. Derartige Systeme lassen sich im Übrigen auch mit konventionellen Kettenschaltungen realisieren, wie die französische Firma HxR Components gezeigt hat. Zudem benötigt man für die Version mit axial bewegter Kassette ziemlich viel seitlichen Bauraum, was die Anzahl der Ritzel einschränken dürfte – auch wenn das Patent hier ein sehr hoch gegriffenes Limit von 35 Ritzeln vorsieht. Insgesamt dürfte das Design sich von daher am ehesten an Downhill- und Enduro-Biker richten.
Hier nochmal als Erinnerung – das legendäre Honda RN01-Downhillbike:
Hier findet ihr das vollständige Getriebe-Patent von Unno
Hier findet ihr das vollständige Getriebe Patent von Honda
Meinung @MTB-News.de
Das von Unno zum Patent angemeldete System klingt nach einer sehr interessanten Lösung für abfahrtsorientierte Biker! Wir sind sehr gespannt, ob es jemals in Produktion gehen wird. Es erinnert stark an das immer noch legendäre System von Honda, scheint jedoch einige entscheidende Unterschiede aufzuweisen – wir sind allerdings keine Patentingenieure. Was denkt ihr?
Was haltet ihr von den Systemen von Unno oder Honda? Seht ihr noch weitere wichtige Unterschiede? Schreibt es in die Kommentare!
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