Vorgestern haben wir an dieser Stelle den Rennbericht von Kai Saaler bei der 12h Europameisterschaft in Dießen am Ammersee veröffentlicht – und vielen Lesern wird die Frage gekommen sein, warum man sich so etwas eigentlich antut. Darüber und über die gesamte Faszination der Ausdauerrennen hat Kai mit der Studentin Tamy Walter gesprochen, die ihn für uns interviewt hat. Viel Spaß!

12h Europameisterschaften in Dießen am Ammersee

Tamy Walter: Wie kommt man eigentlich auf die Idee, so etwas zu machen und ein 12h-Rennen zu fahren?

Kai Saaler: Genau genommen war es eine „Schnapsidee“ am Abschlussabend einer Rennradtour nach Paris, welche ich 2009 mit meiner damaligen Abteilung als Grundstein unserer Initiative „Unsere Abteilung soll schlanker werden“ gestartet hatte. Aus einer Bierlaune heraus entstand so die Idee, an einem 12h-Rennen in unserer Nähe teilzunehmen. Mit jedem weiteren Bier stieg zu späteren Stunde unsere Motivation so sehr, so dass wir uns dazu entschieden, jeweils als Einzelstarter bei den „12h von Todtnauberg“ an den Start zu gehen. Gesagt, getan. Im August 2010 war es dann endlich soweit und ich fuhr auf den 5. Platz. Zu diesem Zeitpunkt war das Stundenrennfieber endgültig bei mir ausgebrochen. In den folgenden Jahren habe ich mich verstärkt auf solche Rennen eingeschossen und bin unter anderem bei der Trans Schwarzwald 2011 und beim 24h-Rennen in Finale Ligure 2012, welches durch den Sieg in der U30 Kategorie ein echtes Highlight für mich war, mitgefahren. 2013 musste ich dann durch einen Trainingsunfall leider eine Pause einlegen, bevor ich im Frühjahr 2014 wieder voll angreifen konnte. Mein Ziel war es, beim 24h-Rennen in Finale Ligure, welches in diesem Jahr sogar als 24h-EM der World Endurance Mountainbike Organisation (WEMBO) ausgeschrieben war, in die Weltspitze der Elite 24h-Fahrer zu fahren. Obwohl ich ein wenig Pech hatte, gewann ich den 4. Platz und nebenher auch noch den Europameistertitel der U30 Kategorie. Nachdem ich 2 Wochen später beim 24h-WOMC-Race in Offenburg auf den 2. Rang fuhr, war die Anmeldung für die 12h-EM relativ spontan und nur wenige Tage vor dem Rennen, da ich einfach nur austesten wollte, wie meine Form noch ist :-)

Warum tut man sich das an? Kai's Gesichtsausdruck spricht Bände
# Warum tut man sich das an? Kai's Gesichtsausdruck spricht Bände - © pixemdompteur

Wie hast du dich vorbereitet? Und wie lange?

Das Training für die 12h-EM ging einher mit dem Training für die 24h-EM, auf welche ich mich gezielt vorbereitet hatte. Auf Grund eines Sturzes im vergangenen Jahr begann das dadurch verspätete Ausdauertraining nahezu von Null. Im Januar startete ich zunächst mit leichten Jogging-Einheiten, welche von Woche zu Woche gesteigert wurden. Ab Mitte Februar bestimmte dann das Rennradtraining das Frühjahr. Zeitgleich wurden die Jogging-Einheiten erneut erhöht und Intervalle an einer Treppe eines Staudammes mit etwa 200 Stufen, sowie ein leichtes Dehnprogramm mit eingebaut. Das Training wurde dann bis Mitte April systematisch gesteigert und durch zusätzliche Regenerationswochen, in denen ich sportartfremdes Training, wie Schwimmen, Zumba, Step Aerobic oder Yoga absolvierte, erweitert. Im Trainingslager auf Mallorca wurden dann große Umfänge trainiert. Je näher das 24h-Rennen rückte, desto spezifischer wurde mein Training, so dass am Wochenende 8- bis 9-stündige Ausfahrten mit dem Mountainbike unternommen wurden. Zur gezielten Vorbereitung startete ich zusätzlichen an verschiedenen Rennradkriterien und einem Mountainbike-Marathon. Einen Tag vor dem großen Rennen bin ich die Strecke dann abgefahren und habe dabei leichte Intervalle am Berg absolviert, um den Körper auf die bevorstehenden Strapazen vorzubereiten. Nach dem Rennen in Finale Ligure habe ich dann versucht, das Trainingsniveau bis Offenburg zu halten. Danach habe ich das Training drastisch nach unten gefahren und bin somit mit weniger Training in Dießen an den Start. Trotzdem war ich wohl noch genügend im Saft und bin ohne Druck gestartet.

Hast du in den Tagen/ Wochen vor dem Rennen deine Ernährung umgestellt?

Die Wochen vor einem 12h- oder 24h-Rennen sind meiner Meinung nach sehr wichtig. An den Tagen 7–4 vor einem solchen Rennen ernähre ich mich fast ausschließlich von eiweißhaltiger Nahrung, während die letzten 3 Tage bis zum Rennen dann nur noch kohlenhydratreiches Essen zugeführt wird, wodurch in der Theorie die maximale Kohlenhydrateinlagerung erreicht werden soll. Zudem ist es wichtig viel zu trinken, um den Körper auf eine erhöhte Wasseraufnahme in solchen Ausnahmesituationen, wie einem 12h-Rennen, vorzubereiten. Bei mir hat sich das jedenfalls bewährt, auch wenn ich denke, dass das eher einen Placeboeffekt hat. Aber wenn’s hilft ;-) In puncto Ernährung könnte ich allerdings noch viel rausholen. Ich mache eher Sport, um viel essen zu können.

Was machst du, damit du das gesamte Rennen über konzentriert bleibst?

Ich fahre Mountainbike, das macht mir Spaß ;-) Zudem versuche ich jede Runde, die Ideallinie noch mehr auszureizen und unterhalte mich mit anderen Teilnehmern, Zuschauern oder Streckenposten.

Singletrail? Nicht wirklich... hier darf für die nächste Auflage gerne nachgelegt werden
# Singletrail? Nicht wirklich... hier darf für die nächste Auflage gerne nachgelegt werden - © pixemdompteur
Technisch anspruchsvolles Gelände wie etwa in Finale sieht anders aus. Leichter ist die 12h Europameisterschaft dadurch dennoch nicht geworden
# Technisch anspruchsvolles Gelände wie etwa in Finale sieht anders aus. Leichter ist die 12h Europameisterschaft dadurch dennoch nicht geworden - © pixemdompteur

Wie hast du dich die 12 Stunden motiviert?

Lange Zeit war ich mit dem 12h-Weltmeister Markus Ziegler, welcher mich beim 24h-Rennen in Offenburg geschlagen hatte, unterwegs. Wir haben uns prima verstanden und haben uns super unterhalten, wodurch wir die ersten Runden etwas verbummelt haben. Als Markus Ziegler dann Probleme mit seinem Hinterrad hatte, trat ich auf Platz 6 liegend die Flucht nach vorne an. Die Motivation war dann natürlich einen Platz auf dem Treppchen zu erkämpfen. Dass es schlussendlich jedoch so gut läuft, hätte ich allerdings selbst nicht gedacht.

Wie teilt man sich am besten die Kraft ein?

Zuallererst darf man sich zu Beginn nicht verrückt machen lassen, da solche Stundenrennen ihre eigenen Gesetze haben und viel passieren kann. Dennoch fahre ich die ersten Stunden in einem relativ hohen Pulsbereich. Da kann es schon mal vorkommen, dass der Puls am Berg die 175er-Grenze überschreitet. Nach 6 bis 7 Stunden nimmt der Puls durch die hohe Belastung jedoch von alleine wieder ab. Die Herzfrequenz pendelt sich bei mir meist zwischen 130 und 135 Schlägen pro Minute ein. Selbst am Berg übersteigt der Puls nur selten die 140er-Marke, während sich die Rundenzeiten aber nur wenig verschlechtern.

Was isst und trinkst du während dem Rennen?

Während dem Rennen versuche ich mich möglichst natürlich zu ernähren. Laugenbrötchen mit Käse, Basler Läckerli (Spekulatius mit 71% Kohlenhydraten), Datteln und italienische Kinder-Schokoladen-Croissants stehen dann auf dem Essensplan. Zu trinken lasse ich mir meist Apfelschorle reichen. Alle paar Runden dann Long-Energy-Pulver der Firma Sponser und alle 3 bis 4 Stunden gibt es heiße Brühe, um genügend Salz in den Körper zu spülen. Hierbei muss man allerdings aufpassen, dass man nicht zu viel davon trinkt, denn zu viel Salz kann den Körper auch schnell austrocknen.

Staune Staune, gute Laune - zumindest für's Foto
# Staune Staune, gute Laune - zumindest für's Foto - © pixemdompteur

Hast du gleich zu Beginn gemerkt, dass das DEIN Rennen ist?

20 Minuten vor dem Start habe ich noch gedacht, dass das mit dem Rennen heute nichts wird. Zum Glück habe ich mich dann aber Runde für Runde besser gefühlt und die Unterhaltung mit Markus Ziegler hat dann zusätzlich noch mehr Auftrieb gegeben.

Gab es zwischendurch einen Moment, an dem du daran gedacht hast aufzugeben?

Ich bin nicht der Typ der schnell aufgibt. Da muss schon einiges passieren. Selbst als es wie aus Eimern geregnet hat, hat mich das eher noch mehr motiviert, allen zu zeigen, was ich kann. Allerdings gibt es bei jedem Rennen Momente, in denen man sich fragt, was man da eigentlich macht oder man an der Renneinteilung zweifelt. Es gibt immer einen Zeitpunkt, an dem man nicht genau weiß, ob man das Renntempo bis zum Schluss durchhält oder ob man es doch zu schnell angegangen ist. Deshalb ist es wichtig, die Zeichen seines Körpers zu lesen und zu deuten. Wann ist es Zeit zu essen, zu trinken, sich Salz zuzuführen, welches Essen und Trinken möchte man in der nächsten Runde gereicht bekommen… Bei jedem Rennen lernt man so Neues dazu und verbessert seine Rennstrategie.

Verfällt man irgendwann automatisch in den „Tunnelmodus“?

So was wie einen „Tunnelmodus“ gibt es bei mir eigentlich nicht. Ich unterhalte mich während dem Rennen immer mit anderen Fahrern, Streckenposten und Fans an der Strecke. Da kommt keine Langeweile auf und man verfällt auch nicht in den Tunnelblick. Außerdem ist man auch sehr mit dem eigentlichen Rennen beschäftigt, um die Ideallinie zu fahren oder eben, um zu schauen, was man essen und trinken will.

Machst du während dem Rennen auch mal Pausen?

Normalerweise steige ich bei einem 24h-Rennen etwa 3 bis 4 mal vom Rad, um auszutreten. Diese Zeit wird dann zusätzlich zum Essen genutzt. Bei der 12h-EM hatte ich meinen Körper so sehr im Griff und habe das Trinken so dosiert, dass ich keine Pausen einlegen musste. Dennoch habe ich nach 7 Stunden einen kleinen Boxenstopp eingelegt, um den Hinterreifen nachzupumpen und die Kette zu ölen. Ich habe meinen Reifen aufgepumpt, während meine Schwester, welche als meine Betreuerin mit am Start war, die Kette mit Nähmaschinenöl ölte. Das Essen und Trinken wird wie beim Mountainbike Weltcup während der Fahrt aufgenommen. Hierbei hat sich zumindest bei mir bewährt, das Essen mit einem Haargummi an der Trinkflasche zu befestigen. Bei der Aufnahme der neuen vollen Trinkflasche, nehme ich die Flasche, die sich noch im Flaschenhalter befindet in den Mund und halte sie mit den Zähnen fest. Die neue Flasche wird dann mit der Hand aufgenommen und in den Halter gesteckt. Falls man die Flasche nämlich verpasst, was im Regen schnell mal passieren kann, wird die Flasche im Mund einfach weiter benutzt. In ihr befindet sich dann zwar weniger zu trinken, aber das reicht meist noch für eine weitere Runde. Angehalten wird nur im Notfall!

Wann hast du realisiert, dass du gewonnen hast?

Naja, richtig gewonnen habe ich ja eigentlich nicht, da Michael Kalivoda als Masters-Fahrer noch vor mir war. Wirklich realisiert habe ich meinen Sieg dann allerdings erst im Ziel. Während dem Rennen denke ich eher weniger daran, dass ich schon gewonnen habe. Denn auch in der letzten Runde kann man noch einbrechen oder einen technischen Defekt erleiden und das wäre dann sehr schmerzhaft. Deshalb versuche ich sowas meist so gut es geht auszublenden. Allerdings gibt mir meine Betreuerin immer die Platzierung durch, dann kann man schon mal einschätzen, ob es gut läuft oder nicht.

Wie fühlt es sich an, gewonnen zu haben und Europameister zu sein?

Ich freue mich natürlich riesig! Trotzdem war noch einer vor mir und ich fühle mich eher als Vizemeister. Während des Rennens bin ich immer auf Gesamtsieg gefahren, zumindest als ich gemerkt hatte, dass es super läuft. Deshalb bin ich auch super glücklich „Vize-Europameister“ zu sein und letzten Endes mit meiner Gesamtleistung sehr zufrieden. Ich denke jeder, der ein solches Rennen durchhält, kann mit seiner Leistung zufrieden sein. Denn jeder einzelne geht an seine eigene Leistungsgrenze, auch wenn er nicht gewinnt.

Wie erholst du dich nach einem Rennen?

Ich erhole mich eigentlich sehr schnell von solchen Stundenrennen, da sich mein Körper in kurzer Zeit regeneriert. Am darauffolgenden Tag habe ich meist leicht schwere Beine und fahre nicht gerade wieder Rad. Von den speziellen Recovery-Drinks halte ich persönlich nicht viel, sondern ich belohne mich dann eher mit Pizza oder einem Besuch bei Burger King. 2 Tage nach der 24h-EM habe ich an einem X-Terra Triahtlon (1,5km Schwimmen, 60km MTB, 10km Laufen) teilgenommen. Das war aber eher die Ausnahme, just for fun und auch nur wegen einer Wette. Im Regelfall mache ich nach einem Rennen eher wenig Sport. Allerhöchstens laufe ich eine lockere Jogging-Runde oder bike ein bisschen, um das Herz nicht von Hundert auf Null herunterfahren zu lassen. Nach etwa 4 bis 5 Tagen nehme ich das Training dann aber wieder auf.

Steigert so ein Titel die Erwartungen an einen selbst, noch mehr zu erreichen?

Klar steigen die Erwartungen, vor allem weil ich mit meinen 27 Jahren noch zu den jüngeren Fahrern im 12- und 24-Stundenzirkus gehöre. Auch wenn da noch mehr drin sein sollte, setze ich die Erwartungen nicht zu hoch. Ich weiß jetzt, zu was ich fähig bin und habe in diesem Jahr auch sehr viel über meinen Körper gelernt. Trotzdem kann man nie wissen, was die nächste Saison bringt. Es gibt noch sehr viel, was ich im Training und bezüglich der Ernährung verbessern könnte. Jedoch kann man bei beidem auch sehr viel falsch machen. Zu viel Training kann dem Körper beispielsweise zu viel abverlangen, so dass das Training seine gegensätzliche Wirkung erzielt. Aus diesem Grund ist die richtige Regeneration für mich das Wichtigste im Training. Wenn das nächste Jahr ähnlich gut läuft wie dieses, dann bin ich schon überglücklich. Mir geht es in erster Linie nicht darum zu gewinnen, sondern die Grenzen meines Körpers auszuloten.

Wie sehen deine weiteren Zukunftspläne hinsichtlich dem Radsport aus? Bei welchem Rennen würdest du gerne einmal an den Start gehen?

Ich bin schon eher der extremere Typ. Das Biken ist einfach eine Passion für mich. Ich will damit nicht unbedingt Geld verdienen, aber in Zukunft wäre es echt cool, wenn es sich ein Stück weit selber finanzieren würde. Es wäre echt ein Traum für mich, ein Team zu finden, welches mich bei allem ein wenig unterstützt. Bei Strecken wie dem 24h-Rennen in Finale Ligure, die aus knapp 75% Singletrails bestehen, geht mir das Herz auf. Ich könnte ewige Touren in meiner Heimat, dem Südschwarzwald machen und den ganzen Tag Singletrails fahren. Dabei würde ich das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommen, denn Mountainbiken macht mir einfach super viel Spaß und diesen will ich mir auf jeden Fall bewahren. Deshalb gibt es auch noch sehr viele Rennen, die ich gerne fahren würde: Crocodile Trophy, Trans Alp, The Munga, Cape Epic, Salzkammergut Trophy,… Die Liste könnte ich noch endlos weiterführen. Aber diese Rennen sind mir einfach zu teuer, weshalb sie wohl auch eher Traumrennen für mich bleiben werden.

Das Interview führte Tamy Walter. Vielen Dank für die Bereitstellung zur Veröffentlichung.

Auch bei der 12h EM ist das Fahrerfeld bunt gemischt. Trachtenlook und Goggle vs. ernste Racer
# Auch bei der 12h EM ist das Fahrerfeld bunt gemischt. Trachtenlook und Goggle vs. ernste Racer - © pixemdompteur

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