Zum ersten Mal in der Geschichte der Olympischen Sommerspiele gibt es eine gleichmäßige Verteilung von männlichen und weiblichen Athleten. Ein wichtiger Meilenstein für die geschlechtliche Gleichstellung im Leistungssport. Es ist offensichtlich, dass neben dem Kampf der Gleichberechtigung auch andere Themen im Leistungssport für Frauen noch nicht ganz rund laufen. Oft habe ich hier bei MTB-News schon über den weiblichen Zyklus geschrieben und meine persönlichen Erfahrungen mit euch geteilt. In diesem Bericht möchte ich über mögliche (gesundheitliche) Risiken für Frauen im Hochleistungssport sprechen, die auch mit Zyklusstörungen einhergehen können.
Die endlose Debatte um das Gewicht spielt dabei eine große Rolle. Mir ist es wichtig, dass darüber mehr gesprochen wird, da es für viele Sportlerinnen und Trainerinnen oftmals ein Tabuthema ist, was schwerwiegende Folgen für die Athletinnen haben kann.
Warum sind die gesundheitlichen Risiken für Athletinnen so unerforscht?
Die physiologischen Unterschiede von Frauen gegenüber Männern sind offensichtlich: Hormonelle Schwankungen, die Auswirkungen des Menstruationszyklus und Risiken wie die Female Athlete Triad. Diese Komplexität wurde in der Sportmedizin bisher oft vernachlässigt. Das wiederum ist auf die historische Benachteiligung von Frauen im Spitzensport zurückzuführen. Frauen haben erst in den letzten Jahrzehnten zunehmend Zugang zu höherem Wettkampfsport erhalten, wodurch die Forschung zu spezifischen gesundheitlichen Problemen bei Athletinnen hinterherhinkt.
Die Sportmedizin und die Wissenschaft allgemein haben lange Zeit männliche Körper und deren Reaktionen auf Training und Belastung als Standard betrachtet. Es wurden schlichtweg weniger spezifische Erkenntnisse über Frauen gesammelt. Die Gendermedizin geht dieses Problem in der Medizin generell an und auch im sportmedizinischen Bereich gibt es zunehmend frauenspezifische Forschung. Es geht voran!
Female Athlete Triad / RED-S – Die wohl größte physische Gefahr für Athletinnen im Ausdauersport
Basierend auf internationalen Studien schätzt Dr. med. Claudia Römer, Sportmedizinerin an der Charité Berlin, dass im Leistungssport je nach Disziplin bis zu 60 % der Athletinnen vom Female Athlete Triad betroffen sein könnten. „Auch bei ambitionierten Hobbysportlerinnen sehen wir sehr hohe Prozentsätze von über 40–50 %“, erklärt sie in der ARD-Dokumentation „Die Entdeckung der Gendermedizin“. Die Zahl finde ich persönlich erschreckend, es wundert mich aber leider nicht.
Female Athlete Triad wird heute RED-S genannt, da von diesem Syndrom nicht nur Frauen, sondern auch Männer betroffen sein können. RED-S steht für Relative Energy Deficiency in Sports (siehe auch auf Wikipedia: Relatives Energiedefizit im Sport, Anm. d. Red.) und ist ein medizinischer Zustand, der durch ein Ungleichgewicht zwischen Energiezufuhr und Energieverbrauch im Zusammenhang mit intensiver sportlicher Aktivität entsteht. Es betrifft vor allem Athleten und Athletinnen, die entweder nicht genügend Kalorien zu sich nehmen, um ihren Energiebedarf zu decken, oder deren Energieverbrauch durch Training und Wettkämpfe so hoch ist, dass sie in einen Energiemangelzustand geraten.
Das kann im Ausdauersport durchaus unabsichtlich geschehen, beispielsweise durch eine schnelle Erhöhung der Trainingsumfänge ohne entsprechende Anpassung der Kalorienzufuhr. Im Freizeitsport tritt es häufig auf, wenn eine zu ehrgeizige Gewichtsreduktion mit exzessivem Training und/oder kalorienarmer Diät kombiniert wird. RED-S unterscheidet sich von der Magersucht bei Sportlern darin, dass nicht die mentale Komponente, wie eine gestörte Körperwahrnehmung oder suchtartiges Verhalten, die Ursache des Krankheitsbildes ist. Ein RED-S-Syndrom muss demnach nicht mit einer Magersucht einhergehen, da das Energiedefizit auch unbeabsichtigt entstehen kann. Die organischen Auswirkungen ähneln sich jedoch stark, und ein RED-S-Syndrom kann auch gleichzeitig mit einer Magersucht auftreten.
RED-S kann bei Frauen zu schwerwiegenden Problemen führen. Wenn Fettreserven zu schnell abgebaut werden, reagiert der Körper mit Veränderungen im Hormonhaushalt: Der Menstruationszyklus wird unregelmäßig, schwächer und bleibt schließlich ganz aus. Eine Schwangerschaft ist dann nicht mehr möglich, da sie vor dem Hintergrund erschöpfter Energiereserven zu riskant wäre. Es gibt Leistungssportlerinnen, die auch im frühen Erwachsenenalter noch nie ihre Periode hatten, da der Körper in einem kindsähnlichen Zustand bleibt. Auch dafür kann RED-S verantwortlich sein.
RED-S beeinträchtigt zudem die Knochengesundheit, indem es zu einer Abnahme der Knochendichte führt. Das Risiko von Stressfrakturen, sogenannten Ermüdungsbrüchen, und Osteoporose erhöht sich. Zudem kann es zu einer verminderten Herzfunktion kommen und somit zu einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Naheliegend ist auch, dass das Immunsystem durch RED-S geschwächt ist, und somit die Anfälligkeit für Infektionen erhöht ist.
Der offene Umgang und das direkte Ansprechen von Auffälligkeiten sind bei RED-S entscheidend. Ich halte es für problematisch, dass es oft einfach hingenommen wird, wenn Athletinnen extrem dünn sind. Natürlich ist das Spiel mit den Watt pro Kilo in unserer Sportart entscheidend, allerdings finde ich, dass das nie auf Kosten der Gesundheit passieren darf. Das liegt in der Verantwortung der Athletin, aber auch des Umfelds. Eltern, Trainerinnen und Trainer sowie Freundinnen und Freunde spielen dabei eine große Rolle. Oftmals ist es so, dass Athletinnen auf eine Magersucht angesprochen werden und dies (oft zurecht) direkt verneinen.
Meine persönlichen Erfahrungen mit dem Versuch zur Gewichtsabnahme
Auch ich habe unschöne Erfahrungen mit dem Umgang mit meinem Gewicht gemacht. Ganz lange habe ich einen Druck gespürt, abnehmen zu müssen, da ich zu den „schwereren“ Athletinnen gehöre. Ich bin 174 cm groß und wiege 65 kg. Ich habe immer wieder hart versucht, mein Gewicht bei gleichbleibender Leistung zu reduzieren. Das hat mich mental gestresst und hat mir ehrlich gesagt Energie geraubt, die ich besser in etwas anderes investiert hätte. Heute mag ich mich so wie ich bin und weiß, dass ich seit 10 Jahren immer ungefähr 65 kg wiege und bei diesem Gewicht auch sehr gut performen kann. Eigentlich eine schöne und gesunde Konstante, die ich erst heute wertzuschätzen weiß.
Auch mit meinem Trainer Björn Kafka spreche ich offen über dieses Thema und bin froh, dass ihm die langfristige Gesundheit einer Athletin wichtiger ist als der eventuelle kurzfristige Erfolg. Zudem habe ich, gewiss aufgrund der Vorsicht, glücklicherweise keine Zyklusstörungen, meine Periode schwankt zwischen 29 und 32 Tagen und auch meine Knochendichte war bei der letzten Untersuchung sehr gut.
Für mich hat das Thema auch mit einem gesunden und glücklichen Lebensstil zu tun. Ich möchte meinen Körper nicht in einen dauerhaften Stresszustand versetzen und in Kauf nehmen, dass natürliche hormonelle Prozesse nicht mehr funktionieren oder meine Knochendichte schlecht wird. Mir geht es gut, wenn mein Körper gut versorgt ist und mein Zyklus regelmäßig ist. Deshalb versorge ich meinen Körper vor, während und nach Trainingseinheiten ausreichend mit Energie.

Der Leistungssport ist für Frauen durchaus ein Risikofaktor, wenn man keinen gesunden Umgang mit seinem Körper pflegt. Es gibt leider einige Negativbeispiele an Spitzen- und Hobbysportlerinnen, die von RED-S betroffen sind. Einige ehemalige betroffene Spitzensportlerinnen haben lange mit den Folgen des Syndroms zu kämpfen. Und genau deshalb, finde ich, sollte man die Prävention noch größer schreiben. Nur wenn mehr darüber aufgeklärt wird, von den Verbänden klare Grenzen gezogen werden und das Ansprechen enttabuisiert wird, kann die Zahl der Betroffenen meiner Meinung nach gesenkt werden.

Hast du schon einmal von RED-S gehört?
Alle Berichte von Theresia Schwenk findet ihr hier:
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41 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumAber gerade bei den Profis, die ja ihren Lebensunterhalt mit dem Sport verdienen, stell ich es mir schwierig vor.
Die Strecken werden immer gefährlicher, die Sprünge immer weiter. Klar, die Fahrwerke geben viel mehr her als früher, aber das Risiko für schwere Verletzungen steigt ja auch.
Wenn man da als Pro nicht mitzieht, ist man doch schnell weg vom Fenster, oder?
Aus meiner eigenen Sportzeit kann ich sagen, ich wäre froh gewesen, hätte ich einen Trainer gehabt, der mich auch mal in meinem Ehrgeiz gebremst hätte.
Da kamen aber nur Sprüche wie „the time is now“ oder „man muss das Eisen schmieden solange es heiß ist“ usw.
Die meisten können nicht mal ansatzweise ihren Lebensunterhalt aus dem Sport finanzieren.
Der Aufwand ist für alle ca. gleich groß. Kassiert wird aber nur von den Top 10, wenn überhaupt.
Am Leistungssport gibt's überhaupt nichts zu romantisieren und schon gar nicht am Spitzensport.
Jeder von uns weiß recht genau, wie das Trainingspensum aussieht. Wer würd's freiwillig auf sich nehmen?
Danke für den interessanten Artikel! Für mich als männlichem Hungerhaken (größer und leichter) jetzt also noch was, wo ich zumindest im Auge behalten sollte. 😅
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