Statt einer großen WOMB-Fotostory gibt es heute die Kolumne von World of MTB-Teamfahrer Sönke Wegener. Thema: Geburtstag während der Swiss Epic – und die anstrengenden, aber nicht vorhersehbaren Folgen an diesem besonderen Tag…

Leukerbad, 16. September 2015. Zusammen mit Daniel Eiermann stehe ich bei der zweiten Etappe der Perskindol Swiss Epic am Start. Wir haben uns für die Flow Variante entschieden. Das bedeutet: deutlich mehr Tiefenmeter und weniger Höhenmeter als die Epic. Für mich ist dies kein gewöhnlicher Tag. Es ist mein Geburtstag! Und irgendwie ist es Tradition geworden, dass es an meinem Ehrentag immer Schmerzen unter der Gürtellinie durch maximale Ausbelastung auf dem Rad gibt.

Letztes Jahr fuhr ich die Swiss Epic zusammen mit Benjamin Joerges auf einen hervorragenden 10. Platz. Am besagten 16. September 2014 haben wir den Grundstein für diesen Erfolg gelegt. Benjamin peitschte mich von Verbier nach Leukerbad und zwang mich, jeden Berg voll mitzugehen. Dass er nur 62 Kilo wiegt und ich mit zehn mehr immer an meinem Limit war, das ließ ihn kalt! Es war schließlich mein Geburtstag und das Geschenk mit den Schmerzen kam von ganzem Herzen!

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Egal, ich hatte diesen Tag schon fast vergessen. Ich war schließlich in einer Gewichtsklasse mit Daniel auf der Flow Edition unterwegs. Also was sollte heute schon passieren? Die Daten sahen vielversprechend aus: 44 Kilometer, 1.600 Höhenmeter Up- und über 3.000 Höhenmeter Downhill! In Leukerbad starteten wir mit der Gondel auf über 2.300 m.NN. und wurden bei starkem Fönsturm immer teamweise auf die Rennstrecke entlassen. Schnell fuhren wir unter die aus Leukerbad kommende Epic Spitze auf.

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Nach endlosen, genialen Singletrails erreichten wir das Rhonetal. Wir überquerten die Straße und fuhren den Markierungen nach. Ein Passant winkte uns weiter. Er war die schnellen Biker wohl schon von der kurz zuvor zu passierenden Epic-Spitze gewohnt. Daniel und ich fuhren weiter, immer am Limit.

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Generell traten wir immer so stark in die Pedale, wie es eben möglich war. Die Anstiege wurden länger, die Traildichte geringer. Der Inhalt unserer Trinkflaschen reichte nicht mal mehr, um die Pulverreste auf dem Flaschenboden zu lösen. Nach gefühlten eineinhalb Stunden mussten wir im Anstieg an einem Brunnen unsere Flaschen füllen. Thomas kam zusammen mit seinem Sohn Andri Frischknecht an uns vorbei. Man sah, dass Thomas keinen guten Tag hatte und nur Wortfetzen herausbrachte auf die Frage: „Ist das noch die Flow-Strecke?“ – „Es gibt nur diesen Weg!“ Was auch immer das heißen mochte. Andri ergänzte: „Noch zehn Kilometer bis ins Ziel!“ Okay, wir waren falsch!

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So schnell Andri uns mit dieser Information fütterte, so schnell nahmen wir auch zwei Gänge raus. Apropos Füttern. Daniel hatte bereits vor der Zusammenkunft mit den Frischis Geltuben auf der Straße aufgesammelt, um sich den restlichen Inhalt einzuverleiben. Wir hatten ja nicht mit so einer Distanz gerechnet. Mit immer noch Zug auf der Kette erreichten wir Leukerbad. Ich hatte also mein Geburtstagsgeschenk: zwei Stunden und 1.800 Höhenmeter mehr auf dem Bike. Im Ziel wurden wir von der Orga schon empfangen. Sie hatten uns ständig auf dem PC durch den Livetracker verfolgen können. Dabei natürlich auch gemerkt, dass wir anstelle eines 15minütigen Downhills eine Extraschleife gedreht haben. Anrufe waren wirkungslos, weil das Stromnetz in unserem Hotel in der vergangenen Nacht tot war und wir unsere Handys nicht aufladen konnten.

Schnell packten sie unsere Räder in einen Bus, gaben uns noch die Zeit, die Trinkflaschen zu füllen, und fuhren mit uns an die letzte Wertungsstrecke. Dort starteten bereits weitere Flow-Rider in einen technischen, rutschigen Downhill. Rutschig durch den kurzfristigen Regen, der uns im letzten Epic-Anstieg durchnässt hatte. Endgültig im Ziel angekommen, teilte man uns mit, dass die Jury ihre Entscheidung über unseren Verfahrer bis 17:00 Uhr diskutieren möchte. Wir mussten erst einmal einen Mittagsschlaf machen. Das Telefon klingelte: 45 Minuten Zeitstrafe!

Daniel und ich waren zunächst geschockt. Das Telefon klingelte erneut: „Sorry Jungs! 45 Minuten reichen nicht! 60 Minuten!“ Aus der Traum vom Leadertrikot! Jede Sekunde, die wir versucht haben, gut zu machen, jedes Risiko, das wir eingegangen sind, jeder Kratzer auf der Haut … alles umsonst! Bei 45 Minuten hätten wir noch geführt. Wir mussten es als sportliches Kompliment sehen.

Salz in die Wunde streuten noch die Flow-Teilnehmer, als sie uns mitteilten, dass der verpasste DH die absolute Oberklasse war. Somit waren es nicht nur Schmerzen unter der Gürtellinie. Am Folgetag führte die Strecke diesen genialen Downhill runter. Daniel flog vor mir in einer Serpentine über den Lenker. Er wollte vor einem dort positionierten Fotografen stylen. Am Ende des Tages konnten wir uns das Führungstrikot mit 41 Sekunden Vorsprung wieder sichern. Nicht jeder Kratzer des heutigen Tages war umsonst!

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Aktuelle Ausgabe

Europa – In dieser Ausgabe widmen wir uns vor allem dem Thema „Made in EU“. Wir stellen dir acht europäische Firmen vor, die in Eigenproduktion Fahrradrahmen herstellen oder in Betrieben in Europa fertigen. Auch das Rampenlicht widmet sich europäischen Fabrikaten. In unserem Pictorial erwarten dich pure Emotionen bei der Weltmeisterschaft in Andorra. Hans Scherf berichtet von der Interbike 2015, die größte Messe der USA. Reisen ohne Ziel, sich treiben lassen und natürlich shredden – Hannah Röther erzählt von ihrem Roadtrip durch die Provence. Wie man mit einem Nosewheelie Hindernisse überwinden kann, liest du in der Rubrik Körper.

Auch das Kurvenreich zieht es in die Ferne. Drei Frauen wagen die Reise in das unbekannte Kaukasus. Ein Land aus Stein und Trails im Dornröschenschlaf. Im Interview die aktuelle Monatsfrau Daniela Kinz und ihre Arbeit bei einem Radsportverein in Österreich, den Velochicks.

Die world of mtb 11/2015 ist auch jetzt schon im App Store und im Play Store erhältlich, sowie als Epaper im Nutzersystem auf unserer Homepage: www.wasistmtb.de

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Text: Sönke Wegner | Bild: Sportograf
  1. benutzerbild

    Ehrenfeld

    dabei seit 10/2001

    Statt einer großen WOMB-Fotostory gibt es heute die Kolumne von World of MTB-Teamfahrer Sönke Wegener. Thema: Geburtstag während der Swiss Epic - und die anstrengenden, aber nicht vorhersehbaren Folgen an diesem besonderen Tag...


    → Den vollständigen Artikel "WOMB Kolumne: Schmerzen unter der Gürtellinie" im Newsbereich lesen


  2. benutzerbild

    pefT3

    dabei seit 05/2004

    Irgendwie versteh ich das nicht ganz.
    Erst verfahren, dann noch 60 min Zeitstrafe und am nächsten Tag schon wieder Führender?
    Waren die anderen zu Fuß? smilie

  3. benutzerbild

    Herr_Schmidt

    dabei seit 05/2013

    Ich verstehe ohnehin nicht, dass man dafür bestraft wird, wenn man sich zu seinem Nachteil verfährt.

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