Denke ich an die Bilder aus Kaprun, an die frühen Downhillrennen, dann hat sich bis heute viel verändert. Der World Cup wird auf wesentlich anspruchsvolleren Strecken ausgetragen, wobei natürlich auch die Bikes besser geworden sind, und dennoch bekomme ich Gänsehaut bei den Clips früher Downhillrennen: in Lycra gehüllt mit Geschwindigkeiten jenseits der 70 km/h den Berg hinabrasen. Kurz darauf wurde Lycra gegen lässige Funktionsbekleidung getauscht. Eine Vielzahl an Protektoren schützt vor Verletzungen oder mildert diese wenigstens ab. Vor allem aber kamen auch in Mitteleuropa Bikeparks in Mode. 1999 eröffnete Diddie Schneider den Bikepark Geißkopf. Schon drei Jahre zuvor öffnete die Downhillstrecke in Todtnau ihr Startgatter für Downhillbegeisterte. Seit diesen Tagen hat sich viel getan. Waren Bikeparks zu Beginn vor allem ausgewachsene Downhillstrecken für Spezialisten, ändert sich nun das Selbstverständnis der Parks. Doch wohin geht es?
von Norman Bielig
Breiten- statt Rennsport
„Ein Bikepark sollte ein Ort sein, an dem möglichst viele verschiedene Biker Spaß haben, nicht nur Spezialisten“, so Diddie Schneider, Streckenbauer und Gründer des MTB Zone Bikepark Geißkopf. Und so begann man 1999 schon mit einer breiten Palette an Strecken und eigener Bikeschule. Das mit Hans Rey erarbeitete Flow Country Streckenkonzept verschafft dem Bikepark am Geißkopf seit einigen Jahren enormen Zulauf, gerade der Anteil an Tourenfahrern, Frauen und Kindern steigt beständig.
Todtnau bleibt sich seit 1996 relativ treu. Eine Downhillstrecke für begeisterte und spezialisierte Abfahrer. Wie früher ist die Strecke auch heute nichts für Anfänger, wie Arne Grammer vom Bikepark Todtnau erklärt. Was sich verändert hat? Seien es früher vor allem die Spezialisten gewesen, die den Bikepark besuchten, sei es heute eher die breite, trailhungrige Bikemasse. Im Gegensatz zu früher sei die Auslastung auch wesentlich wetterabhängiger, kaum jemand wolle bei Regen und schlechtem Wetter fahren. Dafür würden es mehr Leute, die aber weniger Abfahrten machten. Die wirklichen Rennfahrer blieben immer mehr aus, so sinke auch das allgemeine Fahrniveau im Park. Eine logische Entwicklung, wenn ein Sport vom Rennen in die breite Masse geht.
Der Trend zum Schönwetterfahren ist laut Diddie Schneider am Geißkopf nicht zu beobachten. Gerade die speziell angelegte Flow Country Strecke ließe sich auch bei schlechtem Wetter problemlos fahren und ziehe auch da ein großes Publikum an.
Der Bikepark Winterberg war laut Juniorchef Nico Brinkmann von Anfang an als „Bikepark für alle“ konzipiert. Aus dem Wintergeschäft kommend, sieht Brinkmann den Park auch pragmatisch: Er müsse Geld einspielen, um die hohen Investitionen wieder einzuspielen. Die Entwicklung ist dabei durchaus positiv. Von 6.500 beförderten Personen in der Saison 2003 ist man nun bei 25.000 Personen im Jahr 2014. Zehn Strecken statt der anfänglichen zwei, und nächstes Jahr kommt wahrscheinlich eine weitere hinzu. Interessant ist, dass der Anteil der Mehrtagestickets gleichbleibend gering ist. Mit einem großen 1-3h-Anfahrtseinzugsgebiet zieht Winterberg vor allem Tagesgäste an. Doch ist man hier bereits dabei, Konzepte zu erproben, wie man mit dem zugehörigen Hostel Mehrtagesgäste anziehen kann. Laut Brinkmann kann der Bikepark bei Mehrtagestickets dieses Jahr die ersten Zuwächse verzeichnen, vor allem im Bereich der Familien mit Kindern, die einen Teil ihrer Ferien im Bikepark verbringen wollen.
Auffällig am Bikepark Winterberg ist die Vielfalt im Bereich leichter und mittlerer Strecken, im Bereich der Experten dünnt es sich dann aus. Todtnau ist hier klar im fortgeschritteneren Segment angesiedelt, und der Geißkopf geht die internationale Mischung aus 149 Bikeparks recht gut mit.
Streckenschwierigkeiten im Vergleich
(Datensatz erstellt mit Daten von mtbparks.com und singletracks.com)
Park | einfach | mittel | fortgeschritten | expert |
Todtnau | 0% | 50% | 50% | 0% |
Geißkopf | 30% | 30% | 30% | 10% |
Winterberg | 30% | 40% | 30% | 0% |
Whistler | 8% | 37% | 30% | 25% |
Ø international |
15% | 32% | 38% | 15% |
Spannend ist, dass der wohl meistgelobte und meistzitierte Bikepark, nämlich Whistler an der Westküste Kanadas, tendenziell schwierigere Strecken aufweist als der internationale Durchschnitt. Dennoch bleibt die breite Masse an Fahrern dort nicht aus, ganz im Gegenteil.
50 Prozent der Wertschöpfung erfolgen in Whistler über das Liftticket, die anderen 50 Prozent verteilen sich auf Verleih, Verkauf und Kurse. Ein Anteil, der sich fast ausschließlich aus der breiten Masse generiert, denn diese leiht sich bikeparktaugliche Räder aus und nimmt Kursangebote wahr. Winterberg hat hier einen mit 30 Prozent hohen, aber im Vergleich ausbaufähigen Anteil. Da die meisten Bikeparks über die Lifttickets maximal ihre laufenden Kosten decken, sind die Nebeneinkünfte ein elementarer Bestandteil in der Wertschöpfungskette, und so ist auch die Ausrichtung als Park für eine breite Masse an Bikern überlebensnotwendig.
Potenzial
Schaut man sich die Zahlen erfolgreicher deutscher Bikeparks an, stellt man ein beständiges Wachstum fest. Gerade im Hinblick auf Kurs- und Verleihangebote lässt sich noch viel optimieren. Denn vor allem im Downhillsegment werden sehr hochwertige Bikes als Test für einen späteren Kauf wahrgenommen, wie man in Whistler, aber auch Winterberg sieht. Schön für Nutzer ist, dass eine ausgewogene Mischung der Streckenschwierigkeit sehr wichtig ist und so auch Freundeskreise mit ganz unterschiedlichem Fahrkönnen problemlos einen oder auch mehrere Tage im Bikepark verbringen können. Ein für die gesamte Familie taugliches Angebot rund um einen Bikepark ist ein weiterer Punkt, der gerade auch viele junge Familien in Parks locken kann. Der neu eröffnete Bikepark in Schöneck im Vogtland bietet einen speziellen Bereich für Anfänger, Winterberg und Geißkopf sogar eigene Kinderparcours.
Spannend ist in Anbetracht dieses steigenden Potenzials vor allem auch die Entwicklung weiterer Bikeparks. Der Skibetrieb wird über die nächsten Jahrzehnte in vielen Bereichen deutscher Mittelgebirge kaum aufrechtzuerhalten sein. Stattdessen lassen sich vorhandene Liftanlagen gewinnbringend umwidmen. 41 von 149 internationalen Bikeparks haben einen Höhenunterschied von bis zu maximal 300 m. Legt man die Standorte deutscher Skigebiete über eine Karte mit Biketouren, die Höhendifferenzen bis zu 300 m vom niedrigsten bis zum höchsten Punkt überwinden, sieht man leicht, dass der größte Teil in Gebieten liegt, die sowieso biketechnisch genutzt werden und die entsprechende Höhendifferenz und Infrastruktur aufweisen. Die Einbindung in das bestehende Wegenetz und die Erweiterung der vorhandenen Wege um spezialisierte Bikeparkstrecken kann also im Einklang mit Naturschutz und Forst ideal sein, für regionale Impulse und natürlich für die Vielfalt deutscher Bikeparks.
Nicht vergessen sollte man bei aller Anfängerfreundlichkeit aber die Wurzeln, denn Vielfalt sollte auch bedeuten, anspruchsvollen Downhillsportlern entsprechendes Terrain zu bieten.
Wie seht ihr die Entwicklung? Welche Strecken sollte ein guter Bikepark haben? Welche umliegende Infrastruktur?
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schwerkraft – Diesen Monat haben wir uns ganz dem Thema Gravity gewidmet. Das Pictorial soll dich hungrig auf Spielchen mit der Schwerkraft machen. Unserer Testchef lässt es sich nicht nehmen mit 8 Downhill Bikes Spizak unsicher zu machen. Der Gravity-Sport bringt hohe Geschwindigkeiten mit sich, so stehen 9 Scheibenbremsen auf dem Prüfstand. Auch das Kurvenreich kommt an dem Thema Anziehungskraft nicht vorbei. Dr. Pärsch stellt sich die Frage, ob der Gravity-Sport den körperlichen Zerfall zusätzlich beschleunigt. Wir stellen eine Reihe toller Bikeparks vor und Scott Secco, Filmer des Builder Projektes, steht uns Rede und Antwort. Zu guter Letzt nehmen wir dich mit auf das Glemmride Festival und gewähren dir ein Blick in die Schlafzimmer der Kampierenden.
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