Nach dem Weltcup ist vor dem Weltcup! Die Bike- und Wintersportregion Lenzerheide begrüßt am kommenden Wochenende die Weltelite des Cross Country-Sports zum sechsten und vorletzten Lauf der Weltcup-Saison 2019. Nach den spannenden Rennen von Val di Sole am vergangenen Wochenende liegt die Messlatte für die Wettkämpfe in den Schweizer Alpen hoch. Besonders motiviert werden vor allem die eidgenössischen Fahrerinnen und Fahrer am Start stehen, nachdem in Val di Sole niemand aus unserem Nachbarland einen Sieg einfahren konnte. Vor allem die beiden Gesamtweltcupführenden Nino Schurter und Jolanda Neff stehen vor heimischem Publikum verstärkt im Fokus. Einmal mehr steht uns ein sehr spannendes Weltcup-Wochenende bevor – wir blicken voraus und geben euch einen Überblick über die Favoritinnen und Favoriten.
Short Track – Offenes Feld bei den Damen, Van der Poel klarer Favorit bei den Herren
Wer kann Mathieu van der Poel bezwingen? Bei allen Short Track-Rennen in dieser Saison, bei denen der Niederländer am Start stand, konnte er auch triumphieren. Und das stets in besonders eindrucksvoller Art und Weise: Dem explosiven Antritt des Cyclocross-Weltmeisters scheint aktuell niemand gewachsen zu sein, sodass van der Poel nicht nur im Short Track von Sieg zu Sieg eilt. Keine Frage also, dass er auch in Lenzerheide der klare Favorit auf den Sieg am kommenden Freitagabend ist.
Am ehesten scheint derzeit der Brasilianer Henrique Avancini in der Lage zu sein, den Niederländer in Bedrängnis zu bringen. In Abwesenheit von van der Poel konnte er in Andorra den Short Track für sich entscheiden und bei den beiden folgenden Rennen in Les Gets und nun in Val di Sole Zweiter werden. Weltmeister Nino Schurter scheint bei den kurzen und heftigen Antritten im Short Track nur bedingt konkurrenzfähig zu sein und konnte sich bisher immer noch nicht in die Siegerliste eines Short Track-Rennens eintragen. Umso größer wird also beim Eidgenossen die Motivation sein, vor den heimischen Fans diese Lücke im Palmarès zu schließen.
Während bei den Herren die Favoritenfrage eindeutig geklärt scheint, ist die Gruppe an möglichen Sieganwärterinnen bei den Damen umso größer. Sowohl Jolanda Neff als auch Kate Courtney konnten in dieser Saison bereits zwei Rennen der jungen Disziplin für sich entscheiden. Insbesondere Neff dürfte demnach als Lokalmatadorin auch in Lenzerheide als Favoritin gelten, obwohl bei ihrem letzten Triumph am vergangenen Freitag in Val di Sole die matschigen Bedingungen eine besondere Rolle spielten. Die Weltmeisterin Courtney fand am vergangenen Wochenende überhaupt nicht in den Tritt und konnte sowohl beim Short Track als auch beim Cross-Country nicht ihr volles Potenzial abrufen. Trotz Rang 10 und Rang 17 in den beiden Wettkämpfen könnte Courtney in Lenzerheide wieder vorne zu finden sein, zumal die Amerikanerin dort vor rund einem Jahr das Regenbogentrikot der Weltmeisterin überstreifen konnte.
Damen – Gelingt Courtney die Revanche?
Vor einem Jahr war es die große Überraschung der Weltmeisterschaften, als Kate Courtney sich den Titel in der Damenkonkurrenz sicherte. Bei keinem Weltcuprennen zuvor landete die Amerikanerin auf dem Podium und fuhr sich dank einer mutigen Vorstellung ins Regenbogentrikot. Dass dieser Erfolg keineswegs eine Eintagsfliege war, stellte sie in dieser Saison eindrucksvoll unter Beweis.
Bei den Rennen in Albstadt und Les Gets dominierte sie die Rennen nach Belieben und fuhr der Konkurrenz weit davon. In Nove Mesto fuhr sie dank einer geschickten Renneinteilung und einem Defekt der lange führenden Anne Tauber zum Sieg. Die Selbstverständlichkeit der Stärke von Courtney erlitt jedoch zweimal einen Rückschlag: Beim Rennen in Vallnord auf fast 2000 Meter Höhe konnte sie nicht mit der Spitze mithalten und nun war sie auch in Val di Sole nicht in der Lage, in den Kampf um das Podium einzugreifen. Zusätzlich verlor sie durch die starken Vorstellungen der Schweizerin Jolanda Neff die Gesamtweltcupführung und dürfte mit einer Extraportion Wut in Lenzerheide an den Start gehen. Verwunderlich wäre es keinesfalls, wenn Courtney bereits in den Schweizer Alpen zurückschlägt und sich sogar die Gesamtweltcup-Führung zurückerobert.
Jolanda Neff wird jedoch einiges dagegen haben: Noch ohne Sieg in einem Cross-Country-Rennen in dieser Weltcupsaison wäre das Rennen auf heimischem Boden prädestiniert für den noch fehlenden Triumph in diesem Jahr. In Val di Sole scheiterte die Eidgenossin bereits zum dritten Mal in Serie nur knapp daran, mit einer famosen Aufholjagd den Sieg an sich zu reißen. Neff hat aktuell oftmals nach einer halben Rennstunde Probleme ihr hohes Anfangstempo zu halten und verliert häufig zu diesem Zeitpunkt im Rennen viele Sekunden zur Spitze. Doch immer wieder rappelt sich Neff auf, legt eine famose Aufholjagd hin und kommt nahe an die Spitze heran. Gelingt es ihr dieses Mal, das Tief nach den ersten Runden im Rennen mit weniger Rückstand zu überwinden, scheint nichts im Wege zu stehen für den ersten Weltcuperfolg der Schweizerin im Jahr 2019.
Spätestens nach dem Sieg in Val di Sole gilt auch die Französin Pauline Ferrand-Prevot als unmittelbare Anwärterin auf den Tagessieg in Lenzerheide. Die französische Meisterin überzeugte in den italienischen Alpen mit einer starken Vorstellung vom Start weg und konnte sich auch erfolgreich der stark auffahrenden Jolanda Neff erwehren. Taktisch und physisch scheint Ferrand-Prevot in Top-Form zu sein, ein erneuter Erfolg im Weltcup daher allemal im Bereich des Möglichen. Außerdem sollte man die Olympiasiegerin von Rio 2016, Jenny Rissveds, nicht außer Acht lassen. Die Schwedin etabliert sich in ihrer Comebacksaison nach überstandenen psychischen Problemen immer mehr in der Weltspitze und schaffte in Val di Sole erstmals seit 2016 den Sprung unter die besten drei Fahrerinnen eines Weltcups seit 2016. Damals konnte sie sich in Lenzerheide über ihren ersten Weltcuperfolg in der Eliteklasse freuen und wird dementsprechend positive Erinnerungen an die Rennen in Lenzerheide haben.
Die deutsche Hoffnung Elisabeth Brandau erwischte ähnlich wie Kate Courtney in Val di Sole ein nicht ganz optimales Rennwochenende. Beim sehr nassen und matschigen Short Track am Freitagabend konnte sich die Schönaicherin noch als Sechste erfolgreich platzieren, doch im Cross-Country-Rennen am Sonntag verließen sie insbesondere in den letzten Runden die Kräfte. Der 21. Rang spiegelt keineswegs die momentane Leistungsfähigkeit der deutschen Meisterin wider. Zudem rutschte Brandau damit nach dem so erfolgreichen Rennwochenende in Les Gets mit zwei dritten Plätzen in der Weltcupgesamtwertung vom vierten auf den achten Rang zurück. Grundsätzlich stimmt die Form bei der Bronzemedaillengewinnerin der Europameisterschaften – ein erneutes Top Ten-Ergebnis ist ihr in Lenzerheide auf alle Fälle zuzutrauen.
Herren – Eine Alpenrepublik im Kampf gegen Mathieu van der Poel
Für Mathieu van der Poel steht in Lenzerheide das letzte Mountainbike-Rennen der Saison mit erhöhtem Stellenwert an. Das Allround-Talent verzichtet auf das letzte Weltcuprennen in Amerika und die Weltmeisterschaften in Mont-Sainte-Anne zugunsten eines Einsatzes bei den Straßenweltmeisterschaften im britischen Yorkshire. Umso mehr könnte das Rennen in Lenzerheide in den Köpfen aller Beteiligten im Hinblick auf die kommende Saison hängen bleiben. Nachdem van der Poel in den letzten beiden Jahren insbesondere in den Cross-Country-Rennen große Mühe hatte, um den Sieg mitzufahren und gegen die Übermacht des Nino Schurter scheinbar nicht ankam, platzte nun in dieser Saison der Knoten. Zwei Siege, bei denen van der Poel ähnlich souverän wie im Short Track triumphieren konnte, stehen bisher zu Buche. Folgt nun also Nummer drei?
In Val di Sole waren es Nino Schurter und vor allem Mathias Flückiger, die van der Poel über weite Strecken des Rennens zumindest ansatzweise das Leben schwer machten. Die beiden Eidgenossen dürften mit dem Rückenwind der zahlreichen heimischen Fans erneut in der Lage sein, dem Niederländer Paroli bieten zu können. Zumal Schurter in Lenzerheide im Vorjahr für Jubelstürme sorgte, als er sich zum siebten Mal zum Weltmeister krönte. Schurter erwischte in Val di Sole nicht den besten Tag und hatte große Mühe, dem hohen Tempo seines Landsmannes Mathias Flückiger am Berg zu folgen. Dass die Form beim Weltmeister stimmt, konnte er jedoch beim Rennen in Les Gets vor etwas mehr als drei Wochen mit einem souveränen Sieg unter Beweis stellen.
Es wird also spannend zu sehen sein, ob die Schweizer Fahrer – hierzu zählen noch einige weitere Top-Fahrer wie Florian Vogel, Lars Forster, etc. – ihre zahlenmäßige Überlegenheit in Kombination mit den frenetischen Fans am Streckenrand ausnutzen können und Mathieu van der Poel bezwingen können.
Deutsche Fahrer werden im Kampf um die Podiumsplatzierung voraussichtlich keine Rolle spielen. Trotzdem überwiegt nach größtenteils erfolgreichen Ergebnissen in Val di Sole die Zuversicht im deutschen Lager. Insbesondere beim ehemaligen deutschen Meister Manuel Fumic ist ein klarer Aufwärtstrend zu erkennen. Nach einem schwachen Saisonstart konnte sich der Kirchheimer in Les Gets erstmals unter den besten zwanzig Fahrern festsetzen. Nun gelang ihm als Elfter in Val di Sole fast der Sprung unter die besten zehn Fahrer. Dass Fumic nun in Lenzerheide in die Top Ten vordringen kann, scheint noch etwas vermessen, doch ein Platz unter den besten 15 Fahrern liegt sicherlich im Bereich des Möglichen.
Für Georg Egger und Luca Schwarzbauer gilt es in Lenzerheide die starken Ergebnisse (21. Platz & 22. Platz) von Val di Sole zu bestätigen. Ben Zwiehoff konnte in Val di Sole in der Startrunde viele Plätze gut machen und schien auf dem besten Weg sich unter den besten 20 Fahrern festzusetzen. Doch ein heftiger Sturz mit einem Konkurrenten zwang den Essener vorzeitig zur Aufgabe, sodass Zwiehoff umso motivierter in Lenzerheide am Start stehen wird.
U23 – Eibl vor Weltcupgesamtsieg
Die U23-Rennen der Damen sind aktuell ein Garant für deutsche Erfolgserlebnisse: Ronja Eibl dominiert die Rennen aktuell nach Belieben und ist seit dem Rennen in Vallnord ungeschlagen im Weltcup. Folgerichtig ist die junge Deutsche auch die große Favoritin für das Rennen in Lenzerheide. Mit einem vierten Erfolg könnte Eibl bereits jetzt den Gewinn des Gesamtweltcups perfekt machen und damit etwas erreichen, was zuvor noch keiner anderen deutschen Fahrerin geglückt ist.
In Val di Sole war es erneut die Britin Evie Richards, die bis zur letzten Runde gemeinsam mit der Deutschen an der Spitze fuhr. Und auch Laura Stigger scheint den dritten Rang fest abonniert zu haben und belegte bereits zum dritten Mal in dieser Saison diese Platzierung.
Bei den Herren ruhen die deutschen Hoffnungen vor allem auf Max Brandl. Der deutsche Elitemeister stürzte im Vorfeld des Rennens von Val di Sole, sodass im Rennen am vergangenen Sonntag nicht mehr als der 13. Rang möglich war. Wenn sich unser Weltcup-Blogger bis Sonntag erholen kann, scheint eine Podiumsplatzierung auf alle Fälle wieder möglich zu sein. Sollte er sogar in der Lage sein, um den Sieg mitzukämpfen, könnte er sich insbesondere am Rumänen Vlad Dascalu die Zähne ausbeißen. Der Gesamtweltucpführende ist seit dem Rennen in Nove Mesto ungeschlagen und steht daher auch in Lenzerheide voll im Fokus.
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