Heraklix - von Kreta zum Gardasee

02.06. 13:30 Kolasin, 850m


Die Traktorspur verschwindet erwartungsgemäß schon bald, doch der felsdurchsetzte Wiesengrat fährt sich bärig.


Immer bergab auf der Flucht vor dem Gewitter. Hauptsache ich komme auch ohne Weg irgendwo hin und muss nicht wieder umdrehen.


Der Grat verschwindet nach einiger Zeit im tiefen, alten, modrig riechenden Wald. Ich sehe noch immer keinen Pfad und halte mich daher stur an die Stricherl auf der Russenkarte. Der weiche Waldboden macht dabei großen Spaß, hoffentlich kommt nicht irgendwo ein Felsabbruch...


Kein Felsabbruch, statt dessen erscheint tatsächlich nach einiger Zeit eine alte Markierung und ein Trampelpfad.


Mit der Gewissheit, einem richtigen Weg zu folgen, trailt sich's gleich nochmal so gut!

Der Pfad wird alsbald zur Piste und führt mich etwas vermatscht hinab in ein enges Tal. Dort treffe ich auf einer alte Teerstraße und rolle mit Highspeed hinab in den Ort Kolasin, die ersten Tropfen der Regenfront immer gerade knapp hinter mir. Bevor es richtig los geht, sitz ich bereits auf dem Marktplatz unter einem großen Schirm bei einem heissen Kaffee... Schwein gehabt.

Die derzeit etwas geringe Postingfrequenz liegt übrigens nicht am Handynetz, das ist überall in Montenegro bestens vorhanden. Aber auch der Livebericht muss sich dem Wetter unterordnen. Mit solch schwarzen Wolken im Rücken fehlt mir einfach die Ruhe, oben auf dem Berg meinen Kram auszupacken, Bilder zu bearbeiten und Stories zu schreiben. Das mach ich dann lieber im Trockenen...
 

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Re: Heraklix - von Kreta zum Gardasee
02.06. 17:30 Verusa an der Tara, 1250m

Beim Gewitter in Kolasini fällt eine weitere Entscheidung. Ich fahre erst mal zum Meer, also die große Doppelschleife durch Montenegro. Erstens ist das Wetter in den Bergen zur Zeit wirklich grottig, man hat maximal den Vormittag zur Verfügung und Panorama gibt's auch keins. Und zweitens freu ich mich auch mal wieder auf Küstentrails und Badestrände. Ist schon eine Weile her, dass ich auf dieser Tour das Meer gesehen habe. Das müsste irgendwo bei Delphi gewesen sein, vor unglaublich langer Zeit und unglaublich vielen Höhenmetern. Eigentlich wollte ich erst irgendwann in Kroatien wieder auf 0m abfahren, aber Pläne sind Schall und Rauch und es kommt sowieso immer alles anders als man denkt.

Zum Meer radeln bedeutet zur Bucht von Kotor, und zuvor über Podgorica, die Hauptstadt von Montenegro. Ist noch ein ganz schönes Stück von hier, vielleicht hundert Kilometer. Könnte man noch packen, denke ich zumindest.


Ab Kolasini folge ich auf guter, später schmaler Teerstraße ohne Verkehr dem Lauf der Tara.

Erstaunlicherweise kommt mir der Fluss jedoch entgegen und die Strasse führt bergauf. Das macht meiner Zeitplanung einen kleinen Strich durch die Rechnung. Irgendwie hatte ich automatisch gedacht, zum Meer hin ginge es bergab. Grobe Fehlanzeige, noch kapiere ich scheinbar die Topographie Montenegros noch nicht wirklich.

Im kleinen Dorf Verusa auf 1250m brauch ich erst mal zwei starke türkische Kaffee. Bin seit einem Zwischenstop im Nest Matesovo etwas betrunken. Hatte dort den "Fehler" begangen, kurz an einer Kneipe mit ein paar lustig trinkenden Montenegrinern zu halten. Unter drei Freibierchen war kein Weiterkommen möglich, prost.


Verusa an der Tara.

Hinter Verusa ragen ein paar erstaunlich hohe und hübsche Berge in den Himmel. Meine vom Touristenverbands-Pamphlet unterwegs konvertierte und für Pathaway kalibrierte Biketourenkarte weist eine Mountainbikeroute durch dieses Gebrige (Crna Planina) aus. Das wär eigentlich was zum ausprobieren, nur müsste ich dann in diesem Nest irgendwas zum übernachten finden. Wenigstens ein dichtes Vordach oder eine Höhle wären angesagt. Im Moment regnet's zwar nicht und die Abendsonne scheint sogar recht nett, aber die Nacht wird zweifelsfrei wieder sehr nass. Mal sehen, ob das Problem sich irgendwie lösen lässt...
 
02.06. 18:00 Verusa, Schullandheim, 1270m

In Verusa gibts natürlich keine Zimmer. Auch die Möglichkeiten zum draussen schlafen springen mir jetzt nicht gerade ins Auge. Was mir allerdings auffällt, sind mehrere große Gebäude mit vielen Kids davor. Sieht aus wie ein Ferienheim für Schulklassen.


Schullandheim in Verusa.

Ich radle einfach mal hin und greif mir den ersten kleinen Montenegriner und quatsche ihn auf Englisch und Deutsch voll. Er versteht nur Bahnhof, führt mich aber gleich zum zweiten kleiner Montenegriner, mit dem klappts besser. Die beiden eskortieren mich zum Ferienheimboss und eine halbe Stunde später bin ich frisch geduscht und hab mein privates Zimmerchen im "Lehrertrakt". Damit dürfte das Gewitter-Übernachtungsproblem gelöst sein und den Bergexperimenten morgen steht nix mehr im Wege, ausser vielleicht neue Gewitter.
 
02.06. 18:00 Verusa, Schullandheim, 1270m

In Verusa gibts natürlich keine Zimmer. Auch die Möglichkeiten zum draussen schlafen springen mir jetzt nicht gerade ins Auge. Was mir allerdings auffällt, sind mehrere große Gebäude mit vielen Kids davor. Sieht aus wie ein Ferienheim für Schulklassen.



Was gibt es denn zum Abendbrot, Milchreis? Sauber, jeder andere wäre aufgeschmissen. :daumen:

Gruß aus Berlin, hier ist auch Land unter.
 
Hinter Verusa ragen ein paar erstaunlich hohe und hübsche Berge in den Himmel. Meine vom Touristenverbands-Pamphlet unterwegs konvertierte und für Pathaway kalibrierte Biketourenkarte weist eine Mountainbikeroute durch dieses Gebrige (Crna Planina) aus.

Die Beschreibung in der Broschüre hört sich doch recht gut an:
"Vom lieblichen Verusa-Tal geht es hinauf auf 1837m in die grauem Karstberge. Dann folgt ein rasanter Downhill zum Rikavacko-See. Der letzte steile Aufstieg wird mit dem Ausblick auf die atemberaubenden Prokletije-Gipfel belohnt. Den abschließenden gemütlichen Downhill nach Podgorica hat man sich wirklich verdient."

In Google-Earth sieht das auch sehr vielversprechend aus, viel Spaß!

Wenn Du richtigen Sandstrand suchst, solltest Du von Podgorica erstmal Richtung Budva / Sveti Stefan an's Meer fahren und evt. am nächsten Tag über Cetinje, Lovcen nach Kotor, Risan, Herceg Novi - dort gibt es auch nochmal nette Strände, wenn auch etwas steinig.
 
Ganz geil Stuntzi, wie Du das immer löst mit dem übernachten, oder besser gesagt, es immer gelöst bekommst. Tolle Sache, wie Du immer auf die Leute zu gehst.
Ich bin dann mal weg bis Sonntag Abend. Gehe an eine polysportive Veranstaltung in der Schweiz (Gigathlon). Bin dann schon gespannt, wie Dein Bergabenteuer von morgen ausgegangen ist.
Gruss: Chregu
 
02.07. 23:50 Verusa, Schullandheim, 1270m

Im Ferienheim werde ich natürlich bestens gefüttert. Wenn man für hundert Leute kocht, bleibt auch für einen unerwarteten Gast noch was übrig.


Später gibts dann Kinderdisco auf der Tenne und dann mach ich mich mit einer Abiturklasse (ein dutzend Spioninnen und nur drei Spione) auf einen mitternächtlichen "Gruselspaziergang" zu einem "verfluchten Ort" hier in der Nähe. Sehr unterhaltsam :)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
03.07. 08:30 Verusa, Schullandheim, 1270m

Die Sonne scheint über den montenegrinischen Bergen, das Frühstück ist riesig, heute beginnt der dritte Monat des Trips. Und wisst ihr was? Ich find's immer noch geil!


Go Zorro go!! :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Boh schon 2 Monate vorbei? Also mir macht es jeden Tag mehr Spass dein Wanderleben zu folgen...

vielen Dank Stuntzi...
 
@Stuntzi @rayc @all

Das besorgen von topo Karten wird einfacher.

Die NASA stellte am 1.7. die genaueste Geländekarte der Welt ins Netz. Der Clou es sind topographische Karten die frei zur Verfügung stehen und von jedermann runtergeladen werden können. Die Bilder haben eine Auflösung von ca. 15 Metern bis 90 Metern.

Die Daten können über das NASA-Archiv https://wist.echo.nasa.gov/~wist/api/imswelcome/ oder über das japanische Institut http://www.ersdac.or.jp/GDEM/E/index.html abgerufen werden.
 
Diese Daten sind aufjeden Fall ein Fortschritt, da sie deutlich weniger Lücken haben als die SRMT-Daten.
Genauer sind sie wohl nicht.
Das Problem ist das Deutschland mit den genauen SRMT-Daten Geld verdienen will und daher nur die ungenaueren Daten der Amerikaner frei waren (ausgenommen für die USA, da es die hochauflösenden Datei auch für umme).

So nebenbei, das sind nur die Höhendaten!

Ray
 
03.07. 10:45 Verusa-Pass, 1850m

Durch das große Frühstück und die nette Gesellschaft im Schullandheim komm ich ein wenig spät los. Die Sonne hat sich derweil längst verzogen und dicken Wolken Platz gemacht.


Uphill im grünen Tal von Verusa.


Weiter oben werden die Berge felsiger und karstiger.


Am Verusa-Pass auf 1850m erwischt mich ein erster kleiner Schauer, zum Glück kann ich mich unter ein Vordach verziehen und abwarten.
 
03.07. 14:30 Almsiedlung Korita, 1350m


Nachdem der Regenschauer vorübergezogen ist, geben die Wolken den Blick auf die Abfahrt frei.


Rivacko-See unter dem Berg Vila (2093m)


Die Achterbahn-Piste führt etwa 500hm hinab bis zum See. Alles grün und hübsch hier, aber mit Sonne wär's sicher noch schöner.


Vom See aus beginnt der nächste Uphill, zu Beginn ebenfalls grün und wiesig.


Schon bald zeigt die Piste ihre Zähne und wird zum steilen Karstmonster. Ausgerechnet jetzt bricht die Sonne voll durch und bringt mich gehörig ins Schwitzen.


Auch der nächste Pass liegt auf 1800m, klarerweise regnet's oben schon wieder. Macht aber nix, wozu wurde Goretex denn sonst erfunden...


Es folgt ein endloser Downhill auf nasser Piste...


.. hinab in eine dichten, felsdurchsetzen Wald.

Hier gibt's dutzende von Feldwegen in alle möglichen Richtungen und durch lauter kleine, waldige Senken. Meine Russenkarte ist ein bisserl alt, drum baue ich einen kleinen Verhauer ein und steuere etwas nahe an die albanische Grenze. Als ich den Irrtum bemerke und wieder zurück radle, kommt mir natürlich just in diesem Moment eine Polizeistreife entgegen. Die Sprachbarriere macht meine Erklärungsversuche ein wenig schwierig. "Nein, ich reise NICHT illegal von Albanien über Schmugglerpfade ein. Ich hab mich bloss verfahren und bin auf dem Weg zurück". Erklär das mal jemand auf montenegrinisch...


Als ich den Herren dann schließlich den GPS-Track auf dem PocketPC zeige, sind sie doch zufrieden und lassen mich ziehen.


In der kleinen Siedlung Liuda Korita auf 1350m zieht das nächste Gewitter durch. Ich rette mich in ein verfallenes Haus und bleibe trocken.
 
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03.07. 17:00 Podgorica, 100m

Unendlicher Teerdownhill über mehr als tausend Höhenmeter in perfekter 5%-Roll-Neigung hinunter nach Podgorica, der Hauptstadt von Montenegro. Hier unten ist's sonnig und warm, aber wem hilft das?!

Die Stadt selbst ist ein wenig nichtssagend, langweiliges Kästchenlayout nach amerikanischem Vorbild, teilweise viel Verkehr. Es gibt allerdings auch ein paar schöne Flecken mit gemütlichen Cafes, da ist doch jetzt endlich mal ein zweites Frühstück angesagt.

Durch die vielen Gewitterpausen heute hab ich für die alpine Bergetappe recht lange gebraucht. Den Krstac-Pass-Anstieg und daran anschließenden Singletrail nach Kotor hinunter muss ich darum auf morgen verschieben. So eine nette geschenkte Übernachtung mit Halbpension wie gestern im Schullandheim von Verusa wird's hier in der Hauptstadt wohl nicht geben, also geh ich mir gleich mal ein preiswertes Hotel suchen. Hoffentlich find ich's irgendwo.


Luxuscrepe nach montenegriner Art mit Schokobananenfüllung und Eierlikör sucht Sponsor, Spendenlink siehe unten :).
 
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