24/66/400 (oder auch 29/66/430): der Bericht, Teil 4
Bei der Ausfahrt aus dem Gamengrund sagte ich noch, ich könne mir jetzt langsam vorstellen, was mir demnächst alles weh tun wird. Tatsächlich lief es bislang ganz locker. Sicher war es anstrengend, sich durch den Sand zu quälen, aber auch nicht mehr als bei anderen Touren auch. Der Nacken war etwas steif, die Beine taten etwas weh, der Magen rebellierte gegen die ungewohnte Nahrungsaufnahme in Form von Sodbrennen. Aber dass wir mittlerweile über 250 Geländekilometer hinter uns hatten, zeigte sich nicht wirklich â noch nicht.
Die aufgehende Sonne verschwand schnellstens wieder hinter einen grauen Wolkendecke und im Morgengrauen ging es über endlose Feld- und Waldwege weiter. In Trampe schlug der Weg mal wieder einen sinnlosen Haken, das Sodbrennen wurde stärker, aber bald durch Krämpfe im Unterleib abgelöst. Egal, nur noch 150 km oder so, das wird schon.
In Melchow steht der Verpflegungswagen, Axl und chekb schlafen den Schlaf der Gerechten. Glücklicherweise wird Axl wach und versorgt mete mit der Dämpferpumpe. Aufgrund des Sodbrennens verzichte ich auf Nahrungsaufnahme und beschränke mich auf Wasser. Kaum haben wir Melchow verlassen, fängt es an zu nieseln. Zurück und Regenklamotten anziehen? Nein, weiter, ist ja nicht so dolle. Wird es erst später.
Hellsee (59), in Lanke ruft schotti an, als wir mit checkb und axl gerade den nächsten Treffpunkt ausmachen â mangels Internet hatte checkb länger nicht mehr den Livebericht fortgeführt... Die beiden stehen jetzt in kürzeren Abständen an der Strecke, man weià ja nie. Regensachen: Brauchen wir nicht, wir sind eh nass. Wenn man länger hält, wird einem nur noch kälter. Weiter: Obersee (60), Liepnitzsee (61), Wandlitzsee (62). Wo ist eigentlich mete? Ich fahre zurück: Am Bahnhof hatte ich axl und chekcb übersehen, mete steht bei ihnen. Ich dachte schon...
Stolzenhagener See (63). Das Sodbrennen ist nicht mehr so schlimm, die Darmkrämpfe sind viel schlimmer. Das leichte Stechen im linken Knie kann man ignorieren. Richtung Wernsickendorf: Freies Feld und Gegenwind. Wegmarkierungen hat es seit Wandlitz auch keine mehr. Nasser Zuckersand fährt sich übrigens genauso beschi**en wie trockener. Bleibt nur besser in der Kette hängen. Das mittlere Kettenblatt kann ich seit längerem wieder benutzen. Die Kette ist wohl schon genug gelängt...
Jetzt gehtâs durchs Briesetal. Am Anfang langweilig und sandig, später recht hübsch und schlammig. Ich kämpfe mit leichtem Brechreiz. Kurz vor Birkenwerder gehtâs über lange kurvige Holzstege ohne Geländer. Bei Regen genau das richtige â vergesse ich zumindest meine Bauchschmerzen.
In Birkenwerder werden wir erst mal wieder in eine Sackgasse geführt. Nur der Hofhund begrüÃt uns. Also zurück und anders durch den Ortskern (Boddensee â 64). Bevor es wieder in den Wald geht, haben Axl und checkb den Frühstückstisch aufgebaut.
Wir setzen uns das erste mal auf dieser Tour hin â ob das gut geht? Der Regen wird stärker. Gestärkt mit Kaffee, einem Brot und einer Banane geht es wieder los. Nasse Schlammtrails, nasse Wiesen ohne Wegmarkierung, dann gehtâs am Oder-Havel Kanal lang â mit diversen Haken, um Autobahn, Gewerbeansiedlungen und ähnlich unnützes Zeugs zu umfahren.
Durch Henningsdorf, dann über den Radweg Richtung Schönwalde. Hier fahren axl und chekb ein Stück hinter uns her. Kurz vor Schönwalde müssen wir aber die StraÃe wieder verlassen und einen Bogen durch sumpfigen Wald schlagen. Dann gehtâs auf dem Deich den Havelkanal lang â mit Gegenwind. Langsam wird der Hintern wund. Dafür sind die Darmkrämpfe abgeklungen. Auf der Hälfte des Damms gabelt sich der Weg. Der Track geht jetzt weiter rechts parallel übers freie Feld. Wir entscheiden uns, auf dem Damm zu bleiben â die falsche Entscheidung, der Weg wurde wohl schon länger nicht mehr benutzt, und die Vegetation hat ihn sich zurück erobert. Egal, zurück fahren wir auch nicht mehr.
Dann durch Alt-Brieselang. Die wenigen asphaltierten StraÃen nutze ich, um mal kurz rollen zu lassen und den Hintern zu entlasten. Hier spielt auch die Szene, bei der mete seine Handschuhe auswringt â es hat sich wohl eingeregnet.
Hinter Briesetal gehtâs über den Kanal und dahinter endet der Track auf einer Baustelle. Wo sollâs hier weitergehen? auf der anderen Seite ist nur die Autobahn, die StraÃe führt weiter gen Westen, da wollen wir nicht hin. Im Dickicht am Ende der Baustelle entdeckt mete einen Durchlass: Ein Trampelpfad, das muss unser Wanderweg sein. Wir schrecken einen Angler auf und fahren weiter am Kanal, Zeestow, Wustermark, der Weg ist hier zur Abwechslung mal mit Rindenmulch bedeckt. Keine Möglichkeit, den schmerzenden Beinen mal Ruhe zu gönnen. Wenigstens aus dem Sattel, der Hintern tut auch weh. Das Tempo wird immer langsamer. Ich stelle mir vor, wie ich nachher verdreckt, stinkend und nass in die Bahn nach Hause steigen werden.
Hinter Karpzow ein Lichtblick: Der Weg ist geschottert und frisch planiert. Leider biegt der Wanderweg hier gleich wieder links ab ins Feuchtgebiet. Bahnhof Satzkorn stehen noch mal axl und checkb, kurze Pause dann weiter. Axl ist immer noch munter und erklärt uns, was noch alles auf uns wartet. Nun gut, jetzt kann es eigentlich nicht mehr weit sein, auch wenn alles wehtut.
Hinter Marquart (Schlänitzsee, 65) wartet der Sacrow-Paretzer Kanal auf uns â bzw. der Wege an seinem südlichen Ufer entlang. Der Kanal soll ja im Zuge der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit für GroÃschiffe ausgebaut werden â auch wenn der Güterverkehr per Schiff rückläufig ist. Offenbar nicht ausgebaut ist der Weg am Ufer. In der Siedlung Schlänitzsee noch ein veritabler Trampelpfad, wird das Gestrüpp immer dichter, Brennnesseln und anderes Kraut verfängt sich in Ritzeln und Kette, wir kommen nur noch mit Schrittgeschwindigkeit vorwärts. Bald müssen wir absteigen, ich benutze das Rad als Machetenersatz. Geht nicht besonders gut.
Irgendwann ist der Weg komplett mit Brombeerranken zugewachsen. Wir müssen auf dem Boden unter den Ranken durchkriechen, das Fahrrad vor sich herschiebend. Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt alles hinzuschmeiÃen, ich habe echt keinen Bock mehr auf diesen sch*** 66-Seen-Krampf. Wo ist die nächste S-Bahn? Na gut, ist wohl Potsdam, dann also weiter. In Gedanke sehe ich mich ob der ganzen Dornen um mich rum schon die Schläuche in den UST-Reifen flicken. Insgesamt brauchen wir für die 3 km beinahe eine 3/4 Stunde.
Endlich ein Lichtblick: Angler am Ufer. Die sind bestimmt nicht auf dem Weg gekommen, den wir genommen haben, also muss der weitere Pfad jetzt wieder passierbar sein. In der Tat: Wir können die Brombeerranken aus der Schaltung fummeln und wieder aufsteigen. Ab Nedlitz geht es nur noch über breite halbwegs befestigte Wege, ein Stück über die B 2 und wir sind in Potsdam. Hier lauern noch Jungfernsee (66), Heiliger See (67) und Bornstädter See (68). An der Langen Brücke ist Baustelle. Um die Verkehrsführung für Radfahrer hier zu verstehen braucht man wohl ein Ingenieurs-Diplom, ich blicke nicht mehr durch. Ich will nur noch endlich endlich ankommen. Endlich sind wir auch über die Lange Brücke, diverse Ampelstopps später haben wir auch die StraÃe überquert und biegen auf die Zielgerade ein. Tatsächlich stehen alle schon am Mammut bereit und jubeln.
Ich bin total fertig.
Das Projekt 29/68/430 ist beendet. Wieso eigentlich 68???
Das überlasse ich jetzt mal anderen, rauszukriegen, welche zwei Seen zu viel waren.
Ich hatte doch groÃe Zweifel, ob das tatsächlich machbar ist. Um so mehr freue ich mich, dass mete und ich es geschafft haben. Das war definitiv das härteste und anstrengendste, was ich je gemacht habe. Fichkona, Ãtztalmarathon, Salzkammerguttrophy â alles Kindergarten dagegen. Ob ich mir sowas noch mal antue, weià ich noch nicht.