Wie fährt es sich?
Ich möchte an dieser Stelle nochmal auf den Thread "Der komfortabelste 115mm-Hinterbau" von Dani verweisen, der auch schon einige Dinge recht ausführlich beschreibt und mich letztlich dazu gebracht hat, ein Blur zu kaufen und es mit einer längeren Gabel zu versuchen.
Da ich im Gegensatz zu Dani keine Z1 verbaut habe, mit der Sherman Firefly schon mal 20 mm an Bauhöhe spare, und zusätzlich noch mit relativ viel Sag vorne (ca. 40 mm) fahre, minimieren sich die Effekte der längeren Gabel ein wenig. Ich fahre ja auch wie schon erwähnt die Gabel hauptsächlich wegen der Stabilität und nicht wegen des Federwegs.
Aber fangen wir vorne an. Die Sitzposition ist angenehm aufrecht und kompakt, der Vermerk "rides like a 20" für den 22-Zoll Rahmen im Santa Cruz-Katalog ist gerechtfertigt, das Oberrohr scheint recht kurz zu sein, ist ja auch mächtig gebogen

. Mit einem 100mm / 10° Vorbau und einem Ritchey-Riser in ordentlicher Breite fühle ich mich fast wie auf einer FR-Schaukel, nur dass nichts schaukelt
Zum Fahrwerk, und dabei nur kurz zur Gabel, die ja die meisten weniger interessieren wird: Sie tut ihren Dienst angenehm unauffällig, bei zuviel SPV-Druck wird sie etwas bockig, wenn man es bei etwas weniger belässt werden aber auch kleinere Unebenheiten wie man es von einer Stahlfedergabel erwartet sauber weggefedert. Wesentliche Verbesserung in Sachen Lenk-und Bremsstabilität durch die Steckachse und die dicken 32mm-Standrohre - ich dachte immer eine Black wäre schon ganz gut, aber das ist eine ganz andere Liga.
Am Hinterbau spielt bei meinem Blur ein 5th Element Air die Hauptrolle. Im Gegensatz zur Gabel kam dieser mit einer sehr ausführlichen Setup-Anleitung und Erklärung der Features - und mit einer sehr schicken kleinen Luftpumpe. Weil der SPV-Druck den Sag beeinflusst, muss man hier ein bisschen Zeit investieren bis es passt - ich schwankte lange Zeit zwischen viel zu weich und plötzlich bockhart bei nur kleinen Veränderungen des Luftdrucks. Den SPV-Druck minimal gewählt, schliesslich soll der Hinterbau ja von sich aus wippfrei sein, und los gehts.
Vom Fahrverhalten her ist der Hinterbau extrem seitensteif, da macht sich positiv bemerkbar dass der gesamte Hinterbau eine verschweisste Einheit ist ohne Gelenke an den Ausfallenden. In Kurven bei grosser Schräglage kein Wobbel-Gefühl, die gewählte Linie wird einfach gehalten - so soll es sein.
Das Ansprechverhalten ist exzellent. Natürlich hat der 5th Element ein deutlich grösseres Volumen als der
DT Swiss, den ich gewohnt war, aber den grösseren Anteil daran dürfte der Hinterbau haben. Gleichzeitig federt er aber bei grösseren Stössen sehr linear durch.
In gewisser Weise erinnert mich die Federung an den XTC-Hinterbau von Giant - man merkt im positiven Sinne gar nicht, dass man auf einem Fully sitzt. Dass die Federung arbeitet, fällt gar nicht weiter auf, es erfolgt schon mal ein ungläubiger Blick zwischen den Beinen durch - ja, da bewegt sich eindeutig was, war dieser Weg schon immer so glatt?
Im Gegensatz zum XTC, das mit der no-sag Einstellung ja doch bockhart ist und auch nur 85 mm Federweg bietet, ist das Blur eine echte Sänfte. Es scheint, als hätte der Federweg kein Ende (Freerider mögen jetzt grinsen, ich war bisher 100 mm progressiven Federweg gewohnt), aber der O-Ring am Kolben sagt mir nach der Fahrt, dass ich schon 80% des verfügbaren Weges genutzt habe. Gar nix von gemerkt
Ich bin ja kein grosser Fan von Wiegetritt, aber der Neugier halber steige ich aus dem
Sattel und ziehe den nächsten Anstieg stampfend zwei Gänge höher als sonst hoch. Nix schaukelt, ist das jetzt SPV oder der Hinterbau? Auf mtbreview.com hat einer geschrieben "climbs like a gazelle". Na gut, meine Gazelle hat etwas längere Vorderfüsse, gelegentlich steigt mir das Vorderrad hoch, aber man kriegt schon Druck drauf wenn man will - die Gabel lässt sich ja um 40 mm absenken. Vom Pedalrückschlag auf kleineren Kettenblättern (wie von Dani berichtet) kann ich nichts berichten- Vorne dreht sich bei mir nur noch eins, und das hat 42 Zähne - Rohloff sei Dank
Den Berg runter spielt dann eher die Gabel wieder ihre Vorzüge aus - die Grimeca sorgt fürs Ankern, und ich bin erstaunt wie einfach man auf der Bremse noch einlenken kann wenn nur alles stabil genug ist. Bin zwar noch ein bisschen ängstlich den Berg runter, aber das wird sich wohl demnächst geben - Bremse auf, ich arbeite dran !
Fazit: Ein Bike, was mir völlig neuen Spass am Fahren gibt. Stabil und wippfrei, aber nicht auf Kosten des Komforts. Komfortabel, aber nicht auf Kosten des Vortriebs. Keine drei Einhängepunkte für den Dämpfer, kein Vario-Federweg Gefummel, kein Lockout, aber wozu auch? Ebenso uphill- wie downhill-tauglich, wobei man da je nach Gabel sicherlich die Schwerpunkte verschieben kann. In meiner Version der perfekte Allrounder. Auch mit weniger Federweg vorne würde es keine XC-Rakete werden, aber sicherlich ein komfortables und nicht allzu schweres Marathon-Bike, oder wie heisst das jetzt?
Ein bisschen Wehmut, aber nur ein bisschen, kommt auf wenn ich mir die Zugverlegung anschaue. Die Schaltzüge für die Rohloff habe ich gleich unterm Oberrohr verlegt, mit einem kleinen Bogen unterm Tretlager, da ja der Drehpunkt unten am Tretlager keiner ist, sondern auch verschieblich. Aber wieso muss die Halterung für die Bremsleitung so mies am Dämpfer vorbei laufen, warum ist keine Befestigungsmöglichkeit am Steuerrohr vorhanden? Soll ich á la Golden Gate Bridge zwischen Bremssattel und Hebel die Leitung nur an einem einzigen Punkt fixieren? Den Jagwire-Klebehaltern und ein paar Kabelbindern sei Dank, dass es auch besser geht, aber hier hätte ich bei einem so hochwertigen Rahmen mehr erwartet.
Wie es sich mit der Langzeit-Haltbarkeit verhält, werdet ihr wenn es gut läuft nie hören (nämlich wenn ich keine Probleme kriege).