Mit dem Liegerad von Neu Delhi nach Singapur

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26. April 2007
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Ort
Berlin/ Murnau
Bevor wir uns überhaupt am Singapur Airport orientieren können, steht neben uns eine nette Dame vom Service Personal und weißt uns den Weg zum Check In. Alles erscheint so unwirklich, so fern auf uns. Im Hintergrund spielt klassische Musik. Live versteht sich. Es ist der komplette Kontrast zu dem, was wir in den letzten 9 Monaten erleben dürften. Eine Reise aus der Vergangenheit in die Moderne.
Vor 9 Monaten standen wir noch in Neu Delhi. Es war das erst Mal, dass wir einen Fuß auf asiatischen Boden setzen. Nichts konnte uns darauf vorbereiten, was es heißt unter 1,2 Milliarden Menschen zu sein. Es prasselten unaufhörlich neue Eindrücke auf uns ein, welche wir nur schwer verarbeiten konnten. Da standen Nackte am Straßenrand, welche unter Plastikplanen mit der Großfamilie, sich ein zu Hause aufgebaut haben. Menschen, die auf der Überholspur ihre Notdurft verrichten. Der Staub, der Dreck und über all diese Menschenmassen.
„Entweder man liebt Indien oder man hasst Indien“ – so stand es bei uns im Reiseführer. Mit dieser, von anderen gemachten Erfahrung, starteten wir unsere Tour ins Ungewisse.
Jeder Tritt in die Pedalen wiegt schwer im Kampf um vermeidlich kühlen Fahrtwind und gegen die Hitze. Erbarmungslos schient die Sonne auf uns runter. Die vielen kleineren Garküchen am Straßenrand boten da Platz für eine Pause im Schatten bei kühlen Getränken. Meist umringt von Menschen, die uns oft das Gleiche fragten, welche immer an den männlichen Part in unserer Reisegemeinschaft gestellt wurden. „Wohin? Woher? Wie ist Dein Name? Ist das deine Freundin oder Frau?“. Schnell waren Eva und ich verheiratet. Das wiederum warf die Frage auf:“ Wo sind die Kinder?“ Und so muss man sich auch hier Etwas einfallen lassen.
In den ersten Wochen fällt Kilometer für Kilometer der alltägliche Stress der Heimat ab. Umso mehr wir uns von Neu Delhi entfernen, umso bewusster wird uns, dass wir Zeit haben, dass wir uns eben nicht in einem normalen vierwöchigen Urlaub befinden.
Es liegt ganz an uns, wo und wie lange wir an einem Ort bleiben.
Die Umstellung auf Asien, vor allem auf Indien fällt uns nicht leicht. Genossen wir in Europa noch einen gewissen Luxus, einen Standart im Hotel, so kämpften wir dort mit einfachsten Räumen, Garküchen, die keiner deutschen Hygieneverordnung standhalten würden und einem alltäglichen Stromausfall.
Und dennoch war es für uns bereichernd vor Ort zu sein. Den scheinbaren Luxus hinter sich zulassen. All die gewohnte angebliche Sicherheit. Zu bemerken, wie wenig man eigentlich braucht, um glücklich zu sein.
Hatten wir anfangs vieles fürs deutsche Outdoorleben dabei. Vieles, was wir nie oder nur sehr selten gebraucht haben. Es bedarf nicht vieler Dinge, um zufrieden durch die Lande reisen zu können. 3 T-Shirts, 2 kurze und eine lange dünne Hosen reichen aus. Kocher und Zelt haben wir so gut wie nie gebraucht. Das Essen in den zahlreichen Garküchen war viel zu sehr ein Hochgenuss der Gaumenfreude, als dass wir selber kochen und vor allem abwaschen wollten. Vom Preis-/Leistungsverhältnis mal ganz zu schweigen. Das allabendliche Abduschen, nach einem Tag bei 35 Grad oder mehr, belebte Körper, Seele und Geist, auch wenn das Bad oft mit seinen Besitzern zusammen gealtert war.
Mit jedem Tag, den man unterwegs ist, verlangsamt sich das Reisetempo. Nicht die Tageskilometer werden das Ziel, sondern die Begegnungen mit den Menschen, mit der Natur. Es ist komisch, denn durch das langsamere Reisen, kommen wir Müheloser voran und finden dabei auch immer mehr zu uns selbst. Es entsteht ein Team, was die Schwächen und Stärken des Anderen kennt. 24h täglich beieinander, da weiß man wie der andere tickt, wann er mal Ruhe braucht. Man lernt sich in Stresssituationen zu unterstützen und mit einander für den gemeinsamen Weg zu streiten.
In Agra verluden wir unsere Räder auf einen kleinen Tata, der uns in 12h Fahrt ins 800 km entfernte Nainital brachte. Der Fahrer gab alles, um uns zu zeigen, dass er auch in der Formel Eins gut aufgehoben wäre und mit allen Straßenverhältnissen gut zu recht kommt. Scheinbar immer mit der Gewissheit, dass er als Hindu mit weiteren Leben rechnen kann raste er über die Wege. Wir überlegten uns in der Zeit, wie wir ihm verständlich machen können, dass wir aus dem christlichen Abendland kommen und nur dieses eine, doch so schöne Leben vor uns haben. Es gelingt uns nicht – wir überleben.
Am indisch nepalesischen Grenzübergang tauchten hinter uns zwei kleine Jungs auf, eingehüllt in zerrissene Bekleidung, welche um ein paar Rubi baten. Die kleinen Körper von Staub bedeckt. Dennoch hatten wir hier keine Muße ihnen etwas zu geben, zu oft wurden wir schon angebettelt und immer wieder standen wir vor dem gleichen Problem - wem gibt man wie viel und wem nicht. Ein Patentrezept gibt es dafür nicht.
Die Jungs ziehen schnell wieder davon, um nur 5 min später mit einem Blinden im Schlepptau wieder vor uns zu stehen. Wo Sie den Blinden aufgegabelt haben, bleibt uns schleierhaft, befinden wir uns doch in einer scheinbar trostlosen Gegend wo weit und breit keine Häuser, Baracken oder ähnliches zusehen sind. Ich finde den Geschäftsinn der beiden dann doch interessant und gebe jedem der Beteiligten ein paar Rubi.
In Nepal radelten wir vorbei an Kindern, welche „Bye, Bye“ zur Begrüßung riefen. Hindurch durch kleine abgelegene Dörfer wo die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Eine intakte Infrastruktur ist nur selten zu erkennen. Und auch hier lernten wir 1-2h am Tag ohne Strom auszukommen. Gerade in dunklen, verräucherten Internet Cafes, bei welchem wir in mühevoller Kleinarbeit den Text auf den Bildschirm haken, wird uns ein ums andere mal der Stromausfall zum Verhängnis, noch bevor wir die E-Mail verschicken konnten. Uns wird einmal mehr bewusst, in welchem Luxus wir daheim in Europa leben. Welche hoch gelobte Versorgungssicherheit wir genießen. Und über welche Luxusprobleme wir daheim diskutieren.
Oft werden wir gefragt, was wir in Deutschland arbeiten und wo wir leben. Anfangs fingen wir dann an zu erzählen, was wir so tun. Wie hart es ist Geld zuverdienen, das die Mieten so hoch, das Benzin und Lebensmittel so teuer und Autos nicht billig sind. Schluss um, wie schlecht es uns doch eigentlich geht und wie hart das Leben bei uns doch ist. Und irgendwann fällt einem der Irrsinn auf. Wir hatten daheim in Deutschland ein Auto, haben nie gehungert, konnten immer noch verreisen und genossen eine doch recht gute medizinische Versorgung. All das was unser „hartes“ Leben in Deutschland ausgemacht hatte, wird mit einmal so nichtig - so klein. Schließlich blieb uns jetzt die Zeit und vor allem das Geld um hier in Asien eine mehrmonatige Reise zu unternehmen. Arbeiten in dieser Zeit war dabei nicht angedacht. Das alleine hat bei der Vielzahl der Menschen schon Verwunderung ausgerufen.
Wie geht es, dass man nicht arbeitet? Wie geht es, dass man so lange frei hat? Woher nehmen wir das Geld? Die meisten Menschen, welche wir auf der Reise trafen, kannten so etwas wie Urlaub nicht. Und wenn doch, dann handelt es sich meist um wenige Tage bis max. eine Woche, pro Jahr versteht sich. Nur in Thailand, Malaysia oder Singapur waren es mehre Tage bzw. Wochen.
Trotz unser so vermeintlichen einfachen Reiseart mit dem Fahrrad - immer dicht bei den Menschen, mit all den Vor- und Nachteilen, welche sich daraus ergeben. unseren bescheidenen Ansprüchen, genossen wir doch einen Luxus, denen sich die meisten Menschen nicht einmal im Traum vorstellen konnten, geschweige den hätten erfühlen können.
Hätte es uns in Asien nicht gefallen, wir hätten jederzeit in fast jeden Punkt der Erde weiterfliegen können. Wären in fast jedes Land der Erde ohne Problem rein gekommen. Es ist für uns selbstverständlich frei Reisen zu können. Es ist ein Grundwert unserer Identität, unseres Freiheitsdenken! Doch leider können dies die wenigsten Menschen auf dieser Erde.
In Nepal trafen wir Menschen, welche gespannt auf unsere Nepalkarte schauten. Voller Freude ihre Städte oder Dörfer suchten und mit großer Wahrscheinlichkeit zum ersten mal sahen, wie Ihr Land geografisch überhaupt ausschaut, wo Kathmandu liegt. Die Hauptstadt mit den vielen Gesichtern, in welche eine Staubpiste führt, die wir nicht mal von deutschen Äckern so kennen, kein Prachtbau der Aspahltwirtschaft!
Oft haben wir versucht die Menschen zufragen, welches denn ihr Traumland wäre, wenn sie denn frei Reisen könnten. Alleine mit dieser Frage waren die meisten völlig überfordert. Die Frage hat sich ihnen nie gestellt. Und wenn es dann doch einmal einer beantworten konnte, dann war Deutschland als Traumland nicht vorne dabei. Wo liegt überhaupt Deutschland?
Unsere weitere Reise durch Südostasien wird zu einem immer wiederkehrenden Kulturschock. Da findet sich das saubere Thailand mit guten Strassen, Supermärkten einer funktionierenden Infrastruktur. Es folgt das staubige Laos mit einfachsten Bambushütten und Kinder, die uns mit einem lauten Sabadii begrüßten, um uns noch dazu die Hände zum Abklatschen entgegenstreckten.
Vietnam dann eine Mischung aus allem - sauber bis staubig. Mit einem Verkehr voller Mofas, der für uns zu den stressigsten und unangenehmsten in ganz Asien zählen wird. Laut Statistik sterben 32 Menschen täglich auf Vietnams Strassen. Für uns gut vorstellbar.
Kambodscha, das Land mit der höchsten Minendichte der Welt und auf Platz 45 der ärmsten Länder dieser Erde. Und dennoch beherbergt Kambodscha mit den Tempel von Angkor Wat einen Schatz, der uns 3 Tage lang in ein immer neues Staunen versetzte. Der Süden Thailands mit seinen paradiesischen Stränden.
Malaysia, wo es kaum Mofas, sondern mehr Autos gibt. Die Hauptstadt Kuala Lumpur zu den schnell wachsenden modernen Städten Asiens gehört. Hier entsteht ein Hochhaus nach dem anderen. Und dabei macht es den Anschein, als ob erst nach dem Bau des Hauses überlegt wird, wie denn nun die Strasse dorthin gebaut werden soll. Und zum Schluss Singapur. Einer Stadt, die so gar nicht in das Bild der asiatischen Städte auf unserer Reise passt. Sauber, modern, Gehwege, die man auch benutzen kann, ohne in irgendeinem Loch zu verschwinden, ohne Hundekot, Graffiti…
Die Moderne dieser Stadt erschließt sich einem am besten am alttraditionellen Raffles Hotel. Benannt nach dem Entdecker von Singapore Sir Edmund Raffles. Stand doch das Hotel bei seiner Gründung direkt am Meer, so wird es heute von einem Park und etlichen Häusern umragt. Es sind gute 20 min Fußweg bis zum Meer.
Bei all diesem Wechselbad der Gefühle fand eine Verarbeitung des Erlebten immer erst nach dem Besuch statt. Mit dem nötigen Abstand zu einem Land erschlossen sich uns die Dinge, auf die wir uns im Stande waren einen Reim zu machen. In Gesprächen mit anderen Reisenden, immer mit der Erkenntnis, das jeder seine Reise unternimmt, seine Erfahrungen sammelt, ein Land mit seinen Augen erlebt.
Wir sind nun wieder zurück in Deutschland. Die Arbeitswelt hat uns wieder und schreibt uns nun wieder vor, wann wir frei haben und wann nicht. Wir genießen unsere persönliche Umwelt. Und dennoch ist ein Teil des Geistes noch auf Reisen.

www.ferneseher.de
 
Hallo bettseeker

Ich bin auch begeisterter Mountain Biker. Jedoch ist ein Liegerad für eine solche Reise was echt feines und ich kann Dir nur raten es einfach mal zutesten. Vorurteile hatte ich gegen ein solches Bike auch, aber die haben sich leider alle nicht bestätigt.
Der Bericht hier, soll aber auch nur einen Eindruck von unserer Reise vermittelen. Vielleicht möchte ja jemand auch eine solche Reise unternehmen. Kann man natürlich auch mit dem MTB, auf welchem meine Freundin unterwegs war.


Mike
 
Ja, aber selbst dort liest es mit dieser Formatierung keiner :heul:

Dafür hat der "Liebe Gott" Tab´s und Absätze erschaffen!



Gruß Doc

Edit sagt: Es gibt Absätze, das merkt man aber erst, wenn die Seite im Vollbild dargestellt wird.
Auf einem 24 Zoll Monitor!
 
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