Schnatter-Quitsch-Tour
Mangels spontaner Mitbiker wurde es dann leider eine Solorunde - das hatte als einzigen Vorteil, dass ich auschlafen durfte.
Es wurde dann trotzdem noch ein vergnüglicher, feuchtkalter Nachmittag im Harz.
Ausgeruht sattelte ich gegen 13 Uhr in Scharzfeld den mir eigenen Metallhaufen, den ich fälschlicherweise für mein topfunktionstüchtiges Fully hielt.
Das erste Dutzend Kilometer war ein Wechselspiel von kurzen und ebenso steilen Anstiegen und genialen Trailabfahrten.
Der Weg führte an der Einhornhöhle vorbei direkt zur ersten Bergwertung am Frauenstein. Der Grip war mit mir und mit einem Puls von 230 erreichte ich das Gemäuer. Die nächste Bergwertung am Himmelsberg verpatzte ich leider, so dass ich innerlich von dem selbstverliehenen Bergtrikot Abstand nahm.
Danach ging es über das Knollenkreuz hinab in das Luttertal vor den Toren Bad Lauterbergs. Angesichts des trüben Wetters waren die Abfahrt durchgängig frei von Fußvolk, so dass meine
Bremsen im Auslauf den Hitzetest gerade noch überlebten.
Die einzigen menschlichen Wesen, die ich auf den nächsten rund vierzig Km erblicken konnte, hätten dann aber beinahe einiges zum Lachen gehabt.
Traditionellerweise erfolgte meine Querung des Lutterbaches auf Höhe des Fußballplatzes, der jeden Samstagvormittag fest in der Hand begeisterter Radsportfeinde ist.
Witterungsbedingt waren keine angeheiterten Provokateure mehr anwesend, und ich meinte den noch Anwesenden eine Vorführung in Sachen Bikebeherrschung geben zu müssen.
Dummerweise hatte ich mir als Landezone für meinen freihändig ausgeführten Bunny-Hop die einzige glitschige Stelle ausgesucht, die es im weiten Umkreis gab.
Glücklicherweise gelang es mir bei einer Neigung von 45° Grad die Hände wieder an den Lenker zu bringen und zum Erstaunen des Publikums den nahenden Bodenkontakt zu vermeiden.
Die nächsten 7 km sollten mich am rechten Hang des Geraden Luttertals hinauf zum Sieberpass führen. Weil meine Scheibenbremse am Hinterrad nicht aufhören wollte angsterfüllt zu wimmern und mir dieses Gebaren allmählich ziemlich auf den Zeiger ging, musste ich zunächst ein kleine Schrauberpause einlegen.
Kurzerhand erlöste ich mich und mein Bike von diesem Ungemach, indem ich den Bremskolben durch Demontage desselben zeitweise ausser Funktion setzte.

Derart erreichte ich ungebremst den Sieberpass wo Wind und Schneegrieseln mir einen jahreszeitlich passenden Empfang gaben.
Gerne wäre ich nun noch den Ackertrail gefahren, den ich mir bereits weiß bedeckt und mit Schneeverwehungen ausmalte. Also schnell die Scheibenquitsche am Hinterrad montiert und auf unbekanntem Weg hinab.
Im Siebertal angekommen erkannte ich jedoch schnell an Hand des Zeiteisens das dieses Unterfangen im Dunkeln enden würde, ich hatte keine Lampe dabei, dafür aber ein abendliches Rendevouz.
So nutzte ich die Anwesenheit zum Ablichten des romantischen Sieberflusses und machte mich auf den Rückweg.
Wieder am Sieberpass angekommen nahm ich die Aschentalshalbe als Dach der Tour in Angriff. Um etwa 600 hm lag die Frostgrenze und die letzten lauwarmen Trinkblaseninhaltsreste glitten meine Kehle hinab.
Mit überraschend guter Form und gut gelaunt erreichte ich den Gr. Knollen.
Da es heute keine Aussicht gab und mir der Sinn nicht nach Erbsensuppe stand ging es von dort sofort hinab.
Die Abfahrt über Knollenkreuz und Schweineplatz hinunter nach Scharzfeld darf sich meiner Meinung nach sicher mit zu den schönsten im Harz rechnen.
Dankbarer Weise hatten fleißige Trailpfleger (Dank an den Harzklub 1886 e.V. ???) einige Hindernisse des Sommers aus dem Weg geschafft und Strolche hatten keine neuen errichtet. So unterlag ich beinahe völlig der magischen Versuchung, mich ganz dem Speed hinzugeben.

Bei der Sogoptik des dämmrigen Trails, die einen förmlich ins Nirvana zog, war dies kein allzu leicht durchzuhaltender Vorsatz. Weil in meinem Hirn aber noch ein Teil Vernunft zuckte (hatte ich nicht schon wieder gegen eine der Grundregeln des Mountainbikens verstoßen, nie alleine zu fahren) bremste ich meine Risikofreude und erreichte mit einem angenehmen Kribbeln unter dem
Helm doch noch den wärmespendenden Rußspucker.
Insgesamt also eine gemütliche Runde bei fast idealem Bikewetter (wenn jemand einen Tip hat, wie man sich preiswert beheizbare Schuhsohlen bastelt, die kein Atomkraftwerk am Fußgelenk brauchen, bitte mailen!).
Die hochgesteckten Ziele wurden zwar nicht erreicht, aber darum geht es mir beim Biken in erster Linie nicht.
Vieleicht wird es beim nächsten Aufruf eine nicht ganz so einsame Veranstaltung.
Nicht nur in diesem Sinne Happy Trails!
Dirk