Der kurze Bericht wird etwas unter der mangelnden Namenskenntnis leiden. Man sollte sich nicht zu Beginn einer Tour vorstellen, sondern am Ende noch einmal der Namen versichern. Dann klappt es auch mit dem Lernerfolg.
TransUckermark? Genau, TransUckermark mit dem mysteriösen Tom war angesagt.
Mal schauen,
Trans - Präposition
über bzw. hinaus,
Ukera - Grenze brachten die Ukranen mit dem Slawischen aus dem Osten mit und
Mark führt zu Grenzmark, die Markgrafen die im Auftrag des Kaisers das Reich an den Aussengrenzen zusammenhielten. Ãber die GrenzGrenze. Soso, eine doppelte Grenzüberschreitung oder was? Mit solcherlei tautologischem Unsinn wollte ich mich verständlicherweise früh um Vier nicht rumschlagen und beschloss daher den Tag mit dem Schlachtruf Hyper, Hyper! anzugehen. Meine Freireiterhose hat einen pinkfarbenen Rallystreifen, was sollte mir passieren?
Kohlenhydrate einverleibt und gebunkert, der grosse Rucksack mit den Regensachen auf dem Rücken ging es in die Bahn, Gordon P.s Einstieg verpennte ich, auf die höfliche Ansprache am Hauptbahnhof war ich dann allerdings wieder in der Lage zu reagieren. Die zwei Mountainbiker in Ausgehuniform am Kaffeestand gehörten sicher auch zu uns, Tom wurde auch gefunden. Da waren es schon 7. Ein Zustieg in Gesundbrunnen, ein Biker in Warteposition am Bahnhof Chorin und einmal wurde die Bahn verpasst. Passiert, Kollege kommt nach.
In Chorin wurde nicht lange gefackelt, kurze Ansprache und es ging am Pferdeberg vorbei in nördlicher Richtung über Senftenhütte zum Grimnitzsee, die erste verpasste Badegelegenheit des Tages. Auf dem Weg zum Prässnicksee demonstrierte das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin seine Artenvielfalt und zauberte eine Schlange hervor. Die Kombination Scherbe und Racing Ralph muss sie hervorgelockt haben und so bot der Kilometer 22 die erste Pause. Ohne vorgreifen zu wollen, kann ich bereits an dieser Stelle die Zahl von 3 Reifenpannen vermelden. Damit ist es aus dem Weg und Reifenpannen sind natürlich immer auch Fotogelegenheiten. Zurück zum Kilometer 22: Wer nicht baute pullerte, nur Tom sammelte Heidelbeeren und alle Stadtkinder lehnten höflich ab. Schaden behoben und weiter ging es über Ringenwalde durch den Wald nach Templin. Dabei wurde leider auch eine voll rennradtaugliche Radstrasse befahren, die vom ortskundigen Tom mit den Worten "früher war hier huckelige Sandpiste" kommentiert wurde. Rennschwucken gehören auf die Autobahn und LKWs auf die Schiene, man wird ja mal träumen dürfen.
Aber die Radstrasse blieb zum Glück die Ausnahme, Brennesseln, klebriger Matsch und vor allem nabentiefe Pfützen bestimmten das Bild. Wenigstens waren es ehrliche Wasserlöcher und keine vorderradeinkassierenden Ãberschlagsgeneratoren. Einfach mit Schmackes durchbratzen, nicht aufhören zu treten, dann klappt es auch mit der Durchfahrt.
Liegewiese und Badestelle Lübbesee am Seehotel Templin wurden plangemäà erreicht.
Das ehemalige FDGB-Heim ist ein Beweis dafür, dass der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund unter Führung des Genossen Tisch aus den Fehlern der Kraft durch Freude-Bewegung lernte und den
âKoloss von Proraâ um Faktor 10 verkleinerte. Immerhin. Auch sollte erwähnt werden, die Luxusurlaube Günter Mittags auf FDGB-Kosten fanden selbstverständlich woanders statt.
Auf dem Marktplatz von Templin wurde endlich auch der Nachzügler eingesammelt. Er hatte sich von Oranienburg(?) auf der Strasse auf den Weg gemacht hatte. Kilometer 50 und wir waren endlich vollzählig.
Die himmelblaue Tankstelle am Ortsausgang war eigentlich nur für die kurze Nahrungsaufnahme vorgesehen, der Aufenthalt wurde allerdings durch eine bizarre Panne verlängert. Squall bekam den Schuh nicht mehr vom Pedal.
Erledigt, und nun ging es endlich über die Felder. Eine Uckermark-Tour verlangt Weite, von Feldwegen durchschnittenen welligen Horizont, Blumentupfer in den sattgrünen Feldern. Der Himmel versprach permanent Unheil, aber noch hielt das Wetter.
Die Warthesche Heide wurde erreicht, Rathenowsee links, ein Bienenstich sorgte für kurze Aufregung, es ging mittendurch durch die Ungeteilte Heide und da war auch schon Thomsdorf. Von dort sollte es weiter nach Carwitz gehen und verstehe das einer, wo kam die Höhe, der Flow plötzlich her, die Anfahrt gestaltete sich als schnelle Abfahrt auf herrlichen lang gezogenen schmalen Wegen.
Kulturalarm in Carwitz folgte, Falladas inneres Exil in den schweren Jahren 33-44 wurde besichtigt und eine weitere existentielle Frage begann sich zu stellen. Welches der folgenden anzusteuernden strukturschwachen Ziele wird wohl die ökonomische Potenz haben, eine gastronomische Einrichtung zu unterhalten?
Nimm dir Essen mit, wir fahren nach Brandenburg. Reinald Grebes Lieder trägt man lange mit sich herum und es kann durchaus passieren, dass bei einer auÃerordentlich passenden Gelegenheit plötzlich einer seiner Verse die Situation schlagartig erhellt. Es ging landschaftlich reizvoll, aber gastronomisch erfolglos durch Lichtenberg, Grauenhagen, Göhren.
Der Kilometer 93 sah die Einfahrt in Woldegk. Das Stadtzentrum bot die übliche traurige postindustrielle Leere welche sich in Kombination mit Sonntagmittag zu postnuklear steigerte. Na denn, auf Nahrungssuche in der Geisterstadt: Woldegks früher Weltruhm rührt aus dem Jahre 1764, als eine Windhose der
Klasse F5 die Stadt heimsuchte. Eine 1km breite und 30km lange Schneise der Verwüstung von Feldberg bis Helpt verschonte die Stadt. War ein zweites Wunder in Arbeit? Kaum gedacht und da stand er auch schon, leuchtend DHL-gelb, Bäcker, Fleischer, Kleinteile aller Art; Tante Emma heiÃt jetzt Rotzoll.
Das Geschäft wurde regelrecht überrannt, alle Umsatzziele erreicht und 5 Minuten später klappte der Laden zu. Meine zweite Runde Pflaumenkuchen fiel damit ins Wasser. Bad pun, es begann zu nieseln.
Nun sollte es also endlich in Helpter Berge gehen. Frisch gestärkt und 179m ü.M. warteten, Wahnsinn! Aber das Schicksal stellt immer Gegenforderungen und der Sturzregen begann. Die Regensachen blieben natürlich im Rucksack, weil lohnte eh nicht mehr. Notiz: Ich nehme das Zeug nicht mehr mit.
Weiter ging es im sonnigen Regen ohne Regenbogen. In der Daberkower Heide wartete noch eine fette Offtrail-Einlage samt ausgedehnter Tragepassagen und Sturzbachüberquerung. An einem Wegweiser stand Steinerne Renne, wer es glaubt. Ebenso ahnungslos ging es weiter nach Strasfurt zum Höhepunkt der TransUckermark: La Reine des Classiques, L'Enfer du Nord, die Katzenkopf-Autobahn Strasburg-Lübbenow; 6km gnadenloses Kopfsteinpflaster, genau die richtige fiese Grösse und Abstand, kein Ausweg rechts oder links.
Das Feld zog sich auseinander, der Kampf konnte nur allein gewonnen werden. Fotos gibt es zum Glück nicht, denn man konnte meinen verzerrten Gesichtausdruck sicher nur mit viel Wohlwollen noch als gequältes Lächeln interpretieren. Eine Gesichtsmaske die man von Miguel Indurain oder US-Präsidentengatinnen kennt. Und so kam es, das an einem Sonntag im Juni des Jahres 2007 Nancy Reagan durch die Uckermark rumpelte.
Bei Kilometer 133 war auch diese Härteprüfung beendet; die Materialprüfung hatte gerade erst begonnen: der Antrieb war einwandfrei gefettet in den Tag gestartet, gab aber inzwischen hundepfeifenkompatible Geräusche von sich. Trocken, verdreckt, die Kette schmirgelte die Wegstrecke dazu passend gleich in 1zu 7-Hundekilometern vom Ritzel.
Zum Abschluss wurden noch schnelle Kilometer über Schönwerder bis Prenzlau gemacht. Der Bahnhof Prenzlau wurde bei Kilometer 155km erreicht. Seehausen wurde gestrichen, das Tagespensum war erfüllt.
Die Bahnfahrt verhieà noch einigen SpaÃ: Gut gefüllt mit Urlaubern von der Ostsee, ergänzt um Ausflügler aus Berlin, die nacheinander über Prenzlau bis Chorin eingesammelt werden sollten. Nur so viel: Auf die Bahn schimpfen ist langweilig, uneinsichtige Bahnfahrer, die an ihrem Sitzplatz im Fahrradabteil kleben, verteufeln trifft das Problem schon eher und so viel Schweià floss auf der ganzen Tour nicht.
Lust auf eine S-Bahnfahrt hatte ich bei meinem Abenteuer versprechenden Mikroklima überhaupt nicht mehr und wählte die Frischluft. Noch einmal von Tom und den Anderen verabschiedet, Danke und tolle Tour! Am Brandenburger Tor wurde ein Baukran von Dutzenden Einsatzwagen der Feuerwehr und Polizei beobachtet. Hoffentlich nicht passiert, bitte nicht ablenken lassen, ja das Rad ist schon laut. Der Rote Bulle klang inzwischen wie ein richtig schlecht gepflegtes Stadtrad. Ganz schlimm, richtig peinlich. Letzte Notiz des Tages: Ãl mitnehmen!
Schöne Tour war es und über TransSudety werde ich schon mal vorsichtig nachdenken.
