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Gargamel-Trail im Whistler Valley
Was will man(n) mehr? [Foto-Story]

Keine zwei Tage sind wir in Whistler und schon zieht es uns hinaus in die Wildnis, auf jene Trails, die außerhalb des Bike-Parks liegen. Draußen in den Wäldern, dort wo einst Typen wie Richie Schley, Wade Simmons oder Tyler Morland versuchten, der unwegsamen Natur mit verrückten Holzkonstruktionen ein Schnippchen zu schlagen. In Bike-Shops, in der Liftschlange und bei so manchem Bike-Bum auf dem Camper-Parkplatz erkundigen wir uns nach den bestens „secret spots“, den echten Juwelen Whistlers. Immer wieder fällt dabei ein Name: Gargamel Trail. Er soll es sein, ihn wollen wir in Angriff nehmen.

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„Secret“ ist er jedoch längst nicht mehr, doch ein Juwel ist er dennoch. Bekannt geworden durch Tyler Morlands Segment im ersten Film der damals noch gleichnamigen Film-Crew „The Collective“ [hier bei ca 0:30], ist der Trail heute in jedem Whistler Mountainbike Bike-Führer zu finden. Gelistet ist er als „Double Diamond“ – heißt: „For expert and professional riders only“. Das klingt doch schon mal gut. Zu unserer Sorge lassen jedoch einige Locals Zweifel anklingen: Man sei sich nicht sicher, ob sich der Trail in einem fahrbaren Zustand befände. Viele der alten Holzelemente seien marode – stark zugewachsen sei er an einigen Abschnitten noch dazu. Legendär soll er sein, aber kein Trail der besonders viel Spaß bereiten würde. Keine Frage, spätestens jetzt sind wir überzeugt, es zu wagen.


# 1.240 hm Abfahrtsvergnügen auf einer Länge von ca. 3 km: der Gargamel-Trail

Unser straffer Crankworx-Zeitplan lässt jedoch nur einen Tag für die Aktion zu. Ausgerechnet der Tag, an dem das beste Event des Crankworx steigen wird: die inoffiziellen Whip Off Worlds. Ärgerlich, eigentlich hatten wir uns die Teilnahme als Pflichtprogramm fürs Crankworx gesetzt. Knapp vier Stunden Fahrzeit sollen wir einplanen, hatte man uns gesagt. Mit einem Aufbruch in aller Frühe sollte das doch alles zu schaffen sein – schließlich sind die Whip Off Worlds erst auf Mittags angesetzt: geplante Abfahrt 07:30 Uhr. Gilt es also nur noch einen Fotografen zu finden, der unser Abenteuer dokumentieren möchte. Keine all zu schwere Aufgabe, bei all den Fotografen die Whistler während des Crankworx-Festivals belagern. Eine etwas voreilige Einschätzung – die schlechte Wetterprognose und unser früher Zeitplan lassen jeden nur erdenklichen Fotografen zurückschrecken. Und nun? Selbst ist der Mann, dann machen wir es eben selbst. Neuer Abfahrtszeitpunkt: 05:30 Uhr.

Max und Maxi in Gefahr – das Motto unserer illustren Ausfahrt ist schnell gefunden.Um 05:00 Uhr klingelt mich der Handy-Wecker aus den Federn. Im Halbschlaf packe ich meinen Krempel zusammen und versuche die restliche Zimmerbelegschaft nicht ihres Schlafes zu berauben. Ganz schön schwer der Rucksack mit all dem Kamerazeugs. Hilft nichts, da muss ich durch. Vor dem wohl kultigsten Café am Market Place im Whistler Village treffe ich auf meinen Weggefährten Max. „Max und Maxi in Gefahr“ – das Motto unserer illustren Ausfahrt ist schnell gefunden. Nach einem Cappuccino – lassen wir diese Bezeichnung des braunen Getränks zugunsten unserer nordamerikanischen Freunde einmal durchgehen – und einem Frühstücks-Muffin sind wir bester Dinge und bereit für das Abenteuer.

Entlang des „Sea to Sky“-Highways radeln wir in Richtung Pemberton, vorbei am Green Lake, der seinem Namen im diesigen Morgenlicht alle Ehre macht. Am Ende des Sees führt uns eine Schotterstraße hinaus in die Wildnis. Überall sind Warnhinweise angebracht: „Caution Bears“ und „Be Bear Aware“ sind dabei unsere Favoriten. Von den viel gefährlicheren Berglöwen lesen wir jedoch nichts, wurden von einigen Locals jedoch im Vorfeld zur Achtsamkeit ermahnt.


# Sind wir noch richtig? In Blick in die Karte weist uns den Weg – hinein in die Wildnis. 

Eine steile Forststraße führt uns ins Hinterland, hinauf auf den Berg. Auf die Minute genau setzt der angekündigte Regen ein. Für einen Augenblick sinkt unsere Motivation in den Keller. Auch die Auffahrt scheint nicht enden zu wollen. Mir reicht´s, ich steige ab und schiebe. Soll Max doch den XC-Fahrer machen und weiter pedalieren! Dann endlich der erlösende Abzweig auf den ersehnten Trail. Doch halt, die Rede war von Trail. Alles, was wir jedoch sehen ist, eine Sackgasse – ein ausgedienter Holzplatz. Vom Trail weit und breit keine Spur. Sind wir falsch? Erneut schlagen wir den Führer auf, rekapitulieren Kehre für Kehre, Kreuzung für Kreuzung unseren Weg um letzten Endes festzustellen, dass wir richtig sein müssen. Es hilft alles nicht, das Gebiet um den Platz muss sondiert werden. Dem Himmel sei Dank dauert die Suche nicht lang und der zugewachsene Trail ist schnell gefunden.

Sollten die Locals am Ende recht behalten haben? Ist der Trail nicht mehr zu fahren? Auch der Blick auf die Uhr mindert unsere Sorgen nicht, schon jetzt liegen wir hinter unserem Zeitplan. Kamera raus, Fotos machen und weiter im Programm. Bevor es jedoch endlich bergab geht, müssen wir uns weitere Höhenmeter erkämpfen. Und das auf einem Trail, der wunderbar eine anspruchsvolle DH-Strecke darstellen könnte – würde man ihn bergab und nicht wie wir bergauf fahren.


# What goes down, must go up

Endlich erreichen wir den höchsten Punkt, ab jetzt geht es bergab – hoffen wir. Auf den ersten Metern scheint sich der Trail eines ausgezeichneten Zustands zu erfreuen. Der Spaß auf dem lockeren Waldboden steht uns ins Gesicht geschrieben. Kein Wanderweg, der mit anderen geteilt werden muss oder auf dem Gefahr bestehen würde, mit anderen Nutzern zu kollidieren. Es ist ein von Bikern für Biker angelegter Weg, der noch dazu in einer Natur liegt, die so großräumig ist, dass sie von einem solchen Trail wohl kaum Notiz nimmt. Für uns bedeutet das: fahren wie die Bekloppten!


# Unfassbar, wenn man die Traum-Spots seiner Jugend später einmal in echt bestaunen darf. Tylers „The Collective“-Segment hatte mich schon damals fasziniert. 

Nun gut, mutwillig muss man auch hier keinen Acker umpflügen – dennoch erfreuen wir uns am spritzenden Dreck in den Kurven. Beim Übersteuern des Hinterrads sind wir nicht einmal auf die Hinterrad-Bremse angewiesen, auf dem lockeren Waldboden schwimmt das Rad ganz von selbst und rutscht geschmeidig von einer Kurve in die nächste. In diesem Fahrfluss surften wir über die Trails. Unerwartet wirft Max plötzlich den Anker. Ein Bär, ein wildes Tier, was da ist los? Nichts dergleichen – er hat eine geeignete Foto-Location erspäht. Schade, es kam schon der Abenteurer in mir durch. 30 Bilder – davon 5 brauchbare – und 20 Minuten später setzten wir die Abfahrt fort. Langsam drückt der Schuh in Sachen Zeit. Doch zeigt uns Max´ Höhenmesser, dass wir noch einiges vor uns haben.

Der Trail wird immer steiler und Felswände tun sich beidseitig neben uns auf. Mehr und mehr erinnert die Location an die Szenerie aus „The Collective“. Hier und da erkennen wir einige der Drehorte wieder. Vor uns liegt ein Steilhang, auf dessen linker Seite ein längst verrottetes North Shore-Element zu sehen ist. Wo sollte die Hühnerleiter nur hinführen – ins Nichts? In der Tat – ganz grob lässt sich knapp 10 Meter tiefer eine Landung erkennen. Was ein Glück, dass dieses Holzelement mittlerweile nicht mehr fahrbar ist, am Ende hätten wir das Ding des eigenen Egos halber noch springen müssen.

Augen gerade aus und Bremsen auf!Wir nehmen die Steilabfahrt über eine Art natürlich gepflasterten und mit Spitzkehren gespickten Weg. Dass ich auf kanadischem Boden noch gezwungen sein würde mein Hinterrad versetzten zu müssen, hätte ich mir nicht träumen lassen. Weiter geht es vorbei an massiven Felsabbrüchen und riesigen herabgestürzten Brocken. Die Schwierigkeit des Trails nimmt immer mehr zu, der leichte Regen tut sein Übriges. Das starke Gefälle wirkt in Kombination mit dem nassen Waldboden und zahlreichen Steinen nicht sonderlich einladend. Auf einigen Steilabfahrten ist an Bremsen nicht mehr zu denken: Augen gerade aus und Bremsen auf!


# Keine einfache Aufgabe: Der Gargamel-Trail hatte so manche Schlüsselstelle zu bieten. 

Geschwindigkeit bringt bekanntlich Sicherheit.Die Fahrt dauert lang, länger als gedacht. Eigentlich das, was man sich bei jeder Abfahrt wünscht. Doch unsere Teilnahme an den Whip Off Worlds wird von Minute zu Minute unwahrscheinlicher. Dann führt uns der Trail endlich hinaus aus dem Wald. Vor uns erstreckt sich eine riesige Lichtung – links und rechts Felswände. Vor uns ebenfalls Felsen. Unten angekommen sind wir nicht – dieser Teil scheint nun aber die Schlüsselstelle des Gargamel-Trails darzustellen. Die nassen und moosbedeckten Felsplatten sehen nicht nur rutschig aus, sie sind es auch. Vor mir sehe ich Max´ Hinterrad bereits von einer Seite auf die andere schlingern. Ich versuche Abstand zu gewinnen, um im Steilstück die Bremsen aufmachen zu können. Besser so, als das Risiko einzugehen, beim Bremsen wegzurutschen. Geschwindigkeit bringt bekanntlich Sicherheit.

Ich überhole Max und lasse mich in das nächste Steilstück tragen. Gefälle – enorm! Traktion – kaum vorhanden! Absatz und scharfe Kurve – geradewegs vor mir! Mit Hängen und Würgen gelingt es mir die Stelle zu meistern. Schreiend warne ich Max vor, der im selben Moment wie ein Irrer grinsend um die Kurve schießt – eindeutig die bessere Linie. Wir satteln ab um einige Bilder zu schießen – zwar gibt das die Zeit längst nicht mehr her, doch können wir diese Location nicht ohne Bilder verlassen. Wieder vergehen knapp 20 Minuten bis wir weiter ziehen können, doch die Arbeit hat sich gelohnt. Die Bilder sind ohne Zweifel das Highlight des Tages, so viel ist sicher.


# Schöner könnte die kanadische Wildnis nicht sein

Noch einmal wird es richtig steil – der Trail führt uns über größere Felskanten, deren hangabgewandte Seite stets in einen kleinen Drop übergeht. Einer dieser Drops führt in eine mit Felsenbrocken gespickte Landung, die im 90°-Winkel zum Absprung steht. Ich lande etwas zu frontlastig, der schwere Rucksack mit dem Kamera-Equipment rauscht mir gegen den Kopf – um eine Haaresbreite wäre ich Kopf voraus über den Lenker in die Steine gedonnert. Dann höre ich hinter mir ein lautes Knallen. Ich drehe mich um – was ein Glück – kein Sturz, dafür aber ein Materialdefekt: ein Platten und eine gut mitgenommene Felge bei Max. Nachdem wir alles repariert haben, liegen unsere Nerven blank.

Ohne weitere Stopps geht es jetzt in Richtung Ende, noch einige Male führt uns der Trail hoch und runter. An sich ein genialer Enduro-Trail, doch wollen wir nur noch schnellst möglich auf die Crabapple Hits. Endlich erreichen wir die ersten Häuser der „Emerald Estates“-Siedlung. Mit einer Lance Amstrong-mäßigen Trittfrequenz pressen wir unsere Bikes zurück in Richtung Whistler Village. An unserer Unterkunft tauschen wir kurz die Helme und ich greife zur Sicherheit zum DH-Bike.


# Maxi auf dem Weg nach oben

Was für ein Ärger – die Liftschlange könnte länger nicht sein. Genervt stellen wir uns an. Im Lift erkundigen wir uns bei anderen Bikern nach dem Stand der Dinge. Die berichten jedoch, dass sich die Whip Off-Teilnehmer bisher nur warmspringen würden. Am Ende des Fitz-Simmons-Sessellifts angekommen begeben wir uns geradewegs über die A-Line hinunter zu den Crabapple Hits, wo sich gerade ein riesiger Train formiert. Wir erkundigen uns bei Brendan Fairclough nach dem Stand der Dinge. Ernüchternd gibt er uns die Auskunft, dass der Contest bereits in der dritten Runde sei. Zur Sicherheit fragen wir noch einmal die Organisatioren – doch es lässt sich nichts machen. Unsere erste Whip Off Worlds-Teilnahme ist gescheitert – wie ärgerlich! Es hätte alles so schön sein können, doch manche Geschichten sollen eben kein „Happy End“ haben. Was bleibt ist die wohl spannendste Ausfahrt unserer Saison und die Erinnerung an eine unvergleichliche Natur. Was will man(n) mehr!

Der Gargamel-Trail in Bildern


# Nachwehen der Party vom Vorabend: Die Abfahrt um 05:30 Uhr fällt nicht gerade leicht. 


# Sonnenaufgang über Whistler


# Max Schumann: Ready to go


# Hi5 – los geht die wilde Fahrt


# Max kann sich mal wieder nicht entscheiden: Schoko-Muffin oder doch lieber Müsli?


# Cash Only im Moguls Coffee House


# Lecker Frühstück


# Noch ein letztes Mal die Route checken


# Morning-Muffin


# Welch faszinierendes Farbspiel am Green Lake


# Wasserdurchfahrt auf dem Weg nach oben


# Uphill in Richtung Gargamel


# Fahrspaß pur – die kanadischen Wälder haben eine ganz eigene Atmosphäre 


# Ganz anderer Wald! Wir sind hin und weg vom Weg, der sich vor uns auftut. 


# „Loamy Dirt“ 


# Schöner könnte ein Trail nicht sein


# Könnten Kameras das Gefälle doch nur richtig einfangen…


# Abfahrt im Felsenmeer


# Achtung rutschig!


# Auch wenn das Grinsen bei Max normal ist, so war es an diesem Tag doch etwas ausgeprägter. 

Informationen zum Gargamel-Trail

Kurzbeschreibung:

Der Gargamel-Trail ist als „Double Diamond“-Trail eingestuft, was der höchsten Schwierigkeitsstufe entspricht. Der Trail ist anfangs gut zu befahren – lockerer Waldboden wechselt sich in einem offenen Wald mit Steinfeldern ab. Ab der Mitte des Trails nimmt das Gefälle rapide zu. Der gesamte Trail ist fahrbar, doch sollte man sich seiner Sache sicher sein – viele Stellen bergen ein nicht unerhebliches Sturzrisiko. Bis auf wenige Ausnahmen im unteren Teil des Trails besteht jedoch nur selten Absturzgefahr an den steilen Felshängen. An dieser Stelle ist ein Zitat aus dem Trail-Führer „Whistler Mountain Biking“ angebracht: „You will likely wish you had more suspension for the descent than you are willing to push up the approach.“ Dem ist nur noch hinzuzufügen, dass man auf dem Gargamel-Trail von einer unfassbar schönen Natur umgeben ist. Canada at it´s best!

Route:

Von Whistler ausgehend folgt man dem Radweg neben dem Highway 99 [Sea To Sky Hwy.] in Richtung Pemberton. Ein gutes Stück nachdem man die „Emerald Estates“ passiert hat, befindet sich linker Hand der Abzweig auf die Cougar Mountain FSR [Forest Service Road] in Richtung Sixteen Mile Creek. An dieser Stelle vom Highway abbiegen und der Cougar Mountain FSR folgen [Parkmöglichkeiten für Autos vorhanden]! Anschließend der Beschilderung in Richtung Kaoli´s-Trail folgen!

Nach einiger Zeit passiert man eine rechter Hand liegende Seilrutsche, kurz darauf folgt eine Gabelung, an der man sich links halten muss. Auch an der nächsten Gablung sollte man sich links halten – nach rechts müsste an dieser Stelle der Flank Trail ausgeschildert sein. Nachdem man sich links gehalten hat, erreicht man einen Holzplatz – am Eingang dieses Holzplatzes befindet sich rechter Hand der zugewachsene Eingang des Gargamel Trails. Dieser führt anfangs über einige Serpentinen weiter bergauf. Bergab stets dem Trail folgen. Am Ende des Trails kreuzt man die „Section 102“ – dieser Weg führt einen zurück auf die Cougar Mountain FSR.

GPS:

Trail-Einstieg: N50 10.852 W122 57.579  // Trail-Ende: N50 09.868 W122 56.069

Empfehlung:

Sehr zu empfehlen ist das Buch „Whistler Mountain Biking: A Guide To Trail Rides In The Whistler Valley“. Es beinhaltet nahezu alle Trails außerhalb des Bike Parks rund um Whistler, beinhaltet GPS-Daten und gute Trail-Beschreibungen samt Kartenmaterial.

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