Uff - das war knapp! Da sitze ich nach einem Morgensprint zum Bahnhof nun im Zug und überlege, was ich früh um Acht eigentlich so ab Bahnhof Altenberg anstellen will.
Nach der Tour auf den Milleschauer mit Rockhopser schwirrte mir schon lange die Idee im Kopf herum, ähnliche Downhills wie die vom Stürmer herunter mit einer Zugfahrt der
Moldaubahn nach Mikulov zwecks Höhenmetergewinn zu verbinden. Da meine neuen
Bremsbeläge auch ordentlich eingefahren werden sollen, lautet das Tourmotto diesmal
„Burn in“ mit Dampf und Diesel
Wobei ich das mit Dampf und Diesel von vornherein so nicht wusste, aber der Reihe nach.
Im noch verschlafen wirkenden Altenberg angekommen, rolle ich mich erstmal auf Forstwegen Richtung Vitiska / Wittichbaude ein und will diesmal den roten Wanderweg probieren. Da geht es auch gleich ganz sportlich runter - bei dem ganzen losen Zeugs ist scharf
Bremsen nicht wirklich die Option:
Weiter unten rolle ich aber ganz entspannt durch menschenleere Wälder, lasse die Wittichbaude rechts liegen und entdecke diesen netten Rastplatz:
Diese Bahnstrecke soll mir dann den Höhenmeterdispo wieder auffüllen, sozusagen. Einsame Bahnhöfe, höchstens einige „Tramper“ und ein fast leerer Zug sehe ich in meinem Gehirnkino. Es sollte etwas anders kommen, aber noch bin ich auf einem „Verfahrer“ mutterhundalleene unterwegs, welcher mir aber schöne Ausblicke in das Böhmische Becken beschert:
Der markante keglige Berg ist übrigens der Milleschauer, links davon der Kletzschen („Kleiner Milleschauer“), welcher stets den Horizont dominiert.
Wo ich vor einiger Zeit auf dem Weg zum Loucna / Wieselstein noch über groben Schotter eierte, rolle ich heuer auf kinderpopoglatter Asphaltpiste dahin. Ein zwecks Hebung der fahrerischen Anforderungen aufgesuchter „Bypass“ ist wiederum derartig räudig - ich fahre praktisch auf einem baumfreien Wiesenstreifen - dass ich mich durchs Unterholz zurück zur Trasse kämpfe.
So gelange ich zum Ende der Ausbaustrecke am „Vrch Tri Panu“ / Dreiherrenstein, mitsamt nagelneuer Schutzhütte.
Noch eine kurze Sause den Schotterweg hinab, schon lockt der erste amtliche Downhill des Tages: Das Domaslavicke udoli empfahl sich auf der Cyklomapa mit diversen Warnsignaturen als tourentauglich.
Es geht steil rein:
Leider wird es etwas flacher und hier scheint sich der Bach zweigeteilt zu haben: ein separatistischer Seitenarm hat sich aus der großen Bachunion gelöst und sucht sich sprichwörtlich seinen eigenen Weg:
Wo es nicht naß ist, ist es verblockt und steil, oder auch naß, verblockt und steil, die Waden verhärten langsam, da hilft auch „Nichtschokoladen-Fuß“ nach vorn nicht viel.
Das „Klonk-Ding-Donk“ am Unterrohr wird schwächer, der Weg flacher und ich rolle nach 500 vernichteten Höhenmetern mit trailtypischer „Naturbräune“ reichlich versehen in Krizanov ein.
Nur wo vor lauter Schreck ist der nächste Haltepunkt? Ganz untypisch für mich Tourenplanungspendant bin ich ohne vorbereiteten Track losgeradelt, nur mit einem mtbmap.cz - Ausdruck und dem Motto: "Schaun mer mal, dann sehn mer scho." ...
Die bahnabstinente Lokalbevölkerung kann mir da auch nicht weiterhelfen, bis ein betagtes Faktotum aus einem nahen Hostinez heraushumpelt und mir mit den letzten Brocken Deutsch, welche langjähriger Bierkonsum noch übriggelassen hat, freundlich den Weg nach Hrob zur Bahnstation erklärt.
Via Fernstraße schnellstens hingekurbelt, stelle ich fest, das ich den Zug um so 15 Minuten verpasst habe:
Was machen aber die Tschechen mit dem Transporter dort, welche offensichtlich irgendeine Mugge vorbereiten? Noch ahne ich nicht, wohin mich meine Suche nach abgelegenen tschechischen Bahnstationen führen wird ...
Zwecks Zeitvertreib, und da das ausgestorben wirkende Hrob außer einer "festen Burg":
und einem sogenannten Kloster nebst eigentümlich umgrünten Statuen
nicht viel zu bieten hat, fahre ich auf dem gelben Wanderweg nach Osek. Durch kleine Ortschaften, vorbei an Pferdekoppeln komme ich dem Bahnhof näher und schaue mir verwundert die vielen wild parkenden Autos an, vernehme Blaskapellenmusik und sehe vor lauter Leuten kaum die Schienen. Hä
?
Eine Gruppe Tschechen mit Mountainbikes, die ich nach einem Geldautomaten befrage, erklärt mir, dass der erste Zug nach Moldava überfüllt gewesen sei und sie deshalb den Aufenthalt in einem Pub vorzögen, wo auch ein Eishockeyspiel CZ gegen irgendwen live übertragen werden solle.
Außerdem feiert heute die Moldaubahn 130jähriges Jubiläum! Na klar, soviel zu den „geheimen“ Nebenstrecken und der erbaulichen Idylle kleiner Streckenhalte!
Ja, und deshalb der Auflauf und die Mugge:
Dann frage ich nach dem Weg zur „Hrad Osek“, wo mir versichert wird, dass dieser „boring“ sei, und so ein Pub viel mehr Spaß bieten würde.
Mein Plan jedoch ist es, um zwei den nächsten regulären Zug zu nehmen und die Tschechen tauschen mir auch ein paar Euros in Kronen um, damit ich im Zug die Fahrkarte bezahlen kann. Einer rennt sogar los, um den Fahrpreis in Erfahrung zu bringen, am Ende schenken sie mir noch 20 Kronen und wir verabschieden uns herzlich.
Keine hundert Meter weiter umfängt mich wieder die Stille tiefer Buchenwälder und ich trete gegen eine derb steile Straße an, welche mich dann letztlich zur Ryzmburk / Riesenburg oder auch „Hrad Osek“ bringt - einst die größte Burg im Erzgebirge und darüber hinaus:
Der Glattputz am Bergfried zeugt von Wiederbelebungsversuchen romantisch gestimmter Burgherren im 19. Jahrhundert, ansonsten ist das riesige Areal mit zahllosen Burghöfen, Mauern und Resten einstiger Türme frei zugänglich und man kann nur erahnen, was hier bis ins 16. Jahrhundert mal los gewesen sein muß.
Da noch Zeit ist und der Weg auf der Karte gar nicht so steil ausschaut, will ich noch zu einer Aussicht unterhalb des Strobnik / Strobnitz.
Die Apshaltstraße zieht sich dann doch ganz schön lang und so bin ich froh, den Abzweig zu den Klippen zu erreichen:
Trotz der leicht flauen Atmosphäre bietet sich ein beeindruckender Ausblick sowohl zu markanten Punkten des Erzgebirgkammes als auch in die Tiefe:
Von links mit Stürmer, Mückentürmchen, Milleschauer, Strobnitz reihen sich die Gipfel und tief unten breitet sich das böhmische Becken aus, mit malerischen Seen, aber auch tiefen Wunden des Braunkohle-Tagebaus.
Der Blick auf die Uhr lässt mich zur Abfahrt schreiten, gleich den grün markierten Wanderweg soll es hinab gehen. Erstmal verpasse ich den Abzweig und schieße den Forstweg sinnlos Höhenmeter vergeudend hinab, ächze wieder hinauf und da geht es unvermittelt rasant hinab:
Nach diesem „Einstand“ wird es richtig ruppig, und vor allem feucht:
Irgendwann erlahmt der Widerstand gegen die Matsche und ich halte nur noch mitten durch, pflüge durch steile Hohlwege und frische meine eingetrocknete Schlammschicht wieder auf.
Nach 400 Tiefenmetern „grüner Hölle“ rollt ein verschlammter, bei näherem Hinsehen als Mountainbiker identifizierbarer Matschbrocken erneut gen Haltestelle Osek, wo sich das schaulustige Volks schon deutlich gelichtet hat.
Da bleibt sogar noch Zeit für eine große Limo beim letzten Getränkestand und ein Blick in eine Art Eisenbahnmuseum im Inneren des Stationsgebäudes:
Zwei älteren Damen entfleucht angesichts meines Hinterteils der Ausruf: „Ne, dor ganze Hindorn! Das gibt wieder Orbeid!“
Ja, so ist das als Üvie-Uhu (über Vierzig - unter Hundert): vor gefühlt Millionen Jahren, quasi kurz nach der Jungsteinzeit, da haben wesentlich jüngere Damen die Form meiner durch Radfahren optisch optimierten Rückenverlängerung anerkennend gewürdigt! Und heute sowas!!
Dabei sieht mein Rad viel schlimmer aus, DAS gibt erst wieder „Orbeid“:
Egal, als der Triebwagen heranrattert, verteilen sich die Biervernichter in den vorderen und hinteren Zugteil, während der mittlere allein Radfahrern zugedacht ist:
Durch den Ausbau der Bänke einer ganzen Seite ist reichlich Platz für Räder, und für ca. 50 Kronen gelange ich mitsamt Rad nach Mikulov Nove Mesto.
Der Triebwagen hat ehrlich zu schnaufen, um die heftige Steigung zu bewältigen. In Dubi wird dann „rückwärts“ rausgefahren, da hat der Platz nicht für eine Kurve gereicht.
Hier fahre ich nun unter meinem ersten Rastplatz hindurch, und Minuten später kurbel ich erneut zur Wittichbaude hinauf, wo ich allerdings bei Kaffee und Kuchen raste.
Weil das alles nicht reicht, fahren plötzlich eine original bemalte Kriegs-BMW mitsamt „Soldaten“, Reserverad und Klappspaten gefolgt von einem Kübelwagen mit diversen Dienstgraden besetzt an uns vorbei. Dritter Weltkrieg? Oder nur ein „Reenactment“ in einem Land, wo diese Uniformen nicht verboten sind ...
Gestärkt gelüstet es mir nun nach einem echten Gipfel, und ich peile den Pramenac / Bornhauberg an. Der Weg ist nicht schwer zu finden, bietet auch nette Ausblicke zum Stürmer, aber am Abzweig zu den Klippen nebst Aussicht auf dem Berg steht nun just ein Militärlaster mit aufgebautem Funkmast und Mannschaftscontainer. Möööp!
So pedaliere ich dann über die Apshaltstraße nach Zinnwald und versorge mich mit „Zopfkäse“ für den heimischen Kühlschrank:
Dann geht es ganz gemütlich den Aschergraben entlang:
Der finale DH geht über flotte Wiesentrails nach Geising, wo ich in den Zug steigen will. Der nächste fährt erst in knapp zwei Stunden, so dass ich noch eine Verlängerung dranhänge:
Am anderen Flußufer gibt es einen Trail, den ich schon vom Zug aus gesehen habe. Auch ein Stolln lädt zum Besuche:
Eingedenk Alpenzorros / Stunzis Abenteuer
Warwohlnix - 2011 und das dicke Ende will ich gar nicht weit hinein, aber nach 5 Metern ist hört der Stolln auf.
Dann rolle ich noch die Straße bis Geising, wo aber nun endgültig Schluß ist.
Fazit:
Derbste Trails
, die fetteste Burgruine und ein eisenbahntechnisches Schmankerl auf engstem Raum - das lohnt sich! Allerdings sind das schon heftige Touren in dem Gelände, egal welche Richtung.
Der Stropnik ist schon vorgemerkt und das eine oder andere Tal will auch noch befahren werden. Unbdingt mitnehmen werde ich das nächste mal Kronen für den Zug und ich vergesse auch nicht den Zettel mit den eigens recherchierten Zugabfahrtszeiten!!
Edit meint: 66 km, 2536 Tiefen- und 1819 Höhenmeter (außer letzte Asphaltetappe und ohne Moldaubahn)
ride on!
tanztee
Bahnfans only