Das große Problem von Berd-Speichen ist, dass das Material ein sehr ausgeprägtes Kriechen aufweist. Das ist kein klassisches elastisch-plastisches Materialverhalten, also ausschließlich abhängig von der Spannung und dem Elastizitätsmodul, sondern als dritte wesentliche Variable kommt hier die Zeit mit rein.
Bei praktisch jedem Material, dass dauerhaft einer Spannung ausgesetzt ist, passieren intern "Prozesse", um sich der Last anzupassen. Das äußerst sich bei einer Probe mit konstanter Länge in einer Abnahme der Spannung, oder bei konstanter Spannung (zum Bespiel an der Probe hängt ein Gewicht), zu einer Längung der Probe.
Ist die Probe eine Speiche, wird es eine Mischung aus beidem sein. Also baut die Speiche über die Zeit Spannung ab, in dem sie länger wird.
Bei einer modernen Stahlspeiche oder auch bei Carbon in Faserlängsrichtung ist das Kriechen so gering, dass es keine praktische Relevanz hat. Bei Berd eben nicht. Das Kriechen nimmt allerdings mit zunehmenden Fortschreiten der internen Prozesse meist ab. Daher, wenn man Berd spannt, das erste Kriechen abwartet, dann wieder spannt, nochmal wartet, wieder spannt und so weiter, dann ist das Kriechen irgendwann gering genug, dass es zumindest halbwegs praktikabel wird. Allerdings erfordert es, sofern Berd das den Laufradbauern überlässt, halt einen wochenlangen, enormen Aufwand, wie
@felixthewolf es geschrieben hat.
Trotzdem ist das Kriechen nicht komplett weg, und kann auch durch negative Einflüsse wie hohe Temperaturen stark ansteigen. Daher ist aus meiner Sicht das Material von Berd, so toll die geringe Dichte bei gleichzeitig hohen Festigkeiten auch ist, für Speichen nicht geeignet. Einem Henrique Avancini mag das egal sein, der kann es sich leisten sein Rad ständig nachspannen zu lassen, wenn es sein muss.
Hinzufügen möchte ich noch, dass ich niemandem die Berd-Speichen madig machen will, schon gar nicht dem Thread-ersteller. Sie haben halt Vor- und Nachteile. Ich bin sie selbst auch nie gefahren, ich wollte nur meine theoretische Meinung ergänzen.