Hallo,
auch mir ging die Performance der Totem Air etwas gegen den Strich, gebraucht gekauft, mit neuen Buchsen versehen und zum Bike passend lackiert wollte ich die Gabel aber einfach nicht aufgeben.
Die Defizite der Gabel sind hier schon hinlänglich diskutiert worden jedoch zeigen sich diese Schwächen bei der Air umso deutlicher. Hier kann die eher magere Dämpfung halt auch nichts mehr reißen.
Zuerst mal beschäftigte ich mich nur mit der Luft- bzw. Federungsseite, zu der Dämpfung werde ich vielleicht später was schreiben.
Luftseite:
bei der Air fällt besonders auf das über den Luftdruck eine sinnvolle Abstimmung schwer zu finden ist. Dies ist Prinzip bedingt ein Problem jeder Luftfederung, jedoch bei der Totem Air sehr stark ausgeprägt. Nach zerlegen der Gabel und Überführung der Geometriedaten in ein CAD System wird schnell klar das die Totem ein ungewöhnlich großes Restvolumen hat (nach dem durchfedern). Die Kennlinie zu rechnen ist kein Hexenwerk, wichtig ist nur das hier die isentrope Zustandsänderung Anwendung findet. Hier möchte ich aber nicht zu sehr ins theoretische abdriften.
Das unten stehende Diagramm zeigt die gerechnete Kennlinie einer Air( mit und ohne Negativkammer) im Vergleich zu einer mittleren Stahlfeder (linear).
hier fällt auf das die Kennlinie der Luftfeder extrem durchhängt, dies erklärt nun auch das starke absacken an Steilstufen da in der Mitte des Federweges, im Vergleich zur Coil, gerne mal 40mm mehr Federweg freigegeben werden, da ist der Überschlag ja vorprogrammiert
Nun, was kann man dagegen tun?
Den Luftdruck zu erhöhen scheint erst mal möglich jedoch erkauft man sich dann das geringere Durchsacken auf Kosten von Sag, Ansprechverhalten und Federwegsausnutzung.
Eine Verringerung des Luftvolumens hilft, führt jedoch zu einer deutlichen Zunahme der Progression was auch nur bedingt gewünscht ist.
Abhilfe würde eine Luftkammer schaffen die bei kleinen Federwegen recht kompakt ist und zum Ende grösser wir, hört sich erst mal wie ein Wunschtraum an, ist es aber nicht. Ich nenne es hier mal Ausweichkolben oder Ausweichkammer was es in ähnlicher Ausführung schon bei Mitbewerbern von RS gibt. Die Grundidee ist also nicht auf meinem Mist gewachsen, lediglich die konstruktive Ausführung ist von mir. Zur Auslegung der Luftkammergrößen habe ich mir ein Exceltool gestickt und mich damit iterativ einer möglichst optimalen Aufteilung der Luftkammer genähert. Hier noch mal Danke an den Dirk für die Excel-Unterstützung.
Die konstruktive Umsetzung der aus der Berechnung gewonnenen Geometriedaten sieht dann so aus:
Aus Platzgründen ist die Skizze quergestellt, links ist dann unten und rechts oben
Auf der linken Seite befindet sich nun der Hauptkolben wie er in ähnlicher Form auch bei der Serien Totem zu finden ist. Die Modifikationen an diesem Kolben spielen für diese Betrachtung hier keine Rolle und werden später genauer dargestellt.
Auf der rechten Seite befindet sich nun die AWK- (Ausweichkolben-) Einheit. Dieser Kolben kann sich, geführt von der Stange, zwischen den beiden Endanschlägen frei bewegen und ist durch Dichtringe jedoch von der Hauptkammer getrennt. Der Startdruck der Ausweichkammer muss nun deutlich oberhalb des Drucks in der Hauptkammer liegen. Dadurch legt sich der Ausweichkolben an seinen linken Anschlag an. Federt die Gabel nun ein (Hauptkolben bewegt sich nach rechts) arbeitet der Hauptkolben zuerst gegen ein recht kleines (Hauptkammer-) Volumen an. Dies führt zu einem schnellen Anstieg des Drucks verhindert damit das durchsacken. Überschreitet der Druck in der Hauptkammer nun den Druck in der Ausweichkammer wird der Kolben ein Kräftegleichgewicht einstellen und wandert dabei weiter nach rechts, so lange bis entweder das Ende des Federwegs erreicht ist oder ein Kräftegleichgewicht zwischen Gabel und Untergrund herrscht. Dieses Ausweichen verhindert dabei das die Progression der Gabel in einen Bereich vordringt in der ein sinnvolle Ausnutzung des Federwegs nicht mehr gewährleitet ist. Die Kennlinie die sich hierbei einstellt sieht, abhängig von den eingestellten Drücken, so aus:
(auch hier wieder im Vergleich zu der Coil Kennlinie)
Vereinfacht beschrieben steckt dann oben in der Luftkammer ein großer Stopfen (Kolben) der bis zu einem Federweg von ca. 90mm das Volumen klein hält. Darüber hinaus wird der Druck in der Hauptkammer größer als der Druck hinter dem Ausweichkolben welcher sich dann, geführt über die Stange weiter in Richtung Gabelkrone bewegt und damit die Endprogression abschwächt.
So, bis hier war das ja alle nur theoretisches Gequatsche, nun die Bauteile
Der Hauptkolben:
gut, hat wenig Ähnlichkeit mit dem Serienteil ist aber ein recht einfaches Drehteil. Dichtring ist nun ein Quad Ring (weniger Reibung). Die Bauhöhe wurde reduziert und das Ventil welches in der Seriengabel die Negativkammer füllt rausgeworfen. Das automatische angleichen des Druckes in der Negativkammer, so wie RS das vorsieht, halte ich für etwas gewagt. Das ist, von der Idee her, schon pfiffig gemacht jedoch habe ich da so meine Zweifel an der Reproduzierbarkeit und Zuverlässigkeit.
Nun muss aber die Luft in die Negativkammer, hierzu habe ich die Stange unten hohlgebohrt und einen Druckadapter gefertigt
jetzt ist es eine Dual Air...
Oben muss der Deckel nun so umgearbeitet werden das die Hauptkammer und die Ausweichkammer einzeln gefüllt werden können.
Hier nun der Teilehaufen der AWK Einheit:
und das Ganze montiert inkl. Hauptkolben und Negativkammer. Bevor ich hier korrigiert werde, die Negativkammer ist bewusst so zusammen gesteckt da ich die Funktion der Kolbenanhebung (wie bei der Solo Air notwendig) nicht mehr brauche und so ein wenig Volumen für die Negativkammer gewinnen kann.
Zusammengebaut sieht das dann so aus, hier die Top Cap mit Ventil für Haupt- und Ausweichkammer
und von unten für die Negativkammer
eingestellt mit 2,5/
2,7 bar Hauptkammer/Negativkammer wie Hauptkammer und 6,
7bar in der Ausweichkammer funzt die Gabel nun wie sie soll. Fahre das jetzt so schon seit einem guten Jahr und wollte nicht mehr auf die originale Konfiguration tauschen. Kein Durchsacken mehr, und durch die Quad Ringe nach kurzer Einfahrzeit ein wirklich sahniges Ansprechverhalten.
Gruß
Chickadeehill
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