Nach langer Pause habe ich mich endlich dazu aufgerafft, mich wieder zu melden und meine Verletzungsgeschichte zu erzählen.
Zur Erinnerung (siehe auch Thread tvaellen ist kaputt):
An meinem 39. Geburtstag wurde ich, auf den Rennrad eine kleine 30 km Runde drehend, von einem PKW erfasst und 15 Meter durch die Luft geschleudert. Ich landete im Straßengraben und zog mir folgende Verletzungen zu:
- instabile Beckenringfraktur mit Symphysensprengung
- Bruch einer Hüftgelenkspfanne
- Steißbeinbruch
- Bruch der Querfortsätze an 4 Lendenwirbeln
- mehrfacher Bruch des Wadenbeins links
- 2 schwere Weichteilverletzungen (sog. Décollements; 1x Rücken, 1x Wade)
Ich wurde zunächst dreimal operiert und fand mich dann auf der Intensivstation wieder. An den Unfall und die erste Zeit danach habe ich nur sehr schemenhafte Erinnerungen mit vielen Lücken.
Etwa nach 10 Tagen wurde ich dann auf die normale Station verlegt und durfte absolute Bettruhe halten.
Nach etwa 4-5 Wochen kam dann ein deftiger Rückschlag. Die Wunde hatte sich mit einem Klinikkeim (MRSA) infiziert; zudem hatten sich zwei der im Becken verbauten Platten gelockert. Folge: nächste Gross-OP und wieder ein paar Wochen absolute Ruhe.
Ziemlich genau 9 Wochen nach dem Unfall durfte ich dann das erste Mal aufstehen. Wer solch langen Phasen absoluter Bewegungsunfähigkeit nicht erleben musste, kann sich die Situation vermutlich nur teilweise vorstellen. Einerseits ist man unendlich glücklich, dass man sich wieder bewegen darf; andererseits hat man einen irren Muskelschwund erlitten, so dass die Beine nicht mehr in der Lage sind, das Körpergewicht zu tragen. Meine Oberschenkel hatten runde 20 cm Umfang und jegliche Kraft verloren. Jeder einzelne Schritt war eine Qual.
Nach 13 Wochen wurde ich dann aus dem Krankenhaus in eine Reha Klinik entlassen. Nach den ersten beiden Tagen Reha dann der nächste Rückschlag.
Mein Blutwerte spielten verrückt. Mein CRP Wert, der bei einem gesunden Menschen etwa bei 10 mg /l liegt, pendelte zwischen 125 und 180 mg/l. Da ich ansonsten aber keine Krankheitssymptome zeigte, durfte ich erst mal in der Reha Klinik bleiben und ein wenig Reha machen.
Als sich nach einer Woche die Situation immer noch nicht geändert hatte, wurde ich ins normale Krankenhaus zurückverlegt. Jetzt ging es um spannende Fragen:
-was ist der Grund für die Blutwerte ? eine erneute Entzündung des Beckens ?
-was tun ? neue OP ? Endoskopie ? Hammer-Antibiotika ? (nur so am Rande: von dem Antibiotikum, das ich bei meiner MRSA-Infektion bekam, kostete jede Tablette iirc über 100 Euro)
Meine Stimmung war nun endgültig auf dem absoluten Tiefpunkt. So viele Wochen nach dem Unfall waren schon vergangen und jetzt (nach potentieller neuer OP) erneut absolute Bettruhe und bei null anfangen ?? Wenn ich meine Familie und meine Freunde nicht gehabt hätte, wäre ich vermutlich Suizid gefährdet gewesen.
Da man die Ursache aber nicht so richtig fand, durfte ich die Künste der modernen Medizin über mich ergehen lassen. Erst einmal Ultraschall in allen Varianten. Als nächstes CT, erst ohne, dann mit Kontrastmittel.
Schließlich auch noch eine Skelettszintigraphie. Unter diesem netten Begriff versteht man folgendes: man bekommt eine radioaktive Substanz, bestehend aus Antikörpern gespritzt. Diese verteilt sich eine Stunde lang im Körper. Danach wird man in eine Röhre (ähnlich wie beim CT) geschoben und mit einer Kamera abgefahren. Auf dem Kamerabild erkennt man, ob (und ggfs. wo) sich Entzündungsherde befinden. Denn dort sammeln sich die radioaktiven Antikörper.
Gefunden haben sie ... Nichts. Das klingt allerdings negativer als es war: denn nach der Untersuchung war mehr oder weniger klar, dass es insb. keine Entzündung im Becken bzw. den Beinen gab und damit auch keine weitere OP. Ich verblieb dann noch ein paar Tage zur Beobachtung im Krankenhaus und machte dort ein wenig Reha (soweit es in einem normalen Krankenhaus möglich ist). Wie zum Hohn fiel dann in dieser Zeit der CRP Wert von knapp 200 auf unter 20 mg/l herunter. Bis heute weiß (außer dem lieben Gott) niemand, was den CRP Wert erst in die Höhe und dann wieder nach unten trieb.
Anfang Juni und somit knapp 4 Monate nach dem Unfall begann dann meine zweite Phase in der Reha Klinik (btw., hier war ich: http://www.moritz-klinik.de ; sehr empfehlenswert).
Aufgrund der langen Krankheitsphase begann ich auf einem sehr niedrigen Stand. In meiner Gruppengymnastik war ich umgeben von netten Damen und Herren, deren Alter zwischen 60 und 80 pendelte und die alle mit künstlichen Hüftgelenken versehen waren.
Ich hatte keine Chance gegen sie. Fast alle hatten jedenfalls zu Beginn der Reha - mehr Kraft und Kondition als ich. Erst gegen Ende der Reha konnte ich halbwegs mithalten.
In der Reha Klinik habe ich aber auch das zwischenzeitlich aufgekommene Selbstmitleid verloren. Ich habe viele gesehen und teilweise kennen gelernt, denen es merklich schlechter geht als mir. So sieht man, wie Menschen mit Amputationen oder Querschnittslähmungen umgehen. An meinem Tisch saß eine Dame, der man inzwischen ihren 2. oder 3. Hirntumor entfernt hatte und die trotzdem fröhlich und lebenslustig war. Und ich jammere wegen ein paar Knochenbrüchen herum, die vermutlich alle ausheilen werden...
Die Reha war ähnlich wie es Lance in seinem Buch Tour des Lebens beschreibt (nochmals tausend Dank an petcash !! Melde mich noch mal per mail)- eine Art einverständliche Folter und ist es eigentlich immer noch ....Sie ist 10mal anstrengender und schmerzhafter als die Zeit im Krankenhaus. Mein Plus bestand und besteht darin, dass ich mich quälen kann. Das ist etwas, was ich in vielen Jahren Sport Treiben gelernt habe: Ohne Schweiß keinen Preis.
Was war ich stolz, als ich zum ersten Mal wieder auf einer Art Fahrrad saß (einem Ergometer) und sage und schreibe 40 Watt Leistung produzierte, obwohl die Beine wie Feuer brannten.
Oder die ersten Schritte auf dem Laufband... Ich hing in einer Art stationärem Fallschirmspringergurt. Durch diesen wurde ein Teil meines Gewichts aufgefangen, um Becken und Beine nicht zu stark zu belasten. Dann machte ich die ersten Schritte ohne Krücken ...es tat ohne Ende weh, aber war wunder-schön !!
Inzwischen ist die Zeit in der Reha Klinik zu Ende.
Ich bin 5 Monate nach dem Unfall- wieder zu Hause. An die Reha hat sich eine erweiterte ambulante Physiotherapie, bestehend aus Krankengymnastik und Medizinischer Trainingstherapie (volkstümlich: Muckibude mit Niveau) angeschlossen. Dort genauer gesagt: http://www.rehazentrum-erfurt.de - verbringe ich 3 x 3 Stunden die Woche. In diesem Rehazentrum rennen Profisportler wie u.a. Gunda Niemann, Telekom Fahrer Stephan Schreck und der Bahnsprinter Rene Wolff herum und lassen sich fit machen. Da werden sie mich - mit meinen viel geringeren Ambitionen - doch auch irgendwie wieder hinbekommen.
Zusätzlich gehe ich zweimal pro Woche ins Hallenbad Schwimmen. Ich konnte schwimmen eigentlich noch nie leiden und habe es daher auch nicht richtig gelernt. Zwar gehe ich nicht unter; aber beim Bahnenschwimmen war ich schon vor meiner Verletzung schrecklich langsam und wurde von Hinz und Kunz überholt. Daher ist Schwimmen oder auch Triathlon nie mein Sport geworden.
Inzwischen hat sich meine Einstellung ein wenig geändert. Schwimmen ist eine der wenigen körperlichen Betätigungen, bei der ich meine Verletzung kaum spüre. Vielleicht melde ich mich doch noch mal zu einem Schwimmkurs an, um meine technischen Defizite zu minimieren und etwas schneller zu werden.
Rollstuhl und Krücken sind inzwischen Geschichte; beides brauche ich nicht mehr. Dennoch wird es noch lange dauern, bis ich näherungsweise wieder den Zustand erreiche, der vor dem Unfall bestand. Ich hinke noch recht deutlich, da die Beuge- und Streckmuskulatur im Becken- und Hüftbereich verkürzt ist. Mein Rücken ist ziemlich steif, da die dortigen Muskel auch noch einzeln gequält werden wollen.
Ich fahre aber inzwischen richtig gerne auf dem Ergobike und bin am überlegen, mir eines für zu Hause zu kaufen. Meine Leistung darauf hat sich von 40 auf 140 Watt verbessert.
[Am Rande: was würdet ihr empfehlen ??
Kettler Ergobike und Daum 8008 bieten viele nette Möglichkeiten. Nutzt man das wirklich ? Lohnt der Mehrpreis ggü einem Noname Ergometer von Ebay ?
Bin da noch ziemlich unsicher]
Rennrad oder MTB kann ich dagegen noch längere Zeit nicht fahren. Von allem anderen abgesehen, bekomme ich nicht das Bein über den Sattel bzw. das Oberrohr... Daher werde ich mir auch erst einmal kein neues RR aufbauen.
Es wäre zu frustrierend, ein schönes neues Teil im Keller stehen zu haben und es auf absehbare Zeit nicht fahren zu können. Damit werde ich bis 2005 warten.
Dennoch sind die Perspektiven insgesamt gesehen positiv. Ich habe zwar eine leichte Schiefstellung des Beckens als Dauerschaden zurückbehalten. Die Schiefstellung beträgt aber nach der letzten Untersuchung gerade mal 1 Zentimeter und ist daher alles andere als dramatisch; so etwas haben viele Menschen von Geburt an. Wenn es keine neuerlichen Komplikationen mehr gibt, werde ich Anfang 2005 wieder ein halbwegs normales Leben incl. Sport führen können. Insb. werde ich nächstes Jahr wieder Rad fahren können und werde das IBC DIMB Team schwächen
Bis dahin steht zwar noch viel Arbeit im Rahmen der Reha vor mir; aber ich habe Ziele, die ich erreichen kann und will. Wenn ich dagegen den Thread bzgl. Dominik bzw. procycling sehe, läuft es mir eiskalt den Rücken runter. Er hatte bei einem ähnlichen Vorfall nicht so viel Glück wie ich...
In anderer Hinsicht habe ich dagegen noch etwas richtig Erfreuliches zu vermelden: Vor dem Unfall gehörte ich, wie ich schon einmal schrieb, zur Qualmerfraktion im Forum.
Meine tägliche Zigarettenmenge schwankte zwischen 30 und 50 pro Tag.
Seit dem Unfall bin ich clean und werde das Rauchen nicht wieder anfangen. Es hat mich in der Reha Klinik doch sehr erschreckt, im Raucherraum Leute mit amputierten Beinen zu sehen. Immer noch weiterrauchen, auch wenn die Amputation vielleicht nicht auf das Rauchen zurückzuführen ist ? Das war ganz schön abschreckend und hat mich in meinem Entschluss bestärkt.
Auch wenn ich meine Art und Weise mit dem Rauchen aufzuhören, nicht weiter empfehlen kann: Mir geht es jetzt deutlich besser; vor allem mein Dauerhusten hat völlig aufgehört. Und die 100 bis 150 Euro, die ich jetzt jeden Monat mehr im Geldbeutel haben, schaden auch nicht
So long erst mal ...
Gruss
Tvaellen
Zur Erinnerung (siehe auch Thread tvaellen ist kaputt):
An meinem 39. Geburtstag wurde ich, auf den Rennrad eine kleine 30 km Runde drehend, von einem PKW erfasst und 15 Meter durch die Luft geschleudert. Ich landete im Straßengraben und zog mir folgende Verletzungen zu:
- instabile Beckenringfraktur mit Symphysensprengung
- Bruch einer Hüftgelenkspfanne
- Steißbeinbruch
- Bruch der Querfortsätze an 4 Lendenwirbeln
- mehrfacher Bruch des Wadenbeins links
- 2 schwere Weichteilverletzungen (sog. Décollements; 1x Rücken, 1x Wade)
Ich wurde zunächst dreimal operiert und fand mich dann auf der Intensivstation wieder. An den Unfall und die erste Zeit danach habe ich nur sehr schemenhafte Erinnerungen mit vielen Lücken.
Etwa nach 10 Tagen wurde ich dann auf die normale Station verlegt und durfte absolute Bettruhe halten.
Nach etwa 4-5 Wochen kam dann ein deftiger Rückschlag. Die Wunde hatte sich mit einem Klinikkeim (MRSA) infiziert; zudem hatten sich zwei der im Becken verbauten Platten gelockert. Folge: nächste Gross-OP und wieder ein paar Wochen absolute Ruhe.
Ziemlich genau 9 Wochen nach dem Unfall durfte ich dann das erste Mal aufstehen. Wer solch langen Phasen absoluter Bewegungsunfähigkeit nicht erleben musste, kann sich die Situation vermutlich nur teilweise vorstellen. Einerseits ist man unendlich glücklich, dass man sich wieder bewegen darf; andererseits hat man einen irren Muskelschwund erlitten, so dass die Beine nicht mehr in der Lage sind, das Körpergewicht zu tragen. Meine Oberschenkel hatten runde 20 cm Umfang und jegliche Kraft verloren. Jeder einzelne Schritt war eine Qual.
Nach 13 Wochen wurde ich dann aus dem Krankenhaus in eine Reha Klinik entlassen. Nach den ersten beiden Tagen Reha dann der nächste Rückschlag.
Mein Blutwerte spielten verrückt. Mein CRP Wert, der bei einem gesunden Menschen etwa bei 10 mg /l liegt, pendelte zwischen 125 und 180 mg/l. Da ich ansonsten aber keine Krankheitssymptome zeigte, durfte ich erst mal in der Reha Klinik bleiben und ein wenig Reha machen.
Als sich nach einer Woche die Situation immer noch nicht geändert hatte, wurde ich ins normale Krankenhaus zurückverlegt. Jetzt ging es um spannende Fragen:
-was ist der Grund für die Blutwerte ? eine erneute Entzündung des Beckens ?
-was tun ? neue OP ? Endoskopie ? Hammer-Antibiotika ? (nur so am Rande: von dem Antibiotikum, das ich bei meiner MRSA-Infektion bekam, kostete jede Tablette iirc über 100 Euro)
Meine Stimmung war nun endgültig auf dem absoluten Tiefpunkt. So viele Wochen nach dem Unfall waren schon vergangen und jetzt (nach potentieller neuer OP) erneut absolute Bettruhe und bei null anfangen ?? Wenn ich meine Familie und meine Freunde nicht gehabt hätte, wäre ich vermutlich Suizid gefährdet gewesen.
Da man die Ursache aber nicht so richtig fand, durfte ich die Künste der modernen Medizin über mich ergehen lassen. Erst einmal Ultraschall in allen Varianten. Als nächstes CT, erst ohne, dann mit Kontrastmittel.
Schließlich auch noch eine Skelettszintigraphie. Unter diesem netten Begriff versteht man folgendes: man bekommt eine radioaktive Substanz, bestehend aus Antikörpern gespritzt. Diese verteilt sich eine Stunde lang im Körper. Danach wird man in eine Röhre (ähnlich wie beim CT) geschoben und mit einer Kamera abgefahren. Auf dem Kamerabild erkennt man, ob (und ggfs. wo) sich Entzündungsherde befinden. Denn dort sammeln sich die radioaktiven Antikörper.
Gefunden haben sie ... Nichts. Das klingt allerdings negativer als es war: denn nach der Untersuchung war mehr oder weniger klar, dass es insb. keine Entzündung im Becken bzw. den Beinen gab und damit auch keine weitere OP. Ich verblieb dann noch ein paar Tage zur Beobachtung im Krankenhaus und machte dort ein wenig Reha (soweit es in einem normalen Krankenhaus möglich ist). Wie zum Hohn fiel dann in dieser Zeit der CRP Wert von knapp 200 auf unter 20 mg/l herunter. Bis heute weiß (außer dem lieben Gott) niemand, was den CRP Wert erst in die Höhe und dann wieder nach unten trieb.
Anfang Juni und somit knapp 4 Monate nach dem Unfall begann dann meine zweite Phase in der Reha Klinik (btw., hier war ich: http://www.moritz-klinik.de ; sehr empfehlenswert).
Aufgrund der langen Krankheitsphase begann ich auf einem sehr niedrigen Stand. In meiner Gruppengymnastik war ich umgeben von netten Damen und Herren, deren Alter zwischen 60 und 80 pendelte und die alle mit künstlichen Hüftgelenken versehen waren.
Ich hatte keine Chance gegen sie. Fast alle hatten jedenfalls zu Beginn der Reha - mehr Kraft und Kondition als ich. Erst gegen Ende der Reha konnte ich halbwegs mithalten.
In der Reha Klinik habe ich aber auch das zwischenzeitlich aufgekommene Selbstmitleid verloren. Ich habe viele gesehen und teilweise kennen gelernt, denen es merklich schlechter geht als mir. So sieht man, wie Menschen mit Amputationen oder Querschnittslähmungen umgehen. An meinem Tisch saß eine Dame, der man inzwischen ihren 2. oder 3. Hirntumor entfernt hatte und die trotzdem fröhlich und lebenslustig war. Und ich jammere wegen ein paar Knochenbrüchen herum, die vermutlich alle ausheilen werden...
Die Reha war ähnlich wie es Lance in seinem Buch Tour des Lebens beschreibt (nochmals tausend Dank an petcash !! Melde mich noch mal per mail)- eine Art einverständliche Folter und ist es eigentlich immer noch ....Sie ist 10mal anstrengender und schmerzhafter als die Zeit im Krankenhaus. Mein Plus bestand und besteht darin, dass ich mich quälen kann. Das ist etwas, was ich in vielen Jahren Sport Treiben gelernt habe: Ohne Schweiß keinen Preis.
Was war ich stolz, als ich zum ersten Mal wieder auf einer Art Fahrrad saß (einem Ergometer) und sage und schreibe 40 Watt Leistung produzierte, obwohl die Beine wie Feuer brannten.
Oder die ersten Schritte auf dem Laufband... Ich hing in einer Art stationärem Fallschirmspringergurt. Durch diesen wurde ein Teil meines Gewichts aufgefangen, um Becken und Beine nicht zu stark zu belasten. Dann machte ich die ersten Schritte ohne Krücken ...es tat ohne Ende weh, aber war wunder-schön !!
Inzwischen ist die Zeit in der Reha Klinik zu Ende.
Ich bin 5 Monate nach dem Unfall- wieder zu Hause. An die Reha hat sich eine erweiterte ambulante Physiotherapie, bestehend aus Krankengymnastik und Medizinischer Trainingstherapie (volkstümlich: Muckibude mit Niveau) angeschlossen. Dort genauer gesagt: http://www.rehazentrum-erfurt.de - verbringe ich 3 x 3 Stunden die Woche. In diesem Rehazentrum rennen Profisportler wie u.a. Gunda Niemann, Telekom Fahrer Stephan Schreck und der Bahnsprinter Rene Wolff herum und lassen sich fit machen. Da werden sie mich - mit meinen viel geringeren Ambitionen - doch auch irgendwie wieder hinbekommen.
Zusätzlich gehe ich zweimal pro Woche ins Hallenbad Schwimmen. Ich konnte schwimmen eigentlich noch nie leiden und habe es daher auch nicht richtig gelernt. Zwar gehe ich nicht unter; aber beim Bahnenschwimmen war ich schon vor meiner Verletzung schrecklich langsam und wurde von Hinz und Kunz überholt. Daher ist Schwimmen oder auch Triathlon nie mein Sport geworden.
Inzwischen hat sich meine Einstellung ein wenig geändert. Schwimmen ist eine der wenigen körperlichen Betätigungen, bei der ich meine Verletzung kaum spüre. Vielleicht melde ich mich doch noch mal zu einem Schwimmkurs an, um meine technischen Defizite zu minimieren und etwas schneller zu werden.
Rollstuhl und Krücken sind inzwischen Geschichte; beides brauche ich nicht mehr. Dennoch wird es noch lange dauern, bis ich näherungsweise wieder den Zustand erreiche, der vor dem Unfall bestand. Ich hinke noch recht deutlich, da die Beuge- und Streckmuskulatur im Becken- und Hüftbereich verkürzt ist. Mein Rücken ist ziemlich steif, da die dortigen Muskel auch noch einzeln gequält werden wollen.
Ich fahre aber inzwischen richtig gerne auf dem Ergobike und bin am überlegen, mir eines für zu Hause zu kaufen. Meine Leistung darauf hat sich von 40 auf 140 Watt verbessert.
[Am Rande: was würdet ihr empfehlen ??
Kettler Ergobike und Daum 8008 bieten viele nette Möglichkeiten. Nutzt man das wirklich ? Lohnt der Mehrpreis ggü einem Noname Ergometer von Ebay ?
Bin da noch ziemlich unsicher]
Rennrad oder MTB kann ich dagegen noch längere Zeit nicht fahren. Von allem anderen abgesehen, bekomme ich nicht das Bein über den Sattel bzw. das Oberrohr... Daher werde ich mir auch erst einmal kein neues RR aufbauen.
Es wäre zu frustrierend, ein schönes neues Teil im Keller stehen zu haben und es auf absehbare Zeit nicht fahren zu können. Damit werde ich bis 2005 warten.
Dennoch sind die Perspektiven insgesamt gesehen positiv. Ich habe zwar eine leichte Schiefstellung des Beckens als Dauerschaden zurückbehalten. Die Schiefstellung beträgt aber nach der letzten Untersuchung gerade mal 1 Zentimeter und ist daher alles andere als dramatisch; so etwas haben viele Menschen von Geburt an. Wenn es keine neuerlichen Komplikationen mehr gibt, werde ich Anfang 2005 wieder ein halbwegs normales Leben incl. Sport führen können. Insb. werde ich nächstes Jahr wieder Rad fahren können und werde das IBC DIMB Team schwächen
Bis dahin steht zwar noch viel Arbeit im Rahmen der Reha vor mir; aber ich habe Ziele, die ich erreichen kann und will. Wenn ich dagegen den Thread bzgl. Dominik bzw. procycling sehe, läuft es mir eiskalt den Rücken runter. Er hatte bei einem ähnlichen Vorfall nicht so viel Glück wie ich...
In anderer Hinsicht habe ich dagegen noch etwas richtig Erfreuliches zu vermelden: Vor dem Unfall gehörte ich, wie ich schon einmal schrieb, zur Qualmerfraktion im Forum.
Meine tägliche Zigarettenmenge schwankte zwischen 30 und 50 pro Tag.
Seit dem Unfall bin ich clean und werde das Rauchen nicht wieder anfangen. Es hat mich in der Reha Klinik doch sehr erschreckt, im Raucherraum Leute mit amputierten Beinen zu sehen. Immer noch weiterrauchen, auch wenn die Amputation vielleicht nicht auf das Rauchen zurückzuführen ist ? Das war ganz schön abschreckend und hat mich in meinem Entschluss bestärkt.
Auch wenn ich meine Art und Weise mit dem Rauchen aufzuhören, nicht weiter empfehlen kann: Mir geht es jetzt deutlich besser; vor allem mein Dauerhusten hat völlig aufgehört. Und die 100 bis 150 Euro, die ich jetzt jeden Monat mehr im Geldbeutel haben, schaden auch nicht
So long erst mal ...
Gruss
Tvaellen