cantilever linkwire, y-link. Was verändert die Schenkellänge??

metabaron24

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Hallo Freunde klassischer low-profile Cantilever Bremsen!

Nirgendwo im Netz habe ich Antwort auf meine Frage gefunden. Nun sind die Experten an der Reihe.

Was verändere ich mit der Wahl der unterschiedlichen Länge? Es gibt A, B, C, D und S. Die Längen kenne ich, kann mir aber nicht wirklich erklären, wie ich damit die Kraftverhältnisse verändere und ich demzufolge entscheiden kann, welcher für mich der richtige ist.

Ich möchte das System nicht aufgeben und auf eine "alte" Lösung umsteigen mit eigenem Verbindungszug der über eine Brücke läuft.

Wer kann mir helfen?
 

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Re: cantilever linkwire, y-link. Was verändert die Schenkellänge??
Hallo F-N-C,

vielen Dank für Deine Antwort.

Ich bin des Englischen mächtig genug, um Sheldon's Artikel zu verstehen, verehre diesen Universalexperten schon länger. Ich hatte sogar vor meinem Beitrag diesen Artikel schon gelesen. Mein Problem ist, dass ich die entsprechenden Schlussfolgerungen nicht ohne weiteres ziehen kann, denn auch Mr. Brown wird nicht 100% konkret in der Beschreibung der linkwires und ich halte mich für theoretisch-mechanisch wenig begabt.

Ich will mal zur Verfügung stellen, was ich für eine mögliche Schlussfolgerung halte und werde dann entweder korrigiert oder bestätigt:
Je länger der Arm des linkwire (von 63 bis 106mm), desto größer der yoke angle (siehe Sheldon Brown aus link im vorigen Kommentar), desto kleiner der Hebel, desto geringer die Kraft auf der Felge.

Bin mir aber wie gesagt nicht sicher, ob die Schlussfolgerung zwingend ist, denn ich kann doch auch einen langen Schenkel flach (also knapp über dem Reifen) montieren und damit auf einen großen Hebel kommen.

Zudem habe ich einmal die kürzeste Schenkellänge (s) ausprobiert und hatte ein für meine Begriffe zu schwammiges Bremshebelgefühl.

Bin gespannt, wie das weitergeht.

Holger
 
... Je länger der Arm des linkwire (von 63 bis 106mm), desto größer der yoke angle (siehe Sheldon Brown aus link im vorigen Kommentar), desto kleiner der Hebel, desto geringer die Kraft auf der Felge.

Bin mir aber wie gesagt nicht sicher, ob die Schlussfolgerung zwingend ist, denn ich kann doch auch einen langen Schenkel flach (also knapp über dem Reifen) montieren und damit auf einen großen Hebel kommen ...

Deine Schlußfolgerung ist korrekt.
Es wird hier aber davon ausgegangen, dass die Einstellung der Bremse (Sprich Beläge, Winkel des Bremsarms selber etc.) gleich bleibt.
Versuchst Du dann ein längeres Kabel zu montieren und trotzdem den Winkel klein (sprich das Kabel flach) zu halten ist das Dreieck schief.

Aber klar geht das auch, die Bremsarme so weit es geht auseinander zu montieren (den "cantilever angle" groß machen) und dann (zwangsweise) ein langes Kabel zu nutzen. Solange der Winkel auf's selbe rum kommt, ist das Übersetzungsverhältnis, und damit auch die (theoretische) Bremsleistung gleich.

... Zudem habe ich einmal die kürzeste Schenkellänge (s) ausprobiert und hatte ein für meine Begriffe zu schwammiges Bremshebelgefühl ...

Das hat Sheldon im Absatz mit der "Mechanical advantage - how much is enough?" versucht zu erklären.
Wird der Winkel sehr klein (<10°) bewegen sich die Beläge im Verhältnis zum gezogenen Weg des Bremszuges (am Bremshebel) nur noch sehr wenig. Das Hebelverhältnis kann damit in der Praxis sogar das von V-Brakes übertreffen. Und diese nutzen ja, genau aus dem Grund ein anderes Hebelverhältnis am Bremshebel.
Bei V-Brakes mit Canti-Hebeln stehen die Beläge extrem nah an den Felgen, das Hebelgefühl ist matschig, die Bremsleistung brachial aber schwer zu dosieren. Ergo -> Man kann es auch übertreiben.

Andererseits kann das schwammige Hebelgefühl auch woanders her kommen:
Rahmen und Gabel sind nicht unendlich steif. Mit einer gut eingestellten Bremse (egal ob V-Brake, Magura oder Canti) bringst Du mit relativ wenig Handkraft ordentlich Druck auf die Beläge. Dabei drückt es die Cantisockel auseinander, das Hebelgefühl ist etwas schwammig. Kann man prima beobachten, wenn man sich hinter/vor die Bremse stellt und den Hebel kräftig zieht. (Besonders "anfällig" ist naturgemäß die Hintere Bremse, insbesondere bei Stahlrahmen mit dünnen Sitzstreben.)
Abhilfe gibt's in Form eines Brakeboosters, der das aufbiegen der Sockel verhindert.
 
Ah so!!

Ich glaube, ich bin jetzt schlauer. Vielen Dank für die kleine Nachhilfestunde. Ich werde in Kürze mal versuchen diese theoretischen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen und ein bischen mit den verschiedenen Längen und Winkeln spieln.

Ich muss zugeben, dass ich mich in der Vergangenheit leicht vom Effekt des geringen Hebels habe täuschen lassen, wenn im Stand die Bremse so effektvoll greift und der Hebelweg am Bremsgriff ganz kurz ist.

Auch der Ursache der Schwammigkeit bei der S-Länge will ich nochmal auf den Grund gehen. In der Tat geht es um einen Rahmen aus Stahl mit eher dünnen Sitzstreben (Trek 970)

Holger
 
Kein Thema, gerne.

... Ich muss zugeben, dass ich mich in der Vergangenheit leicht vom Effekt des geringen Hebels habe täuschen lassen, wenn im Stand die Bremse so effektvoll greift und der Hebelweg am Bremsgriff ganz kurz ist ...

Wenn das Hebelgefühl im Stand "steinhart" ist und der Druckpunkt weit weg vom Lenker, mag sich das erstmal schön anfühlen.
In der Praxis heißt das aber oft, dass man Arme braucht wie Popeye und alle viel Finger einsetzen muss, um mit der Vorderbremse einen Überschlag zu provozieren.
Meist ist dann das Hebelverhältnis so schlecht, dass man viel Kraft braucht, damit sich überhaupt etwas verbiegt/verwindet oder zusammendrückt. (Was ja das schwammige hebelgefühl verursacht, wenn der Hebel zu groß wird.)
Zudem hat man mehr Kraft in den Fingern, wenn der Druckpunkt etwas näher am Lenker liegt.
(Ist aber sehr stark Gewohnheitssache.)

Das schöne an einer "guten alten" Canti ist, man kann sie einstellen, wie man es mag oder braucht. Man ist sehr variabel im Hebelverhältnis und hat Unmengen an Tuningmöglichkeiten. Es ist mit gutem Material auch kein Problem mit einer Cantilever die selbe Bremsleistung bei gleicher Handkraft zu generieren, wie mit einer V-Brake. Nur ist es ungleich komplizierter sie einzustellen. (Was im Endeffekt das Todesurteil für die Canti war. Eine V-Brake effektiv einzustellen geht wesentlich schneller.)

Zwei Tips noch zum einstellen:
a) Wenn Du es wirklich ernst meinst mit den Bremsen und das letzte rausholen willst, besorg Dir ein paar anständige Beläge. Wenn Du Cartridgebeläge nutzt, brauchst Du beim nächsten Belagwechsel nicht die Bremse wieder komplett von neuem einstellen. Leider gibt es Cartridgebeläge nur noch als "DuraType" (Rennrad / Cyclocross), diese sind kleiner und verschleissen schneller als die klassischen Canti-Beläge.)
Super sind die grünen Swiss Stop (Canti als Komplett-Belag oder DuraType Pad) Ebenfalls prima sind die Kool Stop in Lachsfarben. Kool Stop hat ausserdem die Padhalter für Rennradbeläge noch mit Pin für Cantilever-Bremsen. Damit kann man dann die Rennrad- bzw. Cyclocross-Pads fahren.
Alternative: Jagwire, da habe ich aber null Ahnung, was die Gummis taugen.
(Links zum Shop willkürlich, war der erste bei Google, der alle drei Beispiele hatte.)

b) Wenn Du zum Einstellen der Beläge den Mantel von der Felge nimmst, geht das Einstellen viel leichter, und man bekommt die Einstellung rechts und links fast 100% gleich hin. Ist wenigstens beim 1. oder 2. Mal noch sehr hilfreich.
 
Hallo,

mir gefällt diese Diskussion, ich werde sie noch etwas am Leben erhalten.

Ich bin sehr klassisch orientiert und kann daher mit den V-Brakes nicht viel anfangen, das hat auch viel damit zu tun, dass die Schalt-Brems Kombis, die ich benutze (XTR, XT, LX aus frühen Neunzigern) allesamt nur für Cantis ausgelegt sind. Solange ich mit Fahrrädern beschäftige (ca. 20 Jahre), fahre ich Cantilevers und stelle diese selbst ein, ohne mich allerdings jemals ernsthaft mit der Mechanik auseinandergesetzt zu haben.
Es fällt mir also gar nicht einfach, mich den für mich neuen Erkenntnissen anzupassen. Das Experimentieren finde ich interessant, aber ich schätze es läuft darauf hinaus, dass ich die Bremsen ähnlich einstelle, wie es mir in Fleisch und Blut übergegangen ist.
Es ist ja so, wie Sheldon sagt: Für den Fall, dass man reflexartig bremsen muss, ist es am Besten man ist mit dem Bremsverhalten sehr gut vertraut, und ich habe mein Fahrrad noch immer rechtzeitig zum Stoppen bekommen, auch wenn das Hinterrad sehr selten abhebt.
Ich persönlich finde es reizvoll und eine Herausforderung, so viele Einstellungsparameter zu haben. Der Gedanke an Scheibenbremsen lässt mich erschaudern.

Zu Belägen: ich werde auf jeden Fall mal die lachsfarbenen KOOLSTOPS ausprobieren, von denen hört man ja nur Gutes. Es gibt in der Tat leider kaum noch Cartridge Systeme für die guten alten Cantilevers. Ich bin jedoch in der glücklichen Lage einige Cartridges zu besitzen, für die es interessanterweise noch Beläge gibt (XTR BR-M900 und LX BR-M565 hatten verschiedene Cartridge Längen und eine Befestigung per Schraube und dann gab es noch die langen, die heute bei V-Brakes stark verbreitet sind und glücklicherweise mit den aktuellen Belägen kompatibel sind.)

Nochmal zu den Shimano Link-Wires: Sie haben ja eine empfohlene Verwendungsweise, die vorschreibt, dass man den Kontrollstrich mit dem festen Teil des Zuges in eine Linie bringt. Was aber ist der Grundgedanke dabei? Es scheint mir, dass der Anchor Angle in der von Shimano empfohlenen Verwendungsweise immer 90 Grad beträgt. Wieso dann aber verschiedene Längen? Wenn ich darüber nachdenke, kann das mit den angestrebten 90 Grad im Anchor Angle eigentlich nicht stimmen.
Die A-Länge (73mm) ist mit Abstand die am häufigsten verwendete. Warum bloß? Trifft diese den Bremsstil der meisten Fahrer? Und Schutzbleche, die im Weg sein könnten, spielen vielleicht auch eine Rolle.

Nun ja, das reicht für heute

Immer gespannt auf neue Antworten

Holger
 
Dei verschiedenen Längen gibt es, um die passende Länge für die vielen verschiedenen Cantiarme, Rahmen und Reifen zu haben.

- Bremsarme: Je tiefer der Befestigungspunkt des Kabels ist und je weiter diese auseinander liegen, braucht es unterschiedlich lange Kabel.
(Die alten DX Low-Profiles bauen sehr viel schmaler und höher, als z.B. die späten LX und XT.)

- Rahmen: Je weiter die Bremssockel auseinander liegen (und in gewissem Maße auch je breiter die Felge ist), desto weiter liegen die Befestigungspunkte für die Kabel auseinander.

- Reifenbreite: Bei besonders breiten Reifen, kann ein zu kurzes Kabel zu nah am Reifen liegen und in bestimmten Situationen am Reifen scheuern oder sich sogar im Profil verfangen. (Ging mir mit 2,35er Ritchey Z-Max so. S-Länge passte garnicht, A-Länge verfing sich schon mal.)

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Zur Bremsleistung: Ich hatte meine letzten Cantis (DX Low Profile) mittels verstellbarer Zugdreiecke sehr knapp über dem Reifen eingestellt.

Sowas:
avid_triangle.JPG


Die waren ganz schön giftig, zwei Finger vorne reichten locker für einen Nose-Wheelie, hinten einer zum blockieren. Das Hebelgefühl war dank Booster aber trotzdem gut.

Der spätere Umstieg, erst auf XT-V-Brake (*QUIIIIIIEEEEEETSCH*) und kurz drauf Magura Raceline-D, war daher fast schon enttäuschend. Kaum mehr Bremsleistung bei gleicher Handkraft. (Dafür fast wartungsfrei bei den Maguras.)

Grade bei langen Abfahrten und technischen Trails kam mir die geringe Handkraft immer entgegen, die Arme ermüden einfach nicht so schnell. An das "giftige" kann man sich schnell gewöhnen. Man muss nur die Hebel so einstellen, dann man intuitiv nur mit 1 oder zwei Fingern zugreifen kann. (Hebel weiter nach innen schieben.) Dann hat sich das mit den ungewollten Abflügen schnell erledigt.
 
Das Bild fügt sich für mich immer kompletter zusammen. Da ich eigentlich nicht aus dem MBT Bereich komme, habe ich es meistens mit relativ schmalen Reifen zu tun, auch ist mir noch keine Sitzstrebe an meinen Rädern untergekommen, die sehr weit auseinandergelegen hätte. Das heißt für mich, ich werde in Bälde nochmal die S-Variante ausprobieren und das Bremsen mit großem Hebel für mich erkunden.

Die Tatsache, dass ich eigentlich aus dem Tourenbereich und Stadtalltagsbereich komme, heißt letztlich dass ich so fahre, dass ich möglichst wenig bremse, um meine Kraft optimal einzusetzten (Für die Stadt mache ich mich damit bei Autofahrern teilweise sehr unbeliebt). Mein Reflex ist der eines sehr kräftigen Zugreifens für eine Vollbremsung.

Ein paar Fragen noch zu den Zugdreiecken, wie auf dem Foto zu sehen: Kann ich dafür das Ende eines alten Bremszuges nehmen (Seite mit Bolzen, oder wie man das Ding benennt, welches man im Bremshebel am Lenker einhängt) und auf der anderen Seite normal festklemmen, oder braucht es dazu die originalen kurzen Querverbindungszüge? Haben die Metallstücke mitten im Seil irgendeine Funktion (Ich meine das Ding im Foto etwas lins von der Bildmitte)? Auf dem Bild sieht es so aus, als könnte man die Bolzen einzeln kaufen und montieren, stimmt das?

Vielen Dank für die Momente der Erleuchtung
Holger
 
Hi!

Klar, Schutzbleche sind natürlich das gleiche Problem, wie dicke Reifen. Und unterschiedlich breite Cantisockel sind mir auch an Trekkingrädern schon massig begegnet. (Mein Trekkingrad hat die Sockel sehr eng beieinander, an dem von meinem Vater sind die Sockel reichlich weit auseinander.
O.T.: Hier nicht relevant, aber bei beiden war die Montage einer Magura mit EVO2-Befestigung nicht möglich.)

Als Querzug kannst Du problemlos einen alten Bremszug nehmen geht wunderbar, habe ich damals auch so gemacht.
"Echte" Querzüge haben diese "die Metallstücke mitten im Seil" und einseitig wieder die bekannte "Tonne" zum einhängen. Das "Metallstück mitten im Seil" ist dafür da, um daran anzufassen, wenn man den Zug aushängt (Reifen demontieren). Lässt sich halt im Modder besser anpacken. Bei fetten Reifen kommt er aber dem Profil schnell in's Gehege.

Der Bolzen / die Tonne rechts unten im Bild ist ein einzeln montierbarer Bolzen und, meine ich, bremsenspezifisch.
(Das Bild ist aus einen Thread geklaut, da ging es um eine bestimmte Bremse. Dort wird der Querzug beidseitig per Tonne befestigt und nicht einseitig geklemmt, wie sonst üblich.)
 
Wow, meine letzen Fragen sind geklärt. Ich danke Dir, Bremsenprofessor F-N-C.
Ich habe heute gerade neue Cartridge Bremsbeläge für meine XTR 900er Cantis im Postkasten gefunden. Wenn ich diese installiere, werde ich gleich mal den link-wire mit Länge S anbauen und neue Bremsgefühle austesten.
Das ist dann übrigens an einem echten Classic Mountainbike, ein Trek 970, das ich mir über den Winter aufgebaut habe.

Holger
 
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