Em der Radkuriere in Warschau- ich überlebte!

onkel

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Registriert
27. November 2001
Reaktionspunkte
5
Ort
Berlin
Hallo,
wie ja einige wissen, arbeite ich nebenbei in Göttingen als Radkurier. Und da der "urban jungle" Göttingen immer in einem Atemzug mit New York, Berlin und London genannt werden sollte, wenn von Radkurieren die Reden ist, machte ich mich mit zwei Kollegen und einem Groupie auf den beschwerlichen Weg nach Warschau, um bei den Europameisterschaften der Kuriere zu überzeugen.

Möglich gemacht hatte das unser Chef, der uns die Startgebühren, einen Mietwagen und das Benzin sponserte.
So stand ich dann am Donnerstag früh auf und wir machten uns auf den Weg. Dieser war lang und beschwerlich aber nach 12 Stunden Reise waren wir auch schon da- zu spät zum Registrieren, aber genau pünktlich zur ersten Party.

Es war wie ein Rausch, ungefähr 500 Leute aus ganz Europa, die alle ihr Bike mit in die Kneipe nahmen, vom MTB über das Rennrad bis zum fiesen Fixie.
Leider vertrug ich nur 2 1/2 Bier, dann zog ich es vor, nach diesem langen Tag ins Bett zu fallen- immerhin war es schon halb drei und ich hatte einige echt nette Leute kennengelernt.
 

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Am nächste Tag klingelte der Wecker viel zu früh, weil mein Kollege Niels tatsächlich geglaubt hatte, der Zeitplan würde eingehalten.
Natürlich tummelten sich auf dem ganzen Gelände ca. 5 Hansels, ich weiß nicht, ob die noch oder schon auf waren.
Ich beschloss, erst einmal zu frühstücken. Etwas nervös war ich ja auch, weil ich keine Ahnung hatte, wie das Rennen funktionieren würde. Niels war dagegen so nervös, dass er wie ein Eichhörnchen durch die Gegend flitzte. Irgendwann kam unser dritter Mann, Marcin dazu, ein echter Pole, der uns noch oft als Scout unschätzbar helfen sollte.
Gegen elf konnten wir uns registrieren, dann fuhren wir erstmal in die Stadt, um einzukaufen.

Fortsetzung folgt!
 
Entgegen meiner Befürchtungen ist Warschau wirklich eine charmante Stadt mit friedlichen Menschen und schönen Frauen. Dank Marcin brauchten wir auch nicht lange, bis wir einen Lebensmittel- und einen Fahrradladen gefunden hatten, wo wir Futter für Mensch und Maschine kauften.

Dann stand endlich das erste Rennen an. Das sogenannte main race. Auf einem abgesperrten Parcours waren viele, viele Straßen abtrassiert, alle als Einbahnstraßen ausgewiesen. In der Mitte war ein Kreisverkehr. Entlang der Straßen waren 16 Stationen, 2 Hauptkunden und 2 Möglichkeiten, Geld zu verdienen angelegt. Man musste sich Geld verdienen, um bei den Hauptkunden Auftragszettel, sog. Manifeste zu bekommen. Auf diesen standen mehrere Routen zwischen jeweils zwei Stationen, die man in beliebiger Reihenfolge abarbeiten konnte. Man durfte auch jeweils zwei Manifeste gleichzeitig abarbeiten. Hatte man die ersten gefüllt, konnte man sich den jeweils noch ein weiteres Manifest kaufen. Außerdem konnte man einen Teil der Strecke nur betreten, wenn man eine Gebühr bezahlte. Dafür musste man auch Geld verdienen. weil alle Straßen Einbahnstraßenwaren, bedeutete ein fehler stets einen riesigen Umweg, so dass es besser war, nur so schnell zu fahren, dass noch ein bisschen Blut im Gehirn zirkulierte.

Die Strecke war eher für Mountainbikes, als für Rennräder geeignet. Leider hatten Niels und ich nur Rennräder mit! Am Anfang fuhr ich noch recht zögerlich, aber nachher behandelte ich meinen Renner einfach wie einen Crosser und gab ihm ordentlich die Sporen. Wozu ist man schließlich Mountainbiker?

Leider hatten wir am ersten Tag die Regeln noch nicht ganz verstanden, weil wir dachten, wir dürften immer nur ein Manifest gleichzeitig abarbeiten. Deswegen brauchten wir viel zu lange. Aber Lehrjahre sind nunmal keine Herrenjahre.

Um 18 Uhr startete die "critical mass", eine riesige Fahrrad(kurier)-Demo zum Gedenken an von besoffenen Autofahrern überrollten Radlern. Wir rollten als riesiger Zug im Schrittempo durch die Stadt und legten den Verkehr lahm. Besonders schön war es an Kreiseln, die wir einfach mehrmals umrundeten. Dazu machten wir ordentlich Lärm mit Trillerpfeifen und anderen Instrumenten.

Noch später war ein "Alleycat" für Fremde in der Stadt. Das ist so eine Art Orienrtierungsfahrt durch die Stadt. Man bekommt einen Kartenausschnitt und muss verschiedene Posten abfahren, wo man einen Stempel bekommt. Wer das am schnellsten schafft, hat gewonnen.

Ich zog es vor, mich mit ein paar Bieren zu vergnügen, aber Niels wurde immerhin 15. Marcin durfte als Pole nicht mitfahren. Später tranken wir noch ein paar Biere zusammen und fielen ins Bett!
 
Hallo Onkel,

schoener Bericht.
:daumen:

Bist hoffentlich auch gut wieder in Gö gelandet.

War ja wirklich ein ereignisreiches Wochenende. Üeberall schlaegt der ESK zu und hinterlaesst seine Spuren.

Weiter so!

Ciao
Der Frosch
C.
 
@Chubi: Ich bi9n doch noch gar nicht fertig!

Am nächsten Tag fuhr ich wieder die Qualifikation. Das konnte man sooft versuchen, wie man wollte. wenn man einen guten Plan hatte, musste man nur 7 mal Geld verdienen. Ich hatte einen guten Plan! Nach einer Stunde und 10 Minuten musste ich nur noch vier Stationen abfahren. Jetzt noch mal alles geben. Zu einer Station ging es treppauf,treppab, unfahrbar und schweißtreibend. Fahrrad auf die Schulter wie ein Crosser, über die Treppen klackern, o.k., Hallo Jungs! Gib uns deinen Zettel. Alles klar! Dann...Scheixxx, ich habe meine Stempelkarten verloren, ich bin RAUS!!!

Wütend stapfe ich von der Strecke, ziehe mir ein Bier rein, gucke den anderen zu. Die Zeit vergeht. Ich kann unmöglich nochmal starten, ich bin jetzt schon völlig im Eimer.

Stunden später packt es mich doch, zuschauen ist mir zu langweilig. Ich steige nochmal aufs Bike. Ich quäle mein Rennrad wie ein Querfeldeinrad über Stock und Stein, Wurzel und Sand. Langsam habe ich es drauf. Schei* auf eine "acht".
Leider erschöpfe ich mich zu stark. So passiert´s. Ich fahre an einem Posten vorbei. Zurück kann ich nicht, sonst bin ich gleich raus. Also muss ich einen Umweg fahren und außerdem noch Geld verdienen. Außerdem verliere ich noch einen Geldschein und muss (nicht ganz regelkonform) zurücklatschen. Zum Glück finde ich ihn.
ich verausgabe mich zutiefst, um noch mal alles rauszuholen. Am Schluss habe ich 1:53 Std gebraucht. Das war leider 7 Minuten zu langsam für das Finale. Hätte ich nur lockerer gemacht! Dann wäre ich noch drin. Aber egal.

Nach dem Rennen muss ich erstmal liegen. Dann gehen wir in die Tortilla-Bar in der Stadt und essen leckere Mexikanerdöner (Buritos???)

Ich bin schlagskaputt. Das interessiert jetzt aber nicht. Noch liegt ein Alleycat vor mir. Um 0 Uhr geht´s los. Ich fahre mit Mrcin gemeinsam. Er braucht noch eine Alleycatteilnahme, um ins Finale zu kommen. Es macht echt Spaß. Mit der Karte orientieren wir uns und laufen die ersten acht Stationen als erste an. Dann treffen wir auf andere Kuriere, die sich andere Routen gesucht haben. Trotzdem liegen wir gut. Über Kreisel, durch Einbahnstraßen, über Kopfsteinpflaster und Brücken. Meine Muskeln brennen, aber ich mache die Pays, Mrcin navigiert. Pklötzlich sagt er mir, etwas stimme nicht. Es führe sich so weich. Ein Platter?? Nein, der Rahmen ist am Unterrohr gebrochen. Mrcin ist raus. Ich biete ihm noch mein rennrad an, aber er schlägt es aus. Er wünscht mir Glück und ich fahre alleine durch die dunkle Stadt. Ich fühle mich ziemlich klein und verfahre mich auch erstmal schön. Dann treffe ich einen anderen Kurier. Nachdem wir uns auf englisch verständigt haben, ein Team zu bilden, stellen wir fest, dass wir beide Deutsch sind. Marcus aus Dresdn kennt den ESK vom Glühweinrennen. DFie nächsten zwei Checkpoints finden wir schnell. Dann suchen wir eine halbe Stunde vergeblich nach dem nächsten.- Die Schweine sind schon gegangen. Wir fahren zurück zum Stadion und wollen Bier trinken. Aber die Leute da geben uns den fehlenden Stempel. Jetzt müssen wir nur noch quer durch die Innenstadt zum Ziel. Zum Glück ist das Ziel eine Kneipe.
Um drei sind wir da, um halb fünf bin ich zuhause. Im Fahrstuhl steht Mrcin, der noch Berliner Kuriere und Warschauer Dirtjumper getroffen hat. Zum Glück bin ich nicht im Finale.

Am nächsten Tag unterstütze ich Niels, der sich wacker schlägt. Ich helfe ihm mit meinem Hinterrad aus, obwohl ich Shmano 9fach und er Campa 10fach fährt. Hat gut geklappt!

Am Ende wird er ungefähr 40ster von 80 Männern im Finale. Das ist aller Ehren wert. Weil der weg noch weit ist, verzichten wir auf die Sprints und fahren nach dem Essen nachhause. Um 3.30 sind wir am Montag morgen da. Wer ist bloß das Viech im Spiegel? Ein wilder Bart und fette Augenringe springen mich an.
Wenn ich kann, werde ich sowas nochmal machen. Vielleicht nächstes Jahr in Basel?
 
onkel du tier! da scheint der "freakfaktor" der veranstaltung aber sehr hoch gelegen zuhaben. randvoll bier nachts durch fremde städte zu ballern ist auch nicht das, was man ein geregelten wettkampf nennt! es klingt so, als ob dagegen mit verbundenen augen nachts quer über die a1 zu sprinten ein bombensicheres konzept wäre. schön das du überlebst hat und vielen dank für deinen bericht. bis bald... menis
 
Menis schrieb:
randvoll bier nachts durch fremde städte zu ballern ist auch nicht das, was man ein geregelten wettkampf nennt!

Lieber Menis, da ist wohl etwas falsch rübergekommen. Ich fand es schon bemerkenswert, dass ich zwischen den Wettkämpfen überhaupt Bier getrunken habe. aber tatsächlich dürfte meine BAK bei keinem Wettkampf über 0,2 0/00 gelegen haben. Wrde ich etwas anderes behaupten, würde ich der guten Organisation und dem Wettkampfcharakter Unrecht tun. Nicht zuletzt lautete ja auch Punkt 10 der Regeln: Stay sober!
 
Mensch Henning,

scheint ja ein völlig verrücktes Rennen gewesen zu sein. :D Um die Regeln zu begreifen, muß man wahrscheinlich studiert haben. ;)

Schöner Bericht!
sketcher
 
sehr coole sache mal einen bericht von einer kurier-em aus erster hand zu lesen. ich habe hier in berlin auch zwei drei getroffen die dort hin wollten.
fahrradkuriere, und besonders die, die dort aufkreuzen, sind schon ein völkchen für sich - und ein krankes obendrein.
das programm ist auch nicht von schlechten eltern. wenn man da alles mitfährt, bekommt man ja keine minute schlaf an den zwei tagen.

:daumen: rb
 
Danke sehr! Ich hätte ja gerne aus der Vielzahl der Fotos die coolsten rausgesucht und hier reingestellt (Leute gibt´s, das wäre sicher was für Punkrock-Phatty), aber leider will das auf meinem Unirechner nicht so funzen. Wenn ich demnächst aber die Privatfotos bekomme, dann stelle ich nochmal was rein!
 
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