Expedition ins Tierreich

Ackebua

Im Winter gibt es Schnee.
Registriert
18. Juni 2002
Reaktionspunkte
5
Ort
Berlin-Pankow
Nun liebe Feunde des naturnahen Zweiradsports,

auch mich schlug es im Morgengrauen des frühen Sonntags in die reichhaltige Flora resp. Fauna unserer wunderschönen Mark Brandenburg. Da meine Zeit für diesen Tag knapp bemessen war, konnte ich nicht an Jockels Streifzug durch den Süden teilnehmen. Um dem ESK-Dreiergespann alledings auch nicht im Weg stehen zu wollen, nahm ich mir für meine Exkursion den nördlich der ehemaligen Reichshauptstadt gelegen Teil vor. Doch lest selbst, wie es sich zugetragen hat:

Gegen Neunhundert warf ich mich in mein Waidmannsgewand, füllte die Taschen mit Kaltverpflegung, griff zu Feldstecher, Notizblock und Bleistift, nahm mein Rotwild (!) von der Wand und begab mich in nördliche Richtung. Hohen Neuendorf, Birkenwerder und Oranienburg waren flugs durchfahren. Mein erster anvisierter Reisepunkt war der Ruppiner Kanal, den ich am Oranienburger Ortsausgang erreichte. Entlang des Kanals gab es nichts spektakuläres zu sehen. Am noch nicht genutzten Brückenteil der zukünftigen Autostraße/Autobahn? wurde der Ruppiner Kanal überquert, um Teerofen bzw. weiter Nassenheide anzusteuern. Kurz vor dem Nassenheider Ortseingang bog ich links bei und fiel direkt in die Schleuener Heide ein. Ab hier hieß es jetzt für mich: Augen und Ohren auf, denn ich habe mir für heute nicht nur Körperertüchtigung auf meinen Stundenplan geschrieben.

Die Schleuener Heide, das ist das südlich an die Beetzer Heide angrenzende Gebiet mit reichlich Kanälen, Gräben und Mooren, ist bekannt für ihre ornithologische Artenvielfalt. Feuchte Wiesen werden unregelmäßig von Buschgruppen oder einzelnen Laubbäumen durchbrochen, was ein ideales Brut- und Raubgebiet für unsere heimischen Greife abgibt. Ich brauchte nicht lange zu schauen, bis ich den ersten Horst erspähte. Das Rad wurde an eine ältere Weide gelehnt. Ich selbst machte es mir auf einem Ast eines unweit entfernten kleineren Baumes bequem und nahm meinen Feldstecher zur Hand. Das Nest schien unbewohnt. Ich wollte gerade meinen Beobachtungsstand verlassen, da bemerkte ich weiter links einen sich dem Horst nähernden größeren Vogel. Atem angehalten, Fernglas ausgerichtet: ein Fischadler, wie er eigentlich nur weiter nördlich anzutreffen ist. Aufgrund seiner Größe mußte es ein Weibchen sein. Da Fischadler gewöhnlich im Frühjahr mit der Paarung beginnen, war diese angehende Mutter bereits mit dem Nestbau beschäftigt, wie ich beobachten konnte. Ich skizzierte noch schnell die Musterung des Kopf- und Schwingenbereiches, bevor ich mich von meinem Spannerplatz entfernte.

Es ging über morastige Pfade weiter über unbewaldetes Grasland in Richtung Löwenberg. Etwa einen Kilometer westlich von mir konnte ich den Ort Neuhof sehen, als auch der längst erwartete Wald begann. In dieser eigentlich flachen Landschaft taten sich mitten im dunklen Mischwald einige äußerst imposante Erhebungen auf, die just zu ein paar Berg- und Talsprints einluden - heissa, welch ein Genuß! An einer kleinen Lichtung roch es nach lebendem Wild, außerdem ließen die vielen Spuren im Sand auf eine größere Gruppe von Paarhufern schließen. Ich schien hier auf eine beliebte Passierstelle von Rot- oder Dammwild gestoßen zu sein, die Größe und Tiefe der einzelnen Spuren deuteten darauf. Wieder wollte ich unbedingt am Geschehen des tiefen Waldes teilnehmen und begann mit den Vorbereitungen, um meine vierbeinigen Freunde zu empfangen. Mein Rotwild (!) wurde an einen Baumstumpf gelehnt und in die Tune-Hörnchen zwei Äste mit je 6 Zweigen gesteckt - fertig war der stattliche Zwölfender! Ich selbst legte mich in eine Erdmulde, bedeckte meinen Leib mit Moos und Reisig und harrte der Dinge...

...Einige Minuten später näherte sich auch schon eine Gruppe junger Rehe der Lichtung. Sie blickten vorsichtig von weitem, kamen jedoch neugierig näher. Anscheinend akzeptierten sie meinen stolzen Alu-Hirsch, da sie sich um ihn scharrten. Mich hielt es nicht länger in meinem Versteck, ich mußte unbedingt näher heran. Doch wie? Flugs entledigte ich mich des Blattwerkes, krempelte meine Jacke mit dem beigefarbenen Innenfutter nach außen und begab mich auf allen vieren aus der Kuhle heraus. Gab es denn überhaupt beigefarbene Tiere? Natürlich: Auf meiner letzten Safari im Serengeti-Nationalpark habe ich genau beobachtet, wie sich die helleren Weibchen des ostafrikanischen Springbockes bewegen. Ich ahmte die sprungartigen Bewegungen nach und näherte mich zügig hopsend den Rehen. Diese hatten wohl noch nie einen Springbock von so stattlichen Ausmaßen gesehen und schlugen sich blitzartig ins Unterholz. Zurück blieb nur mein stolzer Hirsch und die frische dampfende Losung der flinken Vierbeiner.

Kurz vor der Förtserei Kerkow drehte ich links bei und beschrieb einen großen Bogen durch die Beetzer Heide in Richtung Heimat. Über Neuendorf, Hohenbruch, Johannisthal, Schloß Sommerswalde gelangte ich nach Schwante, wo ich einen ausgiebigen Imbiss an einer lokalen Wursthütte zu mir nahm und den ortsansässigen Populationsvertretern von meinen animalischen Begegnungen berichtete. Die Autobahn wurde überquert, und bei Neu-Vehlefanz verließ ich den schnellen Asphalt und begab mich wieder ins unwegbare Gelände. Im Glien, besser bekannt als der Krämer, zog ich noch die eine oder andere Schleife und mußte nicht nur ein Mal ordentlich am Lenker zerren, da manche Rampe einiges von mir abverlangte. Wannsdorf, Bötzow, Stolpe waren schnell abgehakt. Den Rest der Strecke ließ ich ruhig auf meinen heimischen Straßen ausklingen.

Dieser kleine Streifzug durch Wald und Flur hat mir wieder einmal gezeigt, daß sportliches Schinden und genüßliche Naherholung keinen Wiederspruch bedeuten.

Eckdaten der Tour: 91 km / 4:33 h

Nachfolgend eine Aufnahme eines Fischadler-Männchens (nicht selbst geschossen):
 

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Am weniger braunen Nacken, dafür großflächig weißen Oberkopf erkennt man hier sehr gut das Weibchen:
 

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Sehr schön Ackabua! Dachte Dir läge mehr an den domestizierten Viechern und freue mich jetzt um so mehr auf kritische Sichtung Deiner Zeichnungen.

bis denn
 
großartig wie ackebua geländeradsport und wissenschaft vereint. das gibt ein besonders dickes bienchen in den kaderakten!

nun sag uns doch noch: konntest du rückschlüsse aus deinen beobachtungen führen? ist die fischadlerpopulation gesichert und wie stellt sich der menschliche eingriff in das verbreitungsgebiet von reh und hirsch dar?


höchst ergriffen, rob
 
Meinen allergrössten Respekt, Herr Ackebua (Pate a.D.), für den Versuch uns zoologisch im Allgemeinen und ornithologisch im Speziellen ungebildeten ehernen Borstentieren ein wenig die Wunder der Wisssenschaft ein wenig näher zu bringen; sowie für die zu diesem Zweck vorgenommenen, von grossem Erfolg gekrönten literarischen Anstrengungen.

Ich habe diesen popularornithobicyclologen Bericht mit Genuss gelesen und wieder mal ein paar wichtige Dinge mehr in meinen Wissensschatz aufgenommen.
 
Bravo Ackebua,

recht hast du. Das Mountainbike ist das beste Expeditionsfahrzeug, wenn man die Natur hautnah erleben will.

@Husten
was denn, zeichnen kann er auch? :daumen:

Grüße
sketcher
 
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