Fahrrad fahren mit Sehbehinderung!

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Hallo Leute! Ich bräuchte mal (bevorzugt fachmännische) Einschätzungen bzgl. eines anscheinend komplizierten Themas.

Kurz zu den Fakten:

Mein Vater mit seinen 61 Lenzen, besitzt seit einem Jahr keine KFZ-Fahrerlaubnis mehr aufgrund von einer Sehbehinderung.
Hauptsächlich Sehschwäche am rechten Auge <5% + Sichtfeldeinengung.
Am linken Auge kurzsichtig mit -7,5 Dioptrien (aber schon immer gewesen).

Das dadurch entstandene ewige Diskussionsthema in der Family ist nun:

Darf mein Vater mit einem Fahrrad oder E-Bike bis 25km/h fahren oder nicht?
Für mich stellt sich das so dar, als wäre das eine rechtliche Grauzone, da sich zu diesem Thema keinerlei definitive Aussagen von Ämtern, Ärzten, Internet entlocken lassen.

Gibt es vielleicht hier jemanden im Forum der zu dieser Sachlage etwas sagen kann, oder der Stellen/Behörden kennt, die eine definitive Aussage dazu treffen kann?

Vermutungen und Mutmaßungen wären nur begrenzt hilfreich, da wir uns als Family in diesem Bereich ja schließlich schon seit Monaten befinden.

Trotzdem Danke schonmal im Vorraus!!!!
 
Mit Expertenwissen kann ich nicht auftrumpfen, aber einen Aspekt sollte man beachten, selbst wenn rechtlich nichts gegen das Radfahren sprechen sollte:
Spätestens die Versicherung wird es im Schadensfall als grob fahrlässig einstufen und wohl mächtig kürzen.
 
Lass den Mann Fahrrad fahren wenn er das möchte und sichs zutraut.
Würd mir da nichts von Versicherungen vorschreiben lassen. Irgend eine Form von Mobilität braucht er ja auch, wer will schon sein Leben lang immer von Anderen abhängig sein?
 
wenn dann pedelec oder konvent. Rad, aber kein e-bike imho
Also ebike und pedelec werden oft fälschlich synonym gebraucht.
Es gibt Pedelecs, die höchstens 25 km/h fahren und die gelten rechtlich als Fahrrad. Im Schadensfall würde da kein Unterschied bestehen, egal ob mit oder ohne Motor. Ich weiss wirklich nicht, in welcher Form ein sehbehinderter Radfahrer mehr schuldig an einem Unfall sein würde als ein Normalsichtiger in den Augen einer Versicherung. Wenn dein Vater nur zum Vergnügen im Wald fährt und sich vielleicht selbst den Arm bricht, stellt sich die moralische Frage ganz anders, als wenn er andere auf der grossen Kreuzung gefährdet. Im Prinzip bin ich auch der Meinung, Leute sollten sich für ein Risiko und die damit verbundene Entfaltung entscheiden können - aber nur sehr begrenzt zu Lasten anderer.

Dein Vater hat den Führerschein aufgrund der Sehbehinderung abegegeben oder ist ihm die Pappe wegen der Sehbehinderung nach einem Verkehrsdelikt entzogen worden? Das würde die Situation etwas komplizieren, da ihm ja bekannt sein müsste, dass er ein Risiko darstellt - allerdings in erster Linie für sich selbst mit einem langsamen Einkaufsrad auf dem Bürgersteig. Mit eimen Pedelec mag der rechtliche Unterschied formal nicht da sein, faktisch wäre Dein Vater aber in der Lage, deutlich höhere Geschwindigkeiten zu fahren und damit gefährdet er sich und andere wesentlich mehr. Das könnte nicht nur versichungsrechtliche, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen haben, da Dein Vater ja bereits weiss, dass er eine Gefährdung darstellen kann.

Ganz anders wäre es mit einem ebike oder einem schnellen führerescheinpflichtigen Pedelec, das wäre schlicht fahren ohne Führerschein.

Geh zum Fachanwalt bevor Ihr Euch hinterher Vorwürfe macht
 
Zuletzt bearbeitet:
Würd mir da nichts von Versicherungen vorschreiben lassen.

Die Versicherung wird Ihm da nichts vorschreiben aber im Fall eines zu begleichenden Schadens aufgrund des bekannten Risikos nicht alles zahlen. Damit würde dann der Vater auf dem Rest zu bezahlenden Schadens sitzen blieben und gegebenenfalls der geschädigte kein Geld bekommen, weil z.b. der Vater nicht in der Lage wäre den Schaden selbst zu begleichen. Man muss bei Versicherungen eines immer bedenken, die machen das alles auch nur um Gewinn zu machen und daher versuchen die so gut es geht im Schadensfall die Summe zu Ihren Gunsten zu drücken und wenn es darauf hinausläuft das der Versicherungsnehmer selbst zahlen muss. Das sollte einem immer klar sein in solchen fällen.
 
Wie das "Helmpflicht-Urteil" aus vergangener Zeit deutlich macht, geht das mit dem Versicherungsschaden auch in die andere Richtung:
Mal angenommen, deinem Vater wird die Vorfahrt genommen und wird verletzt. Bekommt die Versicherung des Verursachers Wind von der Sehschwäche, würde sie evtl die Zahlung kürzen, mit der Begründung dass dein Vater die Entfernung ja gar nicht richtig einschätzen konnte und dennoch wissentlich am Verkehr teilgenommen hat.

Das ist nicht unbedingt ein Faktor, der einen ganz vom Radfahren abhalten muss - aber man sollte es bedenken! Wenn dein Vater das Gefühl hat, den Verkehr genau genug im Blick zu halten, dann soll er Radfahren! Aber über die Konsequenzen sollte man sich vorher Gedanken machen.
 
Für mich stellt sich das so dar, als wäre das eine rechtliche Grauzone, da sich zu diesem Thema keinerlei definitive Aussagen von Ämtern, Ärzten, Internet entlocken lassen

Das , über all diesen Institutionen stehende , allwissende , IBC Forum kann sicherlich eine rechtlich 100% Aussage über die Fähigkeiten deines Dads auf den E-Bike machen .
Ich würde das mit einem Augenarzt besprechen .
 
Zum Radfahren / Biken benötigt man zunächst mal keinen Führerschein und auch keine Zulassung (spezielle eBikes mit bbH 45Km/h mal ausgenommen). Insofern darf man unter dem Gesichtspunkt des §1 StVO (und natürlich speziellen Regelungen) am Straßenverkehr teilnehmen, was auch für Radfahrer gilt. Wenn er durch die Behinderung also weder sich noch andere gefährdet, kann er durchaus im öffentl. Straßenverkehr mit dem Rad fahren.

Vielleicht sollte er ggfs. mal einen Radfahr-Kurs für Erwachsene besuchen, damit er bzw. außenstehende seine Fähigkeiten einschätzen/beurteilen können. Solche Kurse werden z.B. vom ADFC angeboten.
 
Ich glaube, @Ratterritzel sucht eine Stelle (Amt, o.ä.), die ihm dazu eine definitive Aussage geben kann.

Deshalb noch einmal die Frage:
An welche Ämter/Behörden habt ihr Euch denn schon gewendet?
Und:
Liegt damit eine anerkannte Schwerbehinderung vor?
 
...
Liegt damit eine anerkannte Schwerbehinderung vor?

Ja, sonst, so denke ich, hätte er nicht seinen Führerschein wegen der Sehbehinderung abgeben müssen.

Und an die ganzen Superschlauen wieder (Mulk bsp.) auch wenn du dir nix vorschreiben lässt (dein gutes Recht) musst du mit den Konsequenzen leben (bspw. Versicherungsschutz reduziert, eventuelle vorsätzliche Körperverletzung oder ähnliches usf.) und auch wenn viele Radler denken sie hätten einen Freibrief, weil sie keinen (KfZ) Führerschein beseitze, auch ihr habt eine Verkehrsakte, oder warum glaubt ihr, nehmen die Polizisten eure Personalien auf und notieren diese auf den Zahlscheinen.
 
Die Fahrerlaubnisbehörde wäre diejenige, welche das Führen von Fahrzeugen untersagen darf. Das gilt nicht nur für Kraftfahrzeuge. Dazu müssen dem Amt aber in der Regel Tatsachen vorliegen, die eine Ungeeignetheit begründen (z.B. regelmäßiger Alkoholkonsum etc.). Das Amt wird von sich aus nicht automatisch eine Untersagung aussprechen, sondern wenn der Fahrzeugführer auffällig wird.

Die rechtlichen Bestimmungen findet man z.B. hier:

§3 FeV:

§ 3 Einschränkung und Entziehung der Zulassung

(1) Erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren, hat die Fahrerlaubnisbehörde ihm das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Nach der Untersagung, auf öffentlichen Straßen ein Mofa zu führen, ist die Prüfbescheinigung nach § 5 Absatz 4 Satz 1 unverzüglich der entscheidenden Behörde abzuliefern oder bei Beschränkungen oder Auflagen zur Eintragung vorzulegen. Die Verpflichtung zur Ablieferung oder Vorlage der Prüfbescheinigung besteht auch, wenn die Entscheidung angefochten worden ist, die zuständige Behörde jedoch die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung angeordnet hat.
(2) Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist, finden die Vorschriften der §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung.

Mit dem Begriff "Fahrzeuge" sind nicht nur Kraftfahrzeuge gemeint. Es gab auch schon Gerichtsurteile, die das Führen von Fahrrädern untersagten. Aaaaber eben nur, wenn derjenige welche auffällig wurde. Dein Hausarzt wird nicht automatisch die Fahrerlaubnisbehörde unterrichten. Das darf er dank ärztlicher Schweigepflicht gar nicht.

Wenn die Fahrerlaubnisbehörde Zweifel an der Eignung hat, kann sie ein Gutachten (z.B. MPU o.ä.) einfordern, die die Fahrtauglichkeit belegt oder auch widerlegt.
 
Google mal Münster Fahrverbote wegen Rotlicht, Trunkenheit usf. das machen die Ordnungsämter in den Fahrradgrossräumen immer öfter, um auch den sozusagen "Rechtsfreien" beizukommen.
 
Das hängt von der jeweiligen Kommune/Landkreis ab, wo die Fahrerlaubnisbehörde angegliedert ist. Kann durchaus auch ein Teil des Ordnungsamtes sein. So gesehen wacht halt die Fahrerlaubnisbehörde über die Ordnung der Fahrzeugführer ;) .
 
:)

Okay, es ging mir auch mehr darum, dass, entgegen der hier offenbar vorherrschenden Meinung, auch Radler nicht im rechtsfreien Raum schweben (auch wenn wir keine Kennzeichen haben).

Daher würde ich auch dem TE und seinem Vater einen Termin bei Augenarzt (Nein, nicht irgendein Optiker), Führerscheinstelle und Ordnunsgamt empfehlen.Auch die Sehbehinderten - und Blindenvereine wären eine Anlaufstelle.
 
...da sich zu diesem Thema keinerlei definitive Aussagen von Ämtern, Ärzten, Internet entlocken lassen.

Da Du ja schon monatelang recherchierst, wirst Du folgendes ja kennen. Ich zitiere es trotzdem mal:
Sehbehinderte, die selber ein Fahrrad lenken wollen, seien gewarnt: Als fahruntüchtig gilt, wessen Sehschärfe weniger als 0,5 (bei Einäugigkeit 0,6) beträgt oder dessen Gesichtsfeld horizontal auf weniger als 120° eingeschränkt ist (vgl. Anlage 6 zur Fahrerlaubnisverordnung; die Angaben zu Gruppe A 1 sind nach Auffassung des Bundesverkehrsministeriums auch für Radfahrer verbindlich)
Quelle: Ratgeber Recht für blinde und sehbehinderte Menschen, Herausgeber: Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V.

Und was in der genannten Anlage 6 zur Fahrerlaubnisverordnung zur Gruppe A1 steht, klingt für mich durchaus nach einer Aussage, mit der man was anfangen kann. Ein Experte dafür bin ich aber selbstverständlich nicht.
 
Völlig unabhängig von dem bereits diskutierten: Es gibt Möglichkeiten wie auch völlig Blinde sich mit dem Rad sportlich betätigen können.
Beispielsweise hier beim ADFC München gibt es eine Gruppe, die Tandemteams organisisiert in denen jeweils ein Blinder / Sehschwacher und ein Normalsichtiger (der Lenkung und Bremsen bedient) zusammen radeln.
 
Danke schonmal für die hilfreichen Antworten.

Zuerst möchte ich mal noch ein paar Details erwähnen:

Mein Vater war beim VDK (Versorgungsamt) welches für die Einstufung des Grades der Behinderung zuständig ist. Der dortige Beamte konnte ihm nicht sagen das das fahren mit dem Fahrrad verboten wäre, wieß aber im gleichen Atemzug auch darauf hin, das im Falle eines Unfalls im Straßenverkehr, ob schuldig oder nicht, die beteiligten Versicherungen natürlich so eine Sachlage nicht unbewertet lassen würden.

Ähnliche Aussagen gab es auch vom zuständigen Augenarzt.

Das eigentliche Kuriosum ist, das mein Vater den Führerschein noch hat, und, rein rechtlich nachwievor ein KFZ führen darf, ihm aber davon tunlichst abgeraten wird.
Das liegt wohl an einer Art Gesetzes-, bzw. viel mehr Verfahrenslücke.
Mein Vater würde zwar, würde er einen neuen Führerschein machen, mit Pauken und Trompeten durch den in der Tauglichkeitsuntersuchung geforderten Sehtest fallen, jedoch gibt es anscheinend keine behördliche Vorgehensweise die die Tauglichkeitsuntersuchung im Nachhinein aberkennt, solange kein Verkehrsunfall vorrausgegangen ist.
Unglaublich oder?

Aber sieht wohl so aus, als könnten wir von Pontius bis Pilatus gehen.
Verständlicherweise werden wir wohl kein Rechtsanwalt, Arzt, Beamte, oder eine Vereinigung finden, die meinem Vater schwarz auf weiß eine Erlaubnis fürs Fahrrad fahren austellt. Den Schuh zieht sich bestimmt keiner an. Warum auch.

Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass mein Vater höchstselbst für sich entscheiden muss, welches Risiko er bereit ist einzugehen. Den im Zweifelsfall wirds Probleme geben.

Meine Mutter hat die Idee im Kopf auf Tandem umzusteigen.
Wo ich dann der Meinung bin, das meine Eltern zwar dann rechtlich korrekt und bedenkenlos on the road wären, aber da meine Eltern beide über 60 sind, nicht wirklich Vielfahrer auf dem Fahrrad sind, befürchte ich, dass sie damit am Ende noch gefährlicher unterwegs wären, wenn auch rechtlich korrekt.

Jedenfalls nochmals danke für die Antworten.
 
VdK ist nicht gleich Versorgungsamt. Das Versorgungsamt hat wahrscheinlich wenig Ahnung davon, fürchte ich.
Aber wenn er Mitglied im VdK ist, dann kann er dort nachfragen. Die haben Anwälte.
 
Danke schonmal für die hilfreichen Antworten.

......

Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass mein Vater höchstselbst für sich entscheiden muss, welches Risiko er bereit ist einzugehen. Den im Zweifelsfall wirds Probleme geben.

Meine Mutter hat die Idee im Kopf auf Tandem umzusteigen.
Wo ich dann der Meinung bin, das meine Eltern zwar dann rechtlich korrekt und bedenkenlos on the road wären, aber da meine Eltern beide über 60 sind, nicht wirklich Vielfahrer auf dem Fahrrad sind, befürchte ich, dass sie damit am Ende noch gefährlicher unterwegs wären, wenn auch rechtlich korrekt.


Jedenfalls nochmals danke für die Antworten.
Also das mit dem Tandem sehe ich nicht so. Deine Mutter kann lernen, ein Tandem zu handhaben und Dein Vater kanN lernen zu kooperieren und sich "lenken" zu lassen. Aber er kann seine Sehbehinderung nicht weglernen.

Das sind vielleicht ganz neue Perspektiven für ihre Beziehung, man muss sie nur ermutigen.
 
Zuletzt bearbeitet:
hej mal n bisschen anderen aspekt
ich geh beruflich ab und zu mit nem völlig blinden am Kanal lang fahren, das funktioniert mit den richtigen anweisungen wunderbar. Macht man sich dadurch strafbar bei einem unfall ja unter umständen haben wir uns nie kopf gemacht, es bereichert das leben aber so sehr das ich das nicht als wichtig erachte wir bleiben im Rahmen seiner möglichkeiten und das leuft schon seid 3 jahren gut!

Partizipation heist auch mal n Risiko eingehen.
 
Ja sicher, gibt da auch blinde MTB-Fahrer. Aber für den Straßenverkehr taugt das wohl nicht. Steine oder Bäume springen einen nicht von der Seite an.
 
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