Fragen zum System Reifen Gabel (Theorie)

Roudy-Radler

sucht_nach_wald
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Hallo und guten Morgen,

Fahrwerks-Setup ist hier und überall immer wieder ein riesen Thema.
Üblicherweise wird es aufgeteilt in Einstellung der Gabel (SAG etc) und Reifen (Breite, Druck, Felge). Sinngemäß für Hinterbauten von Fullies.

Es gärt die Frage (rethorisch):" Beeinflussen sich die Einstellungen der beiden Systemkomponenten?"
Die Antwort ist ein klares "JA" doch würde mich interessieren, ob das bereits irgendwo nachlesbar und aktuell behandelt wurde.

Also z.B. :
Wieviel Energie nimmt der Reifen beim Aufprall auf ein Hindernis auf, bevor er Energie an die Gabel weitergibt, die dann Ihren Teil incl Dämfung macht?
Wieviel Federweg gibt die Gabel kurz vorm Durchschlag des Reifens frei (Reifendruck = Durchschlag +0,1 Bar)?
Wie muss der Reifendruck sein, um so viel Kraft an die Gabel zu übergeben, dass diese Ihre Aufgabe maximal erfüllen kann?
Den Thread Bottom-out-buddie kenne ich :-)

Das Optimum wäre - angelehnt an den Rennsport - doch, dass das Gesamtsystem 1x auf einer definierten Strecke (üblicherweise DH oder wenigstens der härteste Punkt der Hausrunde) an seine Grenzen kommt also der Reifen fast durchschlägt (kein Luftverlust!) und auch die Gabel alles geben muss.

Es geht mir eher um eine fachliche Herangehensweise, die mir allein nicht gelingt.
Trail & Error beherrsche ich, ebenso wie Gabelsetup, Reifenkram und Popometer.

Habt Ihr dazu was gefunden?
Oder ist das so theoretisch, dass es auch egal ist?

Danke schonmal
Roudy
 
gabs hierzu echt keine antworten?

dass der reifen/schluch-kombi erst vor der gabel bzw. vor dem hinterbau nachgibt ist klar - und da es anscheinend immer darum geht, dass ein federungssystem so schnell wie möglich reagieren sollte, sollte man sich vielleicht erst um eine optimierung der reifen/schlauch-kombi orientieren (für den bevorstehenden trail), die gabel bzw. der hinterbau passt man dann an.

das beste bespiel für mich ist ein grober babyhead-trail - versuche mal mit 2,5 bis 3bar drüber zu ballern, und versuch es dann wieder mit weniger luftdruck.

das problem ist aber, dass eine typische tour aus verschiedenen untergründen, terrain, steigungen, feuchtigkeit, usw. usf. besteht. letztendlich also bleibt es beim 'wie gehabt' - es gilt immer den reifendruck zu optimieren, wenn man das beste rauskitzeln will.

aber wie oft bei einer einzigen tour will man am rad rumfummeln?
 
Das kann man recht gut als Modell darstellen. Es wurde glücklicherweise auch schon desöfteren gemacht, sodass ich es nicht komplett neu aufstellen muss ;). Ich hab mich mal amüsiert:

system.jpg


Abstrahiert: Das System stellt die Gabel und den Reifen dar, die Bewegung kann nur vertikal erfolgen. Möchte man den Lenkwinkel berücksichtigen, muss man die Werte lediglich in x- und y-Vektoren aufteilen.

Einheitensystem in Berechnungen:

Meter, Kilogramm, Sekunden, Newton


Variablen:

m1= Masse des kompletten Rades und des Fahrers, das Gewicht des Fahrers dürfte eigentlich fast vollständig auf dem Sattel lasten
m2= Masse des Vorderrades, Reifens und Gabelcasting + bewegliche Innereien
k1= Federkonstante der Schrauben-/Luftfeder
k2= Federkonstante des Reifens
d= Dämpfungskonstante
x1= Höhe von m1
x2= Höhe von m2
dx1= Geschwindigkeit von m1
dx2= Geschwindigkeit von m2
d2x1= Beschleunigung von m1
d2x2= Beschleunigung von m2
h= Höhe vom Kontaktpunkt Reifen/Boden

Dinge wie das Abfedern von Schwingungen durch den Fahrer, Endlagendämpfung, Sag, maximaler Hub der Gabel usw. werden hier nicht berücksichtigt. Manches kann man später noch reinbasteln.



Gleichungen:

m1*d2x1= -k1*(x1-x2) - d*(dx1-dx2)
m2*d2x2= k1*(x1-x2) + d*(dx1-dx2) -k2*(x2-h(t))



Randbedingungen:

Den Untergrundverlauf h(t) kann man erst flach annehmen, dann fährt das Rad über eine eckige Kante mit einer Höhe von 0,1m.
x1(0)=0, x2(0)=0, dx2(0)=0, dx2(0)=0, h(0)=0, also alles im Ruhezustand und nicht ausgelenkt

Da es eine DGL zweiter Ordnung ist, muss sie auf die erste Ordnung gebracht werden:
y1=x1, y2=dx1, y3=x2, y4=dx2


Probleme:

1. Die Dämpfung verläuft nicht linear und ist richtungsabhängig, da es die verschiedenen Stufen von low zu mid zu high speed compression und rebound gibt. Weil ich keine Ahnung habe, welche Werte man dafür annehmen oder im Mittel verwenden könnte, kann ich nur fabulieren. Google spuckt leider nichts dazu aus.
2. Die Federkonstante des Reifens ist ebenfalls nicht linear. Die Formel lautet:

kL = ϰ*p0*A^2/V0

ϰ=1,4 (Isentropenexponent)
p0= 2 Bar = 0.2N/mm^2 (Initialdruck)
V0= 3,76*10^6 mm^3 (Initialvolumen bei 26" und 50mm Reifenquerschnitt)
A= Fläche der Deformation

Die Fläche A wird im Laufe des Vorganges nichtlinear größer, damit auch das komprimierte Volumen. Ich bin der Einfachheit halber von einer konstant großen Aufstandsfläche in Form einer Ellipse mit a=100mm und b=30mm ausgegangen. Die Fläche erschien mir einigermaßen realitätsnah, zumindest wenn man einfach auf dem Rad sitzt. Damit kommt man auf eine Federkonstante von 6,6N/mm.



Matlabcode:

Code:
function fmd

y0=[0, 0, 0, 0];
tspan=[0, 3];
[t,y]=ode45(@dgl,tspan,y0);
plot(t,y(:,1),'r',t,y(:,3),'b')
legend('m1','m2')
xlabel('Zeit [s]')
ylabel('Auslenkung [m]')
grid on

function dy=dgl(t,y)
m1=20; m2=3; k1=5000; k2=6600; d=500;
dy=[y(2);(-k1/m1) * (y(1)-y(3))-(d/m1) * (y(2)-y(4)); y(4); (k2/m2) * (y(1)-y(3)) + (d/m2) * (y(2)-y(4)) - (k2/m2) * (y(3)-grund(t))];
end

function y=grund(t)
y=0;
if(t>0.2)
	y=0.1;
end
end
end

fmd.jpg


Dass die Ausregelzeit von 1.5 Sekunden Quatsch ist, weiß natürlich jeder, der schon mal eine Federgabel gefahren ist. Das bedeutet, dass entweder mein Modell oder meine Parameter falsch sind - letzteres ist klar, ersteres würde mich auch nicht wundern. Wer also Anregungen hat - immer her damit.


Die Eingangsfrage wurde auch noch nicht geklärt. Da könnte man die auf m1 und m2 einwirkenden Kräfte berechnen, Federwege begrenzen, korrekte Werte für die Dämpfung annehmen (sowieso), das alles nach den gesuchten Werten umstellen etc. pp. Mach ich jetzt aber nicht mehr, eher ein anderes Mal.
 

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Beim Reifen musste die Dämpfung mitnehmen, Feder ist hier recht linear, Dämpfung je nach Reifen linear oder nichtlinear. Je nach Einspeichung ist die radiale Steifigkeit vom Laufrad in der Größenordnung von Reifen bzw. Gabel. Bei der Federgabel ist die Dämpfung deutlich nichtlinear, Steifigkeit in Fahrtrichtung (rechtwinklig zur wirkrichtung) kann auch nur in sehr einfachen Modellen vernachlässigt werden.
Wirds grob spielt der Fahrer deutlich rein, mindestens noch ne Dritte Masse, hier ist aber die zu berücksichtigende Masse und insbesondere die Wahl von Feder- und Dämpfungskonstanten sehr schwierig.

Mit nem Mehrkörpersimulationstool macht man sich das Leben wesentlich einfacher als händisch die DGLs anzupacken. Als Zielgrößen die man beobachtet kann man sich an der Schwankung der Radaufstandskraft ("Fahrsicherheit" / Grip) oder der (ggf. frequenzbewerteten) Beschleunigung der Hauptmasse (als Wert fürn Komfort) orientieren.

Wer Literatur sucht kann sich im Automobilbereich umgucken. "Fahrwerkhandbuch", "Shock absorber handbook", "Fahrdynamiksimulation", "Vertikaldynamik".

Falls nicht bekannt, schon was älter, geht aber in die Richtung: http://www.mtb-news.de/news/2012/12...rce=forum&utm_medium=teaser&utm_campaign=news.

Grüße,
Jan
 
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