euphras
Mittelklassebiker
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Während meiner Jahre als Radfahrer habe ich bestimmt über ein halbes Dutzend Schaltwerke verschlissen, häufig war eine gebrochene Parallelogrammfeder der endgültige Grund für die Pensionierung des SWs. Beim letzten gebrochenen XC Pro SW beschloß ich, eine Entnietung des Parallelogrammkäfigs zu versuchen, um eine Ersatzfeder installieren zu können. Diese SW-Bastelei habe ich fotografisch dokumentiert, einen Blog Text in deutsch und englisch erstellt und möchte die Doku hier mal vorstellen.
An dieser Stelle sei Frank (SYN-CROSSIS) ganz herzlich gedankt, er war so nett, mir ein Teileträger XC Pro SW zur Verfügung zu stellen.
So, ich hoffe, die Bilder geben Euch mal eine Anregung für besonnenes winterliches Basteln.
An dieser Stelle sei Frank (SYN-CROSSIS) ganz herzlich gedankt, er war so nett, mir ein Teileträger XC Pro SW zur Verfügung zu stellen.
Suntour Schaltwerke sind solide konstruierte Komponenten, die problemlos eine hohe Laufleistung erbringen können. Aber auch sie erleiden im Langzeitbetrieb Verschleiß, der schließlich zum Ausfall führt. Nach meiner Erfahrung ist es häufig die noch nicht linear arbeitende Feder des Parallelogrammkäfigs, die brechen kann und so das Schaltwerk unbrauchbar macht. Wie aber kann man diese Feder ersetzen, schließlich sind die Schaltwerkskäfige von Suntour ähnlich wie die von Shimano vernietet und nicht wie z. B. bei Mavic voll zerlegbar ausgelegt?
Diese Anleitung soll anhand von Fotos zeigen, wie Suntour Schaltwerke so zerlegt werden können, daß fehlerhafte Teile durch Ersatzteile aus "Organspendern" ersetzt werden und der Mechanismus anschließend wieder zu einem funktionierenden Ganzen zusammengebaut werden kann. Weiterhin soll gezeigt werden, wie eine gebrochene Feder durch eine selbst zurecht gebogene Feder ersetzt werden kann.
Zum Anfang will ich einige Begriffe erklären, die ich im weiteren Text verwende: Als Orientierung verwende ich die normale Einbauposition am Rad. Zur Rahmenmitte orientierte Teile werden als "innen", nach außen weisende als "außen" bezeichnet. Als Parallelogrammkörper bezeichne ich die beiden Teile, die die Bohrungen für die Befestigungsbolzen (kurz "Bolzen") aufweisen, die die beiden Parallelogrammarme (Innerer (IPA), Äußerer(ÄPA)) führen. Der in Fahrtrichtung hinten liegende Körper wird als "hinterer Parallelogrammkörper" (HPK), der i.Fr. vorne liegende als "vorderer Parallelogrammkörper" (VPK) bezeichnet (siehe Abb. 1). Die Gesamtheit von VPK/HPK und den Parallelogrammarmen wird als Parallelogrammkäfig bezeichnet.
Die als zerlegbar konzipierten Baugruppen eines Suntour Schaltwerkes (SW) sind die im VPK gelagerte Schaltschwinge und der Schaltwerksbolzen inklusive Spannfedern und anderen Teilen. Die komplette Schwinge kann abgenommen werden, indem die M4 Madenschraube, die mit dem äußeren Schwingenarm verschraubt ist, entfernt wird. Nun kann man die innenliegende Feder im Uhrzeigersinn entspannen und die Schwinge etwa in der 12 Uhr Position nach innen abziehen. Dabei tritt die Spannfeder der Schwinge zutage. Der Schaltwerksbolzen kann entfernt werden, indem ein auf der Innenseite montierter Sprengring abgezogen wird. Auch dieser Teil des SW ist durch eine Feder vorgespannt und muß nun entspannt werden.
Auf die Zerlegung des eigentlich nicht zerlegbar ausgelegten Parallelogrammkäfigs soll im Folgenden eingegangen werden.
Abb. 1: Um die Bolzen aus den Parallelogrammkörpern auszutreiben, muß oberhalb derer eine axiale Bohrung angelegt werden, durch die hindurch mit Hilfe eines dünnen Stahlstiftes die Bolzen nach unten hin ausgetrieben werden können.
Abb. 2: Die Anlage der Bohrung im Bereich des Gehäuses des Schaltwerksbolzens ist diffizil, da sie sehr präzise "zielen" muß, um wirklich den Bereich oberhalb des Bolzens zu treffen. Die Abbildung zeigt die relative Lage des Bohrungseintritts. Aufgrund der präziseren Steuerbarkeit verwende ich Handbohrer der Stärke 1,5 mm für die Bohrung.
Abb. 3: Nach Anbringung der Bohrungen werden die Bolzen mit dem Stahlstift und einem Hammer ausgetrieben. Als Unterlage empfiehlt sich ein weiches Holzbrett mit einer kleinen Aussparung im Bereich unterhalb des Bolzens.
Abb. 4: Um die Parallelogrammfeder auszubauen, muß die entsprechende Messingbuchse des IPA ausgetrieben werden. Dazu wird der Arm fixiert und von oben eine M5 Schraube auf die Buchse aufgesetzt und diese mit vorsichtigen (!) Hammerschlägen nach unten ausgetrieben. Nun kann die äußere Messingbuchse und die (defekte) Feder separiert werden.
Abb. 5: Falls keine original Suntour Feder zur Verfügung steht, kann man eine Ersatzfeder aus im Baumarkt erhältlichen Zugfedern (Außendurchmesser 12,5 mm, Innendurchmesser 9,5 mm, Drahstärke 1,5 mm, Edelstahl) zurechtbiegen. Um die zylindrische Form des Federkörpers während des Biegens und Schneidens nicht zu zerstören, wird dieser auf einen passenden Holzstab aufgezogen.
Abb. 6: Nach der Zurechtbiegung wird die Feder mit einem Bolzenschneider abgelängt und der IPA wieder zusammengesetzt. Diese selbst gebogene Feder bietet den Vorteil, daß man die entstehende Federspannung in gewissen Grenzen variieren kann und so ein Schaltwerk erhält, welches weniger Stellkraft benötigt. Im Foto sieht man ganz vorne die gebrochene Originalfeder, dahinter die neu angefertigte, noch nicht abgelängte Feder, die äußere Führungshülse und die Messingbuchse, in der der Bolzen gelagert wird.
Abb. 7: Ein komplett zerlegter Schaltwerkskäfig, dessen ÄPA gebrochen ist. Nach Ersatz des Arms konnte das SW wieder komplettiert werden.
Abb. 8, 9: Nach gründlicher Reinigung (und Fettung) der Einzelteile kann das Schaltwerk wieder zusammengesetzt werden. Zuerst wird der IPA ganz nach innen geklappt in den VPK eingesetzt und vernietet, dann wird der HPK angebracht und vernietet. Zuletzt wird der ÄPA montiert und vernietet, wodurch das Schaltwerk unter Spannung gesetzt wird.
Abb. 10: Das neu vernietete Schaltwerk
Die Bohrungen können entweder so belassen oder verzinnt werden, was den Eingriff nach Abschluß fast unsichtbar macht. Das Belassen bietet den Vorteil, daß das Schaltwerk jederzeit ohne großen Aufwand zu Wartungszwecken geöffnet werden kann. Auch bietet die Möglichkeit der vollständigen Öffnung von Suntour Schaltwerken die Option, aus mehreren defekten SW ein funktionales "Frankenstein"-SW zu komplettieren, da die SW der letzten Generation größtenteils untereinander kompatible Teile besitzen. Eine Ausnahme bildet nur das "Superbe Pro" SW, das eine andere Geometrie aufweist.
So, ich hoffe, die Bilder geben Euch mal eine Anregung für besonnenes winterliches Basteln.
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