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Test
Specialized Dissident Helm 2012

Bereits im Juli hatten wir euch, im Zuge der Specialized Produktvorstellung, den brandneuen Dissident DH-Helm gezeigt, mit dem die Kalifornier nun auch auf dem Markt der Full-Face-Helme voll angreifen wollen. In Whistler hatten wir die Ehre, den Dissident vorab einem exklusiven Praxis-Test zu unterziehen. Ob der junge Systemkritiker das Zeug dazu hat, die Monarchen namens TLD D3 und 661 EVO von ihrem Thron zu stoßen, verraten wir euch in dieser hintergründigen Produktvorstellung.

Die ersten Dissident Helme des Monster Energy Specialized Teams von Fairclough, Brosnan und Hill.

Specialized Dissident

Der Name sagt eigentlich schon alles – mit dem Dissident zielt Specialized unverhüllt und offensichtlich darauf ab, die alteingesessenen Monarchen von ihrem Thron zu stoßen. Nicht nur dass der Neuling dem Flaggschiff des großen Konkurrenten aus der eigenen Heimat in Sachen Optik überraschend nahe kommt, Specialized spricht noch dazu ganz offen aus, was sich jeder wohl schon denken kann: „Der Dissident soll dem Troy Lee Designs D3 Paroli bieten.“ Zudem lässt sich der Specialized Produktbeschreibung folgende Aussage entnehmen: „Der fortschrittlichste Downhill-Helm aller Zeiten.“ In Anbetracht dieser Aussage darf man anmerken, dass Specialized in letzten Jahren keinerlei Ambitionen hatte, den Konkurrenten auf diesem Markt das Wasser zu reichen. Bedenkt man weiter, dass der Specialized Deviant in Sachen Sicherheit allerhöchstens für den Freeride-Sektor geeignet war, so sind die vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden Werbesprüche zum vermeintlichen Wunderhelm doch mit großer Skepsis zu betrachten. Es bleibt demnach nur eins zu tun, den Helm im Praxis-Check auf Herz und Nieren zu prüfen.

Trotz vieler Features und hochwertigen Materialien präsentiert sich der Dissident gekonnt dezent.

Die Technik:

Betrachtet man die Fakten und Daten, die der Dissident vorzubringen hat, so möchte man der oben genannten Marketing-Aussage fast schon Glauben schenken. Der Dissident trumpft mit allen Eigenschaften auf, die ein moderner DH-Helm haben muss. Das Grundgerüst stellt ein 3K Carbon-Gewebe dar, welches durch einen darunter liegenden Faserverbund aus Carbon, Kevlar und Fieberglas zu seiner enormen Stabilität kommt – denn wenn man den Worten von Bob Lakes glauben schenken darf, entsprach der Helm in einigen Testversuchen sogar den Standards der Prüfnorm für Motocross-Helme. Das Prüfsiegel lehnte man jedoch bewusst ab, um den Einsatzzweck des Helms nicht zu verfälschen, so die Aussage der Specialized Ingenieure. Bob Lakes, das sei an dieser Stelle erwähnt, ist kein Geringerer als der sogenannte „Godfather of Motocross Helmets“. Lakes kam zu diesem Ruf durch seine herausragende Arbeit im Motocross-Sport bei der Firma Bell. Specialized verpflichte Lakes für die dreijährige Entwicklungsdauer des Dissidents und konnte somit auf das Know-how des Experten zurückgreifen. Um zu gewährleisten, dass der Helm perfekt auf dem Kopf sitzt, wird jeder erhältlichen Größe eine eigene Helmschale spendiert. Beim Großteil der Full-Face Helme im MTB-Sport erfolgt die Größenanpassung nur durch das Fitting, sprich durch unterschiedliche Stärken der Innenpolster. Damit der Helm auch bei einem schweren Sturz den Kopf nicht verlässt, kommt ein Doppel-D Verschluss aus Titan zum Einsatz. Am beeindruckendsten ist jedoch das Gewicht des Dissident – denn mit 1000 Gramm (bei Größe M) gehört der Helm zu den wahren Leichtgewichten auf dem Markt.


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Auch an den Worst Case wurde gedacht, und so ist der Dissident zum einen für ein EJECT Airbag System vorbereitet, zum anderen ist er mit dem EMT Removal System ausgestattet, welches das schnelle Entfernen der Backenpolster erlaubt, während der Helm noch auf dem Kopf sitzt. Das EJECT Airbag System macht in letzter Zeit zunehmend auf sich aufmerksam. Der Grund dafür liegt auf der Hand – es handelt sich um ein System, dass es Rettungskräften ermöglicht, den Helm ohne Belastung der Wirbelsäule vom Kopf des Gestürzten zu entfernen. Dies geschieht durch ein Luftkissen, das am Boden des Helms eingebracht ist, und den Helm durch Aufblasen vom Kopf abzieht.

Eines der wohl eher umstrittenen Features dürften die Kopfhörerhalter im Inneren des Dissidents sein. Da es aber jedem selbst überlassen sein sollte, ob er beim Biken nicht auf Musik verzichten möchte, fällt dies eindeutig in die Rubrik „nettes Feature“ – zumal es keinerlei Nachteile in Hinblick auf Gewicht und Sicherheit mit sich bringt.

Fakten im Überblick:

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Auch in der Praxis konnte der Dissident überzeugen – dank gutem Sitz fühlte ich mich zu jeder Zeit bestens geschützt.

Die Praxis:

Hält man den Helm in der Hand, so fällt einem sofort das geringe Gewicht auf. Nimmt man ihn in zwei Hände und legt die Kanten jeweils auf die Fingerspitzen, so fühlt er sich bestens ausbalanciert an. Des Weiteren fällt die durchweg gute Verarbeitung auf – der Einsatz von Carbon und Titan lassen den Helm sehr edel wirken. Das Design besticht durch Understatement, dürft aber in Zeiten von knalligen Farben und fetzigen Zeichnungen nicht jedermanns Geschmack treffen. Der Helm baut relativ kompakt, wodurch er bei einem Sturz wenig Angriffsfläche bietet. Die Lüftungsöffnungen fallen dezent aus und lassen vom bloßen Ansehen nicht auf einen gut belüfteten Helm schließen. Doch die Erfahrung zeigt, dass man die Belüftung eines Helms nicht von außen beurteile, kann.

Bei einem Kopfumfang von 58 cm entschied ich mich für einen Helm in Größe M. Schon beim ersten Aufsetzten merkte ich, dass der Helm perfekt an meine schmale, längliche Kopfform passt. Ausgesprochen angenehm fühlte sich der Helm an und noch dazu bestens ausbalanciert. Weder Druckstellen waren zu spüren noch hatte ich das Gefühl, dass der Helm nicht sauber anlag. Bei offenem Verschluss testete ich die Passform und den Sitz des Helms, in dem ich den Kopf mehrmals ruckartig nach vorne warf. Der Helm blieb ohne zu verrutschen dort, wo er hingehört. Auch der Kinnbügel saß in ausreichender Distanz zum Kinn, sodass es sich unter dem Helm ausgezeichnet atmen ließ.

Wie angegossen – der Dissident in Größe M bei einem Kopfumfang von 58 cm.

Auf dem Trail machte sich wieder das Gewicht und die kompakte Bauweise bemerkbar. Während man bei vielen schwereren Helmen damit zu kämpfen hat, dass der Kopf durch das Gewicht des Helmes, bei zunehmender Fahrzeit, nicht bei jeder Kompression und in jeder Kurve Richtung Boden wandert, blieb meine Kopfhaltung sowie mein Blick immer aufrecht und vorausschauend. Auch fiel mir das Atmen bei stärkerer Belastung relativ leicht, wodurch ich das Gefühl hatte, deutlich länger Leistung bringen zu können. Meine anfänglichen Befürchtungen, der Helm wäre nicht ausreichend belüftet, bewahrheiteten sich nicht – und so behielt ich stets einen kühlen Kopf. Ebenfalls angenehm machte sich das große Sichtfeld bemerkbar, durch das selbst meine voluminöse Goggle wunderbar auf meinem Gesicht auflag.

In Sachen Stabilität konnte ich den Helm bei meinem Aufenthalt in Whistler leider nicht testen – weder hatte ich einen Sturz noch die nötige Testapparatur um die Haltbarkeit sowie die Sicherheit des Helms auf die Probe stellen zu können. In Anbetracht der bereits genannten Tatsache, dass der Helm angeblich den Sicherheitsbestimmungen von Motocross Helmen entsprechen soll, blieb mir an diesem Punkt jedoch kein Zweifel.

Zum Vergleich:

[DDET Um den Vergleich mit seinen Konkurrenten zu sehen, bitte hier klicken]

Specialized Dissident:

Troy Lee Designs D3 Carbon:

661 Evolution Carbon:

Das Fazit:

Dank Theoriestunde und Praxistest war meine anfängliche Skepsis schnell verflogen. Der Helm präsentierte sich mit vielen tollen Features und konnte auch auf dem Kopf überzeugen. Neben dem Gewicht, dem großen Sichtfeld und der schönen Optik beeindruckte mich vor allem der auffallend gute Tragekomfort. Soweit ich das im Rahmen meines kurzen Praxis-Tests beurteilen konnte, scheint der Helm den selbstbewussten Werbesprüchen wohl gerecht zu werden. Der Dissident ist jedoch kein Schnäppchen, bei 399 Euro wird der Käufer tief in die Tasche greifen müssen – und das bei einem Produkt, dass nach dem ersten Sturz, eigentlich schon wieder ersetzt werden müsste. Die eingangs gestellte Frage, ob der der Systemkritiker die alteingesessenen Monarchen von ihrem Thron stoßen könne, kann ich an dieser Stelle mit einem kräftigen JA beantworten.

Stärken:

Schwächen:
  • Design nicht ganz zeitgemäß (ist jedoch immer eine Frage des Geschmacks)
  • es waren keine weiteren Schwächen festzustellen

Brendan Fairclough präsentiert uns seinen neuen Dissident Helm im Monster Energy Design.

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Bilder von Fabio Schäfer und Maxi Dickerhoff

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