Happy_User schrieb:
Die spinnen die Belgier.
HU
Holger, du gibst mir das absolut passende Stichwort. Es folgt der (etwas längere)Bericht über die LCMT 2005.
"4 Tage baden in Vollmilch oder Zartbitter "
oder "Die müssen verrückt sein, die Belgier"
Vatertag brachen mein Trainingspartner Bernd und ich zu unserer Unternehmung LCMT 2005 auf. Die Sonne schien und wir waren guter Dinge, obwohl die Wettervorhersage alles andere als gut war. Doch der Reihe nach. Treff war an der Sporthalle in Angleur. Dort war die sogenannte "Permanentie", was soviel wie Anmeldung heißen dürfte. Wir nahmen unsere Tüte mit Roadbook, Riegeln usw. und unsere Startnummer (wow! mit vorgedrucktem Namen) in Empfang und Bernd meldete sich zur Chrono, einem Teilabschnitt der jeweiligen Tagesstrecke, der mit Zeitnahme gefahren wird) an. Es blieb noch Zeit für einen Becher Kaffee und um 11.00 startete die wilde Lucie. Ein ca. 400 Biker starkes Feld wurde mit Polizeibegleitung durch Lüttich geführt. Und dann ging's los. Wir nahmen die ersten Proben Vollmilch. Durch den vielen Niederschlag an den vorherigen Tagen waren die Pfade ziemlich aufgeweicht. Die vielen Stollenreifen sorgten dafür, dass die Pampe schön durchquirlt wurde und so hatte man an vielen Stellen den Eindruck durch Schokolade zu fahren. Und je nach Bodenart durch helle oder dunkle Schokolade. Aber es sollte im Verlauf der 4 Tage noch schlimmer kommen, aber dazu später mehr.
Nach 95km und ca. 2.200 Höhenmetern erreichten wir bei viel Sonnenschein müde aber erschöpft das Ziel in Houffalize. Unterwegs hatte ich mich einige Male in die Schokolade gelegt und einmal war ich beim Wegrutschen auf einem Fels sogar ziemlich schmerzhaft mit der linken Hüfte aufgeschlagen. Da hätte ich mir eigentlich etwas Zartbitterschokolade gewünscht. Insofern war auch die Nacht etwas unruhig.
Am nächsten Tag sollte es bis Luxemburg gehen. In der Nacht hatte es schon geregnet und es nieselte beim Start. Los ging's über eine alte Eisenbahntrasse mit dicken Schottersteinen, um schließlich nach 25 Kilometern und vielen Schokoladen-Wiesentrails die erste "Bevorrading" zu erreichen. Mann, waren die 25km lang. Jeden Meter musste man sich mühsam erkämpfen. Ich hab' mich mehrmals umgesehen, ob sich nicht doch einer hinter mich gehängt hatte und sich ziehenließ. Die Schokolade sorgte dafür, dass die
Reifen sich ruckzuck zusetzten, eine Reifenbreite von mindesten 2,5" aufwiesen und slickartig wurden. Ich entschloss mich, abzukürzen und mich auf die Suche nach dem aus der Roadbook-Karte ersichtlichen parallel verlaufenden Rücktrail zu begeben. Also ca. 7km auf der Straße absolviert und tatsächlich auf Anhieb den Einstieg wieder gefunden. Am Ende standen ca. 60km und ca. 800 Höhenmeter auf dem Tacho. Bernd ist übrigens die volle Strecke von 110km gefahren und wusste zu berichten, dass ihm nach der 2. "Bevorrading" viele Biker entgegengekommen sind, die zum Start zurückfuhren. Er ist aber an diesem Tag, wie so viele andere, aus der Chrono-Wertung wegen Überschreitung des Zeitlimits rausgefallen. Leider habe ich an diesem Tag die Kamera vergessen, so dass es keine Bilder von diesem Tag gibt.
Was sollte der 3. Tag bringen? Konnte es noch schlimmer kommen? Es konnte! Es goß aus Eimern. Trotzdem machten sich ca. 150 (von 400!) Biker auf den Weg. Und die Schokolade entwickelte sich an vielen Stellen zum Schokoladenpudding und manchmal sogar zum Kakaotrunk. Kurze Zeit später waren wir klatschnaß, die Schuhe sifften durch und die Füße wurden nach und nach zu gefühllosen Eisklumpen (Schokoladeneis!). Die 25 Kilometer bis zu ersten Verpflegung wurden noch länger und schwerer als am vorherigen Tag. Dort ließen sich von den 150 Bikern einige abholen und viele fuhren über Straße zurück nach Houffalize. So schnell wollte ich mir den Spaß aber nicht nehmen lassen. Auch an diesem Tag kürzte ich ohne jegliches schlechtes Gewissen ab und suchte mir den Einstieg in den Rücktrail. Auch den fand ich wieder mal problemlos. Und gut so, denn es warteten wieder einige knifflige und durch den immer noch andauernden Regen sehr knifflige Trails auf mich. Nach 60km kam ich total durchgefroren, pudelnaß und dreckig wie ein Schwein wieder im Hotel an. Dort wartete wie jeden Tag zuerst die bekannt gute belgische Reisfla, dann der Bikewash und schließlich der Bikerwash unter der warmen Dusche. Heizung auf volle Pulle und dann noch mal die Trails vor dem geistigen Auge vorbeiziehen lassen. Klasse! Zum Abschluß kümmerte ich mich dann noch um mein Rad, nachdem die dicksten Tropfen am Rahmen getrocknet waren. Meine Ahnung hatte mich nicht getrogen. Auf dieser Etappe habe ich tatsächlich einen kompletten Satz
Magura-Marta-
Bremsbeläge verschließen. Ziemlich teure Etappe. Bernd ist übrigens wieder die volle Etappe von 108km Länge gefahren. Hut ab!
Am 4. Tag war kein Abkürzen möglich. Brauchte man auch nicht, weil die Wettervorhersage neben einigen Regengüssen auch "perioden met zon" angekündigt hatte. Zuerst ging's mal wieder durch Schokolade und dann doch auch einige Zeit immer wieder über Asfaltstücke. Gut so! Zur Begrüßung gab's in Burg Reuland den ersten Hagelschauer. Verflixt, plötzlich streikte meine Schaltung. Die hatte doch trotz stetigem Schokoladebeschuß bisher problemlos funktioniert. Und das auch noch in einer Passage (natürlich durch dicksten Schlamm), in dem ich das kleinste Kettenblatt am dringensten gebraucht hätte. Half alles nichts, blieb nur absteigen und schieben. An der nächsten "Bevorrading" sprühte der Bikemechaniker dann die Kette dick ein und ab da funktionierte alles wieder einwandfrei. Durch St. Vith und parallel zur Autobahn kämpften wir uns bei starkem Gegenwind dann weiter dem Finale in Stavelot entgegen. Die Stücke mit Schokolade wurden weniger, dafür gab's dann die typischen Ardennen-Schotterwege auf denen man gar nicht so richtig ins Rollen kommt. Dazu kam dann noch der ein oder andere Hagelschauer. Die darauf folgende Sonne trocknete und wärmte uns dann aber wieder.
Das Roadbook berichtete, dass wir ab der dritten Verpflegung langsam ans "uitbollen" denken könnten. Ich hatte das als "langsam ausklingen" übersetzt, aber anscheinend war das Gegenteil gemeint. Kurz vor Stavelot startete das "Finale Furioso". Das LCMT-Team hatte noch mal all das im Übermaß ausgepackt, was die LCMT 2005 prägte, nämlich Vollmilch- und Zartbitter-Schokolade, Mousse au Chocolat und Kakaotrunk mit dem Paukenschlag zum Schluß. Gewohnt, durch Pfützen einfach durchzufahren, obwohl man deren Tiefe nicht kannte, wollte ich das einer wegbreiten genauso wie bisher machen. Als mein Bike bis zum Oberrohr unter Wasser stand, konnte ich mich nur mit einem beherzten Sprung ans nahe Ufer retten. Die Belgier müssen wirklich verrückt sein! Kurze Zeit später konnten wir dann Stavelot im Tal liegen sehen. Ein letzter rasanter Downhill auf Asfalt nach Stavelot in einem wieder einsetzenden Hagelschauer bildete den krönenden Abschluß der LCMT 2005. Durchgefroren aber glücklich, es geschafft zu haben, konnten wir uns dann (leider etwas kalt) duschen und in warme Klamotten schlüpfen.
Fazit:
Die Organisation nähert sich langsam dem Perfektionismus. Ausschilderung, Verpflegung auf der Strecke und im Hotel kaum noch zu verbessern. Nur das Wetter können sie natürlich nicht wunschgemäß bestellen. Diejenigen, die schon mehrmals an einer LCMT teilgenommen haben, haben mir beigepflichtet, dass die LCMT 2005 die schwerste bisher war. Um das zu verdeutlichen zum Abschluß nur noch mal ein paar Zahlen. Eine einzige Frau (von den ca. 20- 30 Teilnehmerinnen) ist alle Etappen komplett gefahren. Von den ursprünglich ca. 100 Teilnehmern an der Chrono sind am Schluß ca. 35 übriggeblieben. Alle anderen Teilnehmer können das LCMT-Trikot ohne Zweifel als Auszeichnung tragen.
Die Bilder zum Bericht gibt's auf meiner Homepage
vom 5.5.05
vom 7.5.05
vom 8.5.05
und weitere
auf der Spezialseite der belgischen Mountainbike