MTB Unterharzumfahrung am 13.07.2005
Für meine Mountainbikefreunde will ich eine Strecke in das nördliche Harzvorland zur Teufelsmauer erkunden.
Die Tourvorbereitung ist nicht optimal denn ein wirklich wichtiges Utensil, die Rad- und Wanderkarte vom Harz, ist nicht mehr auffindbar. Da ich in den letzten Tagen meine innere Ruhe wieder gefunden habe, setze ich mich schon am Vorabend hin und überlege wann ich sie zum letzten Mal benutzt und gesehen habe. Am Tourmorgen wird meine Suche dann doch etwas hektischer, aber vergebens. Also kaufe ich kurz nach neun eine Neue um die Ecke im Buchladen.
Ein bisschen aufgeregt bin ich außerdem, da ich mir vorgenommen habe eine sehr lange Tour zu fahren. Da muss man an vieles denken, Werkzeug und Ersatzmaterialien, Erste Hilfe Pflaster, ausreichend Essen mit Notrationen und vor allem Trinken.
Die Runde beginnt in Sangerhausen City über den Stadtteil Othal unter der Umgehungsstraße hindurch über hervorragend ausgebaute Wirtschaftswege nach Oberröblingen.
Auf dem alten Bahndamm, der heute ein asphaltierter Radweg ist fahre ich über Niederröblingen nach Allstedt. Dort mache ich eine dreiviertel Stunde Rast bei meinen ehemaligen Kollegen, Zeit um schon mal einen kleinen Molkedrink und einen Müsliriegel zu mir zu nehmen.
In Allstedt geht es am Bad vorbei, wo ich dann auf einen geschotterten Weg ins Rhonetal einbiege, vor mir ist das Schloss Allstedt (1. Bild). Dort fahre ich auf Wiesenwegen am Kloster (2. Bild) nach Wolferstedt, halte mich nördlich und komme an den Autobahnparkplatz Rhonetal, von wo aus ich den Blick (3. Bild) auf den Galgenberg bei Wolferstedt und die Schachthalde Nienstedt einfange.
Über eine kleine Autobahnbrücke geht es dann umsäumt von Getreidefeldern nach Liedersdorf. Dort führt meine Tour vorbei an der kleinen und anheimelnden Dorfkirche nördlich bergan in Richtung Klosterode. Auf dem Bergrücken kann ich in Richtung Osten den Ort Bornstedt mit der Schweinsburg sehen.
Beim kreuzenden Feldweg halte ich mich rechts und verpasse beinahe links die Einfahrt in den schattigen Waldweg auf dem man anschließend über einen mit losem Geröll gepflasterten Schlangenweg bergauf nach Blankenheim kommt. Dort kreuze ich die Bundesstraße halte mich im Ort immer gerade aus bis ich auf den alten Postweg nach Emseloh treffe.
Nach der Waldpassage geht es auf einer gut geschotterten Piste zu einer Wegschranke hinauf, danach biege ich rechts direkt auf den ausgeschilderten Weg nach Pölsfeld ein. Weil dieser Weg nicht genutzt wird, außer von ein paar verirrten Wanderern und übermotivierten Mountainbikern, wächst er derart zu, dass man Zweifel hat ob man irgendwo ankommt. Alles wird gut, denn der Weg mündet an einer schattigen Waldkante auf einen asphaltierten Wirtschaftsweg.
Zeit für eine Rast um ausgiebig in die Landschaft zu schauen (4. Und 5. Bild), zu trinken, zu essen und die Trinkflaschen am Fahrrad mit den im Rucksack reichhaltigen mitgeführten Vorräten aufzufüllen. Die Erleichterung des Rückens ist beim Weiterfahren spürbar. An der Bundesstraße B 86 lenkte ich mein Radonrad aufwärts nach links um oben gleich wieder rechts auf den Feldweg nach Pölsfeld einzubiegen. Dieser endet an der Bockwindmühle oberhalb von Pölsfeld. In einer Schussfahrt mit riskanten Sprüngen (breite gepflasterte Querrinnen) rase ich hinab in den Dorfkern, vorbei an einer schönen schlichten Kirche. Ich fahre auf die ansteigende Hauptstraße um mich nach 30m auf den ausgeschilderten Wanderweg steil bergauf in Richtung Zollhaus und Kohlenstraße zu kämpfen.
Warum macht man so was? Die Sonne knallt erbarmungslos, der Rucksack hat immer noch zehn Prozent des eigenen Körpergewichts, der Schweiß läuft auf der Haut entlang, die Lunge ist wieder nicht groß genug, die Oberschenkelmuskulatur sendet ganz eigenartige Signale an das Gehirn, der Oberkörper ist mit der Gesamtsituation ebenfalls nicht zufrieden, da man ihn stark zum Lenker hinzieht um überhaupt auf dem Rad zu bleiben und tief im Inneren fragt noch der Bruder Schweinehund wann sind wir endlich da.
Die Antwort ist nicht ganz leicht, weil sie sehr komplex ist, aber die Bilder 6 und 7 lösen die Frage zum Teil, die Begeisterung an unserer wunderschönen Natur. Jeder Mountainbiker hat sicher nicht die gleichen Motive, aber man spürt schon sehr intensiv dass man lebt und dass es neben dem ganz normal gewordenen täglichen Wahnsinn einen Bereich gibt, den man nur allein bestimmt und das tut vielen gut.
Nach dem Blick zurück auf Pölsfeld geht es wieder vorwärts zum Zollhaus und auf die Kohlenstraße. Die Tour führt weiter über Die Lust, an der Wüsten Kirche vorbei nach Friesdorf, wo mich eine rasante Abfahrt auf einer überalterten Asphaltstraße mit großzügigen Schotterstrecken erwartet.
Auf der Wipperbrücke (8. Bild) genieße ich einen kurzen Moment die Gelassenheit, die ein ruhig dahinplätscherndes Flüsschen verströmt. Im Wippertal nutze ich bis in den Ort Rammelburg die wenig befahrene Straße. Dort kommt man auf ein Plateau von dem aus man rechts auf den teilweise steilen Wanderweg zur Raststätte Rammelburgblick (9. Bild) gelangt. Auf der Höhe des Parkplatzes überquere ich die B 242, rutsche und rolle auf einem zeitweise sehr steilen mit losem Schotter belegtem Waldweg im Einetal nach Stangerode (10. Bild). Der Wegweiser zeigt die Richtung. Zwischen zwei Wildgehegen strample ich hinauf und biege am Ende des Zauns gleich rechts ab, um auf den Weg zu kommen den ich hätte eigentlich fahren können, aber der ist noch steiler und vor allem zerfahrener. Mit meinem Rucksack bin ich noch zu unbeweglich zum Klettern und außerdem fühlen sich meine Beine schwer an.
An einem völlig neu errichtetem Wegweiser nehme ich erneut, ohne meine neue Karte benutzen zu müssen, die Orientierung wieder auf und entscheide mich Neues auszuprobieren und fahre nicht über Pansfelde in Richtung Gartenhaus. Eine hügelige Streckenführung mit wieder zusammentreffenden Wegen macht mich misstrauisch was die Ausschilderung angeht. Echte Zweifel befallen mich als der Weg sich mehrfach gabelt und in Abenteurermanier keine Hinweisschilder mehr angebracht sind. Ich orientiere mich an der Sonne westlich (hat man schließlich vor 30 Jahren mal gelernt). Die Strecke führt zum Teil durch schattigen Wald, was sehr angenehm ist und leider auch immer wieder bergauf, das ist nicht mein Tag. Spannend wird es als ich auf eine orangefarbene VW T4 Pritsche mit großem Fahrerhaus stoße, denn diese versperrt den Weg. Rechts vorbei geht nicht, da dort zu viele Brennnesseln stehen, außerdem sind die beiden Fahrerhaustüren auf dieser Seite geöffnet, in denen gebannt mehrere Kollegen von der Straßenmeisterei stehen und einer Unterweisung lauschen, und das bei dieser Hitze. Es bleibt mir nur die linke Seite mit den Dornenbüschen, ich nehme Blickkontakt mit einem Kollegen auf der rechten Seite auf, um sicher zu sein, dass ich niemanden erschrecke. Leider ist der Himbeerstrauch sehr stachelig, so dass ich mich aufschramme. Im gleichen Moment erschreckt sich der Kollege der die Unterweisung leitet. Ich schaue ihn entschuldigend an und sehe, dass er an Stelle von Karteikarten, Skatkarten in der Hand hält und im Moment das Spiel bestimmt.
Der Weg endet an der Straße zwischen Pansfelde und dem Gartenhaus, gegenüber setzt sich der Weg bis zum Gartenhaus (11. Bild) aber fort. Dort mache ich wieder Rast und genieße 0,75 l Molkedrink mit Vitaminen, na wenn das nicht endlich hilft meine Beine zum Leben zu erwecken. Es hilft nicht meine Beine zu beleben, zumindest nicht sofort.
Weiter geht es zur Burg Falkenstein, denn ich erinnere mich an einen sehr steilen Aufstieg aus dem Selketal zur Burg, schließlich will ich auch Single Trial Spaß haben und nicht nur Kilometer schrubben. An der Burg Falkenstein (12. Bild) geht rechts tatsächlich über ein paar Stufen ein Weg nach unten, mein Herz klopft ein wenig kräftiger, es sieht nach gut dosiertem Bremseneinsatz aus. So ist es. Nach ein paar Metern schlägt das Herzklopfen in Freudenklopfen um, bis ich ein bergab laufendes Ehepaar überhole und feststelle, dass an der Hundeleine kein Hund ist. Weiter vorn erkenne ich eine schmutziggraue Fußhupe, die wie richtige Wauwaus unberechenbar sind. Als ich auf gleicher Höhe bin, denke ich was es für ein ekelhaftes Geräusch geben muss, wenn er bei einem Angriff in mein Vorderrad kommt und ich ohne zu bremsen und ohne Rad ins Tal rolle. Es gibt auch gute Hunde, er interessiert sich überhaupt nicht für mich, toll.
Im Selketal halte ich mich flussabwärts bis zur Gaststätte und biege links auf den ausgeschilderten Naturlehrpfad am Flüsschen Selke (13. Bild) in Richtung Meisdorf ein. Im Ort geht dann ganz steil links hinauf der R1 Radweg vorbei an einem Golfplatz in Richtung Opperode/ Ballenstedt. Ich staune wie viele Menschen keinen Sex mehr haben und nun Golf spielen, dabei müsste ich ganz ruhig sein, denn den Radfahrern sagt man ja nach, das es nach übermäßigem Genuss ebenfalls nicht mehr ginge. Aber ich denke, beide Aussagen kommen von Leuten die gar keinen Sport treiben.
Plötzlich wirkt der Molketrunk, es geht leicht bergab das Rad rollt fast allein und außerdem zeigt sich eines der eigentlichen Ziele meiner Erkundungsfahrt, die Gegensteine.
Schon kurz vor Opperode hört der sagenumwobene Radweg R1 (ich glaube Masursche Seenplatte bis Paris) auf und ich wühle mich auf der Straße nach Opperode und durch Ballenstedt in Richtung Rieder/Gernrode. Kurz vor dem Ortsausgang fahre ich in eine Straße die zum frisch sanierten Schlosspark (14. und 15. Bild) führt. Diesen schaue ich mir an und verbinde es mit einer ordentlichen Brotzeit aus meinem noch immer schwer gefülltem Deuter Bike 1. Nun geht es zu den Gegensteinen, die eigentlich das bekannte östliche Ende der Teufelsmauer bilden. Kennt ihr die Sage? Keine Angst ich wollte euch nicht erschrecken, oder wie meine Familie immer sagt, Papa bitte die kurze Version. Sie interessieren sich einfach nicht für Details.
Vom Schlosspark rolle ich die Straße wieder hinab und einfach über die Bundesstraße drüber weg nach Norden, noch sind sie nicht zu sehen. Nach einer Rechtsabbiegung und dann noch mal nach links ist man auf gutem Weg und sie werden immer größer, so dass ich ein Bild (16) von Beiden mache. Der Weg geht an einem Durchbruch weiter gerade aus, aber ich schiebe mein Bike links eine kurze steile Passage hinauf. Ein schmaler Wiesenweg führt ins Schafgrasland mit völlig eigener Flora durch ein Naturschutzgebiet unterhalb des Schiffes (17. Bild) und der Lokomotive (18. Bild) entlang. Es ist für mich ein Genuss allererster Güte, weil es hier anders ist und Erinnerungen an die Kindheit wach werden. Man fühlt sich durch diese Eindrücke viel weiter weg, als man es tatsächlich ist.
Nördlich hinter diesem Stück Teufelsmauer ist ein Sportflugplatz und eine Schießanlage ist auch in der Nähe. Ich folge dem Wiesenpfad weiter in Richtung Westen, bis ich an eine Straße komme und fahre diese in südlicher Richtung steil hinauf. Auf dem Kamm muss doch ein Weg weiter nach Westen führen, so ist es und ich lande an der Roseburg (wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von einem reichen Romantiker gebaut, einfach schön). In der Gasstätte Zum Burggraben trinke ich zwei große Gläser gekühltes Mineralwasser. Was für ein Genuss nach den vielen Sportdrinks und kohlenhydratreichen ACE-Säften.
Vom Burggraben aus muss ich 400m auf der Bundesstraße in Richtung Rieder fahren und lenke mein Rad am Ende der Roseburg rechts über einen kleinen Bach um diese herum und biege dann links auf einen mit Gras bewachsenen Feldweg wieder nach Westen ein. Vorbei am dicken Stein, der wie ein kurzer, dicker, schwarzer Daumen aussieht und ebenfalls ein Überbleibsel der Teufelsmauer ist, bringen mich ein paar groß übersetzte Pedalumdrehungen nach Rieder. Wenn man auf diesem Hügelrücken in Richtung Osten fahren und schieben würde, träfe man auf noch ein faszinierendes Sandsteingebilde, das aussieht wie eine Kutsche. Man müsste aber wirklich gründlich suchen, denn diese Stelle ist von Büschen überwuchert.
Ich durchfahre Rieder auf der alten Hauptstraße und übergangslos beginnt Gernrode, noch vor dem Bahnübergang ist der R1 ausgeschildert, dem ich folge. An einer Stelle wo Gernrode parallel zum R1 am Hang liegt, bleibe ich kurz stehen, um den Ort mit seiner über 1000 jährigen Stiftskirche zu bewundern. Über die Bückemühlen windet sich der Radweg bis nach Neinstedt, dem letzten Ziel auf dieser Tour im nördlichen Harzvorland.
In Neinstedt frage ich um Zeit zu sparen, ein freundlich aussehendes Rentnerpaar nach dem Weg zur Teufelsmauer: Die Straße Richtung Weddersleben, an den Bahnübergängen rechts halten, über die Bodebrücke und dann gleich wieder links.
Meine zweite Frage nach dem Weg über Stecklenberg in Richtung Friedrichsbrunn bekomme ich erst nach Musterung meines Gesamtzustandes und technischen Merkmalen meines Mountainbikes beantwortet. Da ich aber nicht die Straße sondern den auf der Karte eingezeichneten Kaiserweg fahren will, frage ich nach und bringe das Pärchen fast zum Streit. Der aber entsteht nur dadurch, dass mir die Frau noch immer nicht zutraut durch den Wald auf dem Rad nach oben zu fahren. Die Hinweise des Mannes sind aber auch nicht so reichhaltig, dass ich schon eine Entscheidung über die Route treffen könnte.
Nun fahre ich erst einmal Teufelsmauer (19. Bild) gucken, wie beschrieben. Auf dem Weg dorthin entschließe ich mich jüngere, sportlich aussehende Leute noch mal nach dem Weg zur Victorshöhe zu fragen. Gedacht, getan. Auch die beiden jungen Männer können sich nicht vorstellen, dass ich das in diesem Leben noch schaffen könnte und geben mir durch das Anzeigen der mich zu erwartenden Steigungen zu verstehen, noch mal über die Fortführung meiner Reise nachzudenken. Nun bin ich zutiefst beeindruckt und meine Knie geben ein wenig nach.
Ich fahre zurück durch Neinstedt nach Stecklenberg. Dort überkommt mich wieder das große Verlangen nach gekühltem Mineralwasser, leider habe ich nur noch Sportdrinks und Saft. Auf Grund meines nun schon geschulten Orientierungssinns befahre ich in Stecklenberg das richtige und einzige Tal. Nur was meinen Nachschub mit Mineralwasser angeht bin ich unentschlossen. An einem Wegweiser werden viele Wege nach Rom beschrieben, so dass ich nicht viel schlauer bin als in Neinstedt. Ich schaue zur Uhr und fahre los, was soll auch werden. Wieder Zweifel was die Ausschilderung angeht, da die Schilder in verschiedenen Richtungen angebracht sind, was verschiedene Deutungen zulassen kann, ich bin genervt.
Das Glück ist mir Hold und ich sehe eine noch geöffnete Miniverkaufstelle, wo mir ein Mann für 60 EUROCENT 1 Liter gekühltes Mineralwasser verkauft, ich schöpfe frischen und gekühlten Mut was die Ausschilderung und die beschriebenen Steigungen angeht.
Man irrt zu oft im Leben, nach einem Kilometer Bergauffahrt weisen die dämlichen Wegeschilder einen Kilometer mehr Distanz nach Friedrichsbrunn aus als vorher. Meine neu erworbene Rad- und Wanderkarte Harz will mir aber auch nicht sagen was hier falsch läuft.
Da ich von einem guten Mountainbikefreund den Hinweis mit der versteckten Aufforderung bekam, mal den richtig steilen Anstieg zu fahren, entscheide ich mich für die nicht fahrbare, weil zu steil und vom Holzrücken zerstörte Fahrspur und das in meinem Zustand. Ich muss schieben, selbst dabei gerate ich fast ins Stolpern. Das ist falscher Ehrgeiz. Ich hoffe auf eine Wende, der Berg geht so sehr nach oben, dass ich nicht nach ganz oben schauen kann, ohne nach hinten überzukippen. Eine breite, mit kleinen Steinen geschotterte, steile aber eindeutig fahrbare Waldstraße kreuzt meinen Weg und ein neues Schild am Baum mit der Nichtanerkennung der bereits gefahrenen und geschobenen Strecke nach Friedrichs-brunn.
Jetzt werde ich zornig und meinen Beinen geht es endlich besser, das ist vielleicht der Berg
auf den sie gewartet haben. Mein Blick auf meinen Tacho lässt mich freudig erkennen, dass
diese Tour, was die Gesamtstrecke und die dabei erreichten Höhenmeter angeht, eine neue Marke festschreiben wird. Achtung eine Endorphinwelle. Ich finde meinen Rhythmus und drehe gleichmäßig wie ein Uhrwerk, ungeachtet der variierenden Steigungen, meine Schimano Hollowtech II Kurbel.
Ich gewinne Höhenmeter an Höhenmeter und bin laut Höhenmesser schon fast auf dem Niveau von Friedrichsbrunn. Ein Blick auf die Kilometeranzeige weckt mich je aus meinem Traum, da ich noch einige Kilometer bis Friedrichsbrunn vor mir habe und mir ein so großes Hochplateau nicht bekannt ist. Die Endorphine sind völlig legale Motivationshormone und so komme ich doch gut voran, folge wunderbar ausgebauten Waldwegen und übersehe, dass die Streckenführung auf der Karte eine andere Linie ist. Auf den beiden Waldbildern (20. und 21.) frage ich mich: Wo bin ich? Nach dem Verzehr meiner letzten Vollkornsschnitten mit Honig, fasse ich den richtigen Entschluss und fahre wieder in Richtung Westen.
Ich strande am nördlichen Ortsausgang von Friedrichsbrunn, ab hier brauche ich keine Karte mehr.
Ein Tachostand von 119km und die Freude auf eine tolle Abfahrt am Märchenwald (Urlaubersiedlung mitten im Wald) vorbei, ein paar Teichen und durch das Friedenstal nach Alexisbad, zementieren ein breites Grinsen in mein Gesicht. Auch die so geliebte, wie gehasste alte Rodelbbahn (22. Bild) können daran nichts mehr ändern, nun habe ich mich endlich warm gefahren.
In Harzgerode nehme ich an einer nicht öffentlichen Quelle 0,75 Liter gekühltes Mineralwasser zu mir, durchfahre Harzgerode am neuen Freibad hinauf an der Albertine vorbei. Der Wirtschaftsweg ist sehr gut ausgebaut und in einer Senke erhasche ich einen kurzen Blick auf den Teufelsteich. In Neudorf will ich so fahren, dass ich über eine kleine Brücke nach Dankerode komme. Leider haben Waldarbeiter ein völliges Chaos zurückgelassen, so dass ich mein Bike schieben und tragen muss.
In Dankerode komme ich an der Jägerschenke (23. Bild) vorbei, die auf eine lange Geschichte in der Gastronomie verweisen kann. Nun nehme ich einen mir bekannten Weg am Campingplatz vorbei und folge nicht der gut gemeinten Ausschilderung ins Wippertal, es wird wieder echt crossig. Dafür werde ich durch eine längere Verweildauer im schönen Tal entschädigt und bewege mich zielstrebig auf den Stau-see zu. Tolles Panorama, bleibende Eindrücke (24. Bild) lassen mich kaum spüren, dass ich nun fast 8h Fahrzeit und über 140km in den Beinen und Gesäß habe. Dazu tragen auch meine letzten Neuan-schaffungen bei, eine Fahrradhose von Gore (Modell F1 in Zusammenarbeit und einem Sitzpolster von Assos) und neue Handschuhe, ebenfalls von Gore mit tollen Abpolsterungen in den Handflächen, die den Druckschmerz nehmen.
Nach der Staumauer geht es weiter in Richtung Wippra, ich kreuze am Grillplatz die Wipper und rase auf dem Naturlehrpfad weiter. Der Deuter ist ganz leicht und meine Beine wollen nur treten, treten, treten. In Wippra fahre ich gleich am Neubaublock durch den Wald eine kurze und steile Passage nach Hayda hinauf, weiter in Richtung Stern (große Waldkreuzung) biege auf die Kastanienalle ein, passiere den Wildenstall und den Kunstteich. Der Trial am Stausee entlang ist bei der stark abnehmenden Helligkeit nicht mehr mit vollem Speed fahrbar, muss auch nicht, jetzt kommt nur noch genießen. Über den Bergbaulehrpfad komme ich nach Lengefeld und biege im Dorfkern südlich in Richtung Sangerhausen und Schachthalde ein. Die Dunkelheit zwingt mich wieder ein kurzes Stück zurück, da es im Wald einfach zu dunkel ist, so fahre ich über das Waisenhaus nach Sangerhausen rein. Am Ende meiner Tour bin ich glücklich und freue mich über meine Leistung.
Es beginnt zu sacken, ich balle die Fäuste denn ein kribbeln breitet sich vom Bauch gleichzeitig in Richtung Kopf, Arme, Hände, Beine und Zehen aus. Ich friere, Gänsehaut. Das ist nur zum Teil ungefährlich denn diese überwältigende Ausschüttung von Endorphinen verlangt nach Wiederholung
Für meine Mountainbikefreunde will ich eine Strecke in das nördliche Harzvorland zur Teufelsmauer erkunden.
Die Tourvorbereitung ist nicht optimal denn ein wirklich wichtiges Utensil, die Rad- und Wanderkarte vom Harz, ist nicht mehr auffindbar. Da ich in den letzten Tagen meine innere Ruhe wieder gefunden habe, setze ich mich schon am Vorabend hin und überlege wann ich sie zum letzten Mal benutzt und gesehen habe. Am Tourmorgen wird meine Suche dann doch etwas hektischer, aber vergebens. Also kaufe ich kurz nach neun eine Neue um die Ecke im Buchladen.
Ein bisschen aufgeregt bin ich außerdem, da ich mir vorgenommen habe eine sehr lange Tour zu fahren. Da muss man an vieles denken, Werkzeug und Ersatzmaterialien, Erste Hilfe Pflaster, ausreichend Essen mit Notrationen und vor allem Trinken.
Die Runde beginnt in Sangerhausen City über den Stadtteil Othal unter der Umgehungsstraße hindurch über hervorragend ausgebaute Wirtschaftswege nach Oberröblingen.
Auf dem alten Bahndamm, der heute ein asphaltierter Radweg ist fahre ich über Niederröblingen nach Allstedt. Dort mache ich eine dreiviertel Stunde Rast bei meinen ehemaligen Kollegen, Zeit um schon mal einen kleinen Molkedrink und einen Müsliriegel zu mir zu nehmen.
In Allstedt geht es am Bad vorbei, wo ich dann auf einen geschotterten Weg ins Rhonetal einbiege, vor mir ist das Schloss Allstedt (1. Bild). Dort fahre ich auf Wiesenwegen am Kloster (2. Bild) nach Wolferstedt, halte mich nördlich und komme an den Autobahnparkplatz Rhonetal, von wo aus ich den Blick (3. Bild) auf den Galgenberg bei Wolferstedt und die Schachthalde Nienstedt einfange.
Über eine kleine Autobahnbrücke geht es dann umsäumt von Getreidefeldern nach Liedersdorf. Dort führt meine Tour vorbei an der kleinen und anheimelnden Dorfkirche nördlich bergan in Richtung Klosterode. Auf dem Bergrücken kann ich in Richtung Osten den Ort Bornstedt mit der Schweinsburg sehen.
Beim kreuzenden Feldweg halte ich mich rechts und verpasse beinahe links die Einfahrt in den schattigen Waldweg auf dem man anschließend über einen mit losem Geröll gepflasterten Schlangenweg bergauf nach Blankenheim kommt. Dort kreuze ich die Bundesstraße halte mich im Ort immer gerade aus bis ich auf den alten Postweg nach Emseloh treffe.
Nach der Waldpassage geht es auf einer gut geschotterten Piste zu einer Wegschranke hinauf, danach biege ich rechts direkt auf den ausgeschilderten Weg nach Pölsfeld ein. Weil dieser Weg nicht genutzt wird, außer von ein paar verirrten Wanderern und übermotivierten Mountainbikern, wächst er derart zu, dass man Zweifel hat ob man irgendwo ankommt. Alles wird gut, denn der Weg mündet an einer schattigen Waldkante auf einen asphaltierten Wirtschaftsweg.
Zeit für eine Rast um ausgiebig in die Landschaft zu schauen (4. Und 5. Bild), zu trinken, zu essen und die Trinkflaschen am Fahrrad mit den im Rucksack reichhaltigen mitgeführten Vorräten aufzufüllen. Die Erleichterung des Rückens ist beim Weiterfahren spürbar. An der Bundesstraße B 86 lenkte ich mein Radonrad aufwärts nach links um oben gleich wieder rechts auf den Feldweg nach Pölsfeld einzubiegen. Dieser endet an der Bockwindmühle oberhalb von Pölsfeld. In einer Schussfahrt mit riskanten Sprüngen (breite gepflasterte Querrinnen) rase ich hinab in den Dorfkern, vorbei an einer schönen schlichten Kirche. Ich fahre auf die ansteigende Hauptstraße um mich nach 30m auf den ausgeschilderten Wanderweg steil bergauf in Richtung Zollhaus und Kohlenstraße zu kämpfen.
Warum macht man so was? Die Sonne knallt erbarmungslos, der Rucksack hat immer noch zehn Prozent des eigenen Körpergewichts, der Schweiß läuft auf der Haut entlang, die Lunge ist wieder nicht groß genug, die Oberschenkelmuskulatur sendet ganz eigenartige Signale an das Gehirn, der Oberkörper ist mit der Gesamtsituation ebenfalls nicht zufrieden, da man ihn stark zum Lenker hinzieht um überhaupt auf dem Rad zu bleiben und tief im Inneren fragt noch der Bruder Schweinehund wann sind wir endlich da.
Die Antwort ist nicht ganz leicht, weil sie sehr komplex ist, aber die Bilder 6 und 7 lösen die Frage zum Teil, die Begeisterung an unserer wunderschönen Natur. Jeder Mountainbiker hat sicher nicht die gleichen Motive, aber man spürt schon sehr intensiv dass man lebt und dass es neben dem ganz normal gewordenen täglichen Wahnsinn einen Bereich gibt, den man nur allein bestimmt und das tut vielen gut.
Nach dem Blick zurück auf Pölsfeld geht es wieder vorwärts zum Zollhaus und auf die Kohlenstraße. Die Tour führt weiter über Die Lust, an der Wüsten Kirche vorbei nach Friesdorf, wo mich eine rasante Abfahrt auf einer überalterten Asphaltstraße mit großzügigen Schotterstrecken erwartet.
Auf der Wipperbrücke (8. Bild) genieße ich einen kurzen Moment die Gelassenheit, die ein ruhig dahinplätscherndes Flüsschen verströmt. Im Wippertal nutze ich bis in den Ort Rammelburg die wenig befahrene Straße. Dort kommt man auf ein Plateau von dem aus man rechts auf den teilweise steilen Wanderweg zur Raststätte Rammelburgblick (9. Bild) gelangt. Auf der Höhe des Parkplatzes überquere ich die B 242, rutsche und rolle auf einem zeitweise sehr steilen mit losem Schotter belegtem Waldweg im Einetal nach Stangerode (10. Bild). Der Wegweiser zeigt die Richtung. Zwischen zwei Wildgehegen strample ich hinauf und biege am Ende des Zauns gleich rechts ab, um auf den Weg zu kommen den ich hätte eigentlich fahren können, aber der ist noch steiler und vor allem zerfahrener. Mit meinem Rucksack bin ich noch zu unbeweglich zum Klettern und außerdem fühlen sich meine Beine schwer an.
An einem völlig neu errichtetem Wegweiser nehme ich erneut, ohne meine neue Karte benutzen zu müssen, die Orientierung wieder auf und entscheide mich Neues auszuprobieren und fahre nicht über Pansfelde in Richtung Gartenhaus. Eine hügelige Streckenführung mit wieder zusammentreffenden Wegen macht mich misstrauisch was die Ausschilderung angeht. Echte Zweifel befallen mich als der Weg sich mehrfach gabelt und in Abenteurermanier keine Hinweisschilder mehr angebracht sind. Ich orientiere mich an der Sonne westlich (hat man schließlich vor 30 Jahren mal gelernt). Die Strecke führt zum Teil durch schattigen Wald, was sehr angenehm ist und leider auch immer wieder bergauf, das ist nicht mein Tag. Spannend wird es als ich auf eine orangefarbene VW T4 Pritsche mit großem Fahrerhaus stoße, denn diese versperrt den Weg. Rechts vorbei geht nicht, da dort zu viele Brennnesseln stehen, außerdem sind die beiden Fahrerhaustüren auf dieser Seite geöffnet, in denen gebannt mehrere Kollegen von der Straßenmeisterei stehen und einer Unterweisung lauschen, und das bei dieser Hitze. Es bleibt mir nur die linke Seite mit den Dornenbüschen, ich nehme Blickkontakt mit einem Kollegen auf der rechten Seite auf, um sicher zu sein, dass ich niemanden erschrecke. Leider ist der Himbeerstrauch sehr stachelig, so dass ich mich aufschramme. Im gleichen Moment erschreckt sich der Kollege der die Unterweisung leitet. Ich schaue ihn entschuldigend an und sehe, dass er an Stelle von Karteikarten, Skatkarten in der Hand hält und im Moment das Spiel bestimmt.
Der Weg endet an der Straße zwischen Pansfelde und dem Gartenhaus, gegenüber setzt sich der Weg bis zum Gartenhaus (11. Bild) aber fort. Dort mache ich wieder Rast und genieße 0,75 l Molkedrink mit Vitaminen, na wenn das nicht endlich hilft meine Beine zum Leben zu erwecken. Es hilft nicht meine Beine zu beleben, zumindest nicht sofort.
Weiter geht es zur Burg Falkenstein, denn ich erinnere mich an einen sehr steilen Aufstieg aus dem Selketal zur Burg, schließlich will ich auch Single Trial Spaß haben und nicht nur Kilometer schrubben. An der Burg Falkenstein (12. Bild) geht rechts tatsächlich über ein paar Stufen ein Weg nach unten, mein Herz klopft ein wenig kräftiger, es sieht nach gut dosiertem Bremseneinsatz aus. So ist es. Nach ein paar Metern schlägt das Herzklopfen in Freudenklopfen um, bis ich ein bergab laufendes Ehepaar überhole und feststelle, dass an der Hundeleine kein Hund ist. Weiter vorn erkenne ich eine schmutziggraue Fußhupe, die wie richtige Wauwaus unberechenbar sind. Als ich auf gleicher Höhe bin, denke ich was es für ein ekelhaftes Geräusch geben muss, wenn er bei einem Angriff in mein Vorderrad kommt und ich ohne zu bremsen und ohne Rad ins Tal rolle. Es gibt auch gute Hunde, er interessiert sich überhaupt nicht für mich, toll.
Im Selketal halte ich mich flussabwärts bis zur Gaststätte und biege links auf den ausgeschilderten Naturlehrpfad am Flüsschen Selke (13. Bild) in Richtung Meisdorf ein. Im Ort geht dann ganz steil links hinauf der R1 Radweg vorbei an einem Golfplatz in Richtung Opperode/ Ballenstedt. Ich staune wie viele Menschen keinen Sex mehr haben und nun Golf spielen, dabei müsste ich ganz ruhig sein, denn den Radfahrern sagt man ja nach, das es nach übermäßigem Genuss ebenfalls nicht mehr ginge. Aber ich denke, beide Aussagen kommen von Leuten die gar keinen Sport treiben.
Plötzlich wirkt der Molketrunk, es geht leicht bergab das Rad rollt fast allein und außerdem zeigt sich eines der eigentlichen Ziele meiner Erkundungsfahrt, die Gegensteine.
Schon kurz vor Opperode hört der sagenumwobene Radweg R1 (ich glaube Masursche Seenplatte bis Paris) auf und ich wühle mich auf der Straße nach Opperode und durch Ballenstedt in Richtung Rieder/Gernrode. Kurz vor dem Ortsausgang fahre ich in eine Straße die zum frisch sanierten Schlosspark (14. und 15. Bild) führt. Diesen schaue ich mir an und verbinde es mit einer ordentlichen Brotzeit aus meinem noch immer schwer gefülltem Deuter Bike 1. Nun geht es zu den Gegensteinen, die eigentlich das bekannte östliche Ende der Teufelsmauer bilden. Kennt ihr die Sage? Keine Angst ich wollte euch nicht erschrecken, oder wie meine Familie immer sagt, Papa bitte die kurze Version. Sie interessieren sich einfach nicht für Details.
Vom Schlosspark rolle ich die Straße wieder hinab und einfach über die Bundesstraße drüber weg nach Norden, noch sind sie nicht zu sehen. Nach einer Rechtsabbiegung und dann noch mal nach links ist man auf gutem Weg und sie werden immer größer, so dass ich ein Bild (16) von Beiden mache. Der Weg geht an einem Durchbruch weiter gerade aus, aber ich schiebe mein Bike links eine kurze steile Passage hinauf. Ein schmaler Wiesenweg führt ins Schafgrasland mit völlig eigener Flora durch ein Naturschutzgebiet unterhalb des Schiffes (17. Bild) und der Lokomotive (18. Bild) entlang. Es ist für mich ein Genuss allererster Güte, weil es hier anders ist und Erinnerungen an die Kindheit wach werden. Man fühlt sich durch diese Eindrücke viel weiter weg, als man es tatsächlich ist.
Nördlich hinter diesem Stück Teufelsmauer ist ein Sportflugplatz und eine Schießanlage ist auch in der Nähe. Ich folge dem Wiesenpfad weiter in Richtung Westen, bis ich an eine Straße komme und fahre diese in südlicher Richtung steil hinauf. Auf dem Kamm muss doch ein Weg weiter nach Westen führen, so ist es und ich lande an der Roseburg (wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von einem reichen Romantiker gebaut, einfach schön). In der Gasstätte Zum Burggraben trinke ich zwei große Gläser gekühltes Mineralwasser. Was für ein Genuss nach den vielen Sportdrinks und kohlenhydratreichen ACE-Säften.
Vom Burggraben aus muss ich 400m auf der Bundesstraße in Richtung Rieder fahren und lenke mein Rad am Ende der Roseburg rechts über einen kleinen Bach um diese herum und biege dann links auf einen mit Gras bewachsenen Feldweg wieder nach Westen ein. Vorbei am dicken Stein, der wie ein kurzer, dicker, schwarzer Daumen aussieht und ebenfalls ein Überbleibsel der Teufelsmauer ist, bringen mich ein paar groß übersetzte Pedalumdrehungen nach Rieder. Wenn man auf diesem Hügelrücken in Richtung Osten fahren und schieben würde, träfe man auf noch ein faszinierendes Sandsteingebilde, das aussieht wie eine Kutsche. Man müsste aber wirklich gründlich suchen, denn diese Stelle ist von Büschen überwuchert.
Ich durchfahre Rieder auf der alten Hauptstraße und übergangslos beginnt Gernrode, noch vor dem Bahnübergang ist der R1 ausgeschildert, dem ich folge. An einer Stelle wo Gernrode parallel zum R1 am Hang liegt, bleibe ich kurz stehen, um den Ort mit seiner über 1000 jährigen Stiftskirche zu bewundern. Über die Bückemühlen windet sich der Radweg bis nach Neinstedt, dem letzten Ziel auf dieser Tour im nördlichen Harzvorland.
In Neinstedt frage ich um Zeit zu sparen, ein freundlich aussehendes Rentnerpaar nach dem Weg zur Teufelsmauer: Die Straße Richtung Weddersleben, an den Bahnübergängen rechts halten, über die Bodebrücke und dann gleich wieder links.
Meine zweite Frage nach dem Weg über Stecklenberg in Richtung Friedrichsbrunn bekomme ich erst nach Musterung meines Gesamtzustandes und technischen Merkmalen meines Mountainbikes beantwortet. Da ich aber nicht die Straße sondern den auf der Karte eingezeichneten Kaiserweg fahren will, frage ich nach und bringe das Pärchen fast zum Streit. Der aber entsteht nur dadurch, dass mir die Frau noch immer nicht zutraut durch den Wald auf dem Rad nach oben zu fahren. Die Hinweise des Mannes sind aber auch nicht so reichhaltig, dass ich schon eine Entscheidung über die Route treffen könnte.
Nun fahre ich erst einmal Teufelsmauer (19. Bild) gucken, wie beschrieben. Auf dem Weg dorthin entschließe ich mich jüngere, sportlich aussehende Leute noch mal nach dem Weg zur Victorshöhe zu fragen. Gedacht, getan. Auch die beiden jungen Männer können sich nicht vorstellen, dass ich das in diesem Leben noch schaffen könnte und geben mir durch das Anzeigen der mich zu erwartenden Steigungen zu verstehen, noch mal über die Fortführung meiner Reise nachzudenken. Nun bin ich zutiefst beeindruckt und meine Knie geben ein wenig nach.
Ich fahre zurück durch Neinstedt nach Stecklenberg. Dort überkommt mich wieder das große Verlangen nach gekühltem Mineralwasser, leider habe ich nur noch Sportdrinks und Saft. Auf Grund meines nun schon geschulten Orientierungssinns befahre ich in Stecklenberg das richtige und einzige Tal. Nur was meinen Nachschub mit Mineralwasser angeht bin ich unentschlossen. An einem Wegweiser werden viele Wege nach Rom beschrieben, so dass ich nicht viel schlauer bin als in Neinstedt. Ich schaue zur Uhr und fahre los, was soll auch werden. Wieder Zweifel was die Ausschilderung angeht, da die Schilder in verschiedenen Richtungen angebracht sind, was verschiedene Deutungen zulassen kann, ich bin genervt.
Das Glück ist mir Hold und ich sehe eine noch geöffnete Miniverkaufstelle, wo mir ein Mann für 60 EUROCENT 1 Liter gekühltes Mineralwasser verkauft, ich schöpfe frischen und gekühlten Mut was die Ausschilderung und die beschriebenen Steigungen angeht.
Man irrt zu oft im Leben, nach einem Kilometer Bergauffahrt weisen die dämlichen Wegeschilder einen Kilometer mehr Distanz nach Friedrichsbrunn aus als vorher. Meine neu erworbene Rad- und Wanderkarte Harz will mir aber auch nicht sagen was hier falsch läuft.
Da ich von einem guten Mountainbikefreund den Hinweis mit der versteckten Aufforderung bekam, mal den richtig steilen Anstieg zu fahren, entscheide ich mich für die nicht fahrbare, weil zu steil und vom Holzrücken zerstörte Fahrspur und das in meinem Zustand. Ich muss schieben, selbst dabei gerate ich fast ins Stolpern. Das ist falscher Ehrgeiz. Ich hoffe auf eine Wende, der Berg geht so sehr nach oben, dass ich nicht nach ganz oben schauen kann, ohne nach hinten überzukippen. Eine breite, mit kleinen Steinen geschotterte, steile aber eindeutig fahrbare Waldstraße kreuzt meinen Weg und ein neues Schild am Baum mit der Nichtanerkennung der bereits gefahrenen und geschobenen Strecke nach Friedrichs-brunn.
Jetzt werde ich zornig und meinen Beinen geht es endlich besser, das ist vielleicht der Berg
auf den sie gewartet haben. Mein Blick auf meinen Tacho lässt mich freudig erkennen, dass
diese Tour, was die Gesamtstrecke und die dabei erreichten Höhenmeter angeht, eine neue Marke festschreiben wird. Achtung eine Endorphinwelle. Ich finde meinen Rhythmus und drehe gleichmäßig wie ein Uhrwerk, ungeachtet der variierenden Steigungen, meine Schimano Hollowtech II Kurbel.
Ich gewinne Höhenmeter an Höhenmeter und bin laut Höhenmesser schon fast auf dem Niveau von Friedrichsbrunn. Ein Blick auf die Kilometeranzeige weckt mich je aus meinem Traum, da ich noch einige Kilometer bis Friedrichsbrunn vor mir habe und mir ein so großes Hochplateau nicht bekannt ist. Die Endorphine sind völlig legale Motivationshormone und so komme ich doch gut voran, folge wunderbar ausgebauten Waldwegen und übersehe, dass die Streckenführung auf der Karte eine andere Linie ist. Auf den beiden Waldbildern (20. und 21.) frage ich mich: Wo bin ich? Nach dem Verzehr meiner letzten Vollkornsschnitten mit Honig, fasse ich den richtigen Entschluss und fahre wieder in Richtung Westen.
Ich strande am nördlichen Ortsausgang von Friedrichsbrunn, ab hier brauche ich keine Karte mehr.
Ein Tachostand von 119km und die Freude auf eine tolle Abfahrt am Märchenwald (Urlaubersiedlung mitten im Wald) vorbei, ein paar Teichen und durch das Friedenstal nach Alexisbad, zementieren ein breites Grinsen in mein Gesicht. Auch die so geliebte, wie gehasste alte Rodelbbahn (22. Bild) können daran nichts mehr ändern, nun habe ich mich endlich warm gefahren.
In Harzgerode nehme ich an einer nicht öffentlichen Quelle 0,75 Liter gekühltes Mineralwasser zu mir, durchfahre Harzgerode am neuen Freibad hinauf an der Albertine vorbei. Der Wirtschaftsweg ist sehr gut ausgebaut und in einer Senke erhasche ich einen kurzen Blick auf den Teufelsteich. In Neudorf will ich so fahren, dass ich über eine kleine Brücke nach Dankerode komme. Leider haben Waldarbeiter ein völliges Chaos zurückgelassen, so dass ich mein Bike schieben und tragen muss.
In Dankerode komme ich an der Jägerschenke (23. Bild) vorbei, die auf eine lange Geschichte in der Gastronomie verweisen kann. Nun nehme ich einen mir bekannten Weg am Campingplatz vorbei und folge nicht der gut gemeinten Ausschilderung ins Wippertal, es wird wieder echt crossig. Dafür werde ich durch eine längere Verweildauer im schönen Tal entschädigt und bewege mich zielstrebig auf den Stau-see zu. Tolles Panorama, bleibende Eindrücke (24. Bild) lassen mich kaum spüren, dass ich nun fast 8h Fahrzeit und über 140km in den Beinen und Gesäß habe. Dazu tragen auch meine letzten Neuan-schaffungen bei, eine Fahrradhose von Gore (Modell F1 in Zusammenarbeit und einem Sitzpolster von Assos) und neue Handschuhe, ebenfalls von Gore mit tollen Abpolsterungen in den Handflächen, die den Druckschmerz nehmen.
Nach der Staumauer geht es weiter in Richtung Wippra, ich kreuze am Grillplatz die Wipper und rase auf dem Naturlehrpfad weiter. Der Deuter ist ganz leicht und meine Beine wollen nur treten, treten, treten. In Wippra fahre ich gleich am Neubaublock durch den Wald eine kurze und steile Passage nach Hayda hinauf, weiter in Richtung Stern (große Waldkreuzung) biege auf die Kastanienalle ein, passiere den Wildenstall und den Kunstteich. Der Trial am Stausee entlang ist bei der stark abnehmenden Helligkeit nicht mehr mit vollem Speed fahrbar, muss auch nicht, jetzt kommt nur noch genießen. Über den Bergbaulehrpfad komme ich nach Lengefeld und biege im Dorfkern südlich in Richtung Sangerhausen und Schachthalde ein. Die Dunkelheit zwingt mich wieder ein kurzes Stück zurück, da es im Wald einfach zu dunkel ist, so fahre ich über das Waisenhaus nach Sangerhausen rein. Am Ende meiner Tour bin ich glücklich und freue mich über meine Leistung.
Es beginnt zu sacken, ich balle die Fäuste denn ein kribbeln breitet sich vom Bauch gleichzeitig in Richtung Kopf, Arme, Hände, Beine und Zehen aus. Ich friere, Gänsehaut. Das ist nur zum Teil ungefährlich denn diese überwältigende Ausschüttung von Endorphinen verlangt nach Wiederholung