Riechende Wunde
Trailsau
Da ich grad mal n bißchen Zeit habe will ich euch von meiner oberphatten 100 Km Tour auf Rügen berichten.
Dass dieses malerische Fleckchen in der Ostsee ein hinlänglich bekannter Anwärter für Deutschlands geilstes Bikerevier ist, muss eigentlich nicht weiter betont werden. Wie ein einfaches Suchergebnis hier im Forum schnell deutlich macht, sind Jockel und andere Berliner bereits hin und weg von dieser größten deutschen Insel mit über 580 Km Küstenlinie.
Ich will es trotzdem explizit ausloben:
Erdgeschichtlich werden dem geneigten Hobbygeologen (rob!) einige äußerst interessante Aspekte geboten (massig Feuersteine, Bernstein, irgendwelches versteinertes Viechzeug aus dem Paläozoikum, Faustkeilfunde, Pfeilspitzen aus der Steinzeit, etc.). Aber vor allem die abwechslungsreiche Landschaft, gespickt mit kulturgeschichtlichen Highlights, angefangen bei den frühen Kelten und ihren tonnenschweren Hinkelgräbern, über die burgenbauenden Slawenfürsten, den dänischen Rittern und Königen, schwedischen Landungsexpeditionen im 30. Jährigen Krieg und fürstlichen Prachtbauten aus dem 19. Jahrhundert, zeugen von einer oftmals kriegerischen und bewegten Vergangenheit. Auch die finsteren Nazis mussten ihre gigantomanischen Fingerabdrücke auf dieser wunderschönen Insel hinterlassen (KdF Prora!! + Rügendamm).
Den trailsuchenden Neuzeitler, in diesem Fall mich, tangiert dies jedoch in den meisten Fällen nur peripher. Er nimmt es wahr, doch während er sich heuchlerisch kulturinteressiert zeigt, tropft ihm bereits das Wasser aus dem Maul, angesichts einem absolut krassen Bikerparadies. Auch jedes einigermaßen reinrassige MTB ist in dieser Umgebung kaum mehr ruhig zustellen. Anstatt ergriffen am Königstuhl zu verweilen und Casper David Friedrichs Klassiker zu gedenken, stürzt man sich die atemberaubensten Wurzeltrails hinunter, um sogleich wieder eine Rampe aus staubfeinem Zuckersand mit tückisch angelegten Holzstufen zu bezwingen. Kilometerlange Steilküsten Singletracks, handtuchbreite Laubpfade durch golden glänzende Buchenwälder satte 80 Meter über einer türkisblauen Meeresbrandung - das alles sind Eindrücke, die mich jetzt noch tief bewegen.
Ich bin schon einige schöne Ecken abgefahren: Alpen, Schwarzwald, Gardasee, Schweden - alles hat seine besonderen Reize, doch von diesem Spot bin ich ernsthaft begeistert. Ist nicht das erste Mal, dass ich in Rügen war (Papa hat Ferienpension in Binz), aber irgendwie war ich bisher immer unfähig mein Bike dorthin mitzunehmen oder geschweige denn den wahren Wert dieses Kleinodes erkennen zu können. Auch sind mir die Forumsbeiträge entgangen und als Jockel bei einer der letzten Zusammenkünfte kurz auf Rügen zu sprechen kam, muss ich geistig umnachtet gewesen sein, denn ich weis es zwar, hab aber nicht reagiert.
Nun gut, mein Daddy hatte mich jedenfalls zum Rapport bestellt und ich kam einen Tag nach Ostermontag dort an. Die meisten Touries hatten sich bereits aus dem Staub gemacht und die Insel war mein. Kurz Mittag gefasst, Hallo zum Paps gesagt und ach du musst weg, sehr schön, ich hab nämlich auch was vor und rein ins Binzer Naherholungsgebiet, die bergige Granitz. Gleich mal den fetten Trail nach Sellin genommen, einige Spaziergänger verschreckt das ist aber doch ein Naturschutzgebiet!! und dann jeden noch so kleinen Weg rauf und runter bis ich nach 3 Stunden genug hatte. Ich dachte, dass war vielleicht ein krasses Höhenprofil und so coole Downhills, kleine Kurven mit fiesen Wurzeln drin und eben immer ne unglaubliche Optik angereichert mit frischer Meeresluft.
Der nächste Tag musste Großes bringen, dass war mir bereits nach den ersten Metern klar geworden. Ich wollte die berühmten Kreidefelsen sehen, von denen meine Oma mir schon als kleiner Junge erzählt hatte. Und ich wollte so viele Steigungen mitnehmen wie möglich und die oftmals verstopften Strassen sollten auch gemieden werden. Asphaltierte Radwanderwege mussten es auch nicht unbedingt sein, auch wenn man die nicht immer umgehen kann. Kurz und gut, ich wollte das Gesetz brechen, verbotene Pfade betreten und so viel wie möglich querfeldein fahren, auch wenn Naturschützer jetzt sicherlich Gift und Galle spucken.
Morgens um 10 Uhr gings los: blauer Himmel, steife Brise aus Südost und lustige 6 Grad. Zunächst am weißen Strand von Binz nach Prora, entlang des kilometerlangen, widerlichen KdF-Nazibaus Richtung Saßnitz. Kurz vor Alt-Mukran, mir ging der Asphalt-Sandweg allmählich auf die Nerven, tauchte ich kurzerhand in die Feursteinfelder links ab. Schon hier began ein wunderbarer Weg (Radweg) über den Galgenberg auf feinem Sand bis nach Lietzow. Dort angekommen hielt ich mich wieder nordwestlich in Richtung Neuhof auf einem weiteren, total goilen Höhenwanderweg entlang des großen Jasmunder Boddens. Eigentlich wollte ich dieser Richtung folgen bis in das Örtchen Glowe, um dort umzudrehen und dann den Nationalpark Jasmund von oben her zu bezwingen. Aber es war soo unglaublich schön, dass ich irgendwie die Abzweigung (Kilometer 30.00) verdummbeutelt habe. Mal wechselte der Untergrund zwischen Laub und Nadelwaldboden gespickt mit endlosen Wurzelhindernissen, dann kamen wieder Sandpassagen und kleine Singeltrails durch hohes Schilfgras entlang der Uferböschung. So gings gute 20 Kilometer und ständige Begleiter waren aber Hunderte prachtvoller Schwäne.
Langsam wurde es Mittag und der Hunger überfiel mich. Aber kein Haus, keine rettende Gastwirtschaft war in Sicht. Ich musste weiter, zum Glück war es bereits wenige Kilometer hinter Lietzow recht flach geworden. Irgendwann sties ich an meine Grenzen: Essen, essen war alles was meine strapazierten Hirnzellen noch aussenden konnten. Da endlich! Vor mir öffnete sich der Wald und wo ich bereits seit 10 Minuten eine lärmende Strasse vernommen hatte, lag die Ortschaft Breege. Ich war auf der Halbinsel Wittow angelangt ohne es so recht zu merken und mein Tacho zeigte bereits satte 48 Kilometer an. Und dabei hatte ich noch nicht mal den bergigen Teil der Etappe in Angriff genommen. Juut, also fett Spaghetti Napoli (die größte Portion meines Lebens innerhalb Deutschlands!!!!) an besagter Strasse im Tourismusparadies Juliusruh verdrückt, ein Erdinger dazu und ein bissl in der nun wohlig warmen Frühjahrssonne im Windschatten eines Hauses gechillt. Dann noch die Tromper Wiek, einen kilometer langen Sandstrand mit erstaunlich rauer Brandung genossen, wobei es bereits merklich frischer war und dann den Radweg entlang der Strasse zurück nach Glowe genommen.
Ab da wurds ne ernsthafte Quälerei der bisher freundlich Rückenwind lies seine Maske fallen und ich hatte echt harten, kalten Gegenwind. In Glowe schlug ich mich in die Büsche, nur um festzustellen, dass an der Küste kein Durchkommen war. Ich musste die Strasse nach Ruschvitz nehmen, bis ich an einem Ökobauernhof links wieder auf nen korrekten Wanderweg kam. Jetzt wurde es unglaublich: einer der besten Singletrails an der Steilküste entlang! Super schnell, fast alles fahrbar (es sind Treppen drin) und die ganze Zeit ne super Aussicht aufs Meer.
In Lohme kommt man dann wieder raus und von hier führt ein Wanderweg bis zum Königstuhl. Der war mir aber zu breit, kaum Steigungen und das Meer war nicht mehr richtig zu sehen. Also nahm ich wieder den Steilküstentrampelpfad doch der war ab Lohme ne echte Zumutung für Biker. Baumstamm hinter Baumstamm versperrten mir den Weg, kleine Bäche durchnässten den Waldboden und meine Klamotten bis schließlich gar nix mehr ging! Ich musste das Bike schultern und hangelte mich 10 Meter über der Steinküste durch grauen Kreidematsch an freiliegenden Wurzeln entlang. Genervt erkannte ich, dass der höhergelegene Wanderweg wohl doch ein zügigeres Vorankommen gewährleistete und damit die bessere Wahl ist. Also schob ich das Rad unter Aufwendung meiner nunmehr recht angegriffenen Reserven gute 60 Höhenmeter nach oben, wo ich dann ziemlich flott zum Königstuhl kam.
Ab hier machen einem zig Fahradfahren verboten!-Schildchen ganz unmissverständlich deutlich, dass man in diesem Naturschutzgebiet nix verloren hat. Auch die gegen 16 Uhr immer noch beängstigend große Masse Sightseeing erpichter Wandersleute sollten jeden Biker von einer derartigen Unternehmung am Königsstuhl insbesondere in der Hauptsaison abschrecken. Aber was das Ganze noch mit einem Naturschutzgebiet zu tun haben soll, frage ich mich dennoch. Der Steilküstenweg nach Saßnitz ist dank mehrerer imposanter Holztreppenkonstruktionen zu einem wahren Fussgängerkanalsystem ausgebaut worden. Hier müssen sich scheinbar aberhunderte pro Tag entlang wälzen und ob diese Massen dem Naturschutz noch gerecht werden, soll mal dahin gestellt bleiben. Nun ja, ich durfte da nicht fahren und gerade deshalb wollte ich unbedingt.
Das Bike muss man aber mehr tragen als dass man drauf sitzen kann und die steilen Treppchen runter zufahren hab ich angesichts meiner langsam einsetzenden Ermüdungserscheinungen nur teilweise gewagt. Aber irgendwie erinnert das alles ziemlich an ein kleines Northshore Abenteuer, wenn nur nicht überall die Geländer wären. Da wo mans mal laufen lassen konnte, war es jedoch richtig gut, aber eben auch nicht besser, als auf den bisherigen Wegen. Die hohen weissen Klippen warens jedoch allemal Wert und zu meinem Staunen bekam man von den Spaziergängern ständig Zuspruch. Bei irgend so ner Wurzelabfahrt hats mich dann auch noch geschmissen zu stark eingelenkt wobei aber nix passiert ist. Ein untrügliches Indiz für meine schwindenden Kräfte. Ich leg mich immer gerne ab, wenns über mein Limit geht.
Irgendwie bin ich dann nach einigen Kilometern in Saßnitz raus gekommen und war zum erstenmal froh, asphaltierten Untergrund zu fühlen. Es ging bereits auf 5 Uhr zu und der Wind nahm mächtig zu. Binz war nicht mehr schwer zu finden einfach der Küstenlinie folgen, beim Fährhafen vorbei und dann die Strasse nach Prora entlang. Ich wollte nur noch heim, keine Abstecher, keine kleinen Pfade und bitte keinen Sand mehr. Doch die letzten 15 Kilometer hattens in sich. Wind ohne Ende, so das ich bei den Feuersteinfeldern zwangsweise die erste Pause seit dem Mittagsessen einlegen musste. Vier Windsurfer hatten dort bei heftigem Wellengang scheinbar Spass und boten mir auch ne gute Show mit netten Airs, doch ihre blauen Finger gefielen mir gar nicht. Es war vor Kälte und Wind kaum mehr zum Aushalten nach fünf Minuten hatte ich genug und zog die relativ windgeschützte Strasse vor. Abgekämpft und mit diesem herrlich seltsamen Gefühl, als ob man schwebend vom Rad steigt rollte ich in der väterlichen Heimstätte ein. Hunger kannte ich nicht, die Pasta war echt unglaublich groß und scheinbar hatte ich mich übernommen. Jedenfalls wollte mein Magen von irgendwelchen Heringen in Sahnesosse, die es abends geben sollte, absolut nix mehr wissen. Glücklich, müde und nachhaltig beeindruckt von dieser Insel fiel ich gegen halb 10 Uhr ins Bett. Der nächste Tag sollte auf Hiddensee mit Family verbracht werden und Freitags gings auch schon wieder gegen 16 Uhr nach Berlin. Nicht ohne davor noch mal 30 Kilometer in der Granitz nach weiteren Trails zu fahnden. Fazit: Biken auf Rügen rockt!
Euer RieWu.
P.S. Wer mal nach Binz will und grad im Lotto gewonnen hat, hier die Hütte meines Dads:
http://hauskluender.de
Sorry, mit Rabbat is nix ... so is er halt!
Dass dieses malerische Fleckchen in der Ostsee ein hinlänglich bekannter Anwärter für Deutschlands geilstes Bikerevier ist, muss eigentlich nicht weiter betont werden. Wie ein einfaches Suchergebnis hier im Forum schnell deutlich macht, sind Jockel und andere Berliner bereits hin und weg von dieser größten deutschen Insel mit über 580 Km Küstenlinie.
Ich will es trotzdem explizit ausloben:
Erdgeschichtlich werden dem geneigten Hobbygeologen (rob!) einige äußerst interessante Aspekte geboten (massig Feuersteine, Bernstein, irgendwelches versteinertes Viechzeug aus dem Paläozoikum, Faustkeilfunde, Pfeilspitzen aus der Steinzeit, etc.). Aber vor allem die abwechslungsreiche Landschaft, gespickt mit kulturgeschichtlichen Highlights, angefangen bei den frühen Kelten und ihren tonnenschweren Hinkelgräbern, über die burgenbauenden Slawenfürsten, den dänischen Rittern und Königen, schwedischen Landungsexpeditionen im 30. Jährigen Krieg und fürstlichen Prachtbauten aus dem 19. Jahrhundert, zeugen von einer oftmals kriegerischen und bewegten Vergangenheit. Auch die finsteren Nazis mussten ihre gigantomanischen Fingerabdrücke auf dieser wunderschönen Insel hinterlassen (KdF Prora!! + Rügendamm).
Den trailsuchenden Neuzeitler, in diesem Fall mich, tangiert dies jedoch in den meisten Fällen nur peripher. Er nimmt es wahr, doch während er sich heuchlerisch kulturinteressiert zeigt, tropft ihm bereits das Wasser aus dem Maul, angesichts einem absolut krassen Bikerparadies. Auch jedes einigermaßen reinrassige MTB ist in dieser Umgebung kaum mehr ruhig zustellen. Anstatt ergriffen am Königstuhl zu verweilen und Casper David Friedrichs Klassiker zu gedenken, stürzt man sich die atemberaubensten Wurzeltrails hinunter, um sogleich wieder eine Rampe aus staubfeinem Zuckersand mit tückisch angelegten Holzstufen zu bezwingen. Kilometerlange Steilküsten Singletracks, handtuchbreite Laubpfade durch golden glänzende Buchenwälder satte 80 Meter über einer türkisblauen Meeresbrandung - das alles sind Eindrücke, die mich jetzt noch tief bewegen.
Ich bin schon einige schöne Ecken abgefahren: Alpen, Schwarzwald, Gardasee, Schweden - alles hat seine besonderen Reize, doch von diesem Spot bin ich ernsthaft begeistert. Ist nicht das erste Mal, dass ich in Rügen war (Papa hat Ferienpension in Binz), aber irgendwie war ich bisher immer unfähig mein Bike dorthin mitzunehmen oder geschweige denn den wahren Wert dieses Kleinodes erkennen zu können. Auch sind mir die Forumsbeiträge entgangen und als Jockel bei einer der letzten Zusammenkünfte kurz auf Rügen zu sprechen kam, muss ich geistig umnachtet gewesen sein, denn ich weis es zwar, hab aber nicht reagiert.
Nun gut, mein Daddy hatte mich jedenfalls zum Rapport bestellt und ich kam einen Tag nach Ostermontag dort an. Die meisten Touries hatten sich bereits aus dem Staub gemacht und die Insel war mein. Kurz Mittag gefasst, Hallo zum Paps gesagt und ach du musst weg, sehr schön, ich hab nämlich auch was vor und rein ins Binzer Naherholungsgebiet, die bergige Granitz. Gleich mal den fetten Trail nach Sellin genommen, einige Spaziergänger verschreckt das ist aber doch ein Naturschutzgebiet!! und dann jeden noch so kleinen Weg rauf und runter bis ich nach 3 Stunden genug hatte. Ich dachte, dass war vielleicht ein krasses Höhenprofil und so coole Downhills, kleine Kurven mit fiesen Wurzeln drin und eben immer ne unglaubliche Optik angereichert mit frischer Meeresluft.
Der nächste Tag musste Großes bringen, dass war mir bereits nach den ersten Metern klar geworden. Ich wollte die berühmten Kreidefelsen sehen, von denen meine Oma mir schon als kleiner Junge erzählt hatte. Und ich wollte so viele Steigungen mitnehmen wie möglich und die oftmals verstopften Strassen sollten auch gemieden werden. Asphaltierte Radwanderwege mussten es auch nicht unbedingt sein, auch wenn man die nicht immer umgehen kann. Kurz und gut, ich wollte das Gesetz brechen, verbotene Pfade betreten und so viel wie möglich querfeldein fahren, auch wenn Naturschützer jetzt sicherlich Gift und Galle spucken.
Morgens um 10 Uhr gings los: blauer Himmel, steife Brise aus Südost und lustige 6 Grad. Zunächst am weißen Strand von Binz nach Prora, entlang des kilometerlangen, widerlichen KdF-Nazibaus Richtung Saßnitz. Kurz vor Alt-Mukran, mir ging der Asphalt-Sandweg allmählich auf die Nerven, tauchte ich kurzerhand in die Feursteinfelder links ab. Schon hier began ein wunderbarer Weg (Radweg) über den Galgenberg auf feinem Sand bis nach Lietzow. Dort angekommen hielt ich mich wieder nordwestlich in Richtung Neuhof auf einem weiteren, total goilen Höhenwanderweg entlang des großen Jasmunder Boddens. Eigentlich wollte ich dieser Richtung folgen bis in das Örtchen Glowe, um dort umzudrehen und dann den Nationalpark Jasmund von oben her zu bezwingen. Aber es war soo unglaublich schön, dass ich irgendwie die Abzweigung (Kilometer 30.00) verdummbeutelt habe. Mal wechselte der Untergrund zwischen Laub und Nadelwaldboden gespickt mit endlosen Wurzelhindernissen, dann kamen wieder Sandpassagen und kleine Singeltrails durch hohes Schilfgras entlang der Uferböschung. So gings gute 20 Kilometer und ständige Begleiter waren aber Hunderte prachtvoller Schwäne.
Langsam wurde es Mittag und der Hunger überfiel mich. Aber kein Haus, keine rettende Gastwirtschaft war in Sicht. Ich musste weiter, zum Glück war es bereits wenige Kilometer hinter Lietzow recht flach geworden. Irgendwann sties ich an meine Grenzen: Essen, essen war alles was meine strapazierten Hirnzellen noch aussenden konnten. Da endlich! Vor mir öffnete sich der Wald und wo ich bereits seit 10 Minuten eine lärmende Strasse vernommen hatte, lag die Ortschaft Breege. Ich war auf der Halbinsel Wittow angelangt ohne es so recht zu merken und mein Tacho zeigte bereits satte 48 Kilometer an. Und dabei hatte ich noch nicht mal den bergigen Teil der Etappe in Angriff genommen. Juut, also fett Spaghetti Napoli (die größte Portion meines Lebens innerhalb Deutschlands!!!!) an besagter Strasse im Tourismusparadies Juliusruh verdrückt, ein Erdinger dazu und ein bissl in der nun wohlig warmen Frühjahrssonne im Windschatten eines Hauses gechillt. Dann noch die Tromper Wiek, einen kilometer langen Sandstrand mit erstaunlich rauer Brandung genossen, wobei es bereits merklich frischer war und dann den Radweg entlang der Strasse zurück nach Glowe genommen.
Ab da wurds ne ernsthafte Quälerei der bisher freundlich Rückenwind lies seine Maske fallen und ich hatte echt harten, kalten Gegenwind. In Glowe schlug ich mich in die Büsche, nur um festzustellen, dass an der Küste kein Durchkommen war. Ich musste die Strasse nach Ruschvitz nehmen, bis ich an einem Ökobauernhof links wieder auf nen korrekten Wanderweg kam. Jetzt wurde es unglaublich: einer der besten Singletrails an der Steilküste entlang! Super schnell, fast alles fahrbar (es sind Treppen drin) und die ganze Zeit ne super Aussicht aufs Meer.
In Lohme kommt man dann wieder raus und von hier führt ein Wanderweg bis zum Königstuhl. Der war mir aber zu breit, kaum Steigungen und das Meer war nicht mehr richtig zu sehen. Also nahm ich wieder den Steilküstentrampelpfad doch der war ab Lohme ne echte Zumutung für Biker. Baumstamm hinter Baumstamm versperrten mir den Weg, kleine Bäche durchnässten den Waldboden und meine Klamotten bis schließlich gar nix mehr ging! Ich musste das Bike schultern und hangelte mich 10 Meter über der Steinküste durch grauen Kreidematsch an freiliegenden Wurzeln entlang. Genervt erkannte ich, dass der höhergelegene Wanderweg wohl doch ein zügigeres Vorankommen gewährleistete und damit die bessere Wahl ist. Also schob ich das Rad unter Aufwendung meiner nunmehr recht angegriffenen Reserven gute 60 Höhenmeter nach oben, wo ich dann ziemlich flott zum Königstuhl kam.
Ab hier machen einem zig Fahradfahren verboten!-Schildchen ganz unmissverständlich deutlich, dass man in diesem Naturschutzgebiet nix verloren hat. Auch die gegen 16 Uhr immer noch beängstigend große Masse Sightseeing erpichter Wandersleute sollten jeden Biker von einer derartigen Unternehmung am Königsstuhl insbesondere in der Hauptsaison abschrecken. Aber was das Ganze noch mit einem Naturschutzgebiet zu tun haben soll, frage ich mich dennoch. Der Steilküstenweg nach Saßnitz ist dank mehrerer imposanter Holztreppenkonstruktionen zu einem wahren Fussgängerkanalsystem ausgebaut worden. Hier müssen sich scheinbar aberhunderte pro Tag entlang wälzen und ob diese Massen dem Naturschutz noch gerecht werden, soll mal dahin gestellt bleiben. Nun ja, ich durfte da nicht fahren und gerade deshalb wollte ich unbedingt.
Das Bike muss man aber mehr tragen als dass man drauf sitzen kann und die steilen Treppchen runter zufahren hab ich angesichts meiner langsam einsetzenden Ermüdungserscheinungen nur teilweise gewagt. Aber irgendwie erinnert das alles ziemlich an ein kleines Northshore Abenteuer, wenn nur nicht überall die Geländer wären. Da wo mans mal laufen lassen konnte, war es jedoch richtig gut, aber eben auch nicht besser, als auf den bisherigen Wegen. Die hohen weissen Klippen warens jedoch allemal Wert und zu meinem Staunen bekam man von den Spaziergängern ständig Zuspruch. Bei irgend so ner Wurzelabfahrt hats mich dann auch noch geschmissen zu stark eingelenkt wobei aber nix passiert ist. Ein untrügliches Indiz für meine schwindenden Kräfte. Ich leg mich immer gerne ab, wenns über mein Limit geht.
Irgendwie bin ich dann nach einigen Kilometern in Saßnitz raus gekommen und war zum erstenmal froh, asphaltierten Untergrund zu fühlen. Es ging bereits auf 5 Uhr zu und der Wind nahm mächtig zu. Binz war nicht mehr schwer zu finden einfach der Küstenlinie folgen, beim Fährhafen vorbei und dann die Strasse nach Prora entlang. Ich wollte nur noch heim, keine Abstecher, keine kleinen Pfade und bitte keinen Sand mehr. Doch die letzten 15 Kilometer hattens in sich. Wind ohne Ende, so das ich bei den Feuersteinfeldern zwangsweise die erste Pause seit dem Mittagsessen einlegen musste. Vier Windsurfer hatten dort bei heftigem Wellengang scheinbar Spass und boten mir auch ne gute Show mit netten Airs, doch ihre blauen Finger gefielen mir gar nicht. Es war vor Kälte und Wind kaum mehr zum Aushalten nach fünf Minuten hatte ich genug und zog die relativ windgeschützte Strasse vor. Abgekämpft und mit diesem herrlich seltsamen Gefühl, als ob man schwebend vom Rad steigt rollte ich in der väterlichen Heimstätte ein. Hunger kannte ich nicht, die Pasta war echt unglaublich groß und scheinbar hatte ich mich übernommen. Jedenfalls wollte mein Magen von irgendwelchen Heringen in Sahnesosse, die es abends geben sollte, absolut nix mehr wissen. Glücklich, müde und nachhaltig beeindruckt von dieser Insel fiel ich gegen halb 10 Uhr ins Bett. Der nächste Tag sollte auf Hiddensee mit Family verbracht werden und Freitags gings auch schon wieder gegen 16 Uhr nach Berlin. Nicht ohne davor noch mal 30 Kilometer in der Granitz nach weiteren Trails zu fahnden. Fazit: Biken auf Rügen rockt!
Euer RieWu.
P.S. Wer mal nach Binz will und grad im Lotto gewonnen hat, hier die Hütte meines Dads:
http://hauskluender.de
Sorry, mit Rabbat is nix ... so is er halt!