Vor etwas mehr als einem Jahr hab ich auf der Karte einen 3000er gefunden, der ab Haustür in 24h machbar sein müsste. Zwar nicht komplett mit dem Bike, aber mit Bikedepot. Am Sonntag musste ich arbeiten, konnte mich aber um 15 Uhr auf den Weg machen. Somit musste auch das Biwakzeugs mit und die Tour wurde zu einer Bike n'Hike-packing Tour. Bei diesem Wetter braucht man für 24h fast nichts, also konnte ich recht leicht los. Die Biwakausrüstung bestand aus: Schlafsack, Matte, Baumarktplane, Heringen und Schnüren, Trangiamini und einer Daunenjacke, die ich für eine Tagestour nicht mitgenommen hätte. Das macht dann 2-2.5 kg Zusatzgewicht für die Übernachtung.
Meine Tour führt mich ins Quellgebiet der Linth, die mehr oder weniger vor meinem Haus durchfliesst. Also folge ich zuerst bei über 30°C dem Bach und frag mich, ob ich die richtige Richtung und das richtige Gerät gewählt hab.
In dieses Tal fahre ich rein.
Weiter oben wird aus dem lauen Freizeitpadlerflüsschen ein Gletscherbach. Ich interpretiere den Radweg frei und komm so an hübschen Stellen vorbei.
Und noch weiter hinten wird's dann richtig eng. Ich verlasse das industrialisierte Tal bei der Grossbaustelle Tierfehd und zwänge mich durch die Linthschlucht, durch die ein Alpsträsschen mit elend steilen Rampen führt. Immerhin kann ich die Hitze im Tal lassen.
Nach der Schlucht gibt es einen Blick auf den Tödi im Abendlicht. Ich bin begeistert von der Szenerie. Der Berg türmt sich 2600m über mir auf. Ich steh noch im Laubwald und da oben direkt vor mit hängt ein Gletscher. Dazu kommen noch links und rechts steile Felswände. Mit der Linthschlucht beginnt förmlich eine andere Welt. (Allerdings, nur um es doch zu sagen, die Welt von ennet der Schlucht streckt ihre Finger bis in diese Welt hinein. Auf der Alp geradeaus befindet sich ein Ausgleichsbecken, das zum
Linth-Limmeren Kraftwerk gehört. Dieses Kraftwerk verfolgt mich noch weiter).
Knapp erkennbar ist der Serpentinenweg, der mich dann auf die hier noch besonnte Alp rechts des Tödi führt.
Auf der Alp Hintersand lass ich das Bike nach ca. 55km zurück und geh zu Fuss weiter. Der Weg scheint mir auch in der Abfahrt nicht fahrbar. Hinterhältigerweise ist er dann 100hm weiter oben so gut ausgebaut, dass es sich gelohnt hätte, das Bike weiter hochzuschleiken, aber umkehren mag ich nicht mehr, zumal die Sonne nun ganz weg ist und es schon zu dämmern beginnt.
An der Alp Obersand vorbei wandere ich noch so weit wie möglich ins Tal hinein. Hier oben weht ein starker Wind. Also versuch ich, bei der Wahl des Biwakplatzes auf Winschutz zu achten. Das ist einfacher gesagt als getan. Denn hier steht kein Baum und kein Busch mehr und dunkel ist es auch schon, so fehlt mir etwas der Überblick. Darum nehm ich um 21:00 Uhr die ebene Stelle, die ich grad so finde und errichte mein prekäres Camp.
Obwohl es windet, ist es nicht kalt. So verläuft der Abend angenehm und ich verschwinde erst um 23:00 Uhr im Schlafsack. Eigentlich hab ich auf den Fastvollmond gehoft, doch der bleibt hartnäckig hinter dem Tödi und beleuchtet nur die Berge gegenüber. Erst um 02:30 Uhr blendet er mich, als er auf der anderen Seite des Tödi auftaucht und mir direkt ins Gesicht scheint. Falls ich die ganze Geschichte unter 24h durchziehen wollte, müsste ich jetzt aufstehen... Ich dreh mich um und erwache um 05:30 Uhr wieder, als der Wind immer hartnäckiger versucht, meine Plane wegzublasen. Das Biwak ist schnell abgebaut, ebensoschnell sind Brot und Käse gegessen und weiter geht's. Noch etwas mehr als 1000hm stehen auf dem Programm.
Bald geht die Sonne hinter dem Tödi auf.
Und mein Ziel, der Piz Cazarauls (ganz links), kommt in Sichtweite.
Zuvor müssen aber noch ein paar Kraxelstellen überwunden werden.
Ich komm auf über 2900m an der Planurahütte vorbei, geh da aber grad weiter. Nach einem kurzen, sehr bröckligen und rutschigen Abstieg und einem etwas längeren am Anfang ebenfalls bröckligen Aufstieg bin oben.
Viel zu tun ausser zu gucken gibt's da nicht. Es weht weiterhin ein starker Wind, also geh ich zurück zur Hütte. Da gibt's Windschatten und Kalorien.
Und dann folgt noch der lange Heimweg. Zuerst 1800hm zu Fuss runter. Immerhin sehe ich jetzt noch, was ich gestern in der Dunkelheit verpasst hab. Auf der Alp Obersand hat's übrigens eine Wasserfassung für das Linth-Limmern Kraftwerg, d.h. dass der ganze Bach, den man hier sieht, abgezapft und durch den Berg in den Limmernstausee geleitet wird, und die Abraumhalde gegenüber ist von einem Stollen, der von einer Wasserfassung hinter dem Berg am Klausenpass hier rüber führt. Die Berge hier sind also ziemlich durchlöchert.
Nach schlimmem letzten 600 Abwärtshöhenmetern, während denen es immer heisser wird, steig ich auf's Bike. Der Tödi ist immer noch the King. Die Szenerie hier erinnert mich an den
Qeulat Nationalpark in Chile. Auch da hat's Laubbäume und darüber direkt Gletscher.
Nach der Linthschlucht tauch ich wieder ein in die Alltagswelt. Viel grösser könnte der Kontrast nicht sein. Laut Infotafel werden hier (und v.a. weiter oben) von bis zu 500 Personen 2 Mia CHF verbaut. Ob sich das lohnt,
ist überhaupt nicht sicher.
Wer sich mit
Windsystemen in den Bergen auskennt, wird sich nicht wundern, dass ich das Tal runter starken Gegenwind hatte. 10km bevor ich zu Hause ankomme, hab ich auch noch einen Platten. So werden es 26 statt 24 Stunden. Who cares. War eine Hammertour!