Hat aber alles nur recht wenig mit "alpiner Erfahrung" zu tun.
Stimmt. Stattdessen noch ein paar Worte zu den gutgemeinten Ratschlägen bei Blitzschlag, die im Ernsfall auf geradezu zynische Weise nutzlos wirken können.
Episode am Col des Encombres, verganges Jahr.
Harmloser Schotterstrecken-Pass, gerade recht zum Einstieg in eine längere Tour. Regen ist für den Nachmittag angekündigt, und nicht weit vor der Passhöhe
zeigen sich dann auch, etwas vorzeitig, die Wolken. Bald wird das Anlegen der Regenkleidung sinnvoll.
Nach Erreichen der hügeligen Hochfläche hat sich das Ganze stark verdichtet und mutiert nun zu einem heftigen Gewitter mit Blitzen im Abstand von weniger als 10 Sekunden. Die Temperatur ist stark gefallen. Es ist schwierig, mit den nassen Händen in die Handschuhe zu kommen.
Nicht lang, und der Graupel hat eine Höhe von etwa 6 cm erreicht. Das Gewitter wirkt endlos gross, die Sicht reduziert sich auf kurze Distanzen.
Zur Wahl steht nun, entsprechend Standard-Ratschlag die hier nirgends vorhandenen Geländemulden aufzusuchen und (kauernd, aber immer noch als Hochpunkte im Gelände) auf den Erfrierungstod unter Graupelmassen zu warten. Oder aufs Glück zu vertrauen und durch die Blitze der Piste zu folgen. Hierfür haben wir uns entschieden: schnell vollends drüber.
Leider verläuft die Piste bereichsweise genau auf + entlang einem schwach ausgebildeten Grat, wie sich herausstellt. Ausweichen durchs Gelände erweist sich als Falle - es verlangsamt das Tempo dramatisch. Nach endlos erscheinender Zeit (und einem Verfahrer dank Schnellentscheidung ohne Blick aufs GPS) endlich die
Schneefallgrenze erreicht. Dort hat sich dann, nach >1 Stunde, auch das Gewitter wieder beruhigt, es regnet einigermassen normal.
Wie hätte die prekäre Situation vermieden werden können?
a) unten umdrehen, weil wie angekündigt, Regen aufzieht - im Hochgebirge kann das hässlich werden (haben die Wanderer-Senioren gemacht)
b) runter vom Berg - schneller Rückzug in eine tiefergelegene Zone die mehr Deckung bietet
c) Wetterentwicklung unterwegs [immer wieder mal] online checken
Taktik a) erscheint mir übertrieben vorsichtig
Taktik b) im Nachhinein die sicherste Option, sie hätte aber wohl zu einer grossräumigen Umplanung des Tourverlaufs geführt wg. von unten nicht mehr sicher einschätzbarer "Schneelage". Das verspürt man und scheut es doch sehr.
Taktik c) war mangels Netz nicht möglich; Online-Wetter nach dem Frühstück war die letzte Gelegenheit
Fazit #1: überfordernde Situationen kommen immer mal vor; am blödesten sind die, in die man sich Schritt für Schritt selbst reinarbeitet
Fazit #2: eine vorab aufgestellte Prioritätenliste wäre nützlich - für mich erscheint das Risiko vom Blitz erschlagen zu werden seitdem nicht mehr an vorderster Stelle. Die Taktik "Blitze ignorieren, raus aus Matsch und Kälte" hat ein paar Tage später auf der Maira-Stura-Hochebene nochmal funktioniert.