Der Simon hat mich aus internen Gründen gebeten noch zwei Wochen mit dem Bildmaterial zu warten, daher die ausführlichen AC5 I-Train 32" Erfahrungen erstmal ohne Bild. Es wird aber natürlich nachgereicht sobald er grünes Licht gibt.
Vorweg:
Ich bin so neutral wie möglich an das Thema 32" herangegangen, da es dazu im Forum und Freundeskreis ja gern mal heiß her geht. Für neue Dinge bin ich offen, wäge aber für gewöhnlich Sinn und Zweckmäßigkeit unemotional ab. Ich habe mir 32" nie herbeigesehnt, bin aber offen dafür.
Da ich mit 1,80 m sehr ähnliche Maße wie Simon habe, hat das Bike optimal gepasst. Alle Kontaktpunkte waren nahezu exakt da, wo ich sie gern habe (Sattel habe ich getauscht und Höhe auf mich eingestellt – Lenkerenden und Sattel waren mit dem Negativ-Vorbau, wie man ihn aus den Bildern kennt, auf einer Höhe). Das Bike hatte im Gegensatz zu den Craft Bike Days ein Intend Fahrwerk verbaut. Ich bin die ganze Zeit von 140/140 mm ausgegangen, wie sich heute herausstellen sollte, waren es 130 mm vorn und 120 mm hinten. Fahrfertig hat das Bike ziemlich genau 14 kg gewogen. Das Referenzmaterial in meinem Fuhrpark ist ein Speci Epic 8 und Last Cinto.
Die 42 km / 1200 hm Runde auf dem Hausberg bei Dresden war so abgesteckt, dass möglichst viel Abwechslung vorkam. Steile Rampen, Wurzelpassagen, enge Spitzkehren, Stufen, Singletrail und ein paar schön steile Sektionen aber das meiste auf XC- bis Trail-Niveau. Wir hatten an dem (sonnigen) Tag ca. 2 - 5°C und jede Menge (nasses/überfrorenes) Laub. Die verbauten
Maxxis Aspen Reifen waren für diese Umstände denkbar ungeeignet weil die Mini-Seitenstollen kaum Halt gefunden haben, sobald man sich mit Nachdruck in Kurven gelehnt hat. Die Bremsleistung der Direttissima haben sie auch nicht gerade sonderlich vertrauenserweckend auf den Boden gebracht.
Fahreindruck:
Man steigt auf, rollt die ersten Meter auf Asphalt, biegt in die erste Waldpassage ein und merkt erstmal... nichts Ungewöhnliches. Es sieht zwar alles groß und hoch aus aber das Innenlager und die daraus resultierenden Kontaktpunkte sind halt da wie man es gewohnt ist. Am Treffpunkt angekommen (Eisdiele logischerweise) gibt es erstmal ausgiebigen Techtalk mit den vier Mitfahrern. "Fräsporn, Intend, Trickstuff, steiler Vorbau, große Räder, sieht krass aus!" Man gewöhnt sich schnell an die Erscheinung der großen Räder – die 29er Bikes wirken plötzlich wie 650B. Es werden die ersten Wheelies gefahren, alle machen mal den Parkplatz-Test. Dabei fällt auf, dass sich das Vorderrad beim harten Anbremsen sichtbar in Richtung Nicht-Antriebsseite verwindet. Das hatte später keine auffälligen Fahreinflüsse, ist aber schon Erwähnenswert. Dazu sei gesagt, dass die Gabel sowie die Laufräder Prototypen sind. Beim Verwindungstest am Hinterrad gab es keine Überraschungen, da ließ sich im Hinterbau nicht übermäßig viel hin und her biegen.
Nach den ersten Kilometern im Wald bestätigt sich der unaufgeregte Ersteindruck. Ich fühlte mich direkt Zuhause und tief ins Rad integriert. Das Bike mit seiner größeren rotierenden Masse in Kurven zu legen erfordert etwas Umgewöhnung ist aber keinesfalls schwergängig oder behäbig. Man hat etwas mehr Gegenhalt beim Neigen des Rades, der aber trotzdem schnelle/verspielte Richtungswechsel zulässt. Zu sehr kann ich auf Grund der Reifen/Untergrund-Kombi aber nicht ins Detail gehen – da brauchts vernünftige Stollen und/oder trockenen Boden. Das Rad wiederholt mal richtig in Kurven zu pressen und schnelle Richtungswechsel einzuleiten war kaum drin, sodass eine qualitative Aussage dazu schwer fällt.
Zum Thema verspielt: Wie
@TheTrailNomad schon schrieb, lässt sich das Bike sehr leicht in die Luft bekommen. Man zieht also ständig und gerne irgendwo ab und kommt auch problemlos über Hindernisse.
Wie zu erwarten ist das Überrollverhalten bergauf und bergab schlicht und ergreifend besser als wie ich es von den 29" Bikes gewohnt bin. Das ist je nach Situation mal mehr und mal weniger ausgeprägt. Bergauf hängt sich das Hinterrad weniger an Stufen oder Hindernissen auf – es ist aber keinesfalls so, als ob es da gar keinen Körpereinsatz mehr braucht. Ein steiler Anstieg mit Wurzeln und ausgewaschenen Gräben lässt sich halt trotzdem nicht wie von selbst fahren. Bergab ist der Effekt schon deutlicher spürbar. Schnelle Schlagfolgen wie bei unregelmäßigen Treppenstufen oder Wurzelteppichen werden spürbar unaufgeregter, das Bike schaukelt sich weniger auf und man muss weniger arbeiten (das unverschämt gut funktionierende Intend Fahrwerk wird auch seinen Anteil daran haben).
Aha-Effekt Nr. 1 hatte ich auf einem flachen Singletrack, auf dem sich immer wieder kleinere Wurzeln und Steine auftun, die einen aus der Spur schieben wollen. Ich fahre da regelmäßig mit dem XC-Bike auf Zeit und kenne den Trail sehr gut. Das 32er baut dort die Geschwindigkeit spürbar besser auf und hält sie auch länger. Außerdem lässt es sich von den Steinen und Wurzeln nur schwer aus der Ruhe bringen, sodass weniger Korrekturimpulse und Gewichtsverlagerung erforderlich sind um es auf Linie zu halten.
Durch die tiefe Integration zwischen den großen Rädern kommt auch ein hohes Sicherheitsgefühl auf. Es gab ein paar schön steile Schlüsselstellen, die sich ziemlich unaufgeregt angefühlt haben. So ein 32er mit vernünftigen Reifen in den Alpen gen Tal zu richten, wäre bestimmt mal eine ganz nette Erfahrung. Wie das Fahr- und Sicherheitsgefühl im technisch anspruchsvolleren Gelände / im Grenzbereich wirklich ist, kann ich aber natürlich noch nicht einschätzen.
Wenn es technisch wird oder viel Körperakrobatik gefragt ist, wird es schnell mal knapp mit der
Arsch-Reifen-Freiheit. Ich würde behaupten das ist je nach Körpergröße und Fahrweise DER limitierende Faktor für 32". Sowas wie 150 mm Federweg am Heck mit groben Stollen sehe ich erst ab einer Körpergröße von 1,90 m aufwärts. Auch wenn man mit dem längeren Radstand des 32er bergab zentraler im Bike steht und den Schwerpunkt weniger nach hinten verlagern muss (weswegen mich die mageren 125 mm Hub der Variostütze kein bisschen gestört haben).
Aha-Effekt Nr. 2 kam beim Fahren enger, langsamer Kurven. Bei der Wendigkeit hätte ich einen deutlichen Nachteil erwartet aber warum auch immer war das mal so gar nicht der Fall – weder bergauf noch bergab. Ich hatte auf der Route extra 2 - 3 Spitzkehren-Segmente eingebaut, die zum Teil auch Hinterradversetzen erfordern. Erstaunlicherweise kam ich da genau so durch wie von den 29ern gewohnt. Auch sonst kam auf der Runde nie das Gefühl, auf einem behäbigen ungelenken Rad zu sitzen.
Und dann noch das Thema Spritzigkeit. Ich habe beim Beschleunigen aus dem Stand oder aus der Schrittgeschwindigkeit heraus eine Art Gummiband-Effekt gemerkt. Es rollt erst schwerfälliger los als die 29er, einmal auf Umdrehung gebracht, wird das Momentum dafür aber länger aufrecht gehalten. Wie die Effizienz bei längeren Kletterpassagen aussieht, viel mir sehr schwer einzuschätzen. Die XC-Schlappen rollten natürlich schnell aber 14 kg gehen halt nicht so spritzig wie das 10,8 kg Epic mit aggressiverer Sitzposition. Auf dem Niveau des Cinto mit Hans Dampf Soft hinten und Albert Radial Soft vorn war es aber mindestens. Ohne Powermeter und Garmin am Lenker sind das aber alles nur ungenaue Schätzungen nach Gefühl.
Erstes Fazit:
Das 32er I-Train fährt sich intuitiv, es sticht nichts negativ heraus, es gibt kein K.-o.-Kriterium. Erwartbare Punkte wie Überrollverhalten und Sicherheitsempfinden wurden klar erfüllt. Bei der Verspieltheit und Wendigkeit konnte ich auf der Testrunde erfreulicher- bzw. erstaunlicherweise keine Nachteile feststellen. Bleibt das Thema mit der Steifigkeit von Gabel und/oder Vorderrad, welches mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bis zur Serie behoben sein wird und die Kontaktgefahr zum Hinterrad. Die notwendigen Körpermaße werden wahrscheinlich eines der kontroversesten Themen rund um 32" sein (neben den Negativ-Vorbauten versteht sich). Ich stehe den 32ern jedenfalls sehr positiv gegenüber und kann mir auch gut vorstellen da recht früh auf den Zug mit aufzuspringen. Das Ganze vorher mit vernünftigen Reifen auf anspruchsvolleren Trails zu testen, wäre aber schon noch interessant. Ach ja, 30,5" als Mittelding fände ich ja auch noch ganz spannend

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PS: Ich finde es übrigens erwähnenswert, welche Leistung der Simon mit seiner kleinen Manufaktur und diesem Bike vollbracht hat. Die Geometrie und Abstimmung ist so dermaßen gut gelungen, dass man dahinter ein großes Entwicklerteam und endlose Testzyklen vermutet. Chapeau!