Habe folgenden Leserbrief an den Spiegel geschickt:
Sehr geehrte Spiegel-Redaktion,
als langjähriger Spiegelleser waren für mich die gründliche Recherche und objektive Berichterstattung immer die wesentlichen Qualitätskriterien, anhand derer sich der Spiegel von anderen Magazinen wohltuend abhebt. Leider gilt dies nicht für ihren Bericht âTrendsport â Zoff im Unterholzâ (Ausgabe 36, S.107). Bei den meisten Themen, über die Sie berichten fällt mir die Beurteilung zugegebenermaÃen schwer und ich muss auf Ihrer Objektivität und Seriosität vertrauen.
Da ich dem MTB-Sport seit seinen Anfängen in Deutschland (seit 1988) eng verbunden bin, kann ich mich in aller Bescheidenheit als âExpertenâ bei den angesprochenen Themen und als Kenner der Biker-Szene bezeichnen. Somit sehe ich mich in der Lage zu dem Artikel qualifiziert Stellung zu nehmen.
Der Artikel von Herrn Eberle ist nachweislich schlecht recherchiert und gibt über weite Strecken einseitig die von der Forst- und Jagdlobby geschürten Vorurteile und Unwahrheiten über den MTB-Sport wieder. Dies ist man in der laufenden Diskussion um das geplante hessische Waldgesetz von âProvinzblätternâ â die um lokale Werbekunden fürchten - zwar gewöhnt. Dass sich der Spiegel offenbar auf dieses Niveau herab lässt, hat mich doch sehr enttäuscht.
Wenn Herr Eberle nur 3 Stunden im Internet recherchiert hätte, wäre ihm sicherlich aufgefallen, dass er sich mit seinem Artikel in den Dienst der privaten Waldbesitzer und Jäger stellt, die mit einer geschickten Lobbypolitik und gezielten Diffamierungen eine umfassende Einschränkung des Betretungsrechts in hessischen Wäldern â und zwar für alle Erholungssuchenden â durchsetzen will. Die Mountainbiker dienen hierbei nur als nützliches Feindbild, um das Gesetz rechtfertigen zu können. Frau Puttrich â die nachweislich der Holzindustrie sehr nahe steht â vertritt ungeniert die Partialinteressen einer kleinen Gruppe, die in Ruhe den Holzbestand âmobilisierenâ (zu deutsch: ernten) und auf die Pirsch gehen will. Da stören Erholungssuchende einfach. Mit den Radfahrern sollen nämlich auch die Reiter, Kutscher und Rollstuhlfahrer künftig auf die breiten âWaldautobahnenâ verbannt werden, was die Interessenskonflikte mit FuÃgängern nur weiter verschärft.
Dass sich neben den Sportverbänden auch SPD, Grüne, Teile der FDP, der NABU Hessen, die IHK, die hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (um nur die wichtigsten zu nennen) entschieden gegen den Gesetzentwurf aussprechen, sollte Beleg genug sein, dass der Vorstoà von Frau Puttrich alles andere, als der von ihr propagierte âfaire Interessenausgleichâ ist.
Diese offensichtliche Klientelpolitik der Ministerin zu Lasten der breiten Bevölkerung ist der eigentliche Skandal, der das âFutterâ für einen Spiegel-Bericht bietet, nicht ein paar Jugendliche, die stellenweise im Wald âbuddelnâ.
Die im Bericht exemplarisch dargestellten âDownhillerâ sind eine verschwindend kleine Minderheit, die meiner Erfahrung nach bei weniger als 1% der MTB-Fahrer liegen dürfte. Selbst der Sprecher des Umweltministeriums (Thorsten Neels) musste eingestehen, dass es auf über 99% der Waldfläche keine Probleme durch Mountainbiker gibt. Spätestens hier sollte ein Journalist in Grübeln kommen.
Das immer wieder angesprochene âRasen durchs Dickichtâ ist leider eines der Märchen, das gerne von den selbsternannten âNaturschützernâ der Forst- und Jagdlobby bemüht wird. Mit einem MTB durchs Unterholz oder Dickicht (also abseits eines Weges) zu rasen ist technisch nicht wirklich möglich bzw. sinnvoll. Meist endet dies sehr schnell mit einem Sturz oder technischen Defekt.
AuÃerdem ist dies nach der bisherigen Gesetzeslage schon verboten und kann entsprechend geahndet werden. Daher drängt sich an dieser Stelle die Frage auf, warum mit dem neuen Gesetz etwas verboten werden soll, was jetzt schon nicht erlaubt ist.
Die mit Abstand überwiegende Zahl der MTB-Fahrer hält sich an die von der Deutschen Initiative Mountainbiker (kurz DIMB) aufgestellten âTrail-Rulesâ, die ein sozial- und umweltverträgliches Verhalten der Sportler einfordern. Einige âschwarze Schafeâ wird es â wie immer im Leben â weiterhin geben. Es käme ja auch keiner auf die Idee das Autofahren zu verbieten, weil sich einige nicht an die Regeln halten.
Es ist unbestritten, dass illegale Trails von âDownhill-Fahrern â angelegt werden. Es stellt sich nur die Frage warum. Die Politik redet zwar immer davon, dass solche Entwicklungen (Ãnderung des Freizeitverhaltens) durch die Schaffung von legalen Angeboten kanalisiert werden sollen, doch passiert ist bisher sehr wenig. Am Feldberg (Frankfurt) versuchen Sportler seit nahezu 10 Jahren eine legale Trainingsstrecke zu bekommen und werden vom Forst und den Behörden immer wieder âvertröstetâ. In der Landeshauptstadt Wiesbaden läuft ein ähnliches Verfahren seit etwa 2 Jahren â Erfolg ungewiss. Dass dann einige Sportler den Glauben an unsere politischen Institutionen verlieren und âeigene Wegeâ suchen, halte ich zumindest für nachvollziehbar.
Ich habe die stille Hoffnung, dass der genannte Artikel ein âAusrutscherâ war und nicht stellvertretend für die journalistische Arbeit des Spiegels steht.
Das Thema wird auf jeden Fall weiterhin in den Medien präsent sein, da sich die Radfahrer auf einen langanhaltenden und kreativen Widerstand einrichten. Denn eines ist sicher â Radfahrer haben nicht nur beim Radeln einen langen Atem.
Mit freundlichen GrüÃen
Svenos
Mal sehen, ob es eine Reaktion gibt. Ich habe ja schon lange keine Ilusionen mehr bezüglich Ethos und Recherchequalität bei den heutigen Journalisten (habe fast täglich mit Redakteuren aus dem Bereich der "Bewegtbilder" zu tun), aber dem Spiegel hätte ich mehr zugetraut.