HelmutK hatte in den Trail News, die ich gerade nicht finde, einen sehr gut recherchierten Artikel zur Haftung der Waldbesitzer geschrieben.
Hier noch ein paar Zitate aus aktueller Rechtsprechung (RdNrn. nach Juris):
LG Wuppertal 16. Zivilkammer, Urteil vom 10.07.2007, Az. 16 O 7/07 RdNrn. 15 und 16
15 Selbst wenn man aber an der Unfallstelle das Radfahren grundsätzlich für erlaubt hält, liegt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht vor. Hätte der Kläger sich wie ein sorgfältiger Wanderwegbenutzer verhalten, wäre es zu dem Sturz nicht gekommen. Der Weg führte nach eigenen Angaben des Klägers zur Unfallstelle hin steil bergab und wurde schmaler. Darüber hinaus behauptet der Kläger selbst, die Treppe wegen einer Wegkrümmung nicht gesehen zu haben. Es handelte sich im Ãbrigen um einen Weg, der erkennbar nicht ausdrücklich als Radweg beschildert war, sondern als Wanderweg vorgesehen war, und auf dem - wenn überhaupt - das Radfahren nur nicht verboten war. Dies belegen auch die vom Kläger vorgelegten Fotos, die nicht etwa einen geteerten oder gepflasterten Radweg zeigen. Von einem sorgfältigen Radfahrer war in Kenntnis dieser Umstände zu erwarten, dass er mit Hindernissen aller Art auf dem Wanderweg rechnete, die ihn zu langsamer, vorsichtiger Fahrt und ggf. sogar zum Absteigen vom Fahrrad nötigen könnten. Bei derartigen Hindernissen, z. B. Wasserrinnen, Baumstämme, Stufen, Treppen, Wurzeln etc., handelt es sich um für einen Waldwanderweg typische Gefahren. Der Kläger hätte somit, wenn er nicht sogar angesichts des unübersichtlichen Wegverlaufes und des abfallenden Geländes verpflichtet gewesen wäre, sein Fahrrad zu schieben, seine Fahrweise der unübersichtlichen Streckenführung zumindest derart anpassen müssen, dass er allenfalls mit Wanderschrittgeschwindigkeit um die Wegbiegung gefahren wäre. Dann hätte er die Treppe - wie jeder FuÃgänger auch - zweifellos erkennen und unmittelbar ohne beachtlichen Bremsweg anhalten können und dadurch den Unfall vermieden. Entsprechend hat sich der Kläger aber nach eigenem Vortrag nicht verhalten, da er zunächst vergeblich versucht hat abzubremsen und erst dann, als dies scheiterte, die Treppe hinabgefahren ist.
16 Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass dann, wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen eine - dann allenfalls geringfügige - Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten annähme, diese hinter dem weit überwiegenden Mitverschulden des Klägers zurückträte, eine Haftung des Beklagten somit auch dann ausgeschlossen wäre.
Berufung zu obigen Verfahren:
OLG Düsseldorf 19. Zivilsenat, Urteil vom 09.01.2008, Az. I-19 U 28/07,
19 U 28/07, RdNrn. 17 â 22
17 Es kann für die Entscheidung offen bleiben, ob an jener Stelle gemäà § 3 Abs. 1 e LForstG NW das Fahrradfahren verboten ist. Selbst wenn man die Unfallstelle als "festen Weg" im Sinne von § 2 Abs. 2 LForstG NW ansieht, auf dem grundsätzlich das Radfahren auch im Wald gestattet ist, lässt sich - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten nicht feststellen.
18 Zum Teil wird in der Rechtsprechung schon die Auffassung vertreten, dass dem Waldeigentümer gegenüber dem Waldbenutzer grundsätzlich keine Verkehrssicherungspflicht obliege. Ausgangspunkt für diese Rechtsauffassung ist § 14 BWaldG und der inhaltsgleiche § 2 LForstG NW, wonach das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung auf eigene Gefahr gestattet ist. Damit ergebe sich das Betretungsrecht des Waldbenutzers originär aus dem Gesetz und folge nicht aus einer Widmung oder Verkehrseröffnung seitens des Waldeigentümers, die besondere MaÃnahmen zum Schutz der Waldbenutzer nach sich zögen (vgl. OLG Hamm VersR 1985, 597; OLG Celle VersR 2006, 1423).
19 Aber auch sofern man mit der ganz überwiegenden Rechtsprechung Verkehrssicherungspflichten des Waldeigentümers nicht völlig ausschlieÃt, beschränkt sich die Verkehrssicherungspflicht auf die Abwehr sogenannter atypischer Gefahren. Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht kommt im Bereich des Waldes daher nur dann in Betracht, wenn der Waldbesitzer besondere Gefahren schafft oder duldet, die ein Waldbesucher nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auf die er sich nicht einzurichten vermag, weil er mit ihnen nicht rechnen muss. Mit natürlichen Gefahren muss derjenige, der sich in die Natur begibt, stets rechnen. Solche Gefahren werden dann auch selbst übernommen (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1998, 1166; OLG Hamm, Entscheidung vom 30.03.2007, 13 U 62/06; OLG Köln NJW-RR 1987, 988; OLG Koblenz VersR 2004, 257).
20 Eine derart besondere atypische Gefahr stellen die Treppenstufen, auf denen der Kläger bedauerlicherweise zu Fall gekommen ist, nicht dar. Ausweislich des Bildes 2 (Bl. 6 d.A.), das der Kläger selbst mit der Klageschrift vorgelegt hat, handelt es sich nicht um eine steile, künstlich angelegte Steintreppe, sondern um breit angelegte, mäÃig ansteigende Stufungen, mit denen es dem Wanderer erleichtert wird, die Waldböschung zu erklimmen. Derartige Niveauunterschiede im Bodenverlauf bzw. eingezogene Stufen oder Balken in Böschungen, die dem Wanderer das Ansteigen erleichtern sollen, sind im Wald nicht unüblich, so dass sich der Waldbenutzer hierauf einstellen muss. Wer daher im Wald mit dem Fahrrad unterwegs ist, hat sich auf solche plötzlich auftretenden Hindernisse einzustellen und muss -auch zum Schutz der übrigen Waldbenutzer (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 LForstG NW) - jederzeit in der Lage sein, sein Fahrrad in der übersehbaren Strecke anzuhalten. Diese Verhaltenspflicht konstatiert § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO schon für den Fahrzeugführer im StraÃenverkehr. Im Wald, wo eben nicht mit einem weitgehend ebenen Wegverlauf gerechnet werden kann, gilt dies erst recht.
21 Es ist für den Senat nicht nachvollziehbar, warum es - wie der Kläger in der Berufung geltend macht - technisch nicht möglich sein soll, mit dem Fahrrad Schritttempo zu fahren. Die Mitglieder des Senates, die selbst Fahrradfahrer sind, wissen aus eigener Erfahrung, dass dies sehr wohl möglich ist. Sofern der Kläger aufgrund der Abschüssigkeit des Geländes am Fahren im Schritttempo gehindert gewesen sein sollte, hätte er - worauf bereits das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung hingewiesen hat - notfalls rechtzeitig vom Fahrrad absteigen und dieses weiter schieben müssen.
22 Bei einer der Ãrtlichkeit angepassten Geschwindigkeit, also bei einem Fahren im Schritttempo, hätte der Kläger den bedauerlichen Unfall vermeiden können, weil er dann - wie die FuÃgänger auch - die Treppe rechtzeitig hätte bemerken können.
LG Saarbrücken 12. Zivilkammer, Urteil vom 03.03.2010, Az. 12 O 271/06, RdNrn. 38 â 43, 49 â 53, 60, 61
38 Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht für StraÃen, Plätze und - wie hier - Wege wird von der Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maÃgebend bestimmt.
39 Die Verkehrssicherungspflicht umfasst die notwendigen MaÃnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Benutzer hinreichend sicheren Zustandes (BGH VersR 1979, 1055), wobei jedoch eine absolute Gefahrlosigkeit nicht gefordert ist, da diese in der Regel nicht erwartet werden kann und unter Einsatz zumutbarer Mittel auch nicht zu erreichen ist. Vielmehr sind die Verkehrswege grundsätzlich in dem Zustand hinzunehmen, wie sie sich dem Benutzer erkennbar darbieten, wobei sich der Benutzer den gegebenen Verhältnissen anpassen muss.
40 Dabei wird die Grenze zwischen abhilfebedürftigen Gefahren und von den Benutzern hinzunehmenden Erschwernissen ganz maÃgeblich durch die sich im Rahmen des Vernünftigen haltenden Sicherheitserwartungen des Verkehrs bestimmt. Diese orientieren sich zu einem wesentlichen MaÃe an dem äuÃeren Erscheinungsbild der Verkehrsfläche. Je deutlicher die Wegebenutzer mögliche Gefahrenquellen erkennen können, desto geringer sind ihre Sicherheitserwartungen und desto mehr müssen sie sich eine Realisierung der Gefahren ihrem eigenen Risikobereich zurechnen lassen (OLG Hamm Urteil vom 08.12.1998).
41 Der Verkehrssicherungspflichtige muss daher in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag (BGH a.a.O. Palandt, BGB, 67.Aufl., § 823 Rn. 45 ff., 51, Geigel, a.a.O. 2 Kap.14 Rn. 28 ff., 37f., 49 jew. m.w. Nw.).
42 Erkennbare Besonderheiten sind von den Verkehrsteilnehmern auch ohne Sicherung und Warnung hinzunehmen und sie haben sich - wenn es möglich ist - entsprechend hierauf einzustellen (Geigel a.a.O. und mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
43 Das Oberlandesgericht Koblenz hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass die Verantwortlichkeit des einzelnen Verkehrsteilnehmers für sich selbst stärker betont werden muss und dass die Verkehrssicherungspflicht insbesondere nicht dazu dient, das allgemeine Lebensrisiko auf den Sicherungspflichtigen abzuwälzen (OLGR 1998, 404, 405).
49 Jeder der den Wald über solche Wege betritt (erst recht derjenige, der den Wald auÃerhalb von angelegten Wegen betritt) hat in seine eigene Entscheidung einzubinden, ob er unter Abwägung der ihm wichtigen Gesichtspunkte zur Benutzung des Waldes - insbesondere der Erholungsfunktion - das sich hieraus zwangsläufig ergebende Risiko eingehen will, oder aber vom Betreten des Waldes absieht.
50 Hierbei wird der Waldwegebenutzer im Regelfall berücksichtigen, dass das Risiko im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Schadenseintritts eher gering ist, was jedoch nicht ausschlieÃt, dass es in wenigen Einzelfällen - bedauerlicherweise auch im vorliegenden Fall - zu gravierenden Schäden, auch Körperverletzungen, kommen kann.
51 Diese Konstellation der Abwägung zwischen evident bestehenden Risiken und der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist keine Besonderheit im Hinblick auf die Benutzung von Waldwegen. Jeder Teilnehmer am öffentlichen Verkehr ist sich latent bewusst, dass alleine in Deutschland jährlich über 4000 Menschen im StraÃenverkehr getötet werden, dass also die Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Teilnahme an diesem Verkehr verletzt oder gar getötet zu werden, wesentlich höher ist, als die Wahrscheinlichkeit bei der Benutzung eines Waldweges durch Herabfallen von Ãsten etc. verletzt zu werden. Gleichwohl fällt unter Abwägung des persönlichen Nutzens gegenüber der Wahrscheinlichkeit der eigenen Betroffenheit durch das Risiko die Entscheidung zu Gunsten der Nutzung dieser Möglichkeiten aus, selbst wenn die Nutzung sich auf Verkehrsmittel bezieht, bezüglich derer eine höhere Gefährdung von vornherein bekannt ist, wie zum Beispiel von Motorrädern. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung zur Teilnahme am allgemeinen StraÃenverkehr für Mitglieder einer industriellen Gesellschaft wesentlich weniger der eigentlichen Bestimmung durch das einzelne Individuum unterliegt, als die Entscheidung, den Wald zu betreten oder nicht.
52 Vor dem Hintergrund dieser vom jeweiligen Waldbenutzer in freier Entscheidung zu treffenden Abwägung, erscheint es dem Gericht, im Anschluss an die oben beispielhaft zitierte Rechtsprechung sachgerecht, die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Benutzung von Waldwegen dahingehend zu beschränken, dass der Waldbesitzer den Waldwegebenutzer grundsätzlich nur vor atypischen, also solchen Gefahren schützen muss , mit deren Auftreten der Waldbenutzer nicht rechnen muss.
53 Hierzu hat die Rechtsprechung (OLG Köln Urteil vom 11.05.1987) den Fall einer den Weg versperrenden, bei Dunkelheit sich nicht deutlich vor dem Hintergrund abhebenden Forstschranke gezählt; schon aber nicht mehr, das Vorhandensein von Glasscherben auf einem Waldweg (OLG Düsseldorf Urteil vom 04.12.1997), plötzlich auftretende Hindernisse auf Waldwegen (OLG Düsseldorf vom 09.01.2008; schon eher in Abweichung des vorgenannten Urteils des OLG Köln und unter stärkerer Betonung der Eigenverantwortlichkeit des Waldwegebenutzers) oder das Fehlen von Absturzsicherungen an Waldwegen im Hinblick auf die Benutzung durch Fahrradfahrer (SOLG Urteil vom 12.06.2001, nicht veröffentlicht).
60 Wie bereits oben ausgeführt, hat jeder Wegebenutzer den von ihm benutzten Verkehrsweg grundsätzlich so hinzunehmen, wie er sich ihm erkennbar darbietet.
61 Derjenige, der - wie die Klägerin - gleichwohl Waldwege für Spaziergänge wählt, muss die sich hieraus ergebenden Risiken grundsätzlich selbst tragen, auch wenn sie sich - wie bedauerlicherweise im vorliegenden Fall - entgegen aller statistischen Erwartungen - durch einen massiven Schaden realisieren.