Doping - die Illusion vom übermenschlichen Radstar

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Für all diejenigen, die sich dem Glauben hingeben, Jan Ullrichs Form bei "Rund um Köln" wäre lediglich auf sein Übergewicht und nicht auch auf seinen, auf die Tour zugeschnittenen, Dopingplan zurückzuführen gewesen. Und für all diejenigen, die glauben (möchten), Lance Armstrong habe fünfmal die TdF nur mit ein paar Portionen Nudeln und ein paar Gläsern Milch gewonnen...

Artikel aus der Zeitschrift DER SPIEGEL vom 10.06.04, nachzulesen unter http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,295080,00.html

"Laborratten des Sports"

Der Dopingfahnder Bengt Saltin über die Renaissance der Eigenblut-Transfusion, die Betrugsmentalität vieler Radprofis und neue Testverfahren bei den Olympischen Spielen in Athen.
Bengt Saltin, 68, leitet den dänischen Anti-Doping-Verband und das renommierte Muskelforschungszentrum in Kopenhagen. Der Professor für Physiologie arbeitet seit Oktober 2000 für die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada).

SPIEGEL: Herr Saltin, der spanische Radprofi Jesús Manzano hat kürzlich gestanden, in seiner Zeit beim Rennstall Kelme gedopt zu haben, indem er sich Eigenblut spritzte. Auch der Franzose Philippe Gaumont, bis Februar Fahrer im Team Cofidis, berichtet von Eigenblut-Transfusionen. Ist diese Methode der neueste Dopingtrend?

Saltin: Ja, obwohl das Verfahren gar nicht neu ist. Es erlebt eher eine Renaissance. Da wir inzwischen verlässliche Tests auf das Hormondoping mit den Wirkstoffen Epo und Nesp durchführen, besinnen sich die Athleten auf eine altmodische Technik, die wir derzeit nur mit sehr großem Aufwand nachweisen können.

SPIEGEL: Wann war die Eigenblut-Transfusion denn das erste Mal in Mode?

Saltin: Beschrieben wurde sie bereits Ende der sechziger Jahre, und in den Siebzigern wurde sie zum Renner unter den Ausdauersportlern. Die Leichtathleten haben sie zuerst angewandt, später die Radfahrer, dann die Skilangläufer. Aber mit dem Aufkommen von Epo Ende der Achtziger geriet die Eigenblut-Gabe nahezu in Vergessenheit.

SPIEGEL: Wie funktioniert das Doping mit Eigenblut?

Saltin: Ein Athlet zapft sich einen Liter Blut ab und zentrifugiert es - so trennt er die roten Blutkörperchen vom Blutplasma. Das Plasma kippt er in den Ausguss, die roten Blutkörperchen friert er ein, mit Trockeneis bei minus 78 Grad. Irgendwann taut er sie wieder auf und spritzt sie sich einen Tag vor dem Wettkampf zurück. Das ist alles. Einfach, sauber, sicher. Im Grunde ist es wie bei einer Blutspende, nur dass da dem Patienten das Blut unbehandelt verabreicht wird.

SPIEGEL: Welchen Effekt hat das Verfahren?

Saltin: Exakt denselben wie Epo. Epo ist ein Mittel, das rote Blutkörperchen bildet, es verbessert also den Sauerstofftransport im Blut. Und je mehr Sauerstoff in den Adern unterwegs ist, desto größer ist die Leistungsfähigkeit des Menschen. So ist es auch bei der Eigenblut-Transfusion. Ein durchtrainierter Ruderer hat rund dreieinhalb Liter rote Blutkörperchen. Wenn er sich nun zusätzlich einen halben Liter davon injiziert, steigert er seine Ausdauerfähigkeit um gut zehn Prozent. Die Wirkung hält eine Woche bis zehn Tage.

SPIEGEL: Bei einem Sportler, der mit Epo dopt, verschlammt das Blut, es können sich Thrombosen bilden, es kann zum Herzstillstand kommen. Wie gefährlich ist das Injizieren von Eigenblut?

Saltin: Man kann sich eine Infektion holen, aber das ist unwahrscheinlich. Wer weiß, wie man die Kanülen und Schläuche steril hält, bekommt keine Probleme.

SPIEGEL: Wenn das alles so einfach ist, warum war die Eigenblut-Transfusion als Dopingmethode zwischenzeitlich verschwunden?

Saltin: Weil Epo effizienter ist. Sich eine Spritze mit Epo zu setzen dauert ein paar Sekunden - das Blut abzuzapfen und wieder zurückzuführen erfordert wesentlich mehr Zeit. Außerdem: Wenn ein Sportler einen Liter Blut abgibt, muss er den erst einmal nachbilden, und dafür braucht er etwa einen Monat. Und mehr als einen Liter Blut kann er nicht abgeben, weil er sonst zu schwach wäre, um noch vernünftig zu trainieren. Daher kann er auch nicht mit Eigenblut nachhelfen, wenn der Dopingeffekt abklingt.

SPIEGEL: Wieso nicht? Er könnte sich doch ein Depot mit Eigenblut anlegen.

Saltin: Nein, könnte er nicht, denn selbst gefroren kann man rote Blutkörperchen maximal fünf Wochen lagern. Ein Marathonläufer kommt wunderbar mit seinem eigenen Blut aus. Nicht aber Athleten, die am Anfang und am Ende der Olympischen Spiele einen Wettkampf haben, oder Radfahrer bei der Tour de France. Diese Sportler müssen von Kollegen oder Freunden versorgt werden.

SPIEGEL: Wie hat man sich das vorzustellen?

Saltin: Die Athleten spritzen sich das Blut eines anderen Menschen, der die gleiche Blutgruppe hat. So ein Gemisch aus Eigen- und Fremdblut ist auch kaum nachweisbar. Ich bin mir sicher, dass es Radteams gibt, die Blutspender für ihre Fahrer haben.

SPIEGEL: Wie bereitet sich die Wada in Anbetracht dieser Kaltschnäuzigkeit auf die Olympischen Spiele vor?

Saltin: Wir arbeiten an einem Test für die Eigenblut-Transfusion. Ich hoffe, wir werden rechtzeitig fertig.

SPIEGEL: Sollte das der Wada gelingen, werden die Spiele dann sauber sein?

Saltin: Nein. Die Wahrscheinlichkeit, dass in Athen nicht gedopt wird, liegt bei null Prozent. Erstens bin ich fest davon überzeugt, dass nach dem im vorigen Herbst in den USA entdeckten Steroid THG längst eine neue Designerdroge auf dem Markt ist. Zweitens bezweifle ich, dass wir den Missbrauch mit Wachstumshormon gerichtsfest nachweisen können. Und drittens haben die Athleten einen Weg gefunden, während der Olympischen Spiele auch mit Epo zu betrügen, ohne dafür bestraft werden zu können.

SPIEGEL: Wie soll das gehen?

Saltin: Die Athleten verstecken sich im Mai oder Juni für zehn Tage und machen eine Spritzenkur mit hohen Epo-Dosen. Danach nehmen sie Epo statt alle zwei Tage nur ein- bis zweimal pro Woche in minimaler Dosierung. Der Körper wird also kontinuierlich stimuliert, rote Blutkörperchen zu produzieren.

SPIEGEL: Aber wenn ich einen Bluttest durchführe, erkenne ich im Blut des Sportlers doch Veränderungen, die auf einen Epo-Missbrauch schließen lassen.

Saltin: Schon, aber der Urin-Test, mit dem körpereigenes von künstlichem Epo unterschieden werden kann, wird immer negativ ausfallen - weil der Anteil des gentechnisch hergestellten Epos wegen der geringen Dosierung so klein ist. Und nur bei einem positiven Urin-Test darf ein Athlet belangt werden - die Sportler schlüpfen durch die Lücke im Kontrollsystem.

SPIEGEL: Sind Sie sicher, dass bereits auf diese Weise gedopt wird?

Saltin: Bei der letzten Tour de France ganz bestimmt. Radfahrer sind die Laborratten des Sports, sie probieren fast alles als Erste aus. Es gibt darüber hinaus zahlreiche Hinweise, dass die Methode inzwischen auch in der Leichtathletik angekommen ist.

SPIEGEL: Wie will die Wada dagegen vorgehen?

Saltin: Es wird immer wichtiger für uns, genau zu wissen, wo sich ein Athlet auch Monate vor Olympia aufhält. Es gibt Sportler, die gewinnen eine Medaille bei den Spielen, und dann sind sie wie vom Erdboden verschwunden. Und bei den nächsten Olympischen Spielen tauchen sie wieder auf und gewinnen die nächste Medaille. Dagegen müssen wir verstärkt vorgehen.

SPIEGEL: Muss die Wada nicht auch die präventive Forschung fördern, anstatt immer nur zu reagieren, wenn Dopingfälle bekannt wurden?

Saltin: Was wir unbedingt brauchen, sind umfangreiche Datenbänke auf nationaler Ebene. Die Sportverbände müssen bestimmte Blutwerte ihrer Athleten, vor allem der Nachwuchssportler, erfassen: Hämoglobin, Epo, Wachstumshormon. Dann hätten wir ein detailliertes Blutprofil, mit dem spätere Testergebnisse verglichen werden können.

SPIEGEL: Sie warnen seit Jahren vor Doping durch künstliche Genveränderung. Wann rechnen Sie mit dem ersten Fall von Gen-Doping?

Saltin: Nicht in Athen, vielleicht 2006 bei den Winterspielen in Turin, höchstwahrscheinlich 2008 in Peking. Und wieder wird Epo eine Rolle spielen. Es ist Wissenschaftlern bereits gelungen, ein Epo-Gen in Affen und Mäuse einzuschleusen - transportiert wurde es von einem harmlosen Schnupfenvirus. Die Ergebnisse waren beeindruckend. Injizierte man einem Menschen ein Epo-Gen, würde er körpereigenes Epo produzieren, das nicht als Fremdprodukt erkennbar wäre.
 
jupp, und weiter? kaufs'te dir am besten die aktuelle tour, da kannst du das gleiche auch noch mal in grün nachlesen... interviewpartner war da, glaube ich, Antoine Vayer, irgendein ehemaliger radsporttrainer (festina?). klingt auch sehr glaubwürdig, was der gute mann von sich gibt...

aber wirklich überrascht ist doch bei diesem thema keiner mehr...

gruss mike
 
tja, die schwarze seite des radsports :( !!!!!
naja..man hat ja noch die hoffnung das dass nicht alle machen !!!!
aber es wäre schon interessant, zu wissen, wie so eine TdF verlaufen würde wenn es null prozent doping gäbe!!!!
ansonsten....******* doping :aufreg: !!!
fat_toni
P.S:man sollte aber deswegen nicht alle radsportler gleich des dopings bezichtigen!
 
...die Hoffnung stirbt zuletzt.....


Selbst auf den kleinen regionalen Rennen sieht man schon die Väter der Kleinsten mit nem Koffer voll Pillen und Cremes und Gels rumlaufen die jeden Apotheker vor Neid erblassen lassen würden.


Mit Wasser und Brot und ein bisschen Training ist halt kein Blumentopf zu gewinnen.

CU
Claude :ka:
 
@ mikeonbike

Interessant ist doch, wieviele, speziell Rennradfahrer, es noch gibt, die all diese Dopingmahner als Netzbeschmutzer darstellen und IHREN Star in Schutz nehmen. Und die übertragenden Medien, z.B. ARD oder Eurosport, versuchen das Thema aus purem Eigennutz kleinzuhalten. Wenn ich schon höre, wie sich Karsten Migels (Eurosp.) über die Aussagen Manzanos mokiert oder die senilen Greise des Ersten die Problematik gleich ganz aussparen.
Solange Radprofis gedopt durch die Gegend fahren oder an der Sache krepieren, wird das Thema "Manipulation & Betrug im Sport" immer ein Topaktuelles bleiben.
 
Hallo,

also seit mir nicht böse - aber wenn ich als Jungradprofi (aber auch in wahrscheinlich fast jeder anderen Sportart) gute Ergebnisse abliefere und eine hoffnungsvolle Karriere vor Augen habe, mich dann Anfang Zwanzig entscheide Profi zu werden, dann sollte ich doch rational betrachtet genug Kenntnisse über die Szene haben um einigermassen zu wissen was da auf mich zukommt.

Bei den Profis sehe ich das als eine Art "kalkuliertes Risiko" an - unter ärztlicher Aufsicht, mit einer Restmöglichkeit tot vom Rad zu fallen - dafür gibts mehr Geld als man sonst wahrscheinlich verdient hätte. Das ist natürlich betrug am Zuschauer, aber bitte - wer sich mal bei Olympia die Männer - und vor allem manche Frauen - angesehen hat, der sollte heute eigentlich ausreichend desillusioniert sein...

Viel krasser finde ich die Sache im Amateur und Hobbybereich. Wenn ich mir angucke, was in so manchem Fitness Tempel an Pillen eingeworfen wird - und wie gerade jetzt im Frühling Muskelberge und Akne im gleichen Masse spriessen - dann verstehe ich echt die Welt nichtmehr... :mad:

Gruß
Peter
 
Sers Männer,

Fakt ist doch, daß wir in ner Leistungsgesellschaft leben...alles wir immer schneller - und muss immer schneller gehn...alles wird immer kurzlebiger.

Hab irgendwo gelesen, vom Sport jetzt mal abgesehen, daß die größte Gruppe von Amphetaminusern Japanische Geschäftsmänner sind...(würde auch erklären wie die ihre 18 Stundentage hinbekommen)

Wer ernsthaft glaubt das es irgendwann wieder Sport ohne Doping gibt, der hat echt die rosa Brille auf.

Klar ist es Kacke mit dem ganzen Doping und so - aber mit Sport ist nunmal ne Menge Geld zu verdienen und wo Geld im Spiel ist, da stinkt es immer.


Die Welt ist im Wandel...
Greetz Olaf
 
Panzerfaust schrieb:
@ mikeonbike

Interessant ist doch, wieviele, speziell Rennradfahrer, es noch gibt, die all diese Dopingmahner als Netzbeschmutzer darstellen und IHREN Star in Schutz nehmen. Und die übertragenden Medien, z.B. ARD oder Eurosport, versuchen das Thema aus purem Eigennutz kleinzuhalten. Wenn ich schon höre, wie sich Karsten Migels (Eurosp.) über die Aussagen Manzanos mokiert oder die senilen Greise des Ersten die Problematik gleich ganz aussparen.
Solange Radprofis gedopt durch die Gegend fahren oder an der Sache krepieren, wird das Thema "Manipulation & Betrug im Sport" immer ein Topaktuelles bleiben.

ich finde dieses thema insgesamt recht traurig:

1. ...radsportler, selbst mit der entsprechenden veranlagung, haben wohl ohne doping keine reale aussicht auf erfolg. solange doping ein tabu ist, doping bei sportlern als ausnahmefall angesehen wird, eigentlich gar nicht existiert, haben die sogenannten sauberen sportler hier auch keine chance auf anerkennung ihrer leistung und ihres erfolges.

2. ...radsportler, die dopen, stehen permanent in einem konflikt mit ihrer umwelt. auf der einen seite verbände, trainer, sponsoren, radsportfans, die übermenschliche leistungen erwarten, auf der anderen seite die öffentlichkeit, im endeffekt die gleichen leute(!), die beim thema doping die nase rümpfen...

3. ...warum ist doping illegal? ohne geht offensichtlich nicht... wäre es nicht sinnvoller, diesem thema offen und kontrolliert zu begegnen? wäre dieses für den sportler nicht besser, da er von der gesundheitlichen seite wesentlich besser betreut werden könnte? im endeffekt ist doping doch nichts anderes als ein tuning des körpers (fast wie in der formel 1). eine offene handhabung hätte zumindest für den sportler den vorteil, das auswirkungen von dopingmitteln für den sportler bekannt wären und er nicht von der aussage von irgendwelchen trainern und teamärzten mit höheren zielen abhängig wäre.

4. doping ist offensichtlich ein tabu, weil leistungen nicht mehr primär aus eigener kraft resultieren. dieses ist gerade im ehrenvollen radsport ein widerspruch und meiner meinung nach tief im denken von verantwortlichen, die ja auch meist älteren generationen angehören, verankert.

naja, was soll's... ich bin ungedopt :D (kaffee steht nicht mehr auf der dopingliste...)

gruss mike
 
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