So, ich habe was zu berichten:
Gerade noch rechtzeitig in Steinach am Brenner bei der Bergeralm nach den Betriebszeiten der Seilbahn erkundigt und festgestellt, dass dieses Wochenende Betrieb eingestellt ist. Sch....ade!
Also umdisponiert und Startpunkt nach Nösslach an den Humlerhof (1380m) verlegt.
Von dort auf Forststraße bergauf zur Bergstation Bergeralm geradelt, 250 Höhenmeter, eine steile Rampe.
Man landet an der "Bärenfalle" (1633m) im Skigebiet der Bergeralm, wo eine weitere, gut ausgebaute Forststraße (Weg Nr. 40) für etwa 400 Hm Richtung Nösslachjoch (2020m) und Vallmeritzalm ansteigt. Auf 1885m teilt sich die Auffahrt und der schlechtere und nun deutlich steilere Fahrweg zweigt Richtung Nösslachjoch ab. Die Variante zur Gerichtsherrnalm berührt man auf dem Weg 40 überhaupt nicht. Kraftpakete können die gesamte Auffahrt durchdrücken, ohne ein einziges mal den Fuss abzusetzen.
Oben am
Sattel befindet sich das geschlossene Liftrestaurant Nösslachjoch und genau dort beginnt ein sehr schöner Wanderweg durch die Heidekrautlandschaft Richtung Eggerjoch. Auch ich durfte die Erfahrung machen, dass es da oben abartig bläst. Der angekündigte warme Föhnwind hat sich als dessen eiskalter Bruder entpuppt und mit dem Windchillfaktor der gefühlt 100 km/h starken Brise kam ich mir vor wie in einer Tiefkühltruhe mit Durchzug. Immerhin entschädigte die Landschaft für das enttäuschende Wetter.
Der nun folgende Pfad 42 ist selten breiter als ein Blatt Papier und wo er fahrbar erscheint, kämpft man mehr mit Pedalaufsetzern als mit der Steigung. Immerhin steigt der Pfad bis zum Eggerjoch (2132m) noch weitere 160 Hm bis zur Maximalhöhe 2180m an. Wieviel davon fahrbar ist, hängt stark von den persönlichen Fähigkeiten ab. Ich hab etwa 50:50 gefahren/geschoben, kann mir aber durchaus vorstellen, dass das Verhältnis bei weniger geübten Bikern auch mal ganz schnell auf 10:90 absinken kann. Die letzten Meter zum Eggerjoch geht es leicht bergab, wobei ausgerechnet in diesem Teil auch ein paar fahrtechnisch knifflige Stücke mit S2 drin sind, der Rest wäre eigentlich "leicht", wenn man den Platz fürs kurbeln der Pedale fände. Ohne den Wind hätte ich mich vielleicht ein wenig dem Pflücken und Naschen der Preiselbeeren hingegeben, so aber schaue ich, dass ich weiterkomme und nicht auskühle.
Schon ein gutes Stück vor dem Eggerjoch kann man den Weiterweg auf dem "Lichtseeweg" (42) Richtung Lichtsee und Trunajoch sehr gut in der Bergflanke des Leitnerbergs erkennen. Und was man da zu sehen bekommt, sieht nicht wirklich gut aus. Ich kann Kaspressknödels Einschätzung nicht teilen, dass das meiste davon fahrbar wäre. Denn zunächst mal geht es vom Eggerjoch wieder bergauf, diesmal steiler und unfahrbar. Man erklimmt einen
Sattel, wo der Weg dann mal flacher wird, doch schon bald erreicht man fahrend wieder einen Geländeaufschwung und schon ist's wieder aus mit Radeln. Man erreicht im zweiten Teil der Querung auf dem Weg Nr. 42 nochmals die Maximalhöhe von 2180m, muss also insgesamt weniger viel ansteigen als beim ersten Teil, aber das wenige bergauf ist hier komplett unfahrbar, die Abwärtsteile hingegen sind zum größten Teil fahrbar. Dennoch würde ich sagen, dass ich auch bei diesem Teilstück sicher keinen höheren Fahranteil hatte als 60 Prozent.
Am Lichtsee (2110m) angekommen treffe ich zwei einsame Wanderer, ein Pärchen, dass im Windschatten der Hütte Schutz sucht. Insgesamt ist es recht ungemütlich: überm Brenner, am Sattelberg und bis übers Portjoch regnet es und man kann aus der Entfernung die hinunterfallenden Schwaden beobachten. Ab und an trägt der Wind leichten Nieselregen herüber. Es lässt sich nicht so recht einschätzen, wann die Regenwolken bis hier her ziehen. Bei diesem Sturm kann das schnell gehen.
Ich frag die beiden, ob sie sich auskennen. Stehe ja immer noch vor der Entscheidung, entweder den 99er oder den 125er hinunter zu nehmen. Sie sind aus der Gegend und erzählen mir, dass sie den 125er heraufgekommen wären und raten ab: Dieser führe quasi senkrecht bergauf (aus ihrer Sicht), ohne irgendwelche Kehren. Nicht das, was ich brauchen kann. Die Entscheidung für den 99er fällt mir also leicht.
Der 99er: Nun, McMounty meinte ja: gaaaanz einfach, fast nur Wiese, viel Flow.
Hab ich so nicht empfunden. Wiese waren vielleicht die letzten 200 m vor Erreichen der Forststraße (1855m). Ganz einfach hab ich auch nirgendwo so empfunden. Der Pfad ist nie unter S1, oft S2 und an manchen Stellen tiefrot in S3 drin. Flow? Kommt vielleicht ein wenig aufs Fahrkönnen an. Zudem quert der Weg mehrere empfindliche Hochmoore, feuchte Mähderwiesen, wo ich schnelles Runterballern zum Schutz der Natur eh nicht für angebracht halte. Es ist landschaftlich ein sehr schöner Weg, aber ich hätte mir aufgrund der Vorberichte eigentlich mehr davon versprochen. Mit nur 260 Hm außerdem ein ein wenig kurzer Trail, wenn man bedenkt, wie lange man sich dafür bergauf gequält hat. Hier stimmt Kaspressknödels Einschätzung wieder:
"ein Trail, der für Fahrer mit guter Technik mit wenigen Schiebepassagen zu bewältigen ist. Ungeübte Fahrer werden wahrscheinlich großteils der Strecke schieben müssen. Dies ist aber kein Drama, da dann mehr Zeit zum Betrachten der Bergwelt bleibt."
Ab der Forststraße wechselt die Nummerierung auf 126, dann stößt man auf den "Lärchwiesenweg" (1750m), eine sehr einfache, aber umso schönere Forststraße, die fast ohne Höhenunterschied ostwärts Richtung Nösslachhütte zieht. Momentan ist außerdem genau der richtige Zeitpunkt die farbliche Veränderung der Lärchen zu bewundern, die hier im lockeren Verbund zu beiden Seiten der Straße sind.
Die Kastnerbergalm war natürlich geschlossen.
Ich habe dann beschlossen, auf der "Normalroute" nochmals hinauf zum Eggerjoch zu fahren, da ich noch einen weiteren Trail ausprobieren wollte. Aus dem Obernberger Tal führt eine Fahrstraße in die Egger Mähder und bis zum Joch hinauf. Mein Abzweig beginnt bei 1610m. Eine Stunde und 500 Höhenmeter später stehe ich wieder oben am Joch, wo der Wind unverändert pfeift. Die letzten Höhenmeter hatten es aufgrund der Steigung aber nochmal in sich. Schneller Klamottenwechsel und runter geht es auf derselben Seite Richtung Obernberger Tal, diesmal allerdings auf dem Wanderweg 78, der in der letzten Kehre der Straßenabfahrt abzweigt (2120m). Der Wanderweg führt durch Hochmoore, die sattsam bekanten Heidekrauthänge und bietet liebliche Ausblicke in die sich feuerrot verfärbenden Lärchwiesen. Irgendwo zwischen S1 und S2 und an einer Stelle ziemlich von den Kühen zertreten. Ein Abzweig mit Wegweiser, ansonsten keinerlei Schwierigkeiten, den Weg zu finden. Auch dieser Trail endet bei 1930m viel zu früh. Der Wanderweg führt nun in Nähe der Auffahrtsstraße als breiter Karrenweg bergab, vorbei an traditionell gesteckten Holzzäunen und inmitten der Lärchenwälder. Das ist alles sehr schön anzusehen, aber fahrtechnisch ohne jede Herausforderung. Ein paarmal kreuzt der etwas verlassen wirkende Wanderweg grasige Zubringerstraßen in die Mähder und man kann entweder auf diesen oder auf dem Wanderweg weiter bergab rollen, bis man wieder auf den "Lärchwiesenweg" stößt. Einige Abschnitte des Wanderwegs waren voll mit Bruchholz aus Abholzungsarbeiten, die da offensichtlich keiner mehr wegräumt.
Mit ein paar weiteren Sackgassen-Erkundungen, deren Beschreibung ich euch an dieser Stelle erspare, sind's dann am Ende gut 2200 Höhenmeter geworden, bei 41 km Gesamtstrecke und 8 1/4 Stunden Unterwegszeit. Pausen waren eher Fehlanzeige, dafür war's wettertechnisch zu ungemütlich. Auf der Suche nach einer trailigen Abkürzung von den Bauernhöfen bei Egg hinunter nach Vinaders (unter Vermeidung der Teerstraße) fand ich mich plötzlich inmitten von Katzen und Hühnervieh im Saxerhof wieder und hab das unerlaubte Eindringen in die Privatsphäre mit einem längeren Schwätzchen mit der alten Bäuerin wieder gutgemacht, die mir aber leider auch keine geniale Abfahrt durch die steilen Lärchenwiesen hinunter nach Vinaders verraten konnte. Die Hänge sind fest in Bauernhand und nicht-arbeitendes Touristenvolk hat da nichts verloren. Es gibt nichtmal einen Wanderweg hinunter. Zu berichten wäre noch von triefnassen Schuhen von den Passagen in den Hochmooren, hab oben viel gefroren unterm Grat, viel geschwitzt von den steilen Auffahrten. Aber landschaftlich eine Traumgegend.
Ob ich die 5,7 km lange Querung auf dem 42er Wanderweg vom Nösslachjoch übers Eggerjoch zum Lichtsee (im ganzen Bereich immer über 2000 Meter) empfehlen würde? - Ich bin ja ein Freund von Höhenwegen und nehme dafür auch mal Schiebepassagen in Kauf. Ist mir allemal lieber als eine steile Rampe raufzufahren, einen ganz kurzen Moment oben am
Sattel zu verschnaufen und dann auf der anderen Seite wieder runterzufahren. Aber da sind die Geschmäcker ja bekanntlich verschieden.
Wer's nachmachen möchte, sollte bedenken: Auf dem 42er gibt's keinerlei Schutz. Die Fluchtmöglichkeiten nach unten sind begrenzt. Und es weht dort offensichtlich häufiger ein starker Wind. Wenn man allerdings einen guten Tag erwischt, gibt's kaum eine schönere alpine Höhentour, welche während der Betriebszeiten des Bergeralmlifts außerdem relativ einfach "erkauft" ist. Dann dürften dort oben aber auch mehr Wanderer unterwegs sein.
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