[Fotostory II] Singlespeed-Alpentour 04

Tag 4


Wir radelten also in aller Ruhe durch die Touristenhochburg Lech. Bis zu unserem Tagesziel waren noch ein Pass und eine weitere Bergauffahrt zu bewältigen. Zunächst ging es stramm auf Teer nach Oberlech hinauf. Trotz anfänglicher Quängeleien hielt Rikman hier tapfer durch. In drei Serpentinen knallte die Straße den Berg hinauf und brachte uns auf knapp 1800m. Oben angelangt verspürten wir dann doch ein leicht reizendes Hungergefühl, aber da es in den nächsten Ort nurnoch bergab ging, so dachten wir jedenfalls, trösteten wir uns über den leeren Magen mit der Aussicht auf eine schöne Abfahrt hinweg. Ha, nix da! Da haben wir wohl etwas zu schlampig auf die Karte geschaut. Der kleine Kitzbach hat in jahrtausende währender Arbeit eine kleine Klamm in den Fels geschliffen; und zwar genau da, wo unser Weg entlang lief. Die hundert Höhenmeter runter waren ja noch ganz nett. Auf dem schmalen Weg überholten wir ganz, ganz langsam eine Familie. Als die Mutter der beiden Kinder mich bemerkte fuhr sie zusammen als stünden da eine Horde Mongolen mit Messern im Maul. Sie umfasste ihre Kleinen, drängte sie unter ängstlich-erstrecktem Gezeter an die Felswand und stellte sich einem lebenden Schutzschild gleich vor sie. Ich fuhr mit weniger als Schrittgeschwindigkeit vorbei und schaute mich um was denn erschreckendes hinter mir zu sein schien, doch da war nichts. Ich größte freundlich aber außer einem voll Todesangst erfüllten Blick bekam ich keine Antwort.
Auf der anderen Seite ging es kurz und steil aus der Klamm wieder hinaus. Unsere Mägen hingen in den Kniekehlen.

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Doch von nun an ging es erstmal wirklich nurnoch bergab, zunächst auf einem etwas stärker freqientierten schmalen Weg und danach, die Untere Auenfeldalpe passierend, auf einem schönen Forstweg eben und schnell gen Tal. Wir vernichteten von der Alpe an 400hm und fanden uns in Windeseile in Schröcken an der Fernstraße 200 wieder. Direkt gegenüber der Straßenkreuzung lachte uns ein italienisches Restaurant an. Wir zögerten nicht lange. Habe ich schon erwähnt das an diesem Tag die Sonne gar herrlich knallte? Na wir setzten uns und ließen uns die warme Sonne auf den noch von der Abfahrt ausgekühlten Mannskörper braten. Es gab lecker Bier und italienisches Gedöns (Pizza für Rikman und Tortellini für mich wenn ich mich recht erinnere). Wir mästeten uns bis wir dachten das wir platzen müssten und vertrieben uns die Zeit mit Fertigmachen von vorbeifahrenden Radlern.

Von Schröcken aus mussten wir einige Kilometer Staatsstraße fahren, doch es ging zumeist leicht bergab und außerdem durch Autotunnel - jäh, Videospielfeeling. Auf unserer Kompass-Karte war der Abzweig den wir nehmen wollte leider nicht mehr eingezeichnet, es fehlten ca. zwei cm am linken Kartenrand. Um den richtigen Weg zu finden brauchten wir zwei versuche. Von nun an sollte es zum Neuhornbachhaus - unserem Etappenziel - nurnoch bergan an. Fieseste 700hm. Zu Beginn wollte ich noch, doch ich musste bald aufgeben.

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Es war bereits Nachmittag und die Sonne ballerte gnadenlos auf den Hang an dem sich unser Forstweg in Serpentinen mit bis zu 27%-Steigung berganschlängelte. Es war die reinste Quälerei. Wanderd wäre so einfach, aber nein, wir mussten ja unbedingt noch unsere schei$ Räder mit hoch auf den Berg schieben. Von Zeit zu Zeit offenbarten sich aber schöne Ausblicke in den tief eingeschnittenen Schreckensbach (der hieß wirklich so) und je Höher wir kamen desto toller wurde der Blick auf die umgebenden Bergspitzen. Der Weg saugte uns, die wir nur bergauf schoben, alle Kraft aus den Knochen, alle paar hundert Meter mussten wir kurz stehen bleiben. Doch kurz vor der Neuhornbachalpe viel unser Blick nach links auf das Neuhornbachhaus. Eine Berghütte wie aus dem Bilderbuch. In der gleißenden Alpensonne, vor einem herrlichen Alpenpanorama mit einer Mixtur aus Felsspitzen und Almwiesen stand die Hütte mit ihren weißrot angemalten Fensterläden. Die letzten Meter konnten wir fahren.
Schon bergan war uns ausfgefallen, dass unglaublich viele Tagesausflügler uns entgegen kamen die nicht so aussahen, als ob sie fähig und willens wären hier hoch zu stiegen. Und auch auf der Terrasse der Hütte saßen Unmengen Nachmittagsgäste. Toll, unsere Vermutung bewahrheitete sich: irgendwo gab es einen Lift! Wir enthielten uns dem Rummel auf der vollbesetzten Sonnenterrasse und machten es uns vor der Hütte bequem.

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Die Sonne beschrieb einen Bogen am Firmament und langsam leerte sich die Hütte. Wir beobachteten die einsamen Almhütten am gegenüberliegenden Berghang, welche wohl nur durch einen anstrengenden Hlabtagmarsch auf unwegsamen Klatterpfaden zu erreichen wären und schwelgten in der Vorstellung genau einer solchen mal eine Zeit lang zu verbringen.
Es stellte sich heraus, dass wir die einzigsten Gäste waren die auch übernachten wollten. Der Abend war sehr angenehm. Wir tranken ein Meckatzer nach dem anderen (sehr zu empfehlen die allgäuer Biermarke) und der abgedrehte Koch bewirtete uns persönlich. Er schien sich einen Spaß daraus zu machen uns vollzustopfen mit leckersten Essen bis Oberkante Unterlippe. Er war auch kaum vom Erzählen abzubringen - und das bei seinem gar schrecklichen Dialekt. Der Abend nahm seinen Lauf und sie Sonne versank höchst kitsichig, aber wunderbar anzusehen hinterm Berg. Genug getan für heute dachten wir, und zogen uns nach eingehendem Kartenstudium auf unser Zimmer zurück.


Bilder im Anhang: Bild 1 Gefangen zwischen den Kühen bei der Auffahrt nach Oberlech; Bild 2 Extra für Darkdesigner und alle anderen erdkundlich interessierten fotographiert, eine kleine Faltenstruktur im zerklüfteten Kalkgestein; Bild 3 Sonnenuntergang am Neuhornbachhaus
 

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Tag 4

Und wie gewohnt noch das Höhenprofil von der vierten Etappe, nur diesmal bearbeitet. Das unbearbeitete HP hängt an.
Es waren wieder knapp 50 km und ~1700hm.

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rob
 

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rob schrieb:
Tag 4... Als die Mutter der beiden Kinder mich bemerkte fuhr sie zusammen als stünden da eine Horde Mongolen mit Messern im Maul. Sie umfasste ihre Kleinen, drängte sie unter ängstlich-erstrecktem Gezeter an die Felswand und stellte sich einem lebenden Schutzschild gleich vor sie. Ich fuhr mit weniger als Schrittgeschwindigkeit vorbei und schaute mich um was denn erschreckendes hinter mir zu sein schien, doch da war nichts. ....[/SIZE]

... doch!
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... rikman :eek: :D


wunderbar
flo
 
5. und letzter Tag

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Morgendlicher Panoramablick vom Neuhornbachhaus


Der Handywecker klingelt erbarmungslos. Das Aufstehen fällt von Tag zu Tag schwerer, die Knochen werden träge, die Beine müde. Aber draußen scheint die Sonne und das macht es doch sogleich erträglicher. Das Frühstück war für um acht verabredet, doch als wir runter in den gastraum kommen erblicken wir weder einen gedeckten Tisch noch Personal. Toll, die pennen alle noch und wir stehen hier doof rum. Nach einem kleinen Gang hinaus auf die Terrasse kommt auch schon der Gastwirt und seines Zeichens Eigner der Hütte. Und sein erster Akt ist es uns beiden und sich jeweils einen Kurzen einzuschenken. Er murmelt etwa von wegen "Ihr wollt doch nicht auf leeren Magen frühstücken..." und wir kippen das leckere Zeug runter.
Schon am Abend hatten wir uns gefragt ob die gut 30? eigentlich als Halbpension, nur mit Frühstück ode als Übernachtung pur zuverstehen waren. Und in Anbetracht des überaus reichlichen Frühstücks und der Kunst des Gastwirtes uns alles mögliche aufzuschwatzen, ja aufzudrängen (Eier, Extrawurst, Extrakäse, nochn Brötchen, Saft...), verstärkte sich unsere Vorahnung, dass wir hier ganz schön was hinblechen könnten. Zumal so Hütten schon ansich nicht so billig sind. Nach dem Frühstücken und Sachen packen gings also an bezahlen. 34? von jedem wollte er haben! Das war ein Scherz! Für Übernachtung, ein quasi All-you-can-eat-Abendessen, ungezählte Biere und das Mordsfrühstück - wir hattens mal wieder bestens erwischt.

Mit vollen Mägen gingen wir auf den Trail. Von der Neuen zur Alten Neuhornbachalpe konnte man noch entspannt fahren, danach waren allerdings 200hm Schieben hoch zum 1867m hohen Starzerjoch angesagt.

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Rikman steht schon oben auf dem Pass, im Mittelgrund des Bildes ist, nur als weißer Fleck erkennbar, das Neuhornbachhaus auszumachen. Kurz nach dem Starzerjoch ging es noch über die minimal tiefer gelegene Ochsenhöfer Scharte. Von der Scharte ging es steil 200hm bergab und wir waren im vorhinein sehr unsich ob die wohl fahrbar wären. Die ersten Meter waren es definitif nicht. Doch nach zwei Kehren wurde der schmale Pfad zusehends fahrbarer. Ich versenkte die Sattelstütze und rauschte ab. Die 200hm waren die besten der gesamten Tour. Der Weg war technisch extrem schwierig - jedenfalls für uns starrgabelfahrende Flachländer. Ich schaffte den Weg mit nur einmal Absteigen und zweimal Fußabsetzen, mehrere Male jedoch blieb mir das Herz stehen. Viele stellen waren nur mit kleinen Trialeinlagen oder dem Mut der Verzweilfung zu bewältigen. Es war ein berauschendes Gefühl. Unten an der Schwarzwasserhütte angelangt wäre ich am liebsten hoch und nochmal runter. Aber von hoch hatte ich genug und außerdem kam der Rikman auch schon.

Von der Hütte ging es weitere 300hm bergab in Grund des Schwarzwassertales. Der Weg war technisch immernoch heikel, z.T. sehr nass und glibschig und übersäht mit Wurzeln, Steinen und ... Touris. Die kamen nämlich, da es schon auf Mittag zuging, Ameisen gleich aus dem Tal hoch zu den Hütten gekreucht und versperrten die Wege. Aber andererseits es macht ja manchmal auch Spass vor Otto-Normal-Tourist den dicken Max zu markieren.
Das Schwarzwassertal mündet weiter unten in das Kleinwalsertal. Das Kleinwalsertal gehört noch zu Österreich, hat aber nur eine einzige Straßenverbindung hinüber nach Deutschland; vom Mutterland hin wird die Talinklave durch 2000m hohe Berge abgeschnitten. Weit war es nicht mir bis zum Ziel.


Bild im Anhang: schwieriger Pfad hinunter zur Schwarzwasserhütte
 

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5. und letzter Tag

Das Kleinwalsertal war von Oberstdorf nur durch einen Bergkamm getrennt. Wir entscheiden uns, diesen nicht an der höchsten Stelle zu überqueren, sondern weiter unten am Talausgang, da waren nur knapp 400hm zu bewältigen. Wir probierten mehrere Abzweige innerorts nach rechts hinauf, doch alle führten in Sackgassen. Am ortsausgang von Riezlern ging es dann endlich bergauf. Endlich bergauf ist gut, endlich ankommen wollten wir! Der Weg vom Kleinwalsertal hinüber nach Deutschland war, wir ahnten es schon vorher, übersäht mit Touristen, Familien, Rentnergruppen, Tagesausflügler, Nordic-Walkern - oder kurz: Freunde! Abes es war ok, die Massen im Slalom zu umfahren war ganz nett und bergauf ist es ja eh motivierend. Kurz unterhalb dem Sattelkopf (1422m) hatten wir wieder heimischen Boden unter Stollen - auch nicht schlecht. Das musste erstmal gefeiert werden. Außerdem hatte die Hitze unsere Kehlen austrocknen lassen. Die zweitbeste Lokation wurde auserwählt und ein Päuschen eingelegt.

Den weiteren Wegverlauf gestalteten wir uns einfach und zeitsparend. Wir wollten am selben Tag auch noch zum Bodensee gelangen. Zunächst rauschten wir eine Teerpiste bergab. Die Bremsbeläge qualmten und die Felgen wurden weich vor Hitze. Dann bogen wir ab zum Freibergsee. Dieser wurde halb umrundet und der Blick auf die Skisprungschanze musste natürlich auch festgehalten werden.

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Hiernach folgte die letzte Abfahrt unserer diesjährigen Singlespeed-Alpentour. Ein geschmeidiger Pfad führte uns hinab ins Stillachtal. Nun lagen nurnoch die letzten 100hm als Bonbon für den Abschluss vor uns. In aller Ruhe und Gelassenheit kurbelten wir die Straße hinauf zur Pension. So schlimm wie wir es uns beim Losfahren ausmalten, war der Schlussanstieg garnicht. Und da bekamen wir sie zu Gesicht - unsere Pension, das Auto. 'Klopf ab, Alter!' Wir hatten es geschafft!

Trotz aller Qaulen, aller anfänglichen Probleme (White Nabe!), wir haben es wieder geschafft. Man war das geil! Stolz wie Oskar namen wir in der Pension Platz, wurden vom Chinamann frendlich begrüßt und gaben die Bestellungen auf. Wie vor sechs Tagen gabs Bratwurst mit Bratkartoffeln - und wie vor sechs Tagen aßen wir für zwei und zahlten für einen! Der Pensionswirt bot uns noch an die Duschen kostenlos zu benutzen, was wir dankend annahmen. Sevice: 110 von 100 Punkten.

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Nach dem Frischmachen gings zum Auto. Lüften und ausmisten war angesagt, denn fast ein Woche gammelten leere Bierflaschen und Kuchenreste in dem in der prallen Sonne stehenden Auto vor sich hin. Wir luden alles ein, verstauten die braven Rösser, verabschiedeten uns von dem netten Wirt, stiegen ein udn düsten mit einer Träne im Knopfloch davon. Oder halt - ich glaube die Träne habe ich gerade dazugedichtet, da sie mir in diesem Moment so real vorkommt. Nee, zu dem Zeitpunkt schuaten wir eher mit Vorfreude voraus, was die nächsten Tage bei der Eurobike am Bodensee bringen mochten. Aber dazu im Nachwort mehr. Rikman lud sogleich die Bilder auf seinen Laptop und eh wir aus Oberstdorf rauswaren lenkte er mich mit schicken Fotos vom Verkehr ab.
 
5. und letzter Tag

Und wie gewohnt das Höhenprofil vom letzten Tag hinterher:

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ca. 600hm und gute 30km


Und für alle Interessierten nocheinmal eine Übersicht zu den Etappen:


Tag 1: Oberstdorf - Leutkirchner Hütte; 57 km und 2150hm

Obersdorf - Schroffenpaß - Warth - Steeg - Kaisers (unterhalb vorbei) - Almajurtal - Bodenalpe - Leutkirchner Hütte

Tag 2: Leutkirchner Hütte - Bartholomäberg; 60km und 1700hm

Leutkirchner Hütte - St. Anton am Arlberg - Konstanzer Hütte - Silbertaler Winterjöchle - Silbertal - Wasserstubental - Kristberg - Rellseck - Bartholomäberg

Tag 3: Bartholomäberg - Freibunger Hütte; 45km und 1700hm

Bartholomäberg - St Anton im Montafon - Bludenz - Ludesch - Raggal - Marul - Laguzalpe - In der Enge - Freiburger Hütte

Tag 4: Freiburger Hütte - Neuhronbachhaus; 50km und 1700hm

Freiburger Hütte - Spullersee - Stierlochjoch - Zug - Lech - Oberlech - Auenfeldsattel - Schröcken - Schoppenau - Neuhornbachhaus

Tag 5: Neuhornbachhaus - Oberstdorf; 33km und 600hm

Neuhornbachhaus - Starzerjoch - Schwarzwasserhütte - Kleinwalsertal - Sattelkopf - Freibergsee - Oberstdorf


Insgesamt ca. 245km und 7850hm.

Dafür das wir uns nach der ersten Ssp-Alpentour ein 'nie wieder' schworen, haben wir nochmal ganz gut was draufgepackt :)


rb
 
Mensch Rob,
einerseits fies von Rikman und Dir, uns über Wochen und in dieser kalten dunklen Zeit mit Eurer Tour anzumachen. Anderseits super Fotostory und schönes Feeling, das weider richtig Lust auf Biken macht. Jetzt und erst recht im Frühling und im Sommer in den Bergen.

Schöne Feiertage rundherum, ich muß packen...

D.
 
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