Hätte auch noch eine Anekdote.
Setting: Gegen 22 Uhr am Vorabend der Abfahrt zu einer einwöchigen Transalp-Solotour. Zug nach Oberstdorf fährt am nächsten Tag um 7:15 Uhr. Alles ist gepackt, ich mache die letzten Checks am Bike. Irgendwie tut die hintere Guide nach dem entlüften nicht richtig. Sehr starker Widerstand beim ziehen des Hebels, kommt nur schleppend zurück. Mist. Erneute
Entlüftung, Fingerspitzen werden langsam stumpf durchs DOT. Handschuhe wären besser gewesen.
Verdammt ich will fertig werden und schlafen!
Anschließend ist das Problem kein Stück besser. Verzweiflung wächst. Was ist das? Kolben fahren gleichmäßig und ohne Ruckeln ein und aus. Habe keine Ersatzbremse verfügbar, und Ersatzteile kriege ich heute nirgends mehr. Kleinanzeigen zeigt nichts brauchbares in meiner Umgebung. Google zuckt die Schultern und liefert nichts brauchbares.
Nochmal zerlegen das Biest. Es ist fast Mitternacht.
Geber von der Leitung getrennt um zu sehen ob der Widerstand im darin oder im
Sattel liegt. Widerstand weiterhin zu fühlen,
juchu: Problem eingegrenzt!
Hebel abgebaut und dessen Aufhängung untersucht. Läuft alles glatt
Bremsflüssigkeit aus dem Geber entfernt um den kolben separat zu bewegen.
Selbstnotiz:
DOT löst Leinölfirnis auf der Arbeitsplatte auf.
Spitzzange spitzer gefeilt um den kleinen Sprengring aus dem Kolbenkanal zu lösen. Kolben kommt nicht raus.
Dämpferpumpe mit einem hohlen Stückchen Gummipuffer an den Geber gepresst und den Kolben herausgepumpt.
Kolben glatt und sauber. Kolbenkanal auch. Kolben klemmt im Kanal sogar ohne Dichtungsring. Häh?!
Messschieber gezück und nachgemessen. Kolben hat 5 Hundertstel Übermaß gegenüber dem Kolbenkanal!! Ich verstehe die Welt nicht mehr. Wie kann das sein? So wäre das doch nie durch die Qualitätskontrolle gekommen. Nachträglich gewachsen trotz korrekter DOT-Variante? Egal.
Inzwischen ist es nach halbeins morgens - eine Lösung muss her, aber flott!
Übermaß an einem Präzisionsteil kriegt man mit einer Drehbank runter. Habe ich nicht. Also Plan-B: 240er Schleifpapier. Zum Glück habe ich mit sowas etwas Übung.
Nach einer Weile sorgsamen Drehens im Schleifpapier zeigt der Messchieber 3 Hundertstel unter Kolbenkanal-Innenmaß. Sollte reichen.
Alles gesäubert und zusammengebaut. Kolben lässt sich wieder glatt und satt bewegen.
Das System wieder verbunden, die Bremse entlüftet und -
Bingo! - entgegen der schwindenden Hoffnung funktioniert die Bremse wieder perfekt.
Das tat sie von da ab auch bis zur Ersetzung einige Jahre danach.