Märkische Schweiz - ein Tourklassiker

rob

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Spongohausen bei Berlin
Märkische Schweiz - ein Tourklassiker


Zuerst einmal gilt mein Dank dem Zwocki, denn ohne seinen forschen Einwand heute Morgen wäre ich mir meiner viel zu bequemen Lage wohl nicht bewusst geworden. Sofort ging ich offline, sprang zwischen Bad und Küche hin- und her und eilte zum Bahnhof Ostkreuz von wo mich die S-Bahn Linie 5 direkt nach Strausberg Stadt chauffierte. Der Artikel in der National Geographic über die negativen Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen des chinesischen Wirtschaftsbooms ließ die 47 Minuten recht kurz erscheinen.

Nach einem kurzen Verfahrer noch in Stausberg fand ich den rechten Weg und genoss die schnelle Fahrt auf dem einsamen, schmalen Pfad am Ihlandsee entlang. Die folgenden Forstwege ließen sich gut fahren, sie waren eben und schnell. An der Flurnummer (?) 5354 schwenkte ich gen Osten. Diese Richtung wollte ich bis zu den Niederungen des Oderbruches beibehalten, doch kleinere Differenzen zwischen der Kartendarstellung und der Realität erzwangen hin und wieder kurze Umwege. Auf dem Weg nach Prötzel waren die vielen neu eingezäunten Gelände im Wald auffällig. Weiß jemand Genaueres warum überhaupt, und warum zudem noch vermehrt kleine Parzellen mitten im Wald eingezäunt werden?
Prötzel ist ein Ort in dem die Welt noch in Ordnung zu sein scheint. Die Schule befindet sich in der Schulstraße 1, die Seestraße führt zum See hinunter und der Kirche ist im Dorf belassen worden. Der Weg nach Prädikow wurde durch einige Singletracks verfeinert, welche späterhin mitten auf einem Bauernhof endeten. Der Bauernhof, halb verfallen, im alten Stile war sehr schön anzusehen; ein bissiger Hund erwartete meine Ankunft zum Glück auch nicht. Auf dem Weg nach Ihlow offenbarte der Frühling all seine Pracht, welche ein und die selbe Landschaft, im Gegensatz zum Winter, welcher ohne Frage auch seinen Reiz hat, in einem ganz anderen Lichte erstrahlen lässt. Der saftig dunkelgrüne und nicht zum Verzehr ratsame Futtermais ist noch nicht einmal kniehoch; das Sonnenlicht, welches sich hin und wieder seinen Weg durch die Wolken bahnte, ließ die jungen Rapsfelder in schillerndem Gold erscheinen; die Natur war in weiches Frühlingslicht getauft; mit einzigartigen Farben buhlten einfache Feldblumen um die Aufmerksamkeit umherschwirrender Insekten.

Von Ihlow aus wollte ich einen kleinen Abstecher in neues Terrain unternehmen. Über weite Felder führte mich der Weg in den Ort mit dem wohl poetischsten Namen: Batzlow. Der in der Mitte der Hauptkreuzung des kleinen Ortes aufgebarte Findling sollte meinen Ansprüchen an eine Raststätte genüge tun. Ich warf eine sehr leckere Stulle (Kochschinken, Gouda, Schmelzkäse und mit Ketchup abgeschmeckt) ein und wählte die kommende Fahrroute aus.
Schnell wurden die Höhenmeter hinab in den Oderbruch vernichtet und ein langer, gerader, von wechselnder Vegetation umsäumter Weg geleitete mich an den Ortseingang von Karlsdorf. Hier verlässt die Stöbber in Gewand des Dolgensees die schützenden Wälder der Märksichen Schweiz um weiter im Osten in der Oder aufzugehen. An besagtem See ging es entlang, fast unmerklich stieg des Terrain an. Die Kilometer hin zur Eichendorfer Mühle waren gar paradiesisch – ohne übertreiben zu wollen. In der Frische des Frühlings erschienen die Sümpfe, Wiesenhaine und lichten Strauchvegetationen wie perfekt durchdachte Parkanlagen aus Mutter Natur’s Brust geschnitzt. Weiter ging es im Stöbbertal entlang zur Pritzhagener Mühle, welche wie immer die wohlschmeckensten Blechkuchen bereithielt. Ich gönnte mir ein Stück Bienenstich und schaute dem bünftigen Truthahn auf dem Nachbargelände bei seinen Imponiergehaben zu.

Ich machte mich auf, umrundete den Großen Tornowsee südwärts und erklomm den Poetensteig hinauf zum Dachsberg. Der schmale Steig führte mich hinein nach Buckow, doch ich verließ den Ort sofort wieder und ließ mich von den knackigen Steigungen am Westufer des Schermützelsees malträtieren. Die folgende Fahrt über Hasenholz und Klosterdorf zurück nach Strausberg Nord war wenig spektakulär, aber nicht weniger schön.

Da die Erinnerung mit fortschreitender Zeit verblasst sind die Eindrücke der aktuellen Geländeradtour immer am frischesten, und dank dieses kleinen Tricks kann ich, ohne zurückliegende Touren zu vernachlässigen und ohne mich selber zu belügen, wohl behaupten, dass die heutige Tour die schönste war die ich je gefahren bin! Die Mark Brandenburg zeigt sich dem Aufgeschlossenen doch immer von ihren attraktivsten Seiten.
Resultat des Tages: ein erschreckter Waschbär (oder was immer das war), zwei aufgescheuchte Rebhühner und ein vertriebenes Rehlein auf 75km in 4:05h Gesamtfahrzeit (mit Pausen).

Rob

Strausberg Stadt – Ihlowsee – Prötzel – Prädikow – Ihlow – Batzlow – Karlsdorf – Eichendorfer Mühle – Pritzhagener Mühle – Siegfried-Wenske-Blick – Buckow – Hasenholz – Rühlsdorf – Klosterdorf – Strausberg Nord
 
rob schrieb:
Märkische Schweiz - ein Tourklassiker...

Zuerst einmal gilt mein Dank dem Zwocki, denn ohne seinen forschen Einwand heute Morgen wäre ich mir meiner viel zu bequemen Lage wohl nicht bewusst geworden. Sofort ging ich offline, sprang zwischen Bad und Küche hin- und her und eilte zum Bahnhof Ostkreuz von wo mich die S-Bahn Linie 5 direkt nach Strausberg Stadt chauffierte.
Na siehst Du rob, geht doch. Und ich hatte schon Sorge, Du würdest auf die schiefe Bahn geraten.



rob schrieb:
Auf dem Weg nach Prötzel waren die vielen neu eingezäunten Gelände im Wald auffällig. Weiß jemand Genaueres warum überhaupt, und warum zudem noch vermehrt kleine Parzellen mitten im Wald eingezäunt werden?
Ich könnte mir vortstellen, dass es dazu dient, den Verbiss zu verhindern, der durch den enormen Dammwildbestand entsteht. Ist aber nur eine Vermutung.



rob schrieb:
Ich warf eine sehr leckere Stulle (Kochschinken, Gouda, Schmelzkäse und mit Ketchup abgeschmeckt) ein und...
...fiel in einen Komaähnlichen Zustand, aus dem ich erst wieder erwachte, als mir nette Schwestern den Magen ausgepumpt hatten.



rob schrieb:
...hinab in den Oderbruch...
Nanana, bis ins Oderbruch sind es von da noch ein paar km's



Vielen Dank rob für dieses schöne Beispiel von Zweiradpoesie. In mir erhärtet sich indes der Verdacht, dass das Radfahren in und um Berlin wieder in den Autismus der PreESKZeit zurückfällt. Nun, wenn dem so ist, so wird es gut sein.
 
Wahrlich eine schöne Beschreibung!!!

Wenn ich an meinen heutigen Tag denke, welcher gespikt mit Globalisierungsthemen in der Luftfahrtindustrie als auch der wahnsinnigen Expansion eines mexikanischen Zementherstellers-mittels innovativer IT-Strukturen zu Zeiten, wo Begriffe wie Supply-Chain-Management oder auch J.D. Edwards noch keine Institutionen in der Fachliteratur waren, sondern wahrscheinlich fast noch mit "emerging" markets-Eigenschaften bevorurteilt wurden, ... dann hoffe ich auf einen baldigen Ausflug in das von Dir beschriebene Revier, allerdings nicht ohne ein Stück Pflaumenkuchen in der Pritzhagener Mühle zu genießen!
Vielen Dank für den Genuß wenigstens in Gedanken schnell etwas in der Landschaft herumzuschweifen!

jockel schrieb:
...fiel in einen Komaähnlichen Zustand, aus dem ich erst wieder erwachte, als mir nette Schwestern den Magen ausgepumpt hatten.
Wenn man an langen Arbeitstagen 10 leckere Stullen verdrücken will, dann führt das schon mal zu bunten Kombinationen...ich lass dann auch öfter mal einiges aus dem Kühlschrank bei mir auf den Broten permutieren ;-). Der Renner derzeit: Brot>Brunch(Aufstrich)>Kochschinken>Käse<Gurke<scharfer Senf<Brot !


Grüße Rookie
 
rob schrieb:
Märkische Schweiz - ein Tourklassiker

Strausberg Stadt – Ihlowsee – Prötzel – Prädikow – Ihlow – Batzlow – Karlsdorf – Eichendorfer Mühle – Pritzhagener Mühle – Siegfried-Wenske-Blick – Buckow – Hasenholz – Rühlsdorf – Klosterdorf – Strausberg Nord

Rühlsdorf = Ruhlsdorf ;) .
 
Danke Meister Rob, es ist schön zu wissen, daß auch die jugendlichen Kader nicht nur Bier saufend vor der Glotze herumhängen können, sondern ihre noch zarten Körper hin und wieder ein wenig fordern. Weiter so! Vielleicht ja demnäxt auch mal in einem kleinen Trüppchen > 1 Personen.

Auch ich war - wie jeden zweiten Tag :cool: - gestern nicht untätig und machte mich auf in Richtung Werbellinsee, erreichte aber aufgrund der großen Distanz zwischen meiner Feste in Pankow und dem Werbellinsee das Ufer nicht, sondern drehte rechtzeitig bei. Fazit meiner kleinen Feierabendrunde: 77 Km 3:37 h.

Rookie de Lux schrieb:
...Der Renner derzeit: Brot>Brunch(Aufstrich)>Kochschinken>Käse<Gurke<scharfer Senf<Brot...
Mein Geheimtipp, der Energie für einen halben Tag bereitstellt:
4 Hände Haferflocken, 2 Sahnejoghurts, 1 Banane, 1 Apfel, 2 Löffel Zucker, Brotkrumen aus 2 Stullen, 1 Glas Babybrei (Apfel-Möhre), genügend Milch.
 
Ich, Ritzelflitzer, gebe zu Selbstanzeige, gestern, trotz mehrfacher Beteuerungen, den Drahtesel in der Ecken stehen gelassen zu haben und statt dessen der Zerstörung des eigenen Körpers durch Zuführung von fettigen Speisen und nicht unerheblichen Mengen an alkoholischen Genußmitteln vorangetrieben zu haben. Ich werde mir ein Beispiel an der heutigen Jugend nehmen und meinen lotterhaften Lebensstil ablegen. Danke Rob, dass du mich aufgeweckt hast.

In tiefster Ehrerbietung

Ritzelflitzer
 
danke für den tollen bericht, genosse rob! da sich eine weitreichende schleife in ermangelung entsprechender zeitkontingente nicht umsetzen lässt, verkomme ich leider zum reinen g-parkwächter. in dieser rolle drehe ich hin und wieder eine kleine runde durch unseren stadtpark, schliesse die augen und versuche deine route nachzuempfinden... menis


Ackebua schrieb:
Mein Geheimtipp, der Energie für einen halben Tag bereitstellt:
4 Hände Haferflocken, 2 Sahnejoghurts, 1 Banane, 1 Apfel, 2 Löffel Zucker, Brotkrumen aus 2 Stullen, 1 Glas Babybrei (Apfel-Möhre), genügend Milch.

...das ganze dann 3.5 stunden in der hinteren trikottasche ziehen lassen - fertig!
 
@rifli: ihre selbstanzeige ist sehr ehrenhaft. ich darf wohl behaupten: einsicht ist der erste schritt zur besserung.

@rookie: danke.

Ackebua schrieb:
vor der Glotze herumhängen können
isch abe gar keine glotze.

Ackebua schrieb:
In mir erhärtet sich indes der Verdacht, dass das Radfahren in und um Berlin wieder in den Autismus der PreESKZeit zurückfällt.
ich hoffe doch, dass die kommenden warmen monate uns genügend gelegenheit dazu gibt. wenn ich mich recht erinnere, so gibt es auch noch die ein oder andere nicht in die tat umgesetzte touridee!

rob
 
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