MTB-Eigenbau aus Aluminium

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Moin,
ich bin durch Zufall auf dieses Forum gestoßen und wollte meine Erfahrungen und weiteren Pläne gerne in einer Community teilen, die sich in dem Thema etwas auskennt.
Kurz zu meiner Person: Ich heiße Moritz, bin 31 Jahre alt und arbeite als Servicetechniker. Meine Hobbys sind alles was mit Fertigung zu tun hat. Zerspanung in Form von Fräsen und Drehen, 3D Druck , Lasern und allgemein alles was mit Mechanik und Konstruktion zu tun hat.

Irgendwann bin ich auf die Idee gekommen mir ein MTB komplett selber zu bauen. Leichte Erfahrungen mit WIG-Schweißen hatte ich noch von meiner Motorradzeit und ansonsten ist maschinentechnisch alles vorhanden gewesen.
Ich bin damals noch ein gekauftes Hardtail gefahren, welches ich mit einigen Modifikationen an meinen Körper angepasst habe. Dazu gehörten ein anderer Vorbau, Lenker usw. um eine aufrechtere Sitzposition zu erlangen. Da ich nicht viel Offroad fahre, sondern eher mal Feldwege oder hier und da mal über ein paar Baumwurzeln springe bevorzuge ich eine eher geradere Sitzhaltung.
Oft habe ich dafür schon Kritik einstecken müssen. Ich würde das falsche Fahrrad fahren usw. bekomme ich da oft zu hören.
Das hat mich jedoch nicht davon abgehalten einen kompletten Eigenbau durchzuziehen.
Ich habe mit von meinem "komfortablen" Hardtail die Grundmaße wie Abstand Lenker - Sattel - Pedale usw. abgemessen und ein CAD Modell gemalt. Übersetzungsverhältnisse für den hinteren Dämpfer habe ich mit dem Taschenrechner hingespielt.
Herausgekommen ist dabei dieses "wunderschöne" Aluschwein mit sage und schreibe 20Kg Kampfgewicht.

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Die gesamte Rahmengeometrie ist blind aus den Fingern gesogen, ebenso wie die Ansteuerung des Dämpfers.
Die Rohre sind AW-6060 in 50x2, 40x2 und 35x2. Weil ich damals schnell loslegen wollte habe ich AW-6060 genommen.
Leider habe ich bis heute noch nicht ganz den Durchblick was die optimale Legierung ist wenn man keinen Temperofen etc. hat.
Eventuell kann man hier ja jemand einen Ratschlag geben.


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Mit dem Rad bin ich in Schweden ein paar schöne Touren gefahren. Sitzkomfort ist optimal und auch längere Touren machen einfach Spaß. Der Rahmen ist sehr steif (deutlich besser als mein gekauftes Hardtail), was bei 2mm Wandungsstärke wohl kaum verwunderlich ist. Ein paar "Sprünge" über Geschwindigkeithubbel und Baumwurzeln mit mir (115Kg Fettsack) hält der Rahmen problemlos aus. Auch Vollbremsungen auf beiden Achsen sind kein Problem. Eher mache ich mir Sorgen um die Billige-China/Ebay-Gabel.


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Zusammengefasst kann man also sagen, dass ich mit recht einfachen Mitteln ein fahrbares "MTB-ähnliches" Gebilde hergestellt habe.
Bei dem Projekt habe ich einiges gelernt und auch Erfahrungen gesammelt. Sei es beim AC-schweißen, CNC-fräsen oder bei der allgemeinen Vorgehensweise.
Das Ganze ist nun fast ein Jahr her und ich hatte schon seit ein paar Wochen den Entwurf für den Nachfolger auf der Festplatte liegen.
Dieser sollte wesentlich leichter werden. Das Gewicht (und die Optik) sind die beiden Hauptgründe für den Neuentwurf.


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Material sollte wieder AW6060 werden. Hat für mich einfach gut funktioniert, und ist überall günstig verfügbar. Bei uns gibts das sogar in sämtlichen Formen bis 6m Länge im Bauhaus als Zuschnitt auf Wunschlänge. Da ich mit der Materialwahl bisher keine schlechte Erfahrung gemacht habe, habe ich mich wieder zu 6060 entschieden.
Den Plan mit den gebogenen Rohren habe ich schnell wieder verworfen, dachdem ich festgestellt habe, dass sich Dünnwandiges Alurohr nicht so einfach biegen lässt ohne einzuknicken.


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In Folge dessen ist ein neuer Entwurft entstanden. Wesentliche Unterschiede zum Vorgängermodell sind die dünneren Rohre (1.5mm statt 2mm), Ober und Unterrohr AD=42mm sowie wesentlich kompaktere und schlankere Frästeile.
Einzig die Position aus Tretlager, Sattel und Lenker sind aus dem Vorgängermodell übernommen.
Diesmal liegt auch das Tretlager auf einer Höhe mit dem unteren Rohr der Schwinge, wodurch eine Umlenkung entfällt.


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Die Ersten paar Tage habe ich nur Rohre mittels Bandsäge zugeschnitten und auf der konventionellen Fräsmaschine ausgeklinkt. Lenkrohr und Tretlagersitze habe ich manuell gedreht.


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Eine Rahmenlehre habe ich nicht. Ich arbeite wie schon beim Vorgängerrahmen mit dem Nutentisch der Fräsmaschine und einfachen Hilfsmitteln wie plangefrästen Platten, Schraubzwingen, Haarwinkeln und einem digitalem Winkelmesser.


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Dabei dienen mir die gedrehten und somit rechtwinkligen Flächen des Tretlagers immer als Referenz.


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Die Qualität der schweißnähte hat sich im Vergleich zum Vorgänger tatsächlich schon wesentlich verbessert. Auch wenn die Optik noch verbesserungsbedürftig sein mag, sehen sie schon wesentlich gleichmäßiger aus und ich glühe nicht mehr den gesamten Rahmen durch.



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Bei der Aufnahme für die Schwinge hatte ich eine leichte Maßabweichung weil ich die Aufnahme im Rahmen leicht versetzt positioniert und verschweißt habe. Mit ein paar Winkeln und Parallelunterlagen habe ich die Position neu eingemessen, im CAD geändert und das neue Teil testhalber ausgedruckt. Nach der erfolgreichen Passprobe habe ich es dann zwei mal gefräst.


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Gestern habe ich mal den Dämpfer provisorisch eingesetzt. Für die Welle am oberen Ende muss ich mir noch was stabileres Überlegen. Beim Vorgänger hatte ich M8 Gewindestangen mit Selbstsichernden Muttern in VA genommen (jaja, ich weiß). Diese sind aber recht schnell krumm geworden. Ich werde es diesmal mit eine Selberstahlwelle probieren. Vermutlich werde ich die Umlenkmechanik irgendwann überarbeiten und die sinnlosen Kugellager am oberen Dämpferende beseitigen sowie die beiden Enden weiter nach innen zweigen lassen um die Welle zu verkürzen.


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Mit provisorischer Lackierung welche ich noch richtig ordentlich machen möchte wenn der Rahmen den Sommer übersteht und ohen die Frästeile liegt der nackte Rahmen bei genau 1460g.
In den nächsten Tagen möchte ich mit der Schwinge anfangen.


Weil ich schon teilweise heftige Kritik von Leuten einstecken musste die nicht mal einen Nagel in die Wand bekommen, möchte ich an dieser Stelle nochmals anmerken, dass bei diesem Projekt der Bau im Vordergrund steht und mir völlig klar ist, dass das was ich tue weder professionell noch "der richtige Weg" ist. Mein Ziel ist es Erfahrung zu sammeln. Irgendwann werde ich mir eine Rahmenlehre bauen, einen Lieferanten für höherwertige Legierungen finden und aus all den bisherigen Fehlern und Fehlkonstruktionen lernen.

Updates werden folgen.

Ich bin gespannt auf Eure Meinung.
 

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Re: MTB-Eigenbau aus Aluminium
Ich würde mir beim Sitzrohr noch etwas überlegen. Die Stelle bei der Dämpferaufnahme ist ein Klassiker bei Rahmenbrüchen und bei dem Material und der Wandstärke sicherlich hochgefährdet. Oder hast Du da innen etwas eingeschoben?
 
Ich würde mir beim Sitzrohr noch etwas überlegen. Die Stelle bei der Dämpferaufnahme ist ein Klassiker bei Rahmenbrüchen und bei dem Material und der Wandstärke sicherlich hochgefährdet. Oder hast Du da innen etwas eingeschoben?

Tatsächlich nicht. Das Rohr ist 35x2mm. Ich werde das mal verstärkt beobachten, danke für den Hinweis.
Ich werde den Rahmen vor der ersten Fahrt ohnehin im Stand stark belasten (mehrmaliges springen im Stand usw.). Das habe ich beim ersten Rahmen auch auch gemacht und musste noch nacharbeiten.
 
Wow! Bin gerade zufällig hier drüber gestolpert, bin aus dem Staunen nicht mehr heraus gekommen. Einerseits scheinbar so wenig Ahnung von der Materie zu haben, dass die 2000er anrufen und ihre Geometrie zurück haben wollen und dann auch noch ne Chinabomber-Doppelbrücke wie eine gute Option aussieht. Aber dann "einfach mal so" einen Alu-Rahmen selbst schweißen 🤯

Meinen vollsten Respekt, ganz unironisch! Gibts seitdem was neues?
 
Irgendwie gefällt's mir😍
Ich könnt das nicht, also an der Stelle hab ich Respekt vor dir!
Wieviel Federweg hat der Rahmen bzw. Die Gabel denn?
Planst du, auch Mal ein Bike als wirkliches Mountainbike zu bauen? Also nicht nur für Touren sondern wirklich für Trails und so?
 
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