Das neue Nicolai Nucleon AM
Fahrbericht
Das 2010 Nucleon AM ist schon mit Blick auf die Rahmengeometrie, ein komplett anderes Bikes als das Nucleon TFR. Es unterscheidet sich vor allem in der Sitzposition von seinem Vorgänger und zeigt dabei seine Verwandtschaft zur Helius-Familie. Sitzwinkel, Lenkwinkel und Tretlagerhöhe entsprechen nämlich exakt dem Helius AM. Ich sitze aufrecht und mittig im Bike und habe optimale Kontrolle und Kraftentfaltung. Durch den steileren Sitzwinkel bekomme ich mehr Druck aufs Vorderrad, als beim TFR, ohne dabei das Gefühl von Frontlastigkeit zu haben.
Die bewährte, treue G-BOXX I verrichtet auch in diesem neuen Modell wie gewohnt und zuverlässig ihren Dienst. Die 14 Gänge des Rolhoff Speedhub Getriebes im Inneren bieten die volle Ãbersetzungsbandbreite einer 27-Gang Kettenschaltung, ohne dass man sich Sorgen über eine abfallende Kette oder ein verbogenes Schaltwerk machen muss. Genau das, was man für einen einen tourentauglichen Freerider bzw. ein Enduro im harten Gelände braucht.
Das von mir eingesetzte Nucleon AM hat ein Gewicht von 17,4 kg. Das sind schon mal gute 800 Gramm weniger als bei meinem alten TFR. Die Ausstattung ist allerdings robust und auf Nummer Sicher gewählt. Natürlich könnte ich das Bike noch um einiges leichter tunen, aber ich habe mit diesem Gewicht kein Problem. SchlieÃlich fahre ich seit 2004 Getriebebike. Hinzu kommt, dass das Nucleon AM einen zentraleren, tieferen Schwerpunkt hat, als ein konventionelles Bike, wodurch man das Mehrgewicht beim Handling nicht spürt.
In einem kleinen Vergleichstest habe ich mein Nucleon AM gegen ein leicht aufgebautes Helius AM antreten lassen, das von Ralf, dem Team Captain unseres BikeBauer/Vulkatech Racing Teams gefahren wird. (das Helius AM wiegt 13,8 kg). Unsere Test-Tour hat 46 km bei 650 Höhenmeter. Also eigentlich eine lockere Runde. Dabei kreuzen Singletrails, Drops, Bäche und Anlieger immer wieder unseren Weg.
Das Nucleon läÃt sich gut beschleunigen und liegt satt auf der Bahn. Das leichte Helius AM ist zwar immer ein oder zwei Radlängen voraus, ich habe aber nie das Gefühl, dass Ralf mich mich abhängt, wenn er los sprintet. Also rein in den ersten Singletrail. Wir fahren im Stehen. Wurzeln und Löcher, auf und ab, fiese Kurven, Balance halten und gleichzeitig Kette geben. Upps! Ein Baum springt mir in den Weg. Ich bremse hart ab und verliere den Schwung. Aber kein Problem: Der G-BOXX wird mit einem Dreh des Handgelenks kurz das Kommando "6 Gänge runter schalten!" erteilt und schon geht die wilde Reise weiter. Im schnellen Runterschalten mehrerer Gänge ohne Kurbelumdrehung zeigt sich klar ein wichtiger Vorteil des Getriebes. Trotz meines Patzers verliere ich kaum Zeit und kann umgehend wieder zum Kumpel auf dem Fliegengewicht aufschlieÃen.
Die nächste Hürde heiÃt: âDrüber springen oder ab in den Bach!â Je nach Flow eine lustige Disziplin. Vielflieger Ralf auf dem Helius überquert den Bach mit reichlich Airtime, und ich, ich springe etwas zu kurz und lande im flachen Wasser. Was soll's. Der gütige Hinterbau schluckt den Einschlag klaglos weg, und ich schieÃe in einer Gischtwolke aus dem Bachbett heraus. Dabei habe ich Glück, dass mein lenkerbreites Grinsen durch die auf mich zukommenden beide Bäume paÃt.
Die 171 mm Federweg im Hinterbau fühlen sich nach mehr an. In unserem Nucleon AM arbeitet ein FOX DHX 5.0 AIR mit einem Hub von 63 mm bei einer Einbaulänge von 216 mm. Die neuen Umlenkhebel Variante "B" und die Dämpferbleche "-11" sprechen den Luftdämpfer sehr sensibel an, fast als wäre es ein Stahldämpfer.
Das nächste Teilstück geht 5 km bergauf und hier muss ich zugeben, dass ein Kampf mit dem Helius völlig unsinnig wäre. Ich greife trotzdem an. Nachdem wir auf der Kuppe angekommen sind, bekomme ich vom Leichtgewichtspiloten Ralf einen respektvollen Blick zugeworfen, mit dem Kommentar: "Nicht schlecht für so einen Panzer". Ich heimse 50 % der Anerkennung für mich ein und gebe die andere Hälfte an das Nucleon weiter.
An unserem Sprung-Spot angekommen, übergebe ich das Nucleon an den Ralf. Als Team-Kapitän unseres Racing-Teams ist er es gewohnt, mit seinem
ION ST groÃe Gaps und Tables zu überfliegen. Nach ein wenig Fahrwerksabstimmung geht er hinein in die erste Linie, ab in den Berg. Anlieger, Doubles, Tables, Roadgaps, das volle Programm wird jetzt abgespult. Ich lehne an einem Baum und staune immer wieder, was man so alles mit einem Moutainbike machen kann. Naja, ich tröste mich damit, dass ich halt nur Endurist mit viel Sitzpotential bin und schaue bewundernd dem Highspeed-Piloten bei seinen Ãberflügen nach.
Fazit
Das Nucleon AM liegt mit seinem tiefen Schwerpunkt satt in den Kurven und ist bei Sprüngen stabil und ausgewogen. Die G-BOXX läÃt keine Wünsche offen. Neben der Sicherheit einer komplett geschützten Schaltung bietet sie zudem den Vorteil, in jeder Fahrsituation beliebig viele Gänge schalten zu können. Durch den antriebskongruenten Schwingendrehpunkt spürt man selbst bei starkem Antritt weder Wippen noch Schaukeln oder sonstige Antriebseinflüsse. Das 2010-er Nucleon AM ist mit seiner vom Helius AM entliehenen Geometrie optimal ausgewogen, ein komplett neues Bike. Es hat gegenüber dem Nucleon TFR sowohl an Freeride- als auch an Enduro-Potential zulegen können. Die Kinder werden halt erwachsen.
Auf dem Heimweg rollen die beiden Nicolais nebeneinander, und die Piloten stecken so tief im Tech-Talk, dass die Runde ruck-zuck vorüber ist.
Also auf ein nächstes Mal, meine Getriebeliebe. Wir sehen uns beim Bikebauer oder auf dem Trail.
Rock on
der Thomas
P.S. Vielen Dank an Kalle und sein unermüdliches Team