träume eines baden-württembergers... - eine dystopie

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und also zogen sie los, die worte der altvorderen noch in den ohren, die sie hießen, tätige sühne zu tun für all die unbill und verfehlungen, die zumutungen und verhehrungen, die sie natur und menschlicher gemeinschaft angetan hatten - gerade so wie die mahner und richter in den gazetten so derb wie wahr berichtet hatten.

das büßergewand trug sich zwar ungewohnt, kratzig und unvorteilhaft geschnitten, sich ihrer
drückenden schuld und der notwendigkeit ablassfördernder reue eingedenk, brach sich jedoch kein murren aus ihren kehlen bahn - gesenkten hauptes und banger herzen näherten sie sich den orten ihrer untaten. und wahrlich: selbst ihre schwarzen seelen verzagten angesichts des bildes der verwüstung das sich ihnen bot: wo einst ein schmaler weg auf den ihnen von der staatsgewalt zugewiesenen (ihren - unbewussten - bedürfnissen und denen aller anderer waldnutzer trefflich angepassten, von einem gnädigen souverän als solcher ausgewiesener und nur in ihrem abgrundtiefen egoismus ausgeschlagenen) 3m-boulevard traf, klaffte nun eine 4 meter breite, metertief ausgefahrene, von stollenreifen zerissene, matschdurchtränkte wunde in der flanke des leidenden waldes - angefüllt mit dem herzblut leidender jäger
und den tränen aufrichtiger wanderer.

nach kurzen momenten der Unsicherheit (hmmm - selbst für einen 2,4er ziemlich breit...) und der witterungsaufnahme des scouts in den tiefen spuren bescheinigte dieser ihnen, dass dies nicht das werk ihrer verdammenswerten spezies sondern das eines harvester 45 gewesen sein musste (puuuh!).
wie sie aber tief in ihren schwarzen herzen wussten, würde die schlimmste prüfung für ihr randvoll angefülltes schlechtes gewissen nicht lange auf sich warten lassen...

und so gelangte das demutzerfressene häuflein kaum 3 vollernter-schneisen später an den ersten pfad des grauens - kaum verließ der weg die schützenden - und vom landtage gerade wieder bestätigten - 2 meter, lagen sie da: leib an leib - die salamander, eichhörnchen, das letzte mitteleuropäische exemplar der grüngefleckten weisbauchunke neben juchtenkäfern und ehemals posierlichen feldhamstern - geschändet durch das unverkennbare muster von stollenreifen, die klar machten wes' werk dies doch war (wie doch ohnehin schon all jene wussten, die des mediums der mahner und der wahrheit - genannt rnz - kundig waren). einem grausamen teppich gleich zog sich dies bild den pfad nach oben.

und hier begannen sie unter den wachsamen augen der büttel des ordnungsamtes ihr bußwerk, schabten geschundene kreaturen vom reifenzerpflügten, kaum mehr als solcher zu erkennenden, waldboden.

und obschon die mitgebrachten säcke nun bis zum rand mit den sterblichen überresten der gequälten kreaturen angefüllt waren, harrte doch noch die schrecklichste aufgabe der kampfradler: rechts und links des weges waren nun noch gebüsche zu säubern von all den armen, in panischer angst vor den herandonnernden voll- und halbbehelmten schwarzen rittern in selbige gesprungenen wanderern und spaziergängern, die das strauchwerk dicht an dicht füllten. manche arme kreatur musste noch vor ort mit dem klappspaten von ihrem leiden befreit werden, bevor sie in den - vom weisen forst vorausschauend breit genug angelegten - spuren der vollernter zur letzten ruhe versenkt werden konnten.

nun, da nach stund um stund geleisteter tätiger reue die absolution erteilt werden konnte, setzte sich der zug der delinquenten gesenkten hauptes bergab wieder in bewegung - durch das spalier der von den wanderverein-vertretern mit dornigen ruten ausgestatteten rechtschaffen erzürnten spaziergänger, die hier ihrem unmut endlich mit kräftiger hand ein ventil verschaffen konnten. so strebten sie also dem letzten akt ihrer katharsis entgegen - schon konnte man den lodernden schein über dem marktplatz erkennen, der das ende dieses dramas bedeuten sollte.

volksfestgleich waren buden ringsherum aufgebaut, kochten kaffee, suppe und die volksseele und hier öffnete sich jetzt ein pfad durch die menge der gesetzestreuen bürger für das häuflein der in ihrem illegalen tun unbelehrbaren, die endlich ihrer öffentlichen läuterung zustrebten: fein aufgeschichtet standen sie dort - das ergebnis der unablässigen arbeit der waldmaschinen, nun endlich dem edelsten zwecke dienend.

der gerechtigkeit der strafe eingedenk erklommen sie ohne wiederworte die scheiterhaufen an deren fuße schon rnz-chefredaktion und der komplett angetretene vorstand des odenwaldclubs mit den brennenden fackeln in händen der vollstreckung harrten, die kraft des reinigenden feuers gerechtigkeit und gesetz wieder geltung verschaffen würden...

aus: "wandererträume - visionen eines gerechten", erschienen: rnz-verlag nov. 2014

für interessierte zum thema auch zu empfehlen: die stadtrat-sitzung am 08.02. auf der über die neu aufzulegenden mtb-abschusskontingente für die heidelberger jägerschaft entschieden werden soll..

...so oder ähnlich in bälde in einem stadtwald in ihrer nähe...
der prophet
U!
 
Naja, im Grunde gilt hier die selbe Rechtsunsicherheit wie auf der anderen Rheinseite. Nur stellt sich bei uns in aller Regel kein Ordnungsamt 8h lang in den Wald und es gilt (wie auch im Schwarzwald), wo kein Kläger, da kein Richter. Wir werden geduldet - mehr nicht. Mit der gegenwärtigen (uneindeutigen) Rechtslage verankert man in der Bevölkerung die Ansicht, dass man als MTB'er da grundsätzlich etwas Illegales tut. So kam mir auch letztens mal wieder im Stadtwald so ne motzende Schnepfe entgegen, die genervt rumzickte, man dürfe hier ja nicht radfahren. Nur, weil sie sich genötigt sah, in "ihrem" Wald ein Stück zur Seite zu gehen... :rolleyes: Grundsätzlichen Rechtfertigungsdruck gibt es also auch hier - auch wenn die Mehrheit der Wanderer und Spaziergänger nett und freundlich reagiert!

Leider führt diese Legende, es sei im gelobten, wilden Westen quasi alles legal dazu, dass sehr gerne gewisse Leute aus den östlichen Rheinprovinzen am Wochenende den Pfälzerwald besuchen und sich am Haardtrand dann benehmen wie die Axt im Wald... Einheimische natürlich nicht ausgeschlossen. Da ist eine restriktivere Durchsetzung des gegenwärtigen Rechts (= gesetzl. Verbot auf so genannten "Pfaden") oder gar eine Verschärfung (sprich gesetzliche Definierung einer Mindestbreite) u. U. nur noch mehrere kleine Zwischenfälle (oder einen Großen, bspw. ein angefahrenes Kind) entfernt...
 
da vor etwa 10.000 Jahren nicht nur die den Rheingraben flankierenden Mittelgebirge, sondern auch dieser Selbst noch von Wald bedeckt war, tragen wir alle die Gene der Waldbewohner noch in uns. Diesen Genen wurden in jener neolithischen Zeit das Recht des Stärkeren als Überlebensstrategie eingeprägt. Und diese werden noch immer wachgerufen wenn der Mensch des digitalozän wieder die verbleibenden Reste der einst ausgedehnten Wälder betritt.

Der Harvester ist der Stärkste, er darf sich aufführen wie Lothar der Wind.
der biker ist kraft seiner maschinell gewachsenen Geschwindigkeit stärker als
der Fußgänger.

nun haben wir heute jedoch eine Kultur.
in dieser können Gesetze das zusammen Leben regeln.
jedoch könnten im Wald, wo atavistisches Heimatgefühl wieder geweckt wird, auch
RESPEKT UND RÜCKSICHT zumindest die Begegnung der beiden Schächeren besser regeln als stumfsinnige Nutzungsbeschränkungen per Gesetz.

Ich neige dazu, jeder Motzschnepfe und jedem Ranzeber auf die monoton vorgetragenen Gestetzestexte: "die ist kein Fahradweg" zu erwidern:
"wollen wir nicht durch RESPEKT UND RÜCKSICHT unsere Begegnung besser regeln als durch Zitate von Verordnungen?"

Um einen solchen Satz einem Fußgänger im Wald gegenüber vollständig verständlich auszusprechen, ist fast das Anhalten des Radlers erforderlich. Doch warum nicht. Es sind doch nur Wenige denen wir uns in dieser Form widmen müssten. Wir haben gemeinsame interessen. Wir sollten uns verbünden gegen die wirtschaftliche Übernutzung des Waldes.

Schreddern wir einfach im Rausch der Geschwindigkeit vorbei, so sei uns dieser Satz nachgerufen: "dies ist kein…."

Eine besondere Pointe hätte eine solche Begegung, könnten wir eine Unterschriftenliste für eine Petition gegen die wirtschaftliche Übernutzung des Waldes aus dem Rucksack ziehen.

Eine besondere Pointe hat die Sache so oder so: Wer will den Wald wirtschaftlich extensiv nutzen? Wer will kein Biosphärenreservat Südwarzwald? Es sind viele der heutigen Schwarz-Waldbewohner.
 
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