Die Rekordhitze hält Deutschland im Würgegriff. Meteorologen melden immer neue Spitzenwerte, Abkühlung ist nicht in Sicht. Menschen von Flensburg bis Oberammergau sind vereint im Leiden unter Temperaturen bis zu 40 Grad - und der Sehnsucht nach schattigen Plätzchen, Eiskübeln und Ventilatoren. Während Fußball-Bundesliga-Trainer für ihre Schützlinge Hitzefrei am Nachmittag fordern, strampeln Lado Fumic, Carsten Bresser und Jochen Käß seit gestern bis Sonntag unbeirrt Hunderte von Kilometern beim Straßenrennen Regio-Tour im Badischen. Profi-Pflichtübung oder medizinisches Risiko? Redaktionsmitglied Michael Forst befragte Team T-Mobile Arzt Dr. Olaf Schumacher zu den Gefahren von Höchstleistungen bei Höchsttemperaturen.
Frage: Dr. Schumacher, Deutschland stöhnt unter den heißesten Temperaturen seit vielen Jahrzehnten. Gehen Lado und Co. bei der Regio-Tour medizinisch über ihre Grenzen?
Olaf Schumacher: Ganz klar: Nein. Zum einen, weil sich die Jungs als Leistungssportler gut einschätzen können, zum einen, weil ihr Körper einen natürlichen Drehzahlbegrenzer hat. Da gibt es genügend Warnsignale, die der Körper sendet. Das fängt an mit Leistungsverlust: Wenn der Sportler spürt, er wird abgehängt im Rennen, hört er von ganz alleine auf. Gefährlich würde es, schaltete man diese Signale durch unerlaubte Mittel wie Amphetamine aus. Ich war gestern noch vor Ort und habe mit den Jungs gesprochen: Sie waren ein bisschen verärgert, weil sie alle 20 Minuten zum Mannschafts-Auto fahren mussten, um sich Wasser zu holen - und deshalb die Spitzengruppe verpasst haben. Aber die kommen schon zurecht
Frage: Trainer der Fußball-Bundesliga fordern in diese Tagen, die Spiele mit Rücksicht auf die Sportler auf den Abend zu verlegen. Ist das in Ihren Augen eine legitime Forderung und auf die Biker übertragbar?
Dr. Schumacher: Bei Radrennen wie der Regio-Tour wäre das logistisch sehr problematisch. Und man müsste auch genau wissen, ob man den Sportlern wirklich viel Hitze erspart, wenn man sie ein paar Stunden früher oder später fahren lässt. Grundsätzlich sollte man ihnen nicht unnötige Belastungen zumuten, wenn sie auch zu einer anderen, günstigeren Tageszeit fahren könnten. Im Training wird das auch so gemacht: Manuel, Stefan und Bart, die gerade keinen Wettkampf bestreiten, beginnen ihre Trainingseinheiten schon am frühen Morgen, gegen 7 Uhr. Anstatt wie im Trainingslager üblich - erst um 10 Uhr.
Frage: Zurück zu den Fahrern, die unter Extrembedingungen die Regio-Tour absolvieren: Welchen Gefahren sind sie ausgesetzt?
Dr. Schumacher: Zum einen droht natürlich die Dehydration. Das heißt: Der Verlust an Flüssigkeit ist höher als die Zufuhr. Das kann zur Überhitzung des Sportlers führen.
Frage: Mit welchen Konsequenzen?
Schumacher: Im schlimmsten Fall kommt es zu Organversagen. Oder zu Hitzschlag und Gehirnschwellung, die tödlich enden können. Allerdings passiert das extrem selten. Verbreiteter sind Kopfschmerzen, Lichtscheue, Müdigkeit oder Erbrechen. Wobei wir wieder bei den Vorboten sind: Leidet ein Fahrer unter solchen Symptomen, entgeht er dem Risiko, indem er von selbst aussteigt. Fällt er etwa hoffnungslos hinter das Feld zurück und kommt trotz großer Anstrengung nicht mehr heran, merkt er, dass etwas nicht stimmt.
Frage: Dehydration bedeutet immer Leistungsverlust?
Schumacher: Richtig. Das ist auch einleuchtend, denn der Körper besteht ja zu etwa 60 Prozent aus Wasser. Und das ist dazu da, dem Körper optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen. Man kann grob sagen: Hat der Fahrer ein Prozent zu wenig Wasser an Bord, bringt er fünf Prozent weniger Leistung. Was eine ganze Menge im Spitzensport ist, wo jedes Prozent zählt.
Frage: Wie viel Liter Wasser verlieren die Fahrer bei diesen Bedingungen pro Etappe?
Schumacher: Alle halbe Stunde etwa einen Liter.
Frage: Reicht reines Wasser zum Nachtanken?
Schumacher: Nein. Gerade weil die Fahrer so viel trinken müssen, ist es wichtig, für Vielfalt zu sorgen so gibt es neben dem Wasser auch Elektrolyt-Getränke. Und kohlenhydratreiche Drinks, weil es bei der Hitze schwierig ist, genügend zu essen. Der Körper regelt das übrigens selbst sehr gut: Wenn der Sportler viel schwitzt, bekommt er Hunger auf Salz und verlangt unbewusst danach
Frage: Welche anderen Folgen kann die Hitze für die Biker haben?
Schumacher: Abgesehen vom Wasserverlust, belastet die Hitze den Kreislauf. Um die Wärme abzuleiten, schwitzt der Körper dazu stellt er die Hautgefäße weit. Dadurch steht dem Kreislauf jedoch weniger Blut zur Verfügung. Der Blutdruck sinkt, der Kreislauf macht schlapp. Und das Schwitzen bedeutet natürlich auch erhöhten Wasserverlust. Ein dritter Faktor ist die UV-Strahlung, die das Immunsystem schwächt.
Frage: Wie ernst müssen die Athleten die Ozonbelastung nehmen?
Schumacher: Die Diskussion ist in aller Munde, es heißt: Ab diesem oder jenem Wert solle man sich nicht mehr körperlich betätigen. Aber es gibt Leute, die haben überhaupt keine Probleme. Andere wiederum müssen sich nur ein bisschen bewegen schon bekommen sie Reizhusten. Das ist eine ganz individuelle Angelegenheit was zumutbar ist oder nicht, muss man von Fall zu Fall entscheiden.
Frage: Lado Fumic ist nach eigener Einschätzung ein Schönwetterfahrer fahrerisch liebt er trockene Strecken, körperlich kann er am besten mit Hitze umgehen. Ist das jetzt selbst für ihn ein bisschen zu viel?
Schumacher: In der Tat - 39 Grad, wie wir sie gestern in Freiburg und rundum hatten, machen selbst ihm keinen Spaß mehr. Obwohl Lado besser damit klar kommt als viele andere. Es ist auch eine Typenfrage: Der hellhäutige, hellhaarige Sportler hat tendenziell eben mehr Probleme mit intensiver Sonne.
Frage: Was sollten Freizeitbiker in diesen heißen Tagen beherzigen?
Schumacher: Sonnenschutz ist ganz wichtig. Denn wer stundenlang im Sattel sitzt, bekommt nach neuen Untersuchungen etwa das Fünffache der empfohlenen UV-Strahlung ab. Damit man die Creme nicht gleich wieder runterschwitzt, sind gute Sport-Sonnencremes empfehlenswert. Lichtschutzfaktor: Je höher, desto besser. Ebenso wenig sollte man auf die Kopfbedeckung und Sonnenbrille verzichten.
Frage: Haben Sie noch einen Geheimtipp für Freizeitbiker?
Schumacher: Wenn man unterwegs nichts mehr zu trinken hat: An Friedhöfen anhalten an fast jedem Friedhof gibt es einen Wasserhahn. Trinkflaschen auffüllen, Trikot ein bisschen nass machen und weiter gehts!
quelle: t-mobile