Dinsdale schrieb:Hi Goldfisch,
Hat jemand mal mitgezählt, wie oft Frau Lierhaus vor dem Prolog davon geredet hat, dass Ullrich jetzt, da Zabel nicht mitfährt, keine Entschuldigung mer habe ? Ich kenne derartige Theorien allerdings nur von Journalisten und habe noch nie eine derartige Aussage von Jan Ullrich gehört. Die sind an einem normalen Sportler gar nicht mehr interessiert, das sagst du ja auch. Die betreiben Bildzeitungsjournalismus und das finde ich nicht gut. Ich erwarte eine faire, sachliche und kompetente Berichterstattung und das wollen die genauso wenig wie die Privaten. Die wollen Emotionen live, deswegen stecken die allen möglichen Sportlern direkt nach dem Wettkampf ihr Mikro ins Gesicht.
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Und deshalb sind die für mich am Dopingproblem mit schuld.
Hallo Thomas,
sehr engagierter und sehr richtiger Beitrag. Deine Analyse der Zustände ist treffend. Allerdings verwechselst du dabei Ursache und Wirkung. Nicht die Berichterstattung ist schuld, sondern die Sicht des breiten Publikums. Jan Ullrich war so etwas wie der 'Michael Schumacher des Radsport'. Durch den Erfolg, der einem Deutschen zuteil wurde, wurde der Sport für die breite Masse erst interessant. Telekom erhoffte sich von ihm einen sog. 'Imagetransfer', Radsport wurde in Deutschland zu einem Massenphänomen. Leider geht diese Masse nicht fair um mit ihrem Protagonisten. Das ist wiederum genauso, wie Michael Schuhmacher das derzeit erleben muss: Vom vielfachen Weltmeister (im letzten Jahr so früh wie noch nie) zur Lachnummer, zum "Versager" binnen weniger Wochen.
Klar, die Journalisten verstärken diese Emotion. Es gibt krasse Vereinfacher (du nennst die Bildzeitung) und es gibt relativ seriöse Journalisten (ich sehe durchaus noch einen Unterschied zwischen ÖR und privaten), aber alle suchen den 'klaren Plot', die in zwei Sätzen erzählbare Story. Das einfachste Element "High Noon - Showdown: Der Favorit. Der Herausforderer" ist dabei natürlich das platteste und somit für Lieschen Müller gerade richtig.
Du zitierst die Tatsache, dass es jetzt nach dem Fehlen von Zabel für Ullrich keine Entschuldigung gäbe. Das ist aber eine Verlautbarung vom T-Mobile-Team ("Alle für Jan Ullrich"). Das aktuelle Rumgeeier ("Ullrich wird sich beweisen müssen") spricht wiederum eine ganz andere Sprache.
Ich glaube auch, dass der Druck, der heute auf einem Spitzensportler lastet viel größer ist als früher. Ist der nicht gleichzeitig auch ein Medienprofi wird er obendrein verspottet. Mit diesem Druck umzugehen ist ebenso Teil des Berufs wie die professionelle Vorbereitung im Hinblick auf einen Saisonhöhepunkt.
Doping. Tja, es sind so unblaubliche Summen im Spiel. Ich geb dir recht, die Versuchung von 0 auf 100 durch ein wenig EPO zu gehen (vielleicht der Unterscheid zwischen Platz 5 und Platz 2 ??!) ist schon riesengroß. Aber ohne eine Öffentlichkeit, die eine dementsprechend vereinfachte Sichtweise FORDERT wären da auch nicht solche Millionensummen im Spiel. Sicherlich haben in dem Spiel auch die Medien ihren Platz, aber das ist durchaus eine Symbiose.
VG
Michael