White-Industries-Vierkantlager: Montage und Lagerwechsel, so geht's

Rubin

Das wird das letzte Projekt, wirklich...
Registriert
25. Februar 2020
Reaktionspunkte
1.216
Ort
Berlin
Edit: Im zweiten Post habe ich beschrieben, wie ich beides schlussendlich gemacht habe.

Ein freundliches Hallo in die Runde,

ich habe dieses White-Industries-Lager übers Forum erworben und die Kugellager erneuert und nun soll es in meinem Rahmen montiert werden. Ich habe bisher nur Shimano-Lager (HT2, Octalink und Vierkant) verbaut. Bei dem WI steckt aber die Welle nicht fest in einer der Lagerschalen und es ist wohl die Variante mit verstellbarer Kettenlinie. Daher bin ich mir bei der Montagereihenfolge unsicher. Außerdem rutschen die neuen Lager momentan noch schwergängig über die Titanwelle, und ich möchte die Lagersitze nicht unnötig verschleißen, indem ich alles mehrfach hin- und herschiebe.

Daher meine Frage(n):
  1. Kann ich dieser Anleitung zu einem neueren WI-Vierkantlager folgen? Gewinde fetten, eine Lagerschale rein, Welle von der anderen Seite durch, mit Gummihammer sanft nachhelfen und schließlich die andere Lagerschale reinschrauben und damit auf die Welle bringen?
  2. Sollte ich die Welle vorher fetten oder schiebt sich das Fett eh wieder komplett runter?
  3. Gibt's einen schlauen Trick, die Welle auf Anhieb mittig in den beiden Lagerschalen zu zentrieren? Anschlagpunkte gibt's ja wegen der Verstellmöglichkeit nicht.
Ich bitte um Hilfe und Nachsicht, denn mit derartigen Klassikerteilen hantiere ich eher selten.

Liebe Grüße,
Rubin

WhatsApp Image 2021-05-11 at 13.02.50.jpeg
 
Zuletzt bearbeitet:
Hilfreichster Beitrag geschrieben von Rubin

Hilfreich
Zum Beitrag springen →
Hier ein Update für die Nachwelt, sowohl zum Lagertausch bzw. Ein- und Auspressen der Kugellager als auch zur Montage des Tretlagers an sich. Bei Fragen gern fragen.

Die Lager habe ich klassisch mit Gewindestange, Muttern, Unterlegscheiben und passenden Stecknüssen aus- und eingepresst. Hier all das von mir verwendete Werkzeug. Wie auch auf dem Bild des Schraubstocks weiter unten ersichtlich, steckt man alles in der richtigen Reihenfolge auf eine Gewindestange. Außen liegen jeweils die Muttern. Je nachdem, ob man ein- oder auspresst, kontert man jeweilige Teile mit Stecknüssen, Ringschlüsseln und gern auch ein paar Unterlegscheiben. Das Anziehen der Muttern gegeneinander bewegt dann die Bauteile aufeinander zu. Videos zur Vorgehensweise gibt's genug auf YouTube, analog zu Steuersätzen, Hinterbaulagern oder ähnlichen.

Die Lager haben die Maße 17 (innen) x 30 (außen) x 7 (Höhe) mm, nach Norm benötigt man also ein 61903 oder 6903 RS/2RS. RS und 2RS stehen für ein- oder beidseitige Abdichtung. Letzteres ist bevorzugt zu wählen, da die Lager nach außen nur die Collars und nach innen (Schmutz, der irgendwie in den Rahmen gelangt) keinerlei Abdichtung haben, wie man es bspw. von Shimano kennt.

WhatsApp Image 2021-05-15 at 13.56.34.jpeg


Die Gewindestange ist M12, dazu kommen passende Muttern. Diese brauchen nach Norm 19er Maul- oder Ringschlüssel zur Montage. Unterlegscheiben bieten sich immer an, um die Muttern nicht direkt auf den Nüssen und anderen Teilen zu drehen. Außerdem kann man diese fetten, um mit den sich drehenden Muttern nicht weitere Teile mitzuziehen. Für das Gegenhalten der verschiedenen Teile habe ich folgendes genutzt:

Auspressen alter Lager:
Der 32er Ringschlüssel hat den passenden Außendurchmesser der Lagerschalen. Hier tut es natürlich auch eine passende Nuss (dann wohl auch 32er), oder ein Schraubstock wie auf dem Bild weiter unten.
Das Stück Rohr mit 25 mm Außendurchmesser hatte ich noch übrig, es passt genau von innen durch die Lagerschale und drückt die Lager raus. Auch hier ginge alternativ eine Nuss, diese müsste eine 1/2"-Vierkantaufnahme auf der anderen Seite haben, damit die M12-Gewindestange gerade so durch passt.

Reihenfolge in Wirk/Pressrichtung der Teile auf der Gewindestange: Mutter -> Unterlegscheibe(n) -> kleinere Nuss oder Rohr wie bei mir -> Lagerschale mit Lager, Innenseite der Lagerschale nach außen zu Nuss oder Rohr, sodass diese auf Lager aufliegen (siehe Foto) -> 32er Nuss, Ringschlüssel oder Schraubstock zum Gegenhalten der Lagerschale von außen -> Unterlegscheibe(n) -> Mutter.

Einpressen neuer Lager:

Beim Einpressen neuer Kugellager ist unbedingt darauf zu achten, diese möglichst auf ihrem Außenring, und nicht den Dichtlippen, Kugeln oder Innenringen zu belasten bzw. zu pressen! Der Außenring sorgt für den Halt in der Lagerschale. Das Spiel im Lager und die Laufflächen sind für die Kraftübertragung denkbar ungünstig.
Wie bei vielen Dingen im Leben freuen sich auch hier der Außenring des Lagers sowie das Innere der Lagerschale über etwas Fett, damit alles geschmeidig gleitend zueinander findet. KEIN WD40, denn das dringt ins Lager ein und macht dort die Schmierung zunichte.


Die 19er Nuss passt genau außen durch die Lagerschale, und auf die Lager, welche hier verbaut werden. Um die Nuss oder Unterlegscheiben aber nicht direkt auf die Lager zu legen, kann man gut die "Collars" (hier nicht im Bild) dazwischen packen, denn diese passen (im Gegensatz zu den Unterlegscheiben) auf den letzten Millimetern genau durch die Lagerschale.
Auch hier eine Nuss mit 1/2"-Vierkant wählen.

Reihenfolge in Wirk/Pressrichtung der Teile auf der Gewindestange: Mutter -> Unterlegscheibe(n) -> Collar -> Lager -> Lagerschale, möglichst zentriert an Lager liegend -> Unterlegscheibe(n) -> Mutter

Was kann schief gehen?
Auspressen ist mehr oder weniger idiotensicher. Beim Einpressen fügte sich das erste Lager auf Anhieb seinem Schicksal. Das zweite verkantete jedoch. Also habe ich etwas weiter gepresst, keine Besserung, es zentrierte sich nicht. Wieder raus geholt, neu angesetzt, noch schiefer. Beim dritten Versuch war es immer noch schief, ich habe dann stumpf weiter gepresst, und nach ein paar schiefen Millimetern flutschte es dann irgendwann gerade rein. Einmal vollständig eingepresst, drehte es aber leider rau und saß auch minimal schief, sodass die Welle eiern würde.
Also habe ich es erneut raus geholt und dabei fiel mir ein unschöner Grat entgegen, der durch das schiefe Ansetzen zustande kam und den ich mitsamt Lager durch die gesamte Lagerschale nach unten gedrückt hatte. Sehr uncool, und das Lager war futsch.
Das pfuscherhafte schiefe Einpressen hatte aber auch einen positiven Nebeneffekt: Die ersten paar Millimeter in der Lagerschale waren nun so sehr geweitet, dass ich ein neues Lager mit den Fingern leicht das erste Stück reindrücken konnte, es war nun fürs weitere Einpressen gut zentriert. Ab da ging alles super.

Sollte man beim Einpressen auch daran scheitern, dass sich die Lager schief ansetzen, glaube ich aber, dass es so gut funktioniert: Ansetzen, Einpressen so lange bis es schief wird. Alles abbauen, und von der anderen Seite eine Nuss ansetzen um das Lager wieder auszupressen. Schon auf dem ersten Stück des Auspressens zentriert es sich dabei schon wieder. Nun wieder auseinanderbauen, und erneut zum Einpressen ansetzen. Im Idealfall kommt man nun ein paar Millimeter weiter gerade rein. Sollte es dann wieder schief werden, einfach noch mal auseinanderbauen und neu zum Auspressen ansetzen.

Hier das Auspressen alter Lager, mit Schraubstock als Alternative zu Ringschlüssel oder 32er Nuss.

WhatsApp Image 2021-05-09 at 11.17.21.jpeg




Mangels Antworten an dieser Stelle zur Lagerschalen- und Wellenmontage habe ich einfach mal White Industries direkt kontaktiert. Innerhalb kürzester Zeit haben diese mir geantwortet
Ah yes, that is an old BB probably about 30 years old! Great that it is still working and serving you well. I have a scanned copy of the older instructions that should help you. You can also follow the more current instructions but they are slightly different.

The tolerance between he id of the bearing and the axle will be tight. Perhaps a dab of oil on the spindle will help and you can use a mallet to tap it through.
und einen Scan einer alten Montageanleitung geschickt, siehe PDF-Anhang. Es ist tatsächlich einfacher als gedacht, so sieht es montiert aus.

WhatsApp Image 2021-05-15 at 14.00.48.jpeg


Hier meine (minimal abgewandelte) Vorgehensweise:
  1. Beide Lagerschalen gefettet einschrauben. Laut Montageanleitung soll man diese noch nicht final festziehen. Ich habe es aber wegen der vermeintlich für die Welle "zu engen" Lager (siehe erster Post) dennoch als erstes getan, um zu vermeiden, dass ich während des Festziehens der Lagerschalen noch die Lager ein Stück auf der Welle bewege und so mein Anzugsmoment nicht einschätzen kann, welches laut Anleitung 27 Nm beträgt.

  2. Welle an beiden Lagersitzen fetten/ölen.

  3. Einstecken und von einer Seite sanft mit (Gummi)hammer durch das erste Lager treiben. Die Welle ist in ihrer Mitte etwas dünner und baumelt nun lose im ersten Lager.

  4. Den Innenring des anderen Lagers fetten/ölen. Auf dem ersten (bereits eingeführten) Lagersitz der Welle, der ja nun noch durch das zweite Lager muss, hat sich das Fett/Öl wahrscheinlich größtenteils runter geschoben und man kommt dort nun nicht mehr ran. Also fettet/ölt man eben den Innenring, der ist bequem von außen zu erreichen.

  5. Welle mit dem Hammer weiter sanft durch das zweite Lager bzw. über den zweiten Sitz treiben.
    Wichtig: Zur Bestimmung der genauen mittigen Position der Welle, bzw. um die Welle nicht mehrmals hin- und herzuschieben, bis sie mittig sitzt, habe ich zunächst mit einem Messschieber die Wellenlänge gemessen: 117,2 mm. Die Breite der beiden bereits final angezogenen Lagerschalen wurde mit 83,8 mm ermittelt.
    Die Rechnung (117,2 mm - 83,8 mm) / 2 ergibt nun einen Abstand von 16,7 mm, welchen die Vierkante zu beiden Seiten des Lagers heraus stehen müssen. Also den Messschieber darauf einstellen, immer wieder ran halten und so lange sanft die Welle durchklopfen, bis der Abstand zwischen Lagerschale und Anlagefläche der Welle stimmt.

  6. Nun können zu beiden Seiten die "Collars" (ich nenn sie mal Außeneinstellringe, wegen der Kettenlinie) montiert werden. Diese haben jeweils auf einer Seite einen kleinen Absatz, welcher genau zu dem Innenring der Lager passt. Diese Seite wird also bündig an den Lagern liegend verbaut, und die drei Madenschrauben sanft durch die Bohrungen in den Lagerschalen festgezogen. Die sehr dünnen Alugewinde müssen absolut nichts aushalten, daher bloß nicht zu doll anziehen.

  7. Schrauben zur Montage von Kurbelarmen möchte WI gern gefettet sehen, vom Fetten der Vierkante raten sie in der Anleitung aber ab.
Meine Bedenken wegen der sehr engen, neuen Lager, die sich kaum auf die Welle schieben ließen, waren unbegründet. Mit einem Hammer ging das sanft und problemlos.

Der Clou der verstellbaren Kettenlinie wird bei diesem Lager wohl realisiert, indem man die Welle optimal passend weniger oder weiter durch die Lager treiben kann. Eine außermittig bzw. asymmetrisch montierte Welle finde ich aber irgendwie merkwürdig. Ich habe sie daher wie in Punkt 5 mittig montiert und werde mal sehen, was Kettenlinie und Umwerfer davon halten, denn eigentlich hätte es bei mir nur 113 mm Welle gebraucht.
 

Anhänge

  • White Industries Vierkantlager Montageanleitung.pdf
    509,4 KB · Aufrufe: 101
Zuletzt bearbeitet:
Hilfreichster Beitrag geschrieben von Rubin

Hilfreich
Zum Beitrag springen →
Zurück
Oben Unten