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Warum Freeride-Bikes zurückkommen werden

Wer derzeit versucht, einen klassischen Freerider zu kaufen, der wird sich schwer tun. Denn derzeit hat kaum ein Hersteller ein solches Bike im Angebot! „Kaum“ mag übertrieben klingen, aber tatsächlich ist das Segment der 180 mm Bikes fast ausgestorben – warum nur?

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Freeride-Bikes, das waren die Downhillbikes, mit denen man auch noch den Berg hoch kam – sozusagen die Vorgänger der Enduros. Federwege lagen um 180 mm; die Rock Shox Totem stand für diese Art von Fahrrad. Single-Crown-Gabel, etwas geringerer Federweg und eine weniger extreme Geometrie machten diese Bikes aus. Heute gibt es scheinbar nur noch Downhiller und Enduros, man hat entweder 160 oder 200 mm Federweg. 180 mm Bikes, Freerider, sind tot. Beispiele gefällig?

Giant Faith – gestorben, Trek Scratch – gestorben, Specialized Demo 7 – gestorben, Santa Cruz Driver 8 – gestorben, Cannondale Claymore – gestorben, … die Liste ließe sich lange fortführen.

# Giant Faith 2012 - Klar, das die Dinger in der Form aussterben mussten. Aber ich sage: 180 mm Bikes kommen wieder.

Deshalb sind Freeride-Bikes ausgestorben

Was es noch gibt, sind Bikepark-Freerider, also quasi Downhiller mit anderer Geometrie. Bikes für Drops, für Stunts, aber sicher nicht zum Bergauffahren. Man könnte sagen: Die Freeride-Bikes vermisst keiner, wir haben doch heute unsere Enduros! Aber ich glaube: Das wird nicht passieren. Stattdessen werden Freerider zurückkommen. Aktuell klafft eine Lücke zwischen Enduro und Downhiller oder Bikepark-Freerider, und diese Lücke wird geschlossen werden.

Ich möchte es noch provokanter formulieren: Enduros werden sterben. Na gut, präzisieren wir: Enduros in ihrer heutigen Form werden erheblich an Bedeutung verlieren. Aktuell erschlagen die 160 mm Bikes einen riesigen Markt, doch für viele heutige Enduro-Kunden könnte ein Trailbike oder ein Freerider das besser passende Mountainbike sein. Trailbikes erleben jetzt schon einen Hype und nehmen Enduros Marktanteile weg, Freerider werden folgen. Wie ich auf solch eine These komme? In dem ich die Gründe betrachte, aus denen Freerider ausgestorben sind – und mir die inzwischen veränderte Lage anschaue.

Deshalb werden Freeride-Bikes zurück kommen

Argument #1: Moderne 160 mm Bikes können bergab heute das, was Freerider früher konnten. Moderne 180 mm Bikes werden in Kürze das können, was Downhiller heute können. Nämlich bergab noch mehr Komfort und Sicherheit bieten, als es derzeitige 160er Bikes können.

Argument #2: Es gibt keine passenden Federgabeln mehr. Fox hat mit der 36 eine leichte, potente 180 mm Gabel vorgestellt. Wie lang wird Rock Shox diese Nische noch unbesetzt lassen? Und selbst wenn nur Fox das passende Produkt im Angebot hätte: Die Tür ist offen, erste Hersteller verwenden die 36 bereits für neue Freerider. Etwa Alutechs Sennes FR oder auch das Cube Fritzz 180

# Sennes FR 2015 - Das geht schon in die Richtung, die ich mir vorstelle - bergab ein Downhiller, bergauf ein Enduro

Argument #3: Wenn man die restlichen Komponenten auf 180 mm Federweg dimensioniert, wird das Bike eh zu schwer für den Uphill. Auch hier tut sich etwas. Wenn es beispielsweise ein Procore ermöglicht, leichtere Laufräder und Reifen zu fahren. Wenn man sich die Entwicklung der Enduro-Gabelgewichte anschaut. Die Rahmengewichte. Und natürlich 1X11 Antriebe, die verdammt viel leichter als Hammerschmidt oder Zweifach mit Kettenführung sind – da ist absehbar, das auch ein sinnvolles 180 mm Bike nicht mehr als 14 kg wiegen muss.

Argument #4: Durch die größer werdenden Laufräder war kein Platz für große Federwege mehr. An der Physik hat sich nichts geändert, wohl aber an den Rahmenbedingungen. Man kann heute sicher auf Umwerfer verzichten, man kann auch auf einen Boost 148 Standard setzen, um mehr Platz am Yoke zu erhalten – all das ermöglicht schon einmal kürzere Kettenstreben bei größeren Rädern. Es mag mehr Setback erfordern, aber dann sind 2 cm mehr Federweg absolut machbar.

Argument #5: Freerider sind Downhillern bergab und Enduros bergauf unterlegen. Das wird man vermutlich immer so sehen dürfen. Es gilt aber eben auch: Freerider sind Enduros bergab und Downhillern bergauf überlegen. Und ich möchte wetten, dass es für diese Eigenschaft Kunden gibt und geben wird.

Fassen wir also zusammen: Aktuell hinken die Rahmenhersteller hinter den Komponentenanbietern hinterher. Fast alle Teile des Freerider-Puzzles sind vorhanden: 180 mm Federgabel ohne Übergewicht? Check. Leichter Antrieb mit ausreichender Bandbreite? Check. Potente Dämpfer mit Plattform? Check. Die richtigen Laufräder? Check! An welche Laufräder ich bei „die richtigen Laufräder“ denke? Das könnte eigentlich alles sein, solange es halbwegs leicht, aber auch halbwegs breit daher kommt. Es könnte schlicht 650b sein, es könnte 26+ sein, vermutlich werden es aber die überall diskutierten 650+ Räder sein, womit diese neue Generation Freerider zu mächtigen Dampfwalzen würden; Man stelle sich vor: 180 mm Federweg und auch noch dicke, weiche Reifen, das ergäbe unerhörte Sicherheit, die man dennoch aus eigener Kraft bewegen könnte…

Ich bin mir sicher: Diese Bikes werden kommen. 14 kg, 180 mm Federweg, 1X11, dicke Reifen.

Ich bin mir nicht sicher: Werden die Teile wirklich Freerider heißen? Gut möglich, dass auch einfach nur 160 mm Enduros sterben, und gegen Trailbikes oder 180 mm Enduros ausgetauscht werden. Nur den Namen „Superenduro“ wird hoffentlich niemand bemühen, genauso wenig wie „Overmountain“ oder gar „Enduro+“.

Wer jetzt fragt: Wann? Ich bin kein Hellseher und auch kein Hersteller – aber es würde mich wundern, wenn die Eurobike ohne neuen Trend vorbei gehen würde. Ich setze mein Geld auf 180 mm Bikes und 650+.

Titelfoto: Victor Lucas
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